Donnerstag, 27. April 2023

Drüberfahren und in die Taschen greifen

Eine ordentliche Portion Populismus, eine Brise Protest und dazu ein Schuss "Anti-Establishment-Furor", wie die Kurier-Chefredakteurin das nennt, führten die Freiheitlichen fünf Jahre nach Ibiza wieder an die Spitze der Umfragen und von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. Die ÖVP tut sich schwer mit so einem Stil zumal sie selbst regiert und muss neuerdings gar fürchten, dass ihr nun auch von anderer Seite das Wasser abgegraben wird. Denn, und das ist neu, nun macht sich auch auf der linken Seite des politischen Spektrums ein Populismus breit, mit dem schwer umzugehen ist.

Da ist mit einem Mal dieser unverhohlene Ruf nach noch mehr Staat, wenn nicht gleich überhaupt gefordert wird, in die Demokratie einzugreifen. Das gilt nicht nur für Parteien wie die in Salzburg so erfolgreiche KPÖ Plus, das gilt auch für die SPÖ, wo der Kampf um die Stimmen der SPÖ-Mitglieder vor allem bei den männlichen Kandidaten Kräfte und Phantasien freisetzt, die man längst vergessen und überwunden glaubte. Auch bei vielen, die sich der Klimarettung verpflichtet fühlen, macht sich dieses Gedankengut breit. Unverhohlen fordern da inzwischen sogar Leute wie der Generalsekretär des honorigen Club of Rome, das "demokratische System für lange Zeit außer Kraft zu setzen", um das Klima zu retten, und junge Klimaaktivisten liebäugeln mit der Abschaffung der Marktwirtschaft.

All das fühlt sich nicht anders an als das, was gerade von diesen Seiten des politischen und gesellschaftlichen Spektrums immer kritisiert wurde und wird - wie der Ruf nach einer starken Hand, die ohne viel Rücksicht durchgreift und aufräumt.

Es könnte einem anders werden. Als Beobachter staunt man, was da an Forderungen inzwischen alles möglich ist. Rechtfertigen die Probleme und die Herausforderungen, vor denen Gesellschaft und Politik stehen, wirklich, was da allen Ernstes vorgeschlagen und versprochen wird?

Ein regelrechtes Wettrennen ist da in den vergangenen Wochen entstanden. Wer kann noch besser lizitieren, ohne jede Rücksichtnahme auf die Folgen, die man damit anrichten kann. Doskozil oder Babler? Ein Machtpolitiker der eine, der in seinem Bundesland dirigistische Maßnahmen durchsetzte, die nicht nur staunen lassen, sondern auch viel Kopfschütteln und oft richtig Kopfweh verursachen in Branchen wie der Landwirtschaft, über die er gnadenlos und ohne jede Rücksicht drüberfährt.

Kaum anders der andere. Ihn unterscheidet - abgesehen vom Migrationskurs - allenfalls die noch höhere Aggressivität von seinem Konkurrenten. "Endlich wieder ein echter Roter", wird von ihm geschwärmt.

Klassenkampf 4.0 sozusagen, in dem man alles schlecht macht, selbst das, was man selbst respektive die eigene Partei und die eigenen Organisationen erreicht und aufgebaut hat -soziale Versorgung, freier Zugang zu Bildung, Kollektivverträge, Mieterschutz und vieles mehr. In diesem Umfeld tut sich selbst die amtierende SP-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner, die dritte Kandidatin, schwer.

Was auffällt, ist, dass Forderungen wie staatliche Job-Garantien, 32-Stunden-Woche, Gratis-Bio-Essen in Kindergärten und Schulen, eine Grundsicherung für Kinder oder finanziell gestaffelte Öffi-Tickets eifrig und oft mit einem Schuss Bewunderung in der Öffentlichkeit rapportiert, aber kaum wo ernsthaft ihrer möglichen Tragweite diskutiert werden. Über Geld redet man offenbar nicht, Geld nimmt man, scheint allerorten verbreitetes Verständnis von guter Politik zu sein. Nach der Finanzierung fragt niemand. Die Vermögenssteuern und die Erbschaftssteuern sollen es richten -so ein Konzept gefällt vielen in diesem Land. Drüberfahren und in die Taschen greifen. Staatlich verordnetes und verwaltetes Glück scheint in diesem Land viel häufiger der Traum und die Erwartung der Menschen zu sein, als man glauben möchte.

Es scheint nicht darum zu gehen, im Sinne der Menschen und des staatlichen Ganzen bessere Lösungen zu finden, sondern nur darum, wer der Stärkere und Rücksichtslosere ist bei der Durchsetzung seiner Agenda.

Die Wirklichkeit zählt da wenig, und auch nicht die Frage, was man mit dem vorhandenen Geld besser machen kann, wo es nutzlos versickert und wo die Falschen davon profitieren. Schließlich zählt Österreich zu den Ländern mit den höchsten Sozialausgaben pro Kopf. An Spielräumen mangelt es da nicht.

Aber derzeit gilt allemal eher, was die Tageszeitung "Die Presse" so formuliert: "Die Utopie wird salonfähig." Aber wie das mit Utopien so sei, halten sie der Realität nicht stand.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. April 2023

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