Dienstag, 4. April 2023

Molto simpatico

Die „Frankfurter Allgemeine“ ist nachgerade verzückt von den Plänen Italiens die Produktion von Laborfleisch zu verbieten. „Die Italiener haben ein inniges Verhältnis zu ihrer Landwirtschaft, die bekanntlich viele gute Nahrungsmittel hervorbringt“, schreibt der Korrespondent der deutschen Tageszeitung und befindet: „Die Regierung in Rom hat nun ein starkes Zeichen für den Erhalt ihrer Landwirtschaft und Tierzucht gesetzt“.

Man mag Laborfleisch und andere künstlich erzeugte Lebensmittel sehen, wie man will. Man mag sie verteidigen wegen des Tierschutzes und wegen der Umwelt und nichts von Verboten halten, aber dass man just in Italien, einer der Festungen der europäischen Kochkunst, alles daransetzt, Laborfleisch zu verbieten, ist, wie soll man sagen – zumindest sehr sympathisch.

„Höchste Zeit“ denken sich wohl viele, dass man sich gegen das wehrt, was da in den Labors rund um den Globus als so genannter Ersatz für von der Landwirtschaft erzeugte Produkte zusammengemixt wird und die Zukunft sein soll. Und es geht wohl vielen auch bei uns hinunter wie Öl, wenn der italienische Bauernverbandspräsident wettert, dass dadurch „die Natürlichkeit der Lebensmittel, die den größten Teil unserer Ernährung ausmachen, gefährdet wird“.

In Wahrheit verwundert, dass es so einen Aufstand bisher noch nicht gegeben hat. Dass die Diskussion so lange schon in nur eine Richtung gelaufen ist. Dass man sich die Bezeichnungen für ursprünglich agrarische erzeugte Produkte, von denen die Bauern leben, von den Erzeugern von Imitaten sehenden Auges stehlen lassen musste. Dass nun bei uns sogar Insekten und Würmer als Nahrungsmittel ein Thema sind.

Freilich muss es bei der Zukunft des Essens und der Nahrungsmittel auch ums Tierwohl gehen, um die Umweltbelastung, die Ressourcenverschwendung und vieles andere mehr, was vielen gestandenen Bauern wahrscheinlich nicht schmeckt. Aber ist deswegen alles andere mit einem Mal nichts mehr wert? Nicht die Originalität des Lebensmittels, die Echtheit und die Herkunft? Nicht die regionale Erzeugung? Nicht die Natürlichkeit, die sich so viele auf ihre Banner schreiben?

Stattdessen schaut man ungerührt zu, wie da in Labors zusammengemischt wird was nicht zusammengehört und hält das für die Zukunft. Selbst wenn Produkte so völlig fleischlos und zuweilen „steril verpackt wie Damenbinden“ daherkommen, wie kürzlich eine Dame eines der neuesten Produkte auf dem österreichischen Markt beschrieb.

Argumente dagegen verhallen, ein Mittelweg wird gar nicht erst gesucht, nicht nach dem ökologischen Fußabdruck gefragt, nicht nach Zusatzstoffen, und schon gar nicht nach den sozialen Folgen und denen für die Umwelt. Denn auch die sind nicht so toll, wie man glauben machen möchte, benötigt doch rein pflanzliche Ernährung mehr Ackerfläche, als eine Landwirtschaft mit Tierhaltung, um die erforderliche Eiweißmenge für die menschliche Ernährung zu gewinnen wie Wissenschaftler vorrechnen.

Auch wenn die Chancen von Italiens Plänen gering, die rechtlichen und politischen Schwierigkeiten groß und Argumente dagegen richtig sein mögen - sympathisch sind die Pläne eben allemal.

Gmeiner-meint - Blick ins Land - April, 4. 4. 2023

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