Allerorten schöne Bilder auf Social Media vom Allerheiligen-Trip nach Venedig, der Stippvisite in Laibach über den Jahreswechsel, von den schönen Oster-Tagen in Italien und vom Skiurlaub dazwischen. Dazu Schlagzeilen von einer jubilierenden Reisebürobranche, die sich über die Rückkehr der Touristen freut. Gar nicht zu reden von den proppenvollen Einkaufsstraßen, den Meldungen von einem leergeräumten Arbeitsmarkt, dem Teilzeitarbeits-Boom und davon, dass viele nur vier Tage pro Woche arbeiten, weil man es sich leisten kann.
Und das alles in einer Zeit, die als die schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg gilt. Wie schlecht geht es uns wirklich, fragt man sich da unwillkürlich. Wie passt das zu den lauten Klagen und zu den zahllosen Forderungen, die nicht verstummen wollen? Wie passen dazu die Warnungen vor einer drohenden Verarmung der Bevölkerung und die Berichte davon, dass die Krise die Mitte der Gesellschaft erreicht habe?Irgendwo war in diesen Tagen die Rede davon, dass es für "die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung" de facto kaum einen Kaufkraftverlust gebe. Da kann man schon fragen, ob man mit all den Milliarden für Strompreisbremsen, Teuerungsboni und Wohnkostenzuschüssen nicht aufs Neue die Ineffizienz und die mangelnde Treffsicherheit des Systems bewiesen hat, statt wirklich dort zu helfen, wo es nötig ist, und ob es nicht doch sehr viel eher um die Befriedigung der eigenen Wählerklientel ging als um wirkliche Hilfe. Denn auf der anderen Seite sind die Hilferufe der Caritas nicht zu überhören, die Meldungen von leergekauften Sozialmärkten, von Familien, die mit der Teuerung nicht zurande kommen, die bei den Lebensmitteln sparen müssen und für die die monatliche Miete eine Herausforderung geworden ist -Meldungen von Menschen, für die die Krise trotz aller Hilfen wirklich eine Krise ist, die ihr Leben einschränkt und wie ein Schatten auf ihnen liegt.
Die Lage ist unübersichtlich. Wenn sie von irgendetwas Ausdruck ist, dann wohl am ehesten davon, dass so viel nicht zusammenpasst in diesem Land. Nicht die veröffentlichte Meinung und die tatsächliche Lage, nicht das politische Getöse zu den tatsächlichen Erfordernissen und nicht das Verhalten zur Wirklichkeit. Jammern, was geht, scheint allerorten das einzig Verbindende - man könnte ja zu kurz kommen.
Das wirft Fragen auf und es ist an der Zeit, Dinge zu sortieren. Allein schon, um zu erkennen, wie die Dinge wirklich liegen.
Da ist zunächst festzuhalten, dass Österreich weltweit zu den Staaten mit den höchsten Sozialausgaben gehört. Weit mehr als 130 Milliarden Euro werden inzwischen für die soziale Absicherung der Bevölkerung ausgegeben. Das ist doppelt so viel wie noch vor zwanzig Jahren, rechnet die Agenda Austria vor. Das passt nicht zur allerorten geäußerten Unzufriedenheit.
Festzuhalten ist zum Zweiten auch, dass der Staat auf unsere Einkommen greift wie kaum anderswo. In kaum einem anderen Land kommt wegen der hohen Lohnnebenkosten von dem, was eine Firma für die Mitarbeiter an Steuern und Abgaben zahlt, so wenig auf dem Lohnkonto an - was Beleg dafür ist, dass bei uns die Menschen durchaus mehr Geld haben könnten um mit dem Leben besser zruechtzukommen.
Zum Dritten wird bei uns gerne unter den Teppich gekehrt, dass sechs von zehn Haushalten ohnehin bereits jährlich mehr öffentliche Gelder aus dem System beziehen, als sie einzahlen. Sie sind Nettoempfänger und mithin Profiteure des Systems, an dem sie so gerne ihr Mütchen kühlen - was vor allem zeigt, dass es am System krankt.
Da passt vieles nicht zusammen. Vieles will man nicht zur Kenntnis nehmen und vieles nicht akzeptieren. Nur, dass man nicht umgehen kann damit, beweist Österreich seit Jahrzehnten. Und dass eine hohe Steuerbelastung und extrem angestiegene Sozialausgaben kein Garant für einen funktionierenden Sozialstaat sind. Aber davon mag man in diesem Land nicht reden. Schon gar nicht darüber, dass der österreichische Sozialstaat wohl zu den ineffizientesten zu zählen ist. Was freilich jene freuen dürfte, die vom Osterurlaub zurückkommen und schauen, ob der Stromlieferant die versprochene Strompreisbremse berücksichtigt hat, um dann die Reisebürokataloge auf der Suche nach einem Ziel für den Sommer zu durchsuchen.
Nicht aber die, die jetzt wirklich in der Krise stecken und jeden Euro dreimal umdrehen müssen.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. April 2023
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