Freitag, 29. September 2023

Der EU geht das Agrarland aus

Von Überschüssen binnen 20 Jahren in eine Ära der Knappheit.

Hans Gmeiner

Wien. Die Zeiten der Weizenberge und Milchseen sind endgültig vorbei. Die internationale Versorgungslage ist angesichts des rasanten Zuwachses der Weltbevölkerung inzwischen bei praktisch allen wichtigen Agrarprodukten angespannt. Die Subventionierung von weniger produktiven Wirtschaftsweisen und Flächenstilllegungen, wie sie insbesondere in der EU immer noch die Agrarpolitik bestimmen, hält der deutsche Agrarprofessor Harald von Witzke vor diesem Hintergrund für kontraproduktiv. „Auch in der EU hat die Ära der Knappheit begonnen“, sagte der Wissenschafter in Wien bei der Diskussionsveranstaltung der IG Pflanzenschutz mit dem Titel „Operation gelungen – Bauer tot“. „Inzwischen nutzt die Union per Saldo jährlich bis zu 34 Mill. Hektar außerhalb ihrer Grenzen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse“, sagte von Witzke.

Dementsprechend stoßen die aktuellen Pläne der EU wie der Green Deal oder die Renaturierungspläne, die eine weitere Extensivierung der Produktion und Flächenstilllegungen bringen sollen, bei ihm auf Ablehnung. Der Nahrungsbedarf der Welt steige in den Jahrzehnten zwischen 2000 und 2050 um 120 Prozent, die Weltbevölkerung wachse bis 2050 auf rund 10 Mrd. Menschen. „Dabei werden weltweit die landwirtschaftlich genutzten Flächen immer knapper und sind die Bodenreserven begrenzt.“ Sie in Produktion zu bringen schade dem Klima weitaus mehr als die bessere Nutzung bestehender Agrarflächen. „Die EU verfolgt dennoch konsistent eine anachronistische agrarpolitische Strategie, die klimaschädlich ist und Naturkapital der Welt vernichtet“, warnte von Witzke.

Bei der heimischen Bauernschaft, aber auch der Industrie gehen solche Sätze hinunter wie Öl. Dort beklagt man, dass man nicht gehört wird. „Trotz praktischer Erfahrung und bester Ausbildung, die auch wir Bauern haben, wird am grünen Tisch irgendwo entschieden“, sagt etwa Ernst Karpfinger, Präsident der heimischen Rübenbauern. „Wir kommen in dem Dialog gar nicht vor.“ Ins gleiche Horn stößt Christian Stockmar, Sprecher der IG Pflanzenschutz. „Man mag den Green Deal umsetzen, aber unter Beteiligung der betroffenen Landwirte und unter Einbeziehung von Experten auch aus der Industrie und nicht auf Grundlage von NGO-Dogmen und Ideologien.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 29. September 2023

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