Manchmal passiert, dass Politiker und Standesvertreter, wohl
unbedacht, nichts beschönigen und nicht nur beim politischen Gegner, sondern
auch im eigenen Verantwortungsbereich dramatisieren. Die Äußerungen und
Meldungen der heimischen Agrarspitzen zum jüngst vorgelegten Grünen Bericht
2016 sind dieser Kategorie zuzuzählen.
"Katastrophale Preissituation drückt Bauerneinkommen
dramatisch", hieß es da in den offiziellen Stellungnahmen der Agrarspitzen. Und: "Es geht nur noch ums Existieren, ans
Investieren oder Umsatteln ist vielerorts gar nicht zu denken." Die
"Dramatik" sei "groß", "denn jetzt können Landwirte
weder konsumieren noch investieren, und es fehlt ihnen auch an
Liquidität". Mit minus 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr habe es
"wieder eine kräftige Delle" gegeben. Seit 2011 hätten die
österreichischen Bauern "mehr als ein Drittel an Einkommen verloren".
Nehme man "die Frostschäden des späten Frühjahrs dazu, fehlen im heurigen
Jahr zwischen 700 und 800 Millionen Euro". Und ein Ende sei auch heuer
nicht in Sicht. "Die Abwärtsspirale droht sich auch 2016 weiter
fortzusetzen."
Bei einer derartigen, wohlgemerkt von den Spitzenagrarieren
höchstselbst und nicht von böswilligen Kritikern formulierten, Sätzen drängt
sich normalerweise automatisch die Frage nach Konsequenzen auf. Nach
politischen sowieso, wohl aber auch nach personellen, zumal dann, wenn die
Agrarpolitik, die man seit Jahrzehnten verantwortet, die Bauern in eine
Situation gebracht hat, in der es eingestandermaßen - siehe oben - "nur
noch ums Existieren" geht.
In der heimischen Landwirtschaft ist das anders. Da werden
solche Fragen gar nicht gestellt. Nicht von den eigenen Leuten und
Parteigängern und nicht einmal von denen, die sich als agrarpolitische
Opposition sehen. Es gibt keinerlei Diskussionen, weder über Personen noch über
Inhalte. Mit einem guten Schuss Selbstzufriedenheit hat man für alles und
jedes Erklärungen und findet die Schuld immer bei anderen. Da ist nur logisch,
das man sich auch nichts denkt, wenn man, wie heuer zum Grünen Bericht,
Erklärungen abgibt, die bei Licht betrachtet, nichts anders sind, als
Bankrotterklärungen.
Nun sei den Verantwortlichen in der Agrarpolitik und in der
Standesvertretung zugestanden, dass die Landwirtschaft, zumal, wenn sie so
aufgestellt ist, wie die österreichische, ein äußerst schwieriges Feld ist, auf
dem kaum Erfolge zu holen sind. Dann soll man aber den Bauern bitte auch all
die hohlen Phrasen, leeren Ankündigungen und überzogenen Versprechen ersparen,
mit denen man glaubt, sie bei der Stange halten zu können.
"Jetzt gilt es zusammenzurücken und auf unsere Stärken
zu bauen", war einer dieser Stehsätze, die rund um den "Grünen
Bericht" zu lesen waren. Landwirtschaftliche Produkte aus Österreich seien
"besonders hochwertig, innovativ und vielfältig" und "mit kurz-,
mittel- und langfristigen Maßnahmen werden wir die Herausforderungen gemeinsam
meistern", was freilich die Frage aufdrängt, was man denn bisher getan
hat.
Den Bauern wird das wohl kaum reichen als Antwort auf eine
Krise in der es "nur noch ums Existieren" geht . Und wenig
vertrauenserweckend ist auch die Ankündigung, dass das
Landwirtschaftsministerium "mittel- und langfristig" auf
"nachhaltige Maßnahmen zur Weiterentwicklung der bäuerlichen
Familienbetriebe" setzen will. Das klingt zu bekannt, als dass man darein
noch große Hoffnungen setzt. Zu oft schon hat man das gehört. Und schon zu oft
wurde man enttäuscht.
Gmeiner meint - Blick ins Land 10/16, 29. September 2016
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