Donnerstag, 20. April 2023

Pragmatismus schmerzlich vermisst

Im oberösterreichischen Haslach wurde in der vorigen Woche eine indische Familie abgeschoben. Obwohl bestens integriert, trotz 1000 Unterschriften, trotz Arbeit und Ausbildung und trotz gutem Deutsch. "Wir haben klare Regeln und an die haben wir uns auch zu halten", mauerte just die Jugendstaatssekretärin, deren Eltern sich in diesen Tagen in einem ähnlichen Abschiebungsfall engagieren, im Fernsehen. "Der Fall wurde letztinstanzlich vom Bundesverwaltungsgericht entschieden, das ist zu akzeptieren", sagte der Innenminister.

Die Härte und die Gesetze, an die man sich halten muss - das mag ja nachvollziehbar sein. Aber man tut sich trotzdem schwer damit, auch wenn man guten Willens ist. Zum einen sind da die unüberhörbaren populistischen Töne, die da durchdringen, die gar keine Zweifel am eigenen Tun erkennen lassen, kein Verständnis gar, sondern nur schiere Rechthaberei. Zum anderen aber, das vor allem, vermisst man dabei jede Vernunft und jeden praktischen und praktikablen Zugang zu dem Thema. Dabei hätte beides da längst mehr Raum verdient. Auch weil beispielsweise die Mitarbeitersuche derzeit das größte Problem der heimischen Wirtschaft und im Sozialbereich ist.

Irgendwo wurde dieser Tage an die Geschichte vom nationalen Skisprung-Helden erinnert, der sich seinerzeit in Sachen Staatsbürgerschaft vergaloppierte und dem man doch flugs rasch und unbürokratisch helfen konnte. Man weiß, dass man sich in Österreich mit diesen Wegen auskennt und mit dieser Art Probleme zu lösen.

Nur ein kleines Quäntchen von diesem Geist wünscht man sich, wenn es darum geht, neue, praktikable und sinnvolle Wege für und mit Menschen wie jene in Haslach zu finden. Genau dieser Geist ist es, der heute vermisst wird. Es mag schwierig sein, einen gesetzlichen Rahmen dafür zu finden, aber arbeiten daran sollte man dringend.

Österreich braucht Leute, Österreich braucht gute Leute. Aber stattdessen zeigt man lieber billige Härte, setzt wie vorige Woche Leute in den Flieger und schickt sie in ihr Herkunftsland zurück, die man eigentlich dringend bräuchte. Leute, die all das erfüllen, was in diesem Land so vermisst und gesucht wird. Die in der Gastronomie, die vorne und hinten nicht weiß, wo sie Mitarbeiter herkriegen könnte, in der Küche einen guten Job machen. Die eine Ausbildung in der Pflege machen, wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterinnen händeringend gesucht werden.

Wo just in der nämlichen Woche, in der die Familie abgeschoben wurde, zu lesen war, dass in Oberösterreich alleine 1300 Pflegebetten in Altenheimen leer stehen müssen, weil es an Personal fehlt. Und nicht nur dort. Im Handwerk fehlen dem Vernehmen nach gar 170.000 Mitarbeiter und in vielen anderen Sparten auch.

Die Frage ist zu stellen, wie lange sich Österreich diese von Populismus geprägte Politik, die jeden Pragmatismus vermissen lässt, noch leisten kann und die von vielen ohnehin als nichts denn als "schädliche Symbolpolitik", die nirgendwo Erfolg zeigt, gegeißelt wird. Die Probleme werden kaum kleiner, sondern eher größer, die Unzufriedenheit auch.

Das zeigt sich nicht nur beim Umgang mit den Geflüchteten aus dem Nahen Osten und aus Asien, das zeigt sich auch bei denen, die im vergangenen Jahr aus der Ukraine zu uns gekommen sind und mit denen man nichts rechtes anzufangen weiß. Das zeigt sich aber auch dabei, dass man kaum etwas beim vielzitierten "geordneten Zuzug" für die österreichische Wirtschaft voranbringt. Die "Österreich-Card", die dabei immer in den Mund genommen wird, gilt trotz mancher Verbesserungen da und dort nach wie vor als veritabler Flop. 6182 solcher Karten wurden im vergangenen Jahr ausgestellt. Nicht wirklich viel für ein zentrales Instrument der Zuwanderungspolitik auf dem an Personalnot leidenden heimischen Arbeitsmarkt mit zigtausenden offenen Stellen. Da muss man sich schon freuen, wenn, wie in den ersten beiden Monaten diese Jahres, die Zahl der ausgestellten Karten von 764 im vergleichbaren Vorjahreszeitraum auf 1131 heuer gestiegen ist.

Da ist viel Luft nach oben. Der Druck, Lösungen zu finden, wächst in allen Bereichen. Man muss wohl verschiedene Themen neu denken und den Mut zu neuen Wegen aufbringen. Der verlangt nicht nur eine große Portion guten Willen und den nötigen Pragmatismus. Billiger Populismus hat da keinen Platz. Dem Wirtschaftskammer-General ist nur recht zu geben, wenn er sagt, "wenn wir nicht auf eine kontrollierte, aber offensive Zuwanderungspolitik setzen, versündigen wir uns am Wohlstand unserer Bevölkerung".

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. April 2023

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