Donnerstag, 4. März 2021

Mehr als nur ein paar "Anstands-Prozente"

"Der Raiffeisen-Sektor ist nicht gerade ein Vorreiter bei der Förderung von Frauen-Karrieren", schrieb vor sieben Jahren eine prominente Wirtschaftskommentatorin in einer der größten Zeitungen des Landes. Als ob das nicht genug wäre, fügte sie noch ein sehr bestimmtes "im Gegenteil" an und legte nach. "Die Riesen-Organisation hat immer noch das Image eines konservativen Macho-Vereins", schrieb sie. Und das "nicht zu Unrecht".

Dieses "nicht zu Unrecht" gilt, bei Licht betrachtet, auch heute noch. In vielen Bereichen und Sparten der Genossenschaften mehr, in manchen weniger. Zu letzteren darf sich der Banksektor zählen. Dort geriet in der Tat in den vergangenen Jahren einiges in Bewegung. Es gab beachtliche Fortschritte. Österreichweit liegt der Frauenanteil in den Gremien der Banken demnach inzwischen bei 17 Prozent. Um darauf wirklich stolz sein zu dürfen, muss man freilich den Mantel des Schweigens darüber hüllen, dass es österreichweit immer noch 72 Raiffeisenbanken ohne eine Funktionärin in den Gremien gibt.

Aber 17 Prozent sind beachtlich gegen den Anteil, den es noch vor wenigen Jahren gab. Aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass 17 Prozent eben nicht mehr als 17 Prozent sind, mithin trotz aller Fortschritte also nicht wirklich viel sind. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass in manchen Bundesländern die Anteile immer noch wesentlich geringer und in manchen gar verschwindend gering sind, obwohl nicht überliefert ist, dass es dort in der Bevölkerung weniger Frauen gäbe als anderswo.

Genauso wenig wie überliefert ist, dass der Frauenanteil in der bäuerlichen Bevölkerung sonderlich gering wäre. Denn ginge es nach der Zahl der Funktionärinnen in den Molkereien oder in den Lagerhausgenossenschaften, dürfte es auf den Höfen praktisch keine Frauen geben, schon gar nicht welche, die etwas zu sagen hätten. Denn während es die Banken im Großen und Ganzen zumindest auf -wenn auch geringe - Anteile im zweistelligen Bereich gebracht haben, grundelt man dort immer noch bei Anteilen im einstelligen Bereich herum. Dort sind die Genossenschaften wohl immer noch die "Macho-Vereine", von denen eingangs die Rede war. Und dass es aus diesen Genossenschaftsbereichen praktisch keine veröffentlichten Zahlen zum Anteil von Frauen in Gremien gibt, spricht Bände.

Die heimischen Genossenschaften, die sich gerne zu den Speerspitzen der heimischen Wirtschaft zählen, stehen wohl -die Zahlen sind kaum anders zu interpretieren -immer noch ziemlich schlecht da, wenn es um die Gleichstellung in den Gremien geht. Die immer noch, wenn auch inzwischen hinter vorgehaltener Hand, geäußerten Vorbehalte, wie "die ist zu jung und kann noch Kinder bekommen" oder Zweifel, "ob eine Frau das überhaupt kann", sind wohl immer noch viel zu oft die Kriterien, wenn es darum geht, Funktionen in Gremien oder Positionen in den genossenschaftlichen Unternehmungen zu besetzen. Und dass es schwieriger ist, Frauen zu finden, die bereit sind, eine Funktion zu übernehmen, ist vielerorts immer noch eine sehr praktische wie beliebte Erklärung, um sich zurückzulehnen und die Dinge ihren gewohnten männlichen Gang gehen zu lassen.

Dass man auch in nicht-genossenschaftlichen Kreisen mit diesen Problemen zu kämpfen hat - so sind etwa nur 15 von 190 Vorständen in Österreichs Top-Unternehmen weiblich -darf keine Entschuldigung sein. Denn das ändert nichts an der Verantwortung der derzeit immer noch so männlich dominierten Genossenschaftswelt, alles daran zu setzen, die Wende herbeizuführen. Die Einrichtung von Beiräten, auf die man landauf, landab so stolz ist, kann nur ein erster Schritt sein. Sie dürfen kein Frauen-Biotop werden, mit dem man sich nach außen hin schmückt.

Gefordert ist nun, die nächsten Schritte zu setzen. Es muss jetzt um echte Veränderungen gehen und darum, die längst überholten Haltungen, die noch in den Köpfen so vieler Verantwortlicher in den Genossenschaften sitzen, zu überwinden. Es muss ein Ende damit haben, dass vorwiegend männlich besetzte Gremien vornehmlich Männer wählen.

Freilich sind auch die Frauen gefordert, sich zu stellen und es den Männern nicht gar zu einfach zu machen. Auch wenn es Überwindung kosten und als besonders schwierig erscheinen mag. Oft ist es nicht mehr als eine leere Phrase, wenn männliche Funktionäre mit gönnerhaftem Unterton davon reden, dass Genossenschaften Frauen brauchen. Die Genossenschaften aber brauchen sie wirklich. Und nicht nur ein paar Anstands-Prozente.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. März 2021 

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