Seit sich die SPÖ und ÖVP auf eine Volkbefragung zum Thema Bundesheer geeinigt haben, ist in der heimischen Innenpolitik der Teufel los. Im Handumdrehen hob das Hauen und Stechen zwischen den Parteien an. Ein einziges Thema auf allen Kanälen, ein ganzes Land aus den Fugen.
Man hat es befürchtet, aber man mochte es nicht glauben. Wie in Österreich direkte Demokratie verstanden wird, dünkt als nachgerade atemberaubende Themaverfehlung. Monatelang war jetzt die Rede von direkter Demokratie. Mehr sollte es sein, wurde überall verlangt. Öfter. Zur Ursache der Politikverdrossenheit wurden die eingeschränkten Möglichkeiten des Volkes, in politischen Fragen mitzuentscheiden, hochstilisiert.
Und jetzt das. Der Aufbruch von Österreichs Demokratie in eine neue Ära geriet im Handumdrehen zu einem klassischen Fehlstart. Und wenn es in dieser Tonart weitergehen sollte, wird Österreichs Umgang mit der direkten Demokratie und der stärkeren Einbindung des Volkes in politische Grundsatzentscheidungen noch abschreckendes Beispiel. Angesichts dessen wird sich dann auch der letzte sich politisch verantwortlich fühlende Bürger in diesem Land mit Grausen vom politischen Geschehen abwenden.
Der Wiener Verfassungsrechtler Heinz Mayer zeigte sich dieser Tage skeptisch darüber, dass die Österreicher gebildet und diskursfähig genug für mehr direkte Demokratie seien. Wiewohl des Professors Bedenken nicht von der Hand zu weisen sind, ist das aber hierzulande ganz offensichtlich nicht die ärgste Befürchtung, die angebracht ist. Die viel wichtigere und entscheidendere Frage ist, ob die österreichische Politik, respektive die österreichischen Politiker, gebildet und diskursfähig genug sind, um bei Mayers Worten zu bleiben, um mit mehr direkter Demokratie umzugehen. Das freilich ist nach den ersten Tagen, nachdem die Absicht über die künftige Gestaltung der Rekrutierung von Bundesheerpersonal verkündet wurde, zu bezweifeln.
Man mag zum Ausbau der direkten Demokratie stehen wie man will, man mag von einem Berufsheer oder vom verpflichtenden Wehrdienst halten, was man will - so wie die Diskussion in den vergangenen Tagen geführt wurde, die Art und Weise, wie die Parteien Stellung bezogen und auf einander losgingen, ist nichts als der freche Missbrauch einer Idee, die vielen Menschen in diesem Land ein wichtiges Anliegen ist.
Ungeniert spannen die etablierten Parteien die direkte Demokratie vor ihre Karren, um die Position bei den Wählern auszuloten. Was geboten wird, ist Wahlkampf pur und von der übelsten Sorte. Und das von zwei Parteien, die zusammen in der Regierung sitzen und die Dinge so lösen könnten, wie sie die Bundesverfassung vorsieht.
Stattdessen wird das Land wohl für die nächsten Monate in eine völlig unproduktive politische Schüttellähmung versetzt und die ohnehin nicht sonderlich aktive Politik wohl endgültig wieder in den Stillstand verfallen. Die Aussichten sind wenig berauschend. Volksbefragung im Jänner, Niederösterreich-Wahlen im März, Nationalratswahlen im Herbst nächsten Jahres - da ist wohl auf Dauer nichts mehr zu erwarten, was das Land weiterbringen könnte. Statt dessen wird mitten in einer der größten Krisen, die in der Zweiten Republik zu bewältigen sind, die Politik, auf die Frage, Berufsheer oder Wehrpflicht?‘ reduziert.
Ganz abgesehen davon, dass Landesverteidigung nicht wirklich ein Thema ist, das es verdient hat, populistisch und zum Nutzen von politischen Parteien auf die Frage Wehrpflicht oder Berufsheer reduziert zu werden. Da geht es wohl eher um andere Fragen, wenn man sich den beklagenswerten Zustand des Heeres und seiner Einrichtungen vor Augen führt.
Österreichs Politik ist dabei, die direkte Demokratie und die ihr innewohnende Qualität der politischen Entscheidungsfindung, die in so vielen Sonntagsreden gepriesen wurde, regelrecht zu zertrampeln. Die Scharfmacher sollten rasch gestoppt werden. Will man direkt-demokratische Formen in Zukunft tatsächlich ausbauen und meint es ernst mit einer verstärkten Einbindung des Volkes in die politische Entscheidungsfindung, ist mehr Zurückhaltung zu fordern. Und auch ein sorgsamerer Umgang mit den unterschiedlichen Standpunkten und unterschiedlichen Zielen.
Gelingt das nicht, bleibt die direkte Demokratie und deren Ausbau das, was viele ohnehin hinter der Diskussion darüber vermuten - ein Gag.
Meine Meinung Raiffeisenzeitung, 6. September 2012
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