Die Österreicher halten sich für ein humorvolles Volk. Zumindest laut dem "Humor-Report" des Marktagent-Instituts. Knapp 68 Prozent, also mehr als zwei Drittel, halten sich für "eher" und "sehr" humorvoll, was in politischen Maßstäben bedeutet, dass hierzulande der Humor sozusagen verfassungsmäßig verankert ist.
Aber just genau wenn es um Politik geht, ist den Österreicherinnen und Österreichern offenbar inzwischen jeder Humor vergangen. Das Misstrauen in die Politik, auch das ergab eine Umfrage, ist derzeit so tief wie noch nie.Die Gründe dafür sind so vielfältig wie widersprüchlich. Während die einen mit dem, was sie nur mehr Pandemie-Chaos nennen, hadern, sich vor Teuerungen und wirtschaftlichen Rückschlägen fürchten, und wo immer es geht nach Ausgleich und Unterstützung rufen, wird den anderen bang, weil Geld ihrer Ansicht nach ziellos, leichtfertig und schier ohne jede Hemmungen beim Fenster hinausgeworfen wird.
Die Lage ist aus dem Ruder geraten, spiegelt aber wohl die Verhältnisse in einer Gesellschaft wider, der in den vergangenen Jahren zuweilen jedes Gefühl dafür verlorengegangen ist, mit schwierigen Situationen umzugehen. Dass just jetzt auch die Politik schwach ist und keine Linie hat, tut das Seinige dazu.
Wir seien zu einer Vollkasko-Gesellschaft geworden, heißt es, einer Gesellschaft, die keine Verantwortung mehr übernehmen mag für das eigene Handeln und Leben, sondern sich am liebsten von der Wiege bis zur Bahre alimentieren lässt. Da ist ohne Frage etwas dran. Da stehen nicht mehr nur Arbeitnehmervertreter und Gewerkschafter mit Forderungen nach Ausgleich und Absicherung an. Heute zählen längst auch Unternehmer genauso dazu wie Bauern, Künstler und Kunsteinrichtungen und all die anderen, die immer groß das Wort von den Selbständigkeit und Unabhängigkeit auf ihren Fahnen tragen.
Die Politik und damit der Staat sind nicht ohne Verantwortung für diese Entwicklung. Sukzessive wurden all die Bremsen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gelockert, in der Meinung, damit die Wähler bei Laune zu halten, oder einfach, weil man sich scheute, notwendige und vielleicht unpopuläre Entscheidungen zu treffen.
Ereignisse wie die Corona-Pandemie oder jetzt der Überfall auf die Ukraine ließen die letzten Hemmungen fallen. Das Land und seine Leute werden mittlerweile zum Teil regelrecht zugeschüttet mit Geld. 42 Milliarden Euro sind es bisher, die für die Bewältigung der Folgen von Corona aufgewendet wurden, 3,7 Milliarden sind es nun bereits, die die Regierung für den Teuerungsausgleich ausschüttet.
Dreierlei ist, was dabei auffällt. Zum einen wurde bei all den Hilfen kaum auf den tatsächlichen Bedarf respektive die Bedürftigkeit Rücksicht genommen. Stattdessen konnte die Gießkanne, aus der die Förderung wahllos über alle, vom kleinen Hilfsarbeiter und bis zum Generaldirektor, von kleinen Geschäften bis zu großen Konzernen, verteilt wurde, gar nicht groß genug sein.
Zum Zweiten fällt auf, dass nie über notwendige Alternativen geredet wurde. Zwei Zitate von den Schellhorn-Brüdern, Chef der Agenda Austria der eine, ehemaliger Neos-Politiker und Gastronom der andere, stehen stellvertretend dafür: "Statt die Inflations-Mehreinnahmen zu nehmen und die Steuern auf Arbeit kräftig zu senken, wird wieder einmal in typisch österreichischer Manier Geld verteilt -ein Trauerspiel", sagt Franz Schellhorn von Agenda Austria.
Und sein Bruder Sepp Schellhorn, der Ex-Politiker und Gastronom, fragt: "Gibt es eigentlich schon Überlegungen seitens der Regierung, wie man im Staat spart, damit man die Bürger entlasten kann?"
Das führt direkt zur dritten Auffälligkeit. Es wurde bisher kaum über andere Möglichkeiten und schon gar nicht vom Sparen geredet. Weder im Staat, noch sonstwo. Nie von Möglichkeiten, wie man weniger brauchen könnte, und schon gar nicht davon, dass das nun nötig ist, weil die Zeiten das erfordern. Stattdessen wurde und wird unverdrossen Geld dafür aufgewendet, um den luxuriösen und oft in jeder Hinsicht verschwenderischen Lebensstil der vergangenen Jahrzehnte aufrechtzuerhalten.
In der Bevölkerung indes scheint man schon weiter zu sein als in der Politik. Viele Leute sparen schon jetzt, weil sie wissen, dass es nicht anders geht. Die Politik aber ist noch zu feig dazu.
Dabei hätte sie, siehe oben, nichts mehr zu verlieren.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. April 2022
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