Schon Nachdenken über Gentechnik gilt als Tabuüberschreitung - auch bei Journalisten.
Österreich und
Österreichs Landwirtschaft gefallen sich als Trutzburg gegen die sogenannte
"grüne“ Gentechnik. Die Ablehnung von gentechnisch veränderten Pflanzen
gehört zum Standardrepertoire eines jeden Agrarpolitikers bis hinunter zum
kleinen Ortsbauernobmann. Dass sehr oft eine andere persönliche Meinung
dahintersteht, mag man nicht zugeben, zumal man weiß, dass alles andere, als
lautstark gegen Gentechnik zu sein, nichts als einem politischen Selbstmord
gliche.
In den
Redaktionsstuben der Medien, respektive der Agrarmedien, ist der Umgang mit der
"grünen“ Gentechnik um keinen Deut anders. Die Ablehnung von
gentechnischen Eingriffen in Pflanzen ist nachgerade zu einer Kultur geworden.
Die Ablehnung kommt reflexartig und ungeprüft. Längst hat man darob jede
ernsthafte Kritikfähigkeit verloren - nicht zuletzt, weil man schon lange nicht
mehr die internationale Entwicklung des wissenschaftlichen Fortschritts und der
Diskussion zu diesem Thema verfolgt. Das gilt für die Agrarier, das gilt aber
auch für die Journalisten, namentlich die Agrarjournalisten. Die einhellige
Ablehnung ist hierzulande so einbetoniert, dass jede ernsthafte
Auseinandersetzung mit dem Thema als vergeudete Zeit erscheint.
Dass es so weit
gekommen ist, ist verwunderlich. Bei der Anwendung von "roter“ Gentechnik,
also der Gentechnik im medizinischen Bereich, bei der Produktion von
Medikamenten, Vitaminen oder Impfstoffen, ist nämlich von den Gefahren und den
ethischen Bedenken, die der "grünen“ Gentechnik landauf, landab
vorgehalten werden, keine Rede. Da gilt der Grundsatz, der Fortschritt ist zu
nutzen, so er Möglichkeiten bietet, Probleme zu lösen. Da redet niemand von
"Teufelswerk“ und "dem Herrgott ins Handwerk pfuschen“. Die Patienten
nicht, die Konsumenten nicht, die Kirche nicht.
Und auch die
Bauern nicht. Die haben, bei Licht betrachtet, ohnehin ein sehr schlitzohriges
Verhältnis zur Gentechnik. Auf den Feldern, zumal den eigenen, lehnen die
allermeisten von ihnen Gentechnik ab, weil sie sich vor einem
Rationalisierungsschub fürchten und davor, vollends in die Fänge von
internationalen Saatgutriesen und Agrochemie zu geraten.
Hingegen
hat man nichts dagegen einzuwenden, dass sich in den Futtertrögen der Schweine
praktisch ausnahmslos Schrot aus gentechnisch verändertem Soja findet. Ganz im
Gegenteil. Die Gegenwehr gegen Ansinnen, das zu ändern, ist heftig.
Die Fronten bröckeln freilich und nach
den Kühen und den Hühnern wird man wohl bald auch bei Schweinen den Kürzeren
gezogen haben und lauthals klagend wirklich das tun, was Österreichs
Landwirtschaft schon lange vorgibt, zu tun - gentechnikfrei zu produzieren.
Dass,
es wäre wohl nicht Österreich, dabei ohnehin nur auf die "grüne“, nicht
aber auf die "rote“ Gentechnik verzichtet wird, wird von allen Beteiligten
und auch von gegen "grüne“ Gentechnik geifernden Medienleuten unter den
Tisch gekehrt. Aber das spielt keine Rolle. "Rote“ Gentechnik gilt
hierzulande als gut, "grüne“ als schlecht.
Hinzunehmen
ist das freilich nicht, zumal es bisher in keinster Weise gelungen ist, den
Verzicht auf "grüne“ Gentechnik in einen Wettbewerbsvorteil für die
heimische Landwirtschaft zu verwandeln. Wenn man schon drauf verzichtet, sollte
man auch etwas draus machen, ist die Forderung. Und: Man sollte nicht
unvorsichtiger mit dem Thema "grüne“ Gentechnik umgehen, aber gelassener.
Das gilt für Politiker und Journalisten. Denn allzu leicht steht man daneben.
Nr. 08-09/2012 vom 19.09.2012
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