Samstag, 28. Februar 2009

Bauern werden Milch nicht los






Niemand will Milch. Die Preise sinken, zwei Molkereien haben sogar bereits Verträge mit Hunderten Bauern gekündigt.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Vor Jahresfrist galt Milch noch als „weißes Gold“, war teuer und begehrt. Heute will sie niemand mehr. Jetzt haben zwei Privatmolkereien sogar die Verträge mit ihren Lieferanten gekündigt. 400 Milchbauern in Niederösterreich und im Burgenland wissen nicht, wie es für sie weitergeht. „In diesem Ausmaß hat es das bisher nicht gegeben“, sagt Günter Geislmayr, Sprecher der heimischen Milchwirtschaft und Chef der Gmundner Molkerei den SN. Denn bisher war es immer umgekehrt: Bauern kündigten ihre Verträge und wechselten zu einer anderen Molkerei, um das Milchgeld etwas zu verbessern.
Im Burgenland stehen 130 Milchbauern ohne Abnehmer da. Sie hatten Lieferverträge mit der Molkerei Mona, die im Vorjahr ihr Milchgeschäft an die NÖM verkaufte und nun kein Interesse mehr hat, weiterzumachen. Und die Innviertler Privatmolkerei Seifried, Biomilch-Lieferant für den Diskonter Hofer und Abfüller von „a faire Milch“ der IG-Milch, setzte 270 Biobauern aus der Region Waidhofen an der Ybbs vorsorglich vor die Tür. Weil Hofer die Milch für die Eigenmarke „zurück zum Ursprung“ auf Bio umstellt und diese in anderen Regionen erzeugen lässt, gibt es für die Biomilch aus Niederösterreich vorerst keinen Abnehmer.
Auf politischer Ebene wird derzeit fieberhaft nach Lösungen gesucht. Die betroffenen Bauern haben dabei keine guten Karten. Überall winkt man ab. Die NÖM, die sich vor Jahresfrist als Retterin der burgenländischen Milchwirtschaft feiern ließ, hat kein Interesse. „Jeder zusätzliche Liter ginge auf Kosten unserer Bauern“, sagt Leopold Gruber-Doberer von der MGN, dem genossenschaftlichen Zweig der NÖM. Auch von anderen Molkereien ist keine Hilfe zu erwarten. „Wir könnten jederzeit 50 Mill. Kilogramm Milch haben, brauchen sie aber nicht“, heißt es.
Wird für die betroffenen Bauern keine Lösung gefunden, bedeutet das für sie das Ende der Milchproduktion. Bis Anfang April haben sie noch Zeit, neue Partner zu finden.
Die Lage auf dem Milchmarkt hat sich binnen Jahresfrist völlig gedreht. In ganz Europa gibt es zu viel Milch. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Nachfrage ist stark zurückgegangen, weil die Nachfrage aus China eingebrochen ist und sich zudem Wirtschaftszweige wie etwa die Speiseeis- oder Backwarenindustrie um Ersatzprodukte für die teure Milch umsahen. Gleichzeitig haben die Bauern die Produktion ausgeweitet, weil das Milchgeschäft wieder lukrativ war. Zudem öffnete die EU durch eine Erhöhung der Produktionsquoten den Milchhahn.
Selbst die Rebellen von der IG-Milch haben angesichts des europaweiten Milchüberschusses ihr Projekt, eine Liefergemeinschaft zu gründen, auf Eis gelegt. IG-Milch-Sprecher Ernst Halbmayr: „Das ist jetzt unmöglich.“
Wurde vor einem Jahr noch gestreikt, weil die Preise von 45 Cent pro Kilogramm auf 40 Cent zu fallen drohten, so herrscht derzeit geradezu Totenstille, obwohl die Preise zum Großteil unter der 30-Cent-Marke liegen. Damit geht es für viele Bauern ans Eingemachte. Denn für einen durchschnittlichen Betrieb (jährliche Liefermenge 50.000 Kilogramm) bedeutet das einen Einnahmenentfall von rund 7500 Euro.
Dramatisch sieht man die Lage auch bei den Milchverarbeitern. „Die Zeiten in der Milchwirtschaft sind brutal“, sagt ein Manager. „Die Märkte brechen ein, die Preise fallen ins Bodenlose.“ Auf den Spotmärkten werden derzeit weniger als 20 Cent pro Kilogramm bezahlt.
Auch in Österreich werden die Preise spätestens ab März durch die Bank unter 30 Cent je Kilogramm rutschen. Damit werden sie um gut ein Drittel unter dem Niveau von Anfang 2007 liegen. Hoffnungen, dass der Milchpreis ab dem Sommer wieder steigen könnte, hält man in der Branche für illusorisch. Ohne Einschränkung der Produktion durch entsprechende Marktordungsmaßnahmen sei das nicht möglich, meint Halbmayr.
Die Molkereien kommen mit der neuen Situation nur schwer zurecht. Viele rutschten im Vorjahr in die roten Zahlen. „Im Durchschnitt sind die Molkereibilanzen für 2008 negativ“, sagt Geislmayr. Der wirtschaftliche Druck wächst rasant. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Molkereien bei den Kosten sparen. Damit kommt aber offenbar Bewegung in die Molkereiszene. Fusionen und Übernahmen sind nicht mehr ausgeschlossen. „Man fängt an zu sondieren“, bestätigt Geislmayr. Das Thema werde nicht mehr so verkrampft wie noch vor einem Jahr gesehen.
Der Chef der Gmundner Molkerei weiß, wovon er spricht. Die Landfrisch Molkerei Wels, die vor allem Frischkäse erzeugt, aber rund ein Drittel der Milch als Versandmilch billigst ins Ausland verkaufen muss, sucht einen Partner. „Das würde für uns Sinn ergeben“, sagt Geislmayr. Das Gleiche sagt auch Josef Braunshofer, Chef der Berglandmilch. Wer zum Zug kommt, soll sich im ersten Halbjahr entscheiden.
Es wird nicht bei dieser einen Übernahme bleiben. „Auf einmal reden viele miteinander“, heißt es. Wer genau mit wem spricht, wird freilich nicht verraten.
Wirtschaft / 28.02.2009 / Print

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