Freitag, 16. September 2016
Bringt Milch bald wieder Geld?
Die ruinöse Talfahrt der Milchpreise brachte Bauern nicht nur in Österreich an den Rand der Existenzkrise.Jetzt gibt es erste Hoffnung: Da die Produktion zurückgefahren wurde, steigen die Preise leicht.
Hans Gmeiner
Mondsee. Seit einigen Wochen haben sich die Milchpreise auf den internationalen Märkten stabilisiert. Auf den Spotmärkten gingen die Preise manchmal sogar, wie es ein Marktkenner formuliert, „durch die Decke“. Ob die ruinöse Talfahrt der Milchpreise, die viele Bauern nicht nur in Österreich um ihre Existenz bangen ließ, nun wirklich gestoppt ist, getraut sich noch niemand zu sagen. „Vielleicht ist es nur ein Zwischenhoch, vielleicht ist es mehr, wir wissen es nicht“, sagte am Donnerstag Gerhard Woerle, Chef von Österreichs größter Privatmolkerei mit Sitz in Henndorf am Wallersee, bei einem Pressegespräch in Mondsee, wo sich bis heute, Freitag, die heimische Milchbranche zu ihrer traditionellen Milchwirtschaftlichen Tagung traf.
Derzeit scheinen die Zeichen für eine Erholung der Preise jedenfalls gut zu stehen. Seit Wochen zeigen alle internationalen Indizes nach oben. Im August zog der FAO-Preisindex für Milch- und Milchprodukte um 8,6 Prozent an. Auch der Global Dairy Trade Index legt bereits mehrere Monate hintereinander zu. Weil die Bauern die Produktion wegen der schlechten Preise zurückschraubten und die Fütterung umstellten, um Kosten zu sparen, gibt es plötzlich sogar einen Fettmangel. „Die Preise bei Produkten wie Butter und Käse, bei denen der Fettgehalt eine wesentliche Rolle spielt, steigen“, sagte Helmut Petschar, Sprecher der heimischen Molkereien und Chef der Kärntner Milch. Das Niveau von 2014 sei zwar noch nicht erreicht, aber in nächster Zeit sollte es auch für die Milchbauern Preiserhöhungen geben.
Schon im August hob die niederösterreichische NÖM die Preise geringfügig um einen Cent pro Kilogramm auf 30,17 Cent brutto an. Anfang September folgte auch die SalzburgMilch und legte ebenfalls einen Cent drauf. Anfang Oktober wird ein weiterer Cent folgen.
Stolz ist die heimische Milchwirtschaft, die sich immer wieder Vermarktungsschwäche und das Festhalten an überholten Strukturen vorwerfen lassen muss, darauf, dass sie im Vorjahr im Schnitt rund fünf Cent pro Kilogramm Milch mehr auszahlte als die deutschen Molkereien. Am deutlichsten sei der Unterschied bei Biomilch, aber auch bei konventioneller Milch habe man um fast drei Cent mehr gezahlt, sagt Petschar. „Für die heimischen Milchbauern sind das 100 Millionen Euro, die sie mehr haben als ihre deutschen Kollegen.“
Für die Landwirte ist das freilich nicht viel mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Allein im vergangenen Jahr betrug der Rückgang der Erzeugermilchpreise im Schnitt mehr als zehn Prozent. Über zwei Jahre gesehen liegt das Minus sogar bei 25 Prozent. Damals lag der Milchpreis an der magischen 40-Cent-Marke. Lediglich Biomilch, Heumilch und andere spezielle Arten von Milch kamen ungeschoren durch die Preiskrise.
Einmal mehr fordert Petschar Unterstützung vom Handel, um die Milchwirtschaft und die Bauern bei der Trendwende zu unterstützen. „Es kann nicht sein, dass wir Preissenkungen auf dem Milchmarkt sofort weitergeben müssen, bei Preiserhöhungen aber auf entsprechende Anpassungen warten müssen.“
Ausschlaggebend dafür, dass der Preisrückgang zum Stillstand kam, war die Verringerung der Milcherzeugung auf den Bauernhöfen. Noch im ersten Quartal dieses Jahres lag die Produktion der heimischen Bauern um bis zu zehn Prozent über dem Vorjahresniveau. Im Juli hingegen gab es nur mehr ein Plus von 0,4 Prozent. Europaweit gab es eine ähnliche Entwicklung.
Das führt nun dazu, dass man mit der geplanten Lieferverzichtsprämie, die Milchbauern europaweit und auch in Österreich zur Beschränkung ihrer Produktion bringen soll, in der Milchwirtschaft nicht wirklich glücklich ist. „Wir Verarbeiter hätten dieses EU-Milchpaket früher gebraucht“, sagen Petschar und Woerle. Die Umsetzung dauere zu lang.
Hinter vorgehaltener Hand befürchtet man in der Branche sogar kontraproduktive Effekte und falsche Signale für den Markt. In Österreich haben sich bisher rund 700 Bauern zur Teilnahme am Lieferverzichtsprogramm angemeldet. Die Frist läuft noch bis 21. September. Man rechnet damit, dass insgesamt rund ein Drittel der 30.000 heimischen Milchbauern teilnehmen wird. Sie hoffen – wenn das Geld reicht –, 14 Cent für jedes Kilogramm Milch zu bekommen, das sie nicht liefern.
Grundsätzlich hält man in der Milchwirtschaft das Modell freilich nicht für schlecht. Man wünscht es sich sogar als fixen Bestandteil der Agrarpolitik. „So etwas sollte man per Knopfdruck in Krisensituationen abrufen können“, schlug Petschar vor. „Wir brauchen solche Steuerungsmaßnahmen.“
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 16. September 2016
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