Donnerstag, 4. Mai 2023

Österreich hat auch sein Gutes

Die Stimmung im Land ist schlecht. "Österreicher pessimistischer als der internationale Durchschnitt", fassten die Meinungsforscher schon zu Jahresbeginn den Ausblick auf 2023 zusammen. 49 Prozent Pessimisten stünden nur 18 Prozent Optimisten gegenüber, hieß es schon damals. Wegen der Inflation befürchte man allerorten Einkommensverluste. Drei von vier Österreicherinnen und Österreicher rechneten mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Die Teuerung habe Corona als Sorgen-Thema Nummer eins abgelöst. Ein Institut schrieb sogar von der schlechtesten Stimmung seit 1972, also seit 50 Jahren.

Besser ist es wohl seither nicht geworden. Die Abwärtsspirale scheint sich schier ungebremst weiterzudrehen. Und wenn es nach dem ginge, was zuweilen diskutiert und gefordert wird, stehen wir unmittelbar vor dem Abgrund. Mit den Enttäuschten und Frustrierten sind politisch wieder gute Geschäfte zu machen. Eine Partei wie die FPÖ liegt in Umfragen plötzlich wieder bei mehr als 30 Prozent und sogar Kommunisten werden mit einem Mal salonfähig, ohne dass man lange nach dem Woher und Wohin fragt. Selbst in der SPÖ ergeht man sich im Ringen um den künftigen Parteivorsitz in Fantasien, die man längst überwunden glaubte. Die Töne werden immer schriller, die Klagen immer lauter, die Forderungen immer radikaler. Selbst der Vorsitzende der Grünen glaubt sich nun mit einer salopp vorgetragenen Forderung nach Erbschaftssteuern einschalten zu müssen, um ja nichts zu versäumen.

Es können einem die Grausbirnen aufsteigen angesichts dieser Stimmung, die freilich vielen nicht zu verdenken ist. Positives ist immer schwieriger zu finden. Und wenn man etwas findet, wie die vollen Restaurants und Einkaufstraßen und von den gut gebuchten Urlaubsdestinationen, die so gar nicht zu dem passen, was diskutiert wird, lässt man das in diesem zunehmend hitzigen Umfeld nicht gelten. Da ergeht man sich lieber allemal in Trübsal und darin, so zu tun, als lebten wir in einem der miserabelsten Länder auf dieser Welt, in dem gar nichts mehr funktioniert und in dem es keine Aussicht auf Zukunft gibt.

Ganz so kann es aber dann doch nicht sein. Jüngsten Umfragen zufolge liegt der Anteil der Österreicherinnen und Österreicher mit hoher Lebenszufriedenheit immer noch jenseits der 50-Prozent-Marke.

Trost und Zuversicht vermag in solch einer Lage mitunter der Blick über den Tellerrand spenden, der durchaus geeignet ist, das mit der Lebenszufriedenheit zu unterstützen. Da relativieren sich Probleme und Sorgen, da merkt man, dass nicht allein Österreich zu kämpfen hat. Man sieht schnell, dass Österreich alles in allem und der Unzufriedenheit zum Trotz immer noch zu den Ländern auf dieser Welt zählt, in denen es sich besonders gut lebt. Auch wenn man über Rankings wie dem "World Happiness Report", der alljährlich veröffentlicht wird, die Nase rümpfen mag, dass Österreich auch heuer wieder auf dem elften Platz von 140 Ländern landete, heißt dennoch was.

Dass es in Österreich nicht so dramatisch schlecht ist, wie zuweilen getan wird, zeigt auch der "Better Life Index" der OECD. Bei vielen der Themen, mit der sich dieser Index befasst, liegt Österreich über dem Durchschnitt der Industrienationen. Einer der zentralen Sätze dabei lautet etwa: "Bei der Einstufung ihrer allgemeinen Zufriedenheit mit dem Leben auf einer Skala von 0 bis 10 gaben die Einwohner von Österreich einen Zufriedenheitsgrad von 7,2 an, was über dem OECD-Durchschnitt von 6,7 liegt."

Über dem Durchschnitt liegt Österreich auch bei vielen anderen Themen, die beleuchtet wurden. Das Einkommen ist so ein Thema, die Lebenserwartung auch, der Wohnstandard, die Beschäftigung oder die Umwelt. Kaum sonst wo ist die Luft so gut wie bei uns und gar nicht zu reden von der Wasserqualität. Und auch in Sachen Sicherheit zählt unser Land zu den ganz Vorderen. "In Österreich sagen 85,7 Prozent, dass sie sich sicher fühlen." Dieser Wert liegt damit deutlich höher als der OECD-Durchschnitt von 73,9 Prozent.

Freilich, die Lage in unserem Land war schon besser und die Krise, die wir jetzt erleben, stellt hohe Anforderungen. Aber, das zu sagen muss auch einmal erlaubt sein, alles ist relativ und Österreich zählt nach wie vor, auch wenn man manchmal anders vermutet, zu den tollsten Ländern der Welt, in denen man leben kann.

Was freilich nicht heißen soll, dass man nicht alles dransetzen muss, dass es ständig besser wird.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. Mai 2023

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