Zuerst die Pandemie, die die Welt durcheinanderbrachte. Dann der Überfall auf die Ukraine, gleichsam direkt vor unserer Haustür. Die Unbeschwertheit schwindet rasch, die Sorgen wachsen noch rascher und die Unsicherheit auch. Wir zittern ums Gas und auch um Treibstoffe. Lieferketten funktionieren nicht mehr, wir müssen lernen mit langen Lieferzeiten zu leben. Und wir leiden zunehmend unter der Inflation, wie uns jüngst eine Umfrage bescheinigte. Preissteigerungen, wie wir sie in den vergangenen Monaten erlebten, gab es mehr als 40 Jahre nicht mehr. In den Supermärkten sind nicht mehr alle Regale immer voll. Und wir müssen damit umgehen, dass nicht nur dort nicht mehr alles zu jeder Zeit sofort und im Überfluss verfügbar ist.
Langsam dämmert uns, dass wir wohl die beste Zeit hinter uns haben. Dass die Zeiten nun wohl andere werden. Dass wir vor Herausforderungen stehen, die wir nie für möglich gehalten hätten. Wir, die Generation zumindest in Westeuropa und in den westlichen Industriestaaten, die am längsten in Frieden gelebt hat.Wir erlebten ein "Goldenes Zeitalter", keine wirklichen existenzbedrohenden Wirtschaftskrisen, keine Kampfhandlungen, nicht bei uns. Es war immer alles da. Geld war billig und die Preise waren alles in allem stabil. Und wenn es einmal Probleme gab, dann war das immer nur für relativ kurze Zeit. Wir sind auch die Generation mit dem meisten Geld, mit dem besten Sozialsystem, der besten Gesundheitsversorgung und den besten Ausbildungsmöglichkeiten. Mehrere Urlaubstrips pro Jahr wurden vielen zur Gewohnheit. Schnell auf einen Kaffee nach Paris, übers Wochenende an einen Strand in Spanien oder Italien, shoppen wie es gefällt und alle paar Jahre ein neues Auto -wir lebten in den vergangenen Jahrzehnten -alles in allem -in einem Luxus, den es bis dahin in der Geschichte nicht gegeben hat.
Vieles wurde zur Selbstverständlichkeit und wir glaubten, dass das die Normalität ist. Und dass es sich auf ewige Zeiten nicht mehr verändert. Alles schien zu gehen. Und alles schien gut zu gehen.
Jetzt aber scheint das Geschichte zu sein. Jetzt könnte sein, dass mit einem Mal nichts mehr geht. Worüber wir uns stritten, nimmt sich mit einem Mal banal aus, all die politischen Auseinandersetzungen und die Themen, um die sie kreisten. Und wir müssen uns fragen, wie wir dieses "Goldene Zeitalter" hätten anders nutzen können und müssen.
Nun schwindet diese Unbeschwertheit. Die Welt wird seit Monaten völlig neu aufgestellt. Nicht nur politisch. Auch wirtschaftlich. Und nicht für ein paar Jahre, sondern wohl für Jahrzehnte und Generationen.
Jetzt sind es die hohen Spritpreise, die Gasgebühren, die steigenden Preise im Supermarkt und das da und dort fehlende Sonnenblumenöl, die uns Sorgen machen, oder dass man auf das neue Auto mehr als ein Jahr warten muss. Bald könnte es um sehr viel mehr gehen. Und es wird bald um mehr gehen. Die Wirtschaftsprognosen werden immer pessimistischer.
Wir werden uns wohl umstellen und wohl auch umlernen müssen. Wir werden lernen müssen zu sparen und sorgsamer mit den Ressourcen umzugehen. Wir werden nun in vielen Bereichen auf dem harten Weg lernen müssen, was wir schon seit langem vor uns hergeschoben haben. In der Klimapolitik etwa, weil wir jetzt sehr viel schneller aus Gas und Öl raus müssen, weil wir uns die Abhängigkeit nicht leisten können. Wir müssen lernen mit einem neuen Preisgefüge zu leben und mit höheren Preisen auch. Und auch mit neuen Wertigkeiten.
Es wird wohl bald auch gefragt werden, was wir uns als Staat noch leisten können. Mit allen möglichen Folgen. Und die Antworten werden andere sein als bisher. Auch weil die Gegebenheiten andere sind.
Die Politik ist gefordert wie lange nicht. Dass sie just jetzt schwach und schlecht ist, wie schon lange nicht, könnte für Österreich schnell zu einem Mühlstein werden. Jetzt sollte es um Weichenstellungen und klare Richtlinien gehen, um Verlässlichkeit und Orientierung. Von all dem ist aber wenig zu erkennen. Es gibt, scheint es, weder Führung noch Kompetenz. Jedenfalls nicht in dem Maß, in dem sie nun nötig wäre. Immer noch ergeht man sich in Schönwetter-PR-Politik, leeren Floskeln und vorgeblich schönen Bildern, so, als wäre das, was wir jetzt erleben, so rasch vorbei, wie manche Krise in den vergangenen Jahrzehnten vorbei gewesen ist.
Das freilich ist kaum anzunehmen, eher anzunehmen ist, dass alles erst richtig anfängt.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. April 2022
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