Donnerstag, 9. März 2023

Licht in die Abgründe

Über Gütesiegel lässt sich hervorragend lästern in diesen Tagen. Die grausigen Bilder aus einem steirischen Schlachthof und auch die Berichte aus den Wäldern dieser Welt waren nicht dazu angetan, das Vertrauen in die Gütesiegel zu festigen. Ganz im Gegenteil. Wohl kaum je zuvor ist das Vertrauen so erschüttert worden.

Dabei wären diese Siegel entwickelt worden, um Klarheit zu schaffen in der unüberschaubar gewordenen Produktvielfalt und um Sicherheit zu geben, dass bestimmte Standards eingehalten werden, auf die sich die Konsumenten verlassen können. Jetzt aber wird allerorten gefragt, was die Öko-Siegel für Holz-und Holzprodukte wert sind und was das AMA-Gütesiegel.

Zu entschuldigen ist nichts und der Handlungsbedarf scheint groß. Letzteres ist wohl keine Frage, auch wenn es nicht einfach sein wird. Nicht für die heimische Holzwirtschaft, die sich auf ihr staatlich akkreditiertes PEFC-Siegel und das österreichische Forstgesetz, "eines der strengsten Forstgesetze der Welt", beruft. Vor allem aber wird es nicht einfach sein für die AMA Marketing, das Gütesiegel wieder aus der Schusslinie zu kriegen. An Empfehlungen fehlte es nicht: "Man muss dringend nachsehen, wo die systemischen Mängel solcher Qualitätsauszeichnungen stecken und die dann auch beseitigen."

Dabei ist durchaus die Frage zu stellen, ob nicht die Verfehlungen bei den Siegeln, die da jüngst durch die Medien gezerrt wurden, allein dort zu finden sind. Und ob sie wirklich die Richtigen sind, um damit Exempel zu statuieren, zumal offizielle Stellen dahinterstehen und nicht private Unternehmen, Handelsketten, Erzeuger oder auch NGOs, für die Gütesiegel oft nicht mehr als ein Geschäftsmodell sind, um mit dem guten Willen und oft auch der Gutgläubigkeit der Konsumenten und Spender Geld zu machen.

Wie die Schwammerl wuchsen die Gütesiegel in den vergangenen Jahren in den Regalen des Handels. Mehr als hundert wurden schon einmal gezählt. Wofür sie stehen und wie sie kontrolliert werden, liegt dabei oft im Dunklen. So wie die Rolle von NGOs, die dem Vernehmen nach ihre Kontrollen und Dienste für Marketingstrategien von Konzernen gerne versilbern lassen. Das Prüfund Zertifzierungsgeschäft ist nicht nur für sie längst ein Millionen-Business.

Hinter den Themen wie Tierschutz und Umwelt verstecken sich oft ganz andere Interessen. Solche, die gar nicht zu dem passen, was in Presseaussendungen und Interviews erzählt wird, und auch nicht zur Empörung, die man vorgibt. Denn für viele von denen, die sich da jetzt so lautstark empören, geht es meist auch um viel Geld. Dass da mit Haken und Ösen gekämpft wird, nimmt nicht wunder. Mit ausgefeilten Strategien und oft unlauteren Methoden jenseits aller rechtlichen Grenzen werden Skandal-Kampagnen konstruiert und im Monatstakt und ohne jeden zeitlichen Zusammenhang zu den tatsächlichen Ereignissen durch die Medien gejagt. Aus tausenden Stunden Filmmaterial werden die Bilder herausgesucht, die dann ins Fernsehen kommen. Dass jedes Bild und jede Szene darauf eine zu viel ist, sei unbestritten. Die Motive und Interessen, die im Hintergrund stehen, sollen dennoch nicht ganz außer Acht gelassen werden.

Viele von denen, die jetzt ganz besonders aufgeregt tun, spielen ein doppelbödiges Spiel. Da empört sich etwa ausgerechnet ein Handelsboss doch allen Ernstes darüber, dass es sich beim jüngsten Schlachthofskandal "nicht um Einzelfälle handelt, sondern um ein systemisches Problem, das sich vorrangig hinter verschlossenen Türen abspielt". Wie bitte? - mag man da erstaunt fragen. Das sagt einer der zentralen Player in diesem Spiel mit immer billigeren Sonderangeboten, Zwei-für-Eins-Packungen und Dauertiefpreisen?

Wenn man das liest, mag man glauben, was in diesen Tagen hinter vorgehaltener Hand zu hören ist. Dass es etwa darum geht, das AMA-Gütesiegel auszuhebeln, um die Landwirtschaft vollends in die Hand zu bekommen und den Bauern endgültig vorschreiben zu können, wie und was sie zu machen haben, ohne allzu viel Rücksicht nehmen zu müssen. Da geht es aber auch um Politik, wenn man hört, dass der für Tierschutz zuständige Gesundheitsminister in der aktuellen Diskussion genauso abgetaucht ist wie die bei solchen Themen eigentlich zuständigen Tierärzte.

Worum es wirklich gehen sollte, geht dabei unter -dass die Konsumenten auf das vertrauen können, was ihnen versprochen wird. Und dass, bei allen Gütesiegeln, alle Beteiligten die Verantwortung dafür übernehmen, statt ihre Spiele zu spielen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. März 2023

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