Dienstag, 4. September 2012

Mit Anlauf ins Agrosprit-Desaster





Die Agrosprit-Diskussion schlug in den vergangenen Wochen wieder hohe Wellen. Dass die für die Einführung von E10 benötigte Menge längst in Österreich erzeugt wird und kein einziges zusätzliches Kilogramm Weizen oder Mais dafür nötig ist, spielte in all den hitzigen Diskussionen nicht die geringste Rolle -E10 ist in Österreich vorerst wohl gescheitert.

Den Bauern kann's eigentlich egal sein. Die Agrana-Fabrik in Pischelsdorf läuft im Vollbetrieb, sorgt für einen sicheren Absatz von heimischem Getreide und Mais und für eine Entlastung der Märkte. Aus landwirtschaftlicher und agrarpolitischer Sicht läuft alles wie geplant und das Konzept geht auf. Wann und ob überhaupt E10 in Österreich kommt, ist damit eher ein Problem der Agrana, die den Sprit wohl weiterhin zu einem guten Teil in Ungarn und in Deutschland und verkaufen und damit zurechtkommen muss.

Und dennoch ist die Diskussion rund um den Agrosprit ein Armutszeugnis für die Vertretung der Landwirtschaft, das angesichts der Aufgaben und Herausforderungen die anstehen, Sorge machen muss. Wie man sich ein zentrales Element der Agrarpolitik zerstören und die Verantwortung für hohe Preise und den Welthunger von einer Gesellschaft umhängen lässt, die ein Drittel der Lebensmittel wegwirft und täglich 20 Hektar zubetoniert, ist beschämend.

Das unschuldige Opfer, als das man sich so gerne hinstellt, ist man nicht. Denn dass es überhaupt zu einer derartigen neuerlichen Gefühls-Aufwallung gegen den Agrosprit kommen konnte, hat mit der atemberaubenden Abgehobenheit der Protagonisten in Bauernvertretung und Ministerium und mit einer unverantwortlich schlampigen Vorbereitung der Einführung (falls man von so etwas überhaupt reden kann) zu tun. Das Desaster zeichnete sich schon im vergangenen Winter ab, als in Deutschland die Diskussion losbrach und E10 grandios an den Tankstellen scheiterte. Spätestens da war klar, dass auch in Österreich ähnlicher Widerstand zu erwarten war. Minister wie die Verkehrsministerin Bures, aber auch Wirtschaftminister Mitterlehner äußerten sich schon damals abfällig, Autofahrerclubs wie der ARBÖ machten mit Unterschriftenaktionen mobil, die Mineralölwirtschaft zeigte sich distanziert.

Die Verantwortlichen taten trotzdem nichts. Keine wirkungsvollen Informationskampagnen betreffend die Umwelteigenschaften, keine schlüssige und verständliche Aufklärung über die Zusammenhänge mit Lebensmittelpreisen und Welthunger, keine Informationen für die Autobesitzer, keine technische Vorbereitung im Tankstellennetz, sondern immer nur ein so bräsiges wie herablassendes "Wir halten am 1. Oktober fest".

Das Ergebnis dieses Nichtstuns ist der Watschentanz der vergangenen Wochen, der nicht nur Minister und Bauernvertreter traf, sondern den vor allem auch die Bauern über sich ergehen lassen mussten. Sie wurden wieder einmal in der Öffentlichkeit vorgeführt als die Deppen und Gauner der Nation, die sich in ihrer Gier Unmäßiges herausnehmen und für die teurere Semmel und den Hunger in der Welt verantwortlich sind. Es ist nur bestürzend zu nennen, wie wenig die sonst so gesprächigen und gerne so viel versprechenden Agrar-Verantwortlichen bei einem so zentralen Thema zu sagen haben, wenn es ernst wird. Die Sorge ist groß, dass das möglicherweise auch bei anderen für die Bauern wichtigen Themen gilt -und dass die EU-Agrarreform ein solches ist. Da freilich kann man sich noch damit trösten, dass die Hoffnung lebt.

Gmeiner meint , Blick ins Land, 3. Sptember 2012

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1