Donnerstag, 6. Dezember 2012

Krise? Ist da was?





"Eine Schuldenwand kommt auf uns zu“, warnte dieser Tage der Chefökonom der Weltbank. Die Kreditwürdigkeit Frankreichs wurde herabgestuft. Der Euroschutzschirm ESM gleich dazu. In Griechenlands, Spaniens, Italiens und Frankreichs Gebälken kracht es wie eh und je. In der Eurozone gibt es einen neuen Arbeitslosenrekord und in Österreich kehrt die Kurzarbeit zurück.

Vor zwei, drei Jahren wäre jede dieser Meldungen für aufgeregte Schlagzeilen, für besorgte Statements von Politikern und Wissenschaftlern, für Kursausschläge an den Börsen und für Panikattacken bei den Sparern gut gewesen.

Jetzt gibt es kaum mehr etwas davon. Obwohl Inhalt und Dramatik der ständig neuen Botschaften nichts an Brisanz und Gewicht verloren haben und die Häufigkeit, mit der sie auf alle niederprasseln, um nichts geringer geworden ist. Keine aufgeregten Schlagzeilen mehr. Die warnenden Statements der Wissenschaftler haben sich in Endlos-Wiederholungsschleifen verloren. Selbst die Börsen scheinen die Krise zu ignorieren. In Amerika sowieso, aber auch in Europa. In Deutschland gibt es schon erste Spekulationen darüber, dass der DAX im kommenden Jahr sein Allzeit-Hoch überspringen könnte.

Krise? Ist da was? Allerorten scheint man sich an die Krise gewöhnt zu haben. Man hat gelernt, damit zu leben. Man bemüht sich, keine Panik aufkommen zu lassen. Im Gegenteil. Die Tendenz sie zu ignorieren wächst. Und damit auch die Tendenz sie zu leugnen.

Das kann gefährlich werden. Denn, sosehr man sich an die immer neuen negativen Meldungen von der Schuldenfront und vom Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren gewöhnt hat, man sollte die Zeichen an der Wand nicht übersehen. Wir stecken mitten in der Krise. Immer noch und mehr denn je. Und die Fortschritte, sie in den Griff zu kriegen, sind marginal.

Auf leisen Sohlen, aber mit immer größerem Druck, erreicht die Misere die öffentlichen Budgets und beginnt die politischen Handlungsmöglichkeiten zu beschränken. Immer öfter heißt es aus Verwaltung und Politik "kein Geld mehr da“, immer öfter "das können wir uns nicht mehr leisten“.

Und es wird noch öfter werden. Immer deutlicher wird, dass die vielen Nullen echt sind, die man in den vergangenen Jahren hinter immer größere Zahlen schrieb, um Euro, Griechenland, Spanien, Italien, Portugal, Irland, ja die Europäische Union, zu retten und Politiker- und Bankernerven und Wählervolk zu beruhigen. Immer deutlicher wird, dass es ums - echte - Geld und ins - echte - Geld geht.

Die Krisenländer, Europas Wirtschaft und der Euro sind noch lange nicht aus dem Wasser. Umso besorgniserregender ist es, wie sich Österreich für das Wahljahr 2013 aufstellt. Bürgerinnen und Bürger und die Gruppen, die vorgeben, deren Interessen zu vertreten, formulieren ihre Forderungen und Wünsche, als gäbe es kein Morgen. Politiker jedweder Couleur zeigen sich freudig bereit, das alles zu bedienen. Die Diskussionen rund um die Erhöhung des Pendlerpauschales zeigten, wie gering die Lernbereitschaft und der Lernfortschritt ist. Sie sind nur ein Beispiel für das, was noch kommt. Eine Erhöhung des Kinderfreibetrages wird schon als Wahlzuckerl in Stellung gebracht und ein Ausbau der Familienbeihilfe und noch vielerlei anderes auch.

Krise? Macht nichts! Man denkt offenbar nicht dran, die Politik nicht als Wunschkonzert zu begreifen. Da formuliert man allemal lieber immer neue Begehrlichkeiten, kosten sie, was sie wollen. Bei manchen, die da jetzt wieder angesichts anstehender Wahlen forsch zu fordern beginnen, lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, sie wollten uns zu Griechen machen. Paradoxerweise sind das allzu oft genau die, die sich so gerne über die Griechen alterieren. Aber so ist Österreich wohl.

Das Bewusstsein, mitten in einer Krise zu stehen, ist hierzulande eher gering ausgeprägt, das Verständnis dafür, zu ihrer Überwindung etwas beizutragen, auch. Und noch geringer ist die Bereitschaft, dafür gar Verantwortung zu tragen. Dabei wäre die durchaus angebracht. Trotz Sparbudget werden die Staatsschulden die Rekordmarke von 75,4 Prozent des BIP übertreffen. Dabei sind da Vorsorgefälle wie die Flops der Kärntner Hypo und der Kommunalkredit und auch Griechenland noch gar nicht berücksichtigt.

Aber an das hat man sich ja gewöhnt. Schuldenwand hin, Ratings, Wirtschaftslage und Arbeitsmarkt her.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. Dezember 2012

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