Seit der Corona-Krise hat die heimische Landwirtschaft einen neuen Werbeschlager. „Auf uns Bauern kann man sich verlassen, wir liefern auch in Krisenzeiten“ tönt es seither von allen Seiten. Und die Agrarpolitiker und Standesvertreter werden nicht müde von der hohen Selbstversorgung zu schwärmen.
Mit Verlaub – das alles grenzt
an, um bei einem Wort aus der Corona-Krise zu bleiben, Schwurbelei. Österreichs
Versorgung ist vor allem gesichert, weil die internationalen Lieferketten allen
Problemen zum Trotz im Großen und Ganzen funktionieren. Und mit der
Selbstversorgung schaut es alles andere als so gut aus, wie das der Bevölkerung
gerne glauben gemacht wird. Davon sind wir meilenweit entfernt, außer wir
wollen uns Tag für Tag mit Milch und Rindfleisch vollstopfen, die mit
Selbstversorgunggraden von 177 und 145 Prozent tatsächlich erstaunen.
In praktisch allen anderen
Bereichen hingegen schaut es zuweilen sehr mau aus. Bei Schweinefleisch kommt
man gerade nicht über die 100 Prozent-Marke, bei Geflügelfleisch ist man mit 77
Prozent weit entfernt von einer gesicherten Eigenversorgung. Mit einem
Selbstversorgungsgrad von 94 Prozent bei Käse und gar nur 73 Prozent bei Butter
ist man selbst in zwei gerne hoch gehaltenen Produktionssparten auf Importe
angewiesen. Und da ist noch gar nicht die Rede von Getreide, Pflanzenölen,
Eiern, Gemüse, Kartoffeln und Obst.
Klar ist zu berücksichtigen, dass nicht alles in Österreich
wächst und auch Märkte und Preise eine große Rolle spielen. Aber die teilweise
beachtliche Importabhängigkeit hat noch eine Seite, über die man gar nicht
gerne redet - von der Abhängigkeit von Genetik und Zuchtmaterial aus dem
Ausland ist in der tierischen Produktion genauso wenig die Rede, wie von den
Sojaimporten aus Übersee für die Fütterung. Auch nicht von den
Pflanzenschutzmitteln und schon gar nicht davon, dass die größte heimische
Düngerproduktion ans Ausland verkauft wurde. Und gar nicht zu reden der
Abhängigkeit von Energieimporten wie Treibstoffen und Gas, ohne die auch in der
Landwirtschaft nicht viel laufen würde
Um nicht missverstanden zu werden – es ist nicht
schlecht, wie wir in Österreich in Sachen Selbstversorgung dastehen und man
kann auch stolz drauf sein. Aber, man sollte die Kirche im Dorf lassen. So
gülden ist die Situation nicht. Darum sollte man sich mit diesem Thema
ernsthaft auseinandersetzen und mit Hochdruck daran arbeiten, die heimische
Landwirtschaft tatsächlich resilient, also widerstandsfähig und möglichst
unabhängig von internationalen Entwicklungen, zu machen. Dass neuerdings gerne
Verbote von Pflanzenschutzmitteln mit der Gefährdung der Versorgungssicherheit
in Verbindung gebracht werden, ist nachvollziehbar, aber, mit Verlaub, zu
wenig.
Das alles fügt sich freilich in ein seit Jahrzehnten
bekanntes Verhaltensmuster der Landwirtschaft. Man lobt sich gerne selbst bis
an die Grenzen des Selbstbetrugs, statt der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und
mit nachhaltigen Strategien zu reagieren, die den Namen wirklich verdienen -
und den Bauern wirklich weiterhelfen.
Gmeiner meint - Blick ins Land 6.12. 2023
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen