Donnerstag, 15. September 2016

Irrlichtern im Land



Es hat fraglos tragisch-komische Züge, was derzeit in Österreich über die politische Bühne geht. Und man versteht jeden, der das Land am Abgrund taumeln und die Republik am Ende sieht, der sich lustig macht drüber und der sich mit Grauen abwendet. Zahllos und oft sehr amüsant sind die Bezeichnungen der Vorgänge rund um die Wahlkarten und des Zustandes, in dem man nun das Land geraten sieht. Und damit ist nicht der Ausdruck "Bananenrepublik" gemeint, der in der vergangenen Woche inflationär oft fiel. Irgendwo war zu lesen, dass die Probleme mit dem Klebstoff durchaus als metaphorisch dafür zu sehen seien, dass sich in Österreich alles auflöse. Das trifft es wohl eher. Das freilich gilt nicht nur für Österreich. Denn woanders ist es auch nicht anders. Die Metapher vom Klebstoff hat rund um den Globus ihre Berechtigung. Im Großen, wenn man sich nur die Migrationsströme, die Verschiebung der Gewichte im Welthandel und die der Weltpolitik vor Augen führt. Und sie hat auch in vielen Staaten, auch sehr gewichtigen Staaten, ihre Berechtigung, in denen die Probleme der Politik und des politischen Alltags durchaus mit den hiesigen vergleichbar sind. In ihrer Unerträglichkeit genauso wie in ihrer Lächerlichkeit. Selbst Wahlschlamassel, wie jenes, in das nun Österreich geschlittert ist, und mit dem sich die Alpenrepublik auf der internationalen Bühne zur Lachnummer macht, sind nicht neu. Man erinnere sich nur an das Desaster rund um die Zählmaschinen bei den US-Präsidentenwahlen im Jahr 2000, die zwar damals für den Demokraten Al Gore eine Mehrheit ergaben, aus dem aber dann nach langem Hin und Her letztendlich George Bush als Sieger hervorging. Ein, wie man inzwischen weiß, Desaster von historischem Ausmaß, das den Lauf der Geschichte nachhaltig veränderte.

Auch eine zerfahrene und mitunter ziellos irrlichternde Politik, Streitereien innerhalb von Parteien und Regierungskoalitionen, geifernden, mitunter menschenverachtenden und rechthaberischen Populismus gibt es nicht nur in Österreich. Was die Vereinigten Staaten im Präsidentenwahlkampf ertragen müssen, fügt sich durchaus in die gleiche Linie. In Deutschland macht innerhalb der Koalition der bayerische Ministerpräsident Seehofer mit großer Lust der Kanzlerin in Berlin das Leben schwer, während die Erfolge der AfD, der rechtpopulistischen Aktion für Deutschland, im bürgerlichen Lager und bei den Linken Angst und Schrecken verbreiten, weil man keine Handhabe findet, damit zurechtzukommen und sie in die Schranken zu weisen. In Italien laufen die politischen Dinge alles andere als rund. Und in Frankreich und in den Niederlanden mischen Rechtspopulisten das Land auf. Gar nicht zu reden von Spanien, das seit bald zwei Jahren trotz mehrmaliger Neuwahlen keine Regierung zusammenbringt und dem Kroatien kaum nachsteht. Um nichts feiner geht es in Großbritannien zu, das mit der Brexit-Entscheidung zurechtkommen muss. Gar nicht zu reden von der Führung der Europäischen Union, die auch sehr viel öfter ein Bild des Taumelns abgibt als eines der Stabilität.

Das alles mag denen Trost sein, die in diesen Tagen mit Österreich und den hiesigen Zuständen hadern. Und es mag auch behilflich sein, die Dinge, die da rund um die Bundespräsidentenwahl passierten, in angemessener Bedeutung einzuordnen, um das Land nicht vollends der Lächerlichkeit preiszugeben.

Das mag verständlich sein. Aber dass es in anderen Ländern auch nicht anders ist als bei uns, heißt ja nicht, dass die Probleme, die man hat, keine Probleme sind. Da darf es keine Ausreden geben. Und auch keinen Verweis auf andere Länder.

Man weiß, dass hierzulande Politik und Politiker dazu neigen, ihr Tun als fraglos gut zu empfinden. Man sollte die Kirche im Dorf lassen, war in den vergangenen Tagen gerade von ihnen zu hören. Angesichts der abfälligen und von Häme und Verachtung getragenen Töne über Österreich und die hiesigen Zustände, die ebenfalls zu hören waren, mag man das nur unterstützen. Zu befürchten ist freilich, dass das nur vom Wunsche getragen ist, so weiterzumachen wie bisher.

Österreich ist nicht so schlecht, wie es zuweilen dargestellt wird. Es ist aber auch nicht so gut, wie es die Politik darstellt.

Es scheint, als fehle beiden Seiten der richtige Blick aufs Land. Und das ist nicht zu seinem Besten.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. September 2016

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