Donnerstag, 2. Juni 2022

Lohnnebenkosten - null Treffer

Österreichs Unternehmen suchen händeringend Personal. Viele Branchen leiden ganz besonders. In Tourismus und Gastronomie häufen sich die Meldungen nicht nur von Kürzungen der Betriebszeiten, sondern mittlerweile auch von Schließungen. "Wir kriegen keine Leute", sagen Wirte und Hoteliers. Und oft bekommen sie als Antwort zu hören, "dann müsstet ihr endlich besser zahlen".

Mag sein, dass da auch etwas dran ist. Unterbelichtet bei dieser Diskussion ist jedenfalls immer, dass in Österreich der Staat und die Sozialversicherung so viel einkassieren von dem, was die Unternehmen für die Entlohnung ihrer Mitarbeiter aufwenden müssen, und dass deswegen kaum sonst wo so wenig bei den Arbeitnehmern ankommt. Im Klartext: Wäre der Staat und sein System nicht so gefräßig, könnte mehr von den Löhnen bei den Beschäftigten landen. Aber, wir sind in Österreich und da schiebt man die großen Probleme bekanntermaßen gerne vor sich her. Oft gleich durch viele, viele Jahre. Die Lohnnebenkosten sind eines dieser großen Probleme.

Erst vorige Woche bescheinigte die OECD Österreich wieder den Kellerplatz im internationalen Vergleich. In nur zwei Industrieländern greift die öffentliche Hand bei Einkommen aus Arbeit stärker zu als in Österreich, meldeten die Zeitungen. "Gemessen an den Arbeitskosten bleibt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nur in Belgien und in Deutschland weniger Nettoeinkommen übrig als in Österreich", hieß es. Und als Draufgabe verweist man darauf, dass selbst in mit Österreich vergleichbaren Ländern wie Schweden oder Finnland die Belastung um fünf Prozentpunkte niedriger sei.

Laut OECD kamen im Vorjahr von 100 Euro, die als Arbeitskosten für einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin beim Arbeitgeber anfallen, nur 52,2 Euro beim Arbeitnehmer an. Was am Lohnzettel fehlt, kassiert der Staat an Lohn-und Einkommensteuer, geht an die Sozialversicherungen und fällt als andere Sozialabgaben an. 47,8 Prozent macht diese Differenz in Österreich aus. Das schmerzt nicht nur in der Brieftasche, liegt doch der OECD-Durchschnitt mit nur 34,6 Prozent weit mehr als zehn Prozentpunkte niedriger.

Würden die heimischen Arbeitnehmer so stark belastet werden wie ihre niederländischen Kollegen, hat Agenda Austria errechnet, blieben ihnen 673 Euro netto mehr im Monat. Hätte Österreich dieselbe Steuer-und Abgabenbelastung wie der Wohlfahrtsstaat Schweden, blieben einem Durchschnittsverdiener immer noch 283 Euro netto mehr im Monat. Am lukrativsten wäre für heimische Arbeitnehmer die Abgabenbelastung von Irland. Dort wäre ihr monatliches Nettogehalt nämlich sogar um 746 Euro höher. Da versteht man, dass manchem die Zornesröte ins Gesicht steigt.

Auf der Homepage der Agenda Austria gibt es einen sogenannten "Bruttomat". Damit kann man sich schnell ausrechnen, was wirklich netto vom Brutto bleibt und wohin der Rest verschwindet. Und will man wissen, wie die Dinge bei einem Bruttolohn von 3.000 Euro monatlich wirklich laufen, erfährt man, dass dafür eine erwirtschaftete Leistung von 54.544,80 Euro im Jahr nötig ist. Davon muss bereits der Arbeitgeber laut "Bruttomat" 12.554,80 Euro an Sozialversicherung, Abgaben für den Familienlastenausgleichsfonds, Kommunalsteuer etc. zahlen. Womit man bei einem Bruttojahreseinkommen von 42.000 Euro wäre. Nun ist der Arbeitnehmer dran -7.550,40 Euro Sozialversicherungsbeiträge sind noch zu zahlen und 4.948,23 Euro an Lohnsteuer. Damit sind von den ursprünglich mehr als 54.000 Euro rund 25.000 weg. Was bleibt ist ein Netto-Jahreseinkommen von 29.501,37 Euro.

Und wer jetzt meint, 3.000 Euro im Monat seien ja relativ viel, dem sei die Rechnung mit 1.500 Euro brutto monatlich präsentiert. Dabei bleiben von ursprünglich 27.272,40 nach Abzug von fast 10.000 Euro an Steuern und Abgaben nur 17.308 Euro im Jahr.

Vor diesem Hintergrund verwundert, wie die Diskussion in diesem Land gelagert ist. Da redet alles von höheren Löhnen, die freilich nichts anderes als eine höhere Belastung für die Unternehmen bedeuten. Aber kaum jemand redet von einer Verringerung der Lohnnebenkosten, die Einsparungen und wohl auch Umstrukturierungen bei den öffentlichen Ausgaben voraussetzt.

Vielleicht liegt es ja auch an ideologischen Scheuklappen. Die Homepage des SP-nahen Thinktanks "momentum" liefert bei der Suche nach dem Begriff Lohnnebenkosten genau null Treffer -genauso viel wie die Politik bisher zu diesem Thema zusammengebacht hat.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Juni 2022

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