Donnerstag, 26. September 2024

Unsicherheit liegt über dem Land

Der Wahlkampf, man sagt es in diesen Tagen so, ist in der Zielgeraden. Hektik allerorten, Analysen, mehr oder weniger klug, zuhauf, Fernsehduelle, Elefantenrunden, Spekulationen über künftige Koalitionen. Aber das Ziel dieser Geraden, von der die Rede ist - dieses Ziel wird man wohl verfehlen. So viel scheint jetzt klar. Es wird wohl ein Wahlergebnis geben, das mehr Unsicherheit bringt als die Klarheit, die sich viele Menschen in diesem Land so wünschen und die es auch bräuchte. Wie die Dinge liegen, scheinen wir eher auf instabile Verhältnisse zuzusteuern. Wie immer sich die künftige Regierung zusammensetzen wird, sie wird in jedem Fall mit einer erbitterten Opposition zu tun haben.

Es liegt Unsicherheit über dem Land. Bis wir eine neue Regierung haben, wird es Monate dauern. Wie sie ausschauen wird und ob sie auch von der Bevölkerung akzeptiert wird, ist schwer zu sagen. Niemand weiß, wie das Land wirklich reagiert, wenn Kickl tatsächlich gewinnen sollte oder es gar wieder zu einer schwarzblauen Koalition kommt, zu diesem Rechtsruck, der von manchen als der Schrecken schlechthin an die Wand gemalt wird. Und schon gar niemand weiß, was sein wird, wenn ihm das Regieren verweigert wird. Drohen uns unruhige Zeiten? Chaos gar?

Die Situation, wie wir sie jetzt in dieser Woche vor den Nationalratswahlen vorfinden, ist ein Spiegel der Politik der vergangenen Jahre. Der raue Ton, die oft spürbare gegenseitige Verachtung, der mangelnde Wille zur Zusammenarbeit, die dem Land zunehmend zu schaffen machten. Man flickte sich sehr viel lieber gegenseitig ans Zeug, als dass man die Energie darein setzte, für das Land etwas weiterzubringen. Man setzte die Energien vornehmlich dafür ein, die Mitbewerber zu Versagern zu stilisieren und sie als Gefahr für die Zukunft zu stigmatisieren, denn diese Zukunft anzugehen.

Darin spiegelt sich freilich auch, dass die Erwartungen und Wünsche der Österreicherinnen und Österreicher in den vergangenen Jahren zuweilen nachgerade diametral auseinandergelaufen sind. Selten, und das macht die Wahlen am kommenden Sonntag auch so spannend, sind sie so wenig in eine Richtung gegangen wie diesmal. Das hat auch damit zu tun, dass die Politik das Trennende vor das Gemeinsame stellte. Gräben gehen heute durch die Gesellschaft, um die zuzuschütten sich kaum jemand kümmern mag.

Die Hochwasserkatastrophe in Niederösterreich brachte zuletzt etwas Ruhe in den hitzigen Wahlkampf. Die unfreiwillige Wahlkampfpause tat gut. Sie zeigte auch, wofür es die Politik braucht und dass es sie braucht. Allerorten ergeht man sich freilich seither in Spekulationen über die möglichen Auswirkungen der Katastrophe auf das Wahlergebnis. Aber wackeln mit einem Mal wirklich alle Prognosen, wie es manche meinen? Profitieren wirklich die Regierenden von so einer Situation? Wer hat was richtig gemacht in diesen Tagen und wer etwas falsch?

Man ist geneigt zu meinen, dass der Kanzler davon am meisten profitieren konnte, weil seine Rolle als Verantwortlicher für das Land auf allen Kanälen zu sehen war. Aber auch der Spitzenkandidat der SPÖ gewann in diesen Tagen an Profil. Die Bilder von ihm in Feuerwehruniform wirkten authentisch und dass man nun im ganzen Land weiß, dass er sogar Feuerwehrmitglied ist, gereicht ihm sicherlich nicht zum Schaden. Und sein Einsatz findet immer mehr Anerkennung. Der freiheitliche Spitzenkandidat hingegen wirkte in seinem Statement in seinem Holzfällerhemd in einem schlecht ausgeleuchteten Hinterzimmer mehr beliebig als betroffen. Ganz abgesehen davon, dass die Ereignisse der vergangenen Tage seine Einschätzung zum Klimawandel eindrücklich konterkarierten. Die Grünen hingegen könnten die Bilder von der Katastrophe vor dem Untergang gerettet haben, zeigten sie doch eindrücklich, dass ihre Warnungen und ihre Ideen durchaus ihre Berechtigung haben.

Nach den vergangenen zwei Wochen ist nicht unwahrscheinlich, dass das Wahlergebnis doch sehr viel enger ausfällt, als man bisher meinte und als es die Prognosen vorhersagen. Schon das Ergebnis der Europawahlen zeigte das. Entgegen allen Erwartungen rückte die ÖVP auf 0,9 Prozent an die Freiheitlichen heran. Und auch die SPÖ lag nicht wirklich weit dahinter.

Am Sonntagabend wissen wir mehr - ob Österreich wirklich anders wird, wie sich das viele wünschen, wird sich erst danach weisen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. September 2024

Donnerstag, 19. September 2024

Leiden an „begründeter Scheinheiligkeit“



Was bisher eine gängige Vermutung war, wurde jetzt erstmals wissenschaftlich untermauert. Eine Untersuchung der Linzer Johannes Kepler Universität bestätigte, dass beim Kauf regionaler, biologisch hergestellter und qualitativ hochwertigen Lebensmittel bei den Konsumentinnen und Konsumenten Anspruch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen. Demnach geben 47 Prozent der Befragten zu, dass sich bei ihnen Einstellung und Einkaufsverhalten nicht decken. Aber es ist nicht nur das. Gleich 72 Prozent gehen davon aus, dass nicht nur bei ihnen, sondern auch bei den anderen, Einstellung und konkretes Einkaufserhalten nicht übereinstimmen.

Österreichischer hätte das Ergebnis der Studie nicht sein können – wenn man selbst in Erklärungsnot ist, zeigt man gerne mit dem Finger auf die anderen. „Die sind ja noch schlimmer“.

Man ahnt, dass das nicht nur beim Einkaufen von Lebensmitteln gilt, sondern auch bei Kleidung, beim Klimaschutz und vielem anderen. Ganze Dörfer und Kleinstädte gehen seit Jahren wegen dieser Haltung unter, Bauern auch und kleine Händler, nicht nur Lebensmittelhändler, und Gewerbetriebe, Wirte auch und alle anderen, die sich auf das verlassen haben, was allerorten von den Konsumenten und auch von der Politik versprochen wurde. Weil überall Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen und oft nicht zusammenpasst, was versprochen und was dann wirklich getan wird.

Und überall hat man allerhand Ausreden und Erklärungen dafür. Die hohen Lebenshaltungskosten, die Preise – man findet immer etwas, um zu entschuldigen, warum bei einem Denken und Handel auseinanderklaffen. „Begründete Scheinheiligkeit“ wird das genannt.

Oft ist es freilich auch Gedankenlosigkeit. Just die ÖVP, deren Bauernbund nie müde wird darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist heimisch zu kaufen, sorgt derzeit in der Bauernschaft für Staunen. Der Zucker in den kleinen Säckchen, die derzeit überall im Land von den Wahlhelfern in allem Haushalten verteilt werden, ist nämlich ganz anders als man meinen möchte, nicht aus Österreich. „Die süße Wahl“ steht in großen Lettern auf dem kleinen Säckchen und ganz klein daneben „Zucker aus anderer Herkunft“. Ausgerechnet.

Man ist es gewohnt in diesem Land und man nimmt es hin. Das Umfragergebnis aus Linz, die Zuckersackerl der Volkspartei, sie fügen sich in eine Linie. Ein bisserl Augenzwinkern allerorten, ein bisserl schlampig. Anspruch und Wirklichkeit sollen übereinstimmen, man soll nicht einfach gedankenlos handeln? Ja eh – wenn es passt. Man ist es gewohnt, dass allerorten Wasser gepredigt aber Wein getrunken wird.

Das gilt ganz unten und ganz oben genauso. Das gilt am Stammtisch, beim Kaffekränzchen, im Sportplatzbuffet und in der Politik. Man redet den anderen gerne nach dem Mund, man weiß was man wo zu sagen hat und was man wo nicht sagen darf. Weil man Anerkennung will, weil man unangenehme Fragen oder Diskussionen gar vermeiden will. Viele trauen ich meist nicht sagen, was sie wirklich denken, viele wollen das auch gar nicht. Man redet herum, man weicht aus, man duckt und man drückt sich. Man legt bei anderen gerne die Latte hoch, hat aber keine Probleme drunter durchzugehen, wenn‘s um einen selbst geht. Die Landwirtschaft kann ein Lied davon singen, die Wirtschaft auch und, ja, auch die Politik.

Selbst die Meinungsforscher haben damit zu kämpfen. Nicht zuletzt deshalb lagen sie bei den jüngsten Wahlen oft so deutlich daneben - die Befragten sagen ihnen immer öfter auch unter Zusicherung der Anonymität nicht, wie sie sich wirklich denken und wählen. Das gilt auch für die kommenden Nationalratswahlen. Bei den Prognosen muss man diesmal vor allem einkalkulieren, dass viele nicht sagen wollen, dass sie Kickl wählen.

Auf diese Art und Weise sind in den vergangenen Jahren im ganzen Land quer durch alle Gesellschaftsschichten regelrechte Parallelwelten entstanden. Nicht nur unter Ausländern, die in Österreich leben und die dafür von manchen so gerne kritisiert werden, sondern auch und vor allem unter Österreicherinnen und Österreichern. Kreise, in denen man sich unter sich wähnt und in denen man redet, wie man sonst nicht reden würde.

Nicht zuletzt deshalb wohl ist vieles in diesem Land unberechenbar geworden. In der Politik und in der Gesellschaft. Anspruch und Wirklichkeit klaffen immer weiter auseinander – auch weil die „begründete Scheinheiligkeit“ längst für allzu viele zur Grundhaltung geworden ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. September 2024

Donnerstag, 12. September 2024

Unzufrieden im Schlaraffenland

Der Klimabonus ist wirklich europaweit einzigartig", schwärmte die Umweltministerin vorige Woche in einem eigens dafür angefertigten Video auf X. "Diese Woche hat die Auszahlung gestartet. Mehr als 7,8 Millionen Menschen bekommen den Klimabonus direkt, antragslos ganz einfach aufs Konto überwiesen. So zeigt sich - Klimaschutz zahlt sich auch im Geldbeutel aus."

So toll ist das hierzulande. Da kommt das Geld ins Haus, ohne dass man etwas dazu tun muss und man bekommt auch noch Geld fürs Klimaschützen - auch wenn man wetten möchte, dass der Großteil der Empfänger gar nicht weiß, wofür sie den Klimabonus wirklich bekommen.

Ob das Geld -145 bis 290 Euro, je nach dem Wohnort -freilich wirklich geschätzt und als Hilfe empfunden und ob es der Umweltministerin am Wahltag helfen wird, muss sich freilich erst weisen. Die Chancen dafür stehen wohl eher schlecht.

Ähnliches gilt wohl auch für den Landwirtschaftsminister, der dieser Tage bei der Agrarmesse in Wels von 500 zusätzlichen Millionen Euro redete, die in den vergangenen Jahren an Bauernhöfe überwiesen worden seien. Es ist nichts davon überliefert, dass die Bauern irgendwo in Jubel ausgebrochen sind. Ganz im Gegenteil -in machen Produktionsbereichen der Landwirtschaft ist die Stimmung durchaus gereizt, sind die Bauerneinkommen doch wieder eingebrochen.

Dass die Begeisterung trotz aller Millionen überschaubar bleibt, hat wohl damit zu tun, dass es in den vergangenen Jahren Usus geworden ist politische Maßnahmen wie Förderungen nicht einfach zu beschließen und dann auszuzahlen, sondern dass man heutzutage versucht, damit über Monate politisches Kleingeld zu machen. Da eine Pressekonferenz, dort eine Inseratenserie, dann wieder Medienankündigungen und so weiter und so fort. Bis die so lautstark versprochenen Fördergelder wirklich ausgezahlt werden, haben die Empfängerinnen und Empfänger meist längst vergessen, wofür sie eigentlich waren. Und dass sich all die hunderten Millionen für Entlastungsmaßnahmen und Förderungen, für die die Politik bejubelt werden möchte, auf dem eigenen Konto meist als nicht mehr als ein paar hundert Euro, wenn es denn überhaupt so viel sind, erweisen, tut das seine dazu, dass sich die Dankbarkeit der Wählerschaft meist in engen Grenzen hält.

Milliarden wurden in den vergangenen Jahren auf diese Art verteilt. Gleichsam wie mit der Gießkanne. An Bedürftige, an weniger Bedürftige, an viele, denen es gar nicht auffiel, dass sie etwas bekamen. Klimabonus, Gebührenbremse und wie sie alle heißen -manche sind sinnvoller, manche weniger sinnvoll. Manche helfen wirklich, viele kaum.

"Koste es, was es wolle" war die Devise, die der damalige Kanzler ausgab und die alle Dämme endgültig brechen ließ. Seither kämpft das Land mit einem ungeheuer hohen Schuldenberg, der dunkle Schatten über die Zukunft legt. Zufriedener ist wohl kaum jemand geworden. Das Geld freilich nimmt jeder gerne. Das Kalkül ging selten auf. Statt der wohl oft erwarteten Dankbarkeit wurde eher das Anspruchsdenken des p.t. Wählerpublikums weiter angefacht.

Da nimmt nicht wunder, dass wir uns angewöhnt haben zu fordern. Wir sind immer schneller geworden dabei, nach Hilfe von der öffentlichen Hand zu rufen. Es gibt das schlimme Wort von der "Vollkaskogesellschaft", in der es keine Eigeninitiative mehr braucht und schon gar keine Eigenverantwortung. In der man im Fall des Falles auf jeden Fall vom Staat verlangt einzuspringen -auch wenn man von ebendiesem sonst nichts hält.

Mitunter beißt sich die Katze dabei selbst in den Schwanz. Einigermaßen unbestritten ist, dass die schier unbegrenzten Förderungen der vergangenen Jahre direkt und indirekt für die hohe Inflation verantwortlich sind. Und einigermaßen unbestritten ist, dass viele der Förderungen die Existenz von nicht wenigen Unternehmen künstlich hinauszögerten und wir heute deswegen in einer Insolvenzwelle und Problemen auf dem Arbeitsmarkt stecken.

Darüber, ob all die Millionen und Milliarden geholfen haben, die gerade in den vergangenen Jahren so reichlich geflossen sind, ist man sich heute unschlüssiger denn je. Und es fragt sich, ob wir uns damit nicht in eine Situation hineinmanövriert haben, um nicht zu sagen hineingefördert haben, die kaum mehr beherrschbar ist.

Und das freilich kann für den Geldbeutel ganz andere Folgen haben als die, mit denen die Umweltministerin den Klimabonus anpries.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. September 2024

Milchbauern setzen auf neues Tierwohl-Siegel

Bei Berglandmilch sieht man keine Alternative zu mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit.

Hans Gmeiner 

Aschbach. Es war keine leichte Geburt und der Start war ziemlich holprig im Jahr 1994, wenige Monate vor dem Beitritt Österreichs zur EU. Heute verarbeitet die Berglandmilch, zu der sich damals sechs Molkereien zusammengeschlossen hatten und die am Mittwoch ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert hat, unter Marken wie Schärdinger, Tirolmilch oder Stainzer Milch rund 40 Prozent der in Österreich erzeugten Milch und steht solide da. Der Umsatz liegt bei rund 1,2 Mrd. Euro, im Durchschnitt werden pro Jahr 40 Mill. Euro investiert, um auf dem Markt Schritt halten zu können. Mit solchem Hintergrund tritt man Gerüchten, eine Gruppe unzufriedener Milchbauern wolle eine eigene Vermarktungsgemeinschaft gründen, unaufgeregt entgegen. „Wir sehen das ganz sportlich und pragmatisch“, sagt Stefan Lindner, als Obmann oberster Bauernvertreter im Unternehmen. „Ich als Bauer würde nie zu einer Liefergemeinschaft gehen und den Preissprüngen auf den Märkten ausgesetzt sein wollen, sondern möchte an ein Unternehmen liefern, das mir Sicherheit gibt.“

Dass es in der Bauernschaft Diskussionen gibt, versteht er. „Es wird ja nicht einfacher“, sagt Lindner mit Verweis auf die Diskussionen rund um das neue AMA-Tierwohl-Siegel, auf das umzusteigen die meisten heimischen Molkereien ihren Lieferanten nun vorschreiben. „Aber ein Großteil unserer Exporte geht nach Deutschland, wo das verlangt wird, und generell gehen die Anforderungen der Konsumenten klar in Richtung Nachhaltigkeit und Tierwohl.“

Das Gros der Bauern zieht auch mit. „Von den 8400 Berglandmilch-Lieferanten sind bis auf 37 alle im Boot“, sagt Josef Braunshofer, Generaldirektor der Berglandmilch. Insgesamt sind laut AMA-Marketing 86 Prozent der 19.500 Gütesiegel-Milchbauern auf das neue Tierwohl-Siegel umgestiegen.

Die Geschichte der Berglandmilch ist ein Spiegel der Geschichte der heimischen Landwirtschaft in den vergangenen 30 Jahren. Statt wie ursprünglich an 27 Standorten verarbeitet das Unternehmen heute die Milch an sieben Standorten. Die Zahl der Lieferanten sank zwar von mehr als 22.000 auf einen Bruchteil, die verarbeitete Milchmenge wuchs aber von 680 Mill. auf 1,3 Mrd. Liter. Mit 160 Mill. Litern Bio- und 80 Mill. Litern Heumilch ist Berglandmilch heute zudem der größte Abnehmer in diesen beiden Sparten. Statt bei acht Prozent wie damals liegt die Exportquote heute bei knapp 40 Prozent.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 12. September 2024

Samstag, 7. September 2024

Landwirtschaft gleicht einer Dauerbaustelle

Die Bauern stehen unter Druck. Dabei floss in den vergangenen Jahren so viel Geld wie nie zuvor auf die Höfe – und der Milchpreis ist hoch wie selten zuvor.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Von mehr als 500 Millionen Euro, die zusätzlich zu den Ausgleichszahlungen in den vergangenen Jahren als Entlastung an heimische Landwirte flossen, war die Rede und von mehr als 100 Maßnahmen, die für „die Bäuerinnen und Bauern“ auf den Weg gebracht wurden. Der traditionelle Herbstauftakt des Bauernbundes mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, Bauernbundpräsident Georg Strasser und Josef Moosbrugger, dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer Österreich, auf der Messe AgroTier in Wels am Freitag stand ganz im Zeichen des Wahlkampfs. „Wir haben viel erreicht“, sagten die drei unisono. Bei den Bauern ist dennoch nicht alles eitel Wonne und die Unruhe ist nicht zu übersehen.

In der Tierhaltung sorgt seit Wochen die Umstellung der Molkereien auf das Tierwohlsiegel der AMA für Unruhe und zuweilen heftige Diskussionen. Die Bauern haben Angst, auf den Mehrkosten sitzen zu bleiben. Auch wenn das Gros der Bauern Ja zu den neuen Regeln sagt, ohne die vor allem im wichtigsten Exportmarkt Deutschland keine Milch mehr verkauft werden kann, weigern sich einige wenige sehr lautstark dagegen. Sie wollen nicht akzeptieren, dass sie für Milch, die nicht nach diesen Kriterien erzeugt wird, deutliche Preisabschläge hinnehmen sollen. Sogar die Gründung einer eigenen bäuerlichen Liefergemeinschaft steht im Raum. Dabei ist der Bauernmilchpreis mit rund 50 Cent pro Kilogramm hoch wie kaum je in den vergangenen Jahren.

Das Thema Tierwohl sorgt auch bei Schweinehaltern für dicke Luft. Dort hofft man immer noch auf eine längere Frist für die Umstellung von Vollspaltenböden auf tierfreundlichere Varianten.

In einer hartnäckigen Krise stecken die Biobauern. Angebot und Nachfrage passen nicht zusammen. Im Handel wird Bioware oft billiger als vergleichbare konventionell erzeugte Ware angeboten. Damit nicht genug, sieht sich auch Bio Austria, der größte Verband der Biobauern, mit Vorwürfen konfrontiert, durch Importgenehmigungen zu niedrigen Preisen insbesondere bei Soja und Mais beigetragen zu haben. Immerhin zeigt sich neuerdings in manchen Segmenten eine Trendwende auf den Märkten.

Zum Unmut der Landwirte trägt auch bei, dass es auf den offenen Baustellen der Agrarpolitik kaum Fortschritte gibt. Die Bürokratie ist und bleibt ein Dauerthema. Pläne wie die Entwaldungsverordnung oder das Gesetz zur Renaturierung befeuern die Sorgen auf den Höfen.

Und keinerlei Fortschritt gibt es auch bei der Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln in der Gastronomie. Ganz im Gegenteil. Seit dem letzten Vorstoß der Bauern vor dem Sommer sind die Fronten verhärtet wie nie zuvor.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. September 2024

Donnerstag, 5. September 2024

Bedrohliche Dreistigkeit macht sich breit

Es ist, wenn man dem Slogan der Plakatwerbung, die in den vergangenen Wochen für Aufsehen sorgte, Glauben schenken kann, die "Stimme Österreichs". Es ist, wie man nach langem Rätselraten mittlerweile weiß, die Kronen Zeitung, die sich anmaßt, das zu sein. Und das macht Sorgen. Zum einen, weil eine Zeitung ganz unverhohlen versucht, gleichsam mit einem eigenen Programm im Wahlkampf mitzumischen. Zum anderen aber, weil da Forderungen plakatiert werden, die es in dieser Deutlichkeit und Unverfrorenheit auch bisher nicht gab. Eine dieser Forderungen sorgte für ganz besonderes Aufsehen. "Schützen wir die Wiesen und Felder, nicht die Grundbesitzer" wird da in dicken Lettern plakatiert. Da können einem schon Bilder durch den Kopf gehen. Da braucht man gar kein Land- oder Forstwirt zu sein.

Das ist eine neue Qualität in der öffentlichen Diskussion, die durchaus Sorgen machen kann. Nicht mehr nur NGOs und Grüne stellen solche Forderungen. Das Denken und die Haltung, die hinter dieser Forderung stehen, kennt man ja aus den einschlägigen Kreisen schon seit längerem. Nun aber kommen sie auch von außerhalb dieser Kreise, von der größten Tageszeitung im Land, deren Herausgeber und Miteigentümer Christoph Dichand einer der Reichsten im Land ist. Arglos und ganz bewusst werden da Grenzen überschritten. Man macht Stimmung und hat auch keine Probleme Eigentum anzugreifen.

Was die "Krone" plakatiert, passt nahtlos zum Verständnis von Politik, das auch von NGOs immer unverfrorener und mit immer weniger Zurückhaltung vorgelebt wird. Was demokratisch nicht erreicht werden kann, versucht man immer dreister durchzusetzen. Unter dem Deckmantel des Klimaschutzes ist man bereit, weit über alle Grenzen zu gehen. Die Land-und Forstwirtschaft etwa, und nicht nur die, sieht man dort als Teil des Gemeinwohls. Der Wald, der Boden und das Wasser seien "allgemeines Gut" ist dort immer öfter ganz ungeschminkt zu hören. Da könne man "die Verantwortung nicht Einzelnen überlassen", da müsse man sich "nicht nur an Gesetze halten, sondern da müsse man alles größer sehen und denken".

Und da sei es nur recht und billig, dass die Gesellschaft mitredet - ganz so, als ob die Gesellschaft nicht schon jetzt mitreden würde. Und das gar nicht wenig. Gerade die Bauern und Forstwirte können ein Lied davon singen. Vorschriften und Kontrollen überall und bis zum Abwinken, die ihnen das Wirtschaften verleiden. Und immer noch kein Ende in Sicht, denkt man nur an die Diskussionen rund um Green Deal und Renaturierung oder an die Entwaldungsverordnung, die vielen regelrecht Existenzsorgen bereitet.

So viel Dreistigkeit, so viel Begehrlichkeit und so viel Unverschämtheit auch, war in diesem Land kaum je zu hören. Es ist zuweilen so, als würde etwas kippen in dieser Gesellschaft. Das Verständnis für andere schwindet rasant, ein Schwarz-Weiß-Denken greift in schier atemberaubendem Tempo um sich. Tabus waren gestern. Verantwortungsloser Populismus nicht nur aus den einschlägigen Ecken macht sich breit. Vom Grundbesitz über die bis zur Vermögensbesteuerung bis zur Erbschaftssteuer -ins Eigentum einzugreifen wird immer öfter für selbstverständlich gehalten.

Diese dreisten und simplen Forderungen überall, dieses Unverständnis für andere, dieses Negieren von Zusammenhängen greift immer weiter um sich. Längst muss man sich Sorgen machen, dass da die demokratischen Strukturen, das höchste Gut das wird haben, unter die Räder kommen. Und das nicht nur wegen Politikern wie Kickl, auf die alle zeigen. Politiker anderer Parteien, wie Babler, viele Grüne oder die Kommunisten, stehen dem Chef der Freiheitlichen um nichts nach, wenn es darum geht über Grenzen zu gehen und das System zu verändern und auch auszuhebeln. Und schon gar nicht manche NGO oder Aktivisten, die kein Problem damit hätten, Maßnahmen, etwa zum Schutz der Umwelt, auch mit Zwang und unter Beugung des Rechtes durchzusetzen, wenn sie nur die Möglichkeit dazu hätten.

Es macht Staunen, wie schnell man den Rechtsstaat vergisst und wie leichtfertig man mit ihm umgehen würde, wenn man nur die Gelegenheit dazu bekäme. Dahinter mag die Sehnsucht der Menschen nach einfachen Antworten und nach schnellen Lösungen stehen und vielleicht echte Sorge stehen. Dass freilich dieser Weg noch kaum je zum Ziel führte, sollte man nicht vergessen. Schon gar nicht, wenn er die Grenzen des Respektes und der Rechtsordnung überschreitet.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. September 2024
 
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