Donnerstag, 9. Juni 2022

Ein Scherbenhaufen

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. "Ich würde mir als Seniorenbund Oberösterreich überlegen, wer ich überhaupt bin und wenn ja, wie viele?", lästerte in der Vorwoche selbst der Vizekanzler, in dessen Zuständigkeitsbereich sich alles zutrug, über die Vorgänge, die seit Wochen für Schlagzeilen sorgen, den deutschen Philosophen Richard David Precht etwas schlampig zitierend.

Auch wenn Josef Pühringer, der ehemalige Landeshauptmann von Oberösterreich und nunmehrigen Obmann des Seniorenbundes im Land ob der Enns, diese Angelegenheit, wie er in Interviews wissen ließ, "einfach nur fuchsteufelswild macht" und das auch nachvollziehbar sein mag, ist nicht von der Hand zu weisen, dass sie zur Unzeit kommt. Zur Unzeit für die Volkspartei, die, wie sich der Eindruck allerorten verfestigt, gerade von einem Unglück (um nicht den bei Vorgängen dieser Art gerne ungeschaut verwendeten Begriff Skandal in den Mund zu nehmen) ins nächste torkelt.

Besonders fatal für die Kanzlerpartei sind in dem konkreten Fall die Parallelen zu den Vorgängen in Vorarlberg. Da wie dort fand man nichts dabei, öffentliche Gelder zumindest indirekt für die Partei respektive parteinahe Organisationen zu nutzen und ließ dabei jedes Gespür und jede Sensibilität dafür vermissen, dass das durchaus heikel sein könnte. Und da wie dort sind just zwei der letzten Politiker der ÖVP involviert, die vielen, zumal vor allem ÖVP-Wählern, die unter der Kurz-Zeit gelitten haben, als Säulen der Korrektheit und Lauterkeit gegolten haben, als Garanten dafür, dass die schwarze Welt ja doch in Ordnung sein konnte. Genau das ist nun erschüttert. Dass auch die Junge ÖVP und Gruppen aus dem Bauernbund bei den angebotenen Corona-Hilfen zugegriffen haben, macht die Sache nicht besser, sondern eher noch schlimmer für die ÖVP.

Sowohl Landeshauptmann Markus Wallner als auch Pühringer stehen nun, auch wenn sich alle Vorwürfe als ungerechtfertigt erweisen sollten und alle Vorgänge als korrekt, als angepatzt da. Nicht nur, dass der Politik insgesamt und ihrem Ansehen damit weiterer Schaden zugefügt wurde. Auch viele Parteigänger sind enttäuscht, dass just diese zwei von den wenigen verbliebenen Säulen der Partei mit möglichen Flecken auf ihren bislang so untadeligen weißen Westen zu kämpfen haben. "Ich bin Einzelunternehmer und was ich tue ist vollkommen transparent -ich stehe splitternackt vor der Finanz, ich werde wohl die strategischen Berater des Seniorenbundes aufsuchen müssen, meine Steuerberaterin ist zu schwach für diese neuen Anforderungen", ist da zu hören. "Mir helfen keine Tricks und keine Umgehungskonstruktionen."

Es mag ja sein, dass alles korrekt zugegangen ist und gar auf Rückfrage genehmigt wurde, wie man allerorten nicht müde wird zu verbreiten. Und es ist wohl zu glauben, dass es wirklich nicht um Parteifinanzierung oder gar Bereicherung ging. Was aber eben dennoch verwundert, ist, dass selbst Politiker des Zuschnitts von Wallner und Pühringer keine Scheu davor haben, die Grenzen der gesetzlichen Möglichkeiten bis an den Rand auszuloten und dass nicht bereits weit davor die Alarmlichter angehen -"Halt, das tut man nicht, auch wenn es rechtens sein mag. Das verbieten der Anstand und das Selbstverständnis."

Der Scherbenhaufen ist ein großer. Selbst wenn Wallner, Pühringer, der Seniorenbund, der Bauernbund und die Junge ÖVP recht bekommen und untadelig aus allem, was nun als Affären das Land beschäftigt, aussteigen sollten, bleiben das Gefühl und der Geschmack, dass das Land als Selbstbedienungsladen konstruiert ist. Mit Kasterln und Kassen für alles und jedes und für alle und jeden. Niemand soll zu kurz kommen. Wenn man populistisch sein möchte, würde man hinzufügen, schon gar nicht Parteien und Interessenvertretungen und Gruppen mit ähnlich gelagerten Aufgaben.

Dabei ist da noch gar nicht die Rede von den an die gut 225 Mio. Euro an Parteienförderungen, die Österreich in einem Ranking den sonst oft so vermissten internationalen Spitzenplatz bescheren, auf den das Volk freilich gerne verzichten würde.

Auch dabei ist alles rechtens, weil sich eben, und das ist, was Österreich als Selbstbedienungsladen erscheinen lässt, Parlamentsparteien die Gesetze entsprechend zurechtgeschneidert haben - in einem Land, in dem als ungeschickt gilt, wer irgendwo eine der mehr als 48.000 Förderungen liegen lässt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Juni 2022

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