Samstag, 9. September 2023

Die Ukraine bereitet Getreidebauern Sorgen

Der Getreidemarkt ist derzeit die größte Baustelle der heimischen Agrarpolitik. Aber auch bei Milch blitzt es.

Hans Gmeiner 

Ried/Innkreis. Bei der Rieder Messe beschrieben die Spitzen der heimischen Agrarpolitik am Freitag die Stimmung in der Landwirtschaft mit „ruhige Zufriedenheit“ (Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig), „durchzogen“ (Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger) und allenfalls als „durchwachsen“ (Bauernbundpräsident Georg Strasser). Bei den heimischen Getreidebauern ist die Stimmung in diesen Wochen definitiv schlechter, als sie die drei beschrieben. Die Preise sind nach dem Höhenflug im vergangenen Jahr auf den Warenterminbörsen deutlich zurückgegangen. Verschärft wird der Rückgang durch die höheren Abschläge, die der Handel für Transport und Handelsspanne abzieht. Waren bisher dafür 30 Cent je Kilogramm üblich, so ist nun die Rede von Abschlägen in der Größenordnung von 60 bis 90 Cent. Lag der Erlös für ein Kilogramm Weizen vor Jahresfrist jenseits der 30-Cent-Grenze, so müssen die Bauern heuer mit oft deutlich weniger als 20 Cent zufrieden sein. Die Gerüchteküche kocht wieder einmal über. Verantwortlich dafür machen die Bauern die Exporte der Ukraine über den Land- und Wasserweg nach Europa. Sie gingen nicht, so ihr Vorwurf, weiter in die bedürftigen Länder im Nahen Osten und in Afrika, sondern landeten vorzugsweise in europäischen Silos.

Auch wenn es keine konkreten Zahlen gibt, ist man der festen Überzeugung, dass viel davon auch in Österreich landet und hier den Druck auf den Markt und die Preise erhöht. Neuerdings ist sogar davon die Rede, dass große Partien ukrainischen Mehls in Österreich zu Niedrigstpreisen angeboten werden. Vor diesem Hintergrund verlangen die Bauern, dass der Schutzkorridor, der für die ukrainischen Nachbarstaaten eingerichtet wurde, um dort die Märkte und damit die Bauern zu schützen, auch auf Österreich erweitert wird.

Das freilich ist nicht einfach. Nicht nur, dass der Schutzkorridor in den nächsten Tagen ausläuft, es ist auch unsicher, ob er verlängert wird. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski wäre dafür, die Kommission aber ist dem Vernehmen nach dagegen. Österreichs Landwirtschaftsminister Totschnig versteht die Sorgen der heimischen Bauern, kann aber derzeit keine konkreten Lösungen bieten. „Die Kommission ist am Zug, sie muss die Regeln machen“, sagte er am Freitag in Ried. Es brauche gleiche Bedingungen für alle. „Es kann nicht sein, dass neben uns das Verbot gilt und der Preisdruck bei uns schlagend wird.“ Er sagt aber auch, dass die EU-Statistiken über die Exporte der Ukraine keine Ausschläge für Österreich zeigen. Der Minister lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass es Lösungen für das Problem geben müsse. „Die Kommission muss Regelungen schaffen, dass es zu keinen Marktverwerfungen mehr kommt. Jetzt kommt ja auch noch die Herbsternte dazu.“ Er fordert zudem den raschen Ausbau der Transportkapazitäten entlang der Transitrouten aus der Ukraine und den Ausbau der EU-Häfen, „damit das Getreide dorthin kommt, wo es hinkommen soll, nämlich in den Nahen Osten und nach Afrika“. Zudem verlangt er ein effektives Marktmonitoring, damit die Politik im Fall des Falls rasch reagieren könne.

Während der Getreidemarkt bereits unter Druck steht, baut sich dieser auf dem Milchmarkt erst auf. Mit Sorge beobachtet man das Einbrechen der Preise auf dem deutschen Markt. Darüber, wie man damit umgehen soll, ist man offenbar zwischen Bauernvertretung und Molkereien uneins, lässt sich aus einer Äußerung von Kammerpräsident Moosbrugger schließen. „Wir würden erwarten, dass die Milchverarbeiter gemeinsam mit der bäuerlichen Interessenvertretung Strategien klug und gescheit vorbereiten und nicht allein marschieren.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 9. September 2023

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