Samstag, 23. September 2023

Dürre bringt Versicherer an ihre Grenzen

Dürreschäden nehmen weltweit zu, in Österreich lagen sie in zehn Jahren bei einer Milliarde Euro.

Hans Gmeiner 

München. Vor gut einem Jahrzehnt mussten die Agrarversicherer nach einer Dürrekatastrophe in den USA ein Vielfaches von dem an Entschädigungen auszahlen, was sie an Prämien eingenommen hatten. Im Vorjahr war es in Brasilien nach einer monatelangen Trockenheit in den wichtigsten Sojaanbaugebieten nicht viel anders. Und heuer blickt man mit Bangen nach Südeuropa und insbesondere auf die Iberische Halbinsel, wo man mit bisher noch nie da gewesenen Dürreschäden zurechtkommen muss. Solche Ereignisse, die Jahr für Jahr immer öfter auftreten, sorgen nicht nur bei lokalen Agrarversicherern, sondern auch bei den großen internationalen Rückversicherern immer öfter für regelrechte „Erdbeben“, wie sie das nennen. Angesichts der Größe und Häufigkeit der Schäden stoßen sie zunehmend an ihre Grenzen. Vor allem kleinere Rückversicherer sind weltweit dabei, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. Wer bleibt, versucht mit Prämienerhöhungen, höheren Selbstbehalten, Begrenzung der Deckung oder dem Anpassen von Messzahlen durchzukommen. Die Nachfrage steigt, mittlerweile gehen bei großen Rückversicherern sogar aus Regionen wie Skandinavien Anfragen zur Dürre ein, wo man solche Probleme nicht vermuten würde.

In Österreich ist das nicht anders. Bei der Hagelversicherung, bei der sich die Bauern gegen Wetterkatastrophen versichern können, ist die Dürre inzwischen mit einem Anteil von 40 Prozent am Schadensvolumen das mit Abstand wichtigste Thema. Auf den Hagel, der der Versicherung dereinst den Namen gab, entfallen indes nur mehr rund 23 Prozent der Entschädigungen, die der Versicherer auszahlt. Für die vergangenen zehn Jahre beziffert Kurt Weinberger, Chef der Hagelversicherung, die Dürreschäden in Österreich mit rund einer Mrd. Euro. Bis zur Mitte des Jahrhunderts sei mit einem Anstieg der volkswirtschaftlichen Schäden durch Dürre, aber auch Hagel, Frost, Sturm und Überschwemmungen auf bis zu acht Mrd. Euro pro Jahr zu rechnen.

In den nächsten Jahren wird sich die Lage nicht nur in Österreich weiter zuspitzen. „Viele wetterbedingte Naturkatastrophen werden häufiger und heftiger“. sagt Andreas Lang, Klimaexperte bei der Munich Re, einem der größten und weltweit agierenden Rückversicherer. Schon jetzt sind die Schäden durch Ernteausfälle und verstärktes Auftreten von Pflanzenkrankheiten als Folge von Dürren enorm hoch.

In großen Teilen der Welt steht die Landwirtschaft dieser Entwicklung schutzlos gegenüber. Nach Schätzungen der Branche sind derzeit rund 60 Prozent der versicherbaren Ernten nicht durch Versicherungen geschützt. Die immer höheren Prämien kann die Landwirtschaft ohne staatliche Unterstützung kaum aufbringen. Das aber leisten sich nur wenige Staaten. Die größte Tradition hat die Versicherung der Ernten in den USA. Dort ist sie sogar zusammen mit einer Versicherung der Erlöse traditionell integraler Bestandteil der Agrarpolitik.

In den vergangenen Jahren holten aber auch Länder wie China und Indien stark auf. Weiße Flecken auf der Landkarte sind Regionen wie Afrika oder Südamerika, wo es kaum Versicherungsschutz für die Landwirtschaft gibt. Und auch in Europa gibt es einen großen weißen Fleck: In Deutschland sind nur knapp 70 Prozent der Bauern gegen Hagel, Sturm und Starkregen versichert, nicht aber gegen Dürre. Das gesamte Prämienvolumen ist dort nicht höher als in Österreich, obwohl das Land vier Mal so groß ist. Einzig Bayern ermöglicht durch entsprechende Unterstützung der Landwirtschaft seit heuer einen umfassenden Versicherungsschutz.

Auch wenn die Klimaziele planmäßig erreicht würden, sollte man sich in der Landwirtschaft aber auch außerhalb davon keine Illusionen machen. „Das Klimasystem hat eine hohe Trägheit“, sagt Klimaexperte Lang. „Auch wenn wir den CO2-Ausstoß sofort stoppen, werden wir in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren die Folgen der fortschreitenden Erwärmung immer stärker sehen.“ Nachsatz: „Anpassung ist daher neben Emissionsreduzierung entscheidend.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 23. September 2023

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