"Wir setzen weitere Maßnahmen im Kampf gegen die Teuerung: Die maximalen Mieterhöhungen werden gedeckelt", twittert der Bundeskanzler höchstselbst, wenn auch, wie viele meinen, viel zu spät. Die Bundesgebühren will er einfrieren und das abschöpfen, was man bei Energiekonzernen Übergewinne nennt, was bei Licht nichts anderes ist, als direkt in Unternehmen einzugreifen.
Man staunt, was die Konkurrenz aus einem machen kann - deckeln, einfrieren, abschöpfen. Der Obmann der SPÖ, der Nehammer so gerne nachfolgen würde, könnte es wohl kaum besser. Es ziemt einen, als wäre in diesem Land mit einem Mal ein Bewerb im Gange, wer noch besser das kann, was gemeinhin als links und populär gilt. Und die ÖVP spielt nach Kräften mit.Das freilich nicht erst jetzt. Schon Nehammers Vor-Vorgänger gab die Devise aus "Koste es, was es wolle", um fürderhin Geld übers Land zu schütten, auf dass niemand Angst haben müsse, sich niemand benachteiligt fühlt und vor allem, dass er so weitermachen konnte, als gäbe es keine Krise. Vollkasko sozusagen.
Irgendwie ist es jetzt so, dass wir den Salat haben und alle unzufrieden sind. Vor allem mit Nehammer und seiner Regierung. Babler und noch viel mehr Kickl geben den Takt vor. Man mag es nicht mehr anders nennen, wenn man beobachtet, was mit einem Mal alles möglich ist. Sie treiben den Kanzler und die Seinen vor sich her, der für sein Tun nicht wirklich belohnt, sondern von allen Seiten angegriffen wird.
Gewonnen hat er nicht viel damit. Nicht mit den Corona-Hilfen und nicht mit dem Mietpreisdeckel und all dem, was der jetzt zu tun verspricht. Man hätte sich mehr erwartet. Zuerst das Geld mit beiden Händen hinauswerfen und jetzt deckeln, einfrieren und abschöpfen ist bemerkenswert wenig, was den Herrschaften eingefallen ist. Vor allem ist es nicht gelungen, die Mitte zu finden. Zuerst war's zu viel, dann war's zu wenig. Und jetzt haben wir alle unsere liebe Not mit dem, was da angerichtet wurde. Jetzt jedenfalls leiden wir unter einer Teuerung, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht mehr kannten, gehören zu den Ländern mit der höchsten Inflationsrate in Europa und müssen nun sogar hören, dass die Wirtschaft in den kommenden Monaten schrumpfen wird.
Aber sei's drum -wir haben es so gewollt. Was haben wir nach Corona-Hilfen verlangt, was hätten wir geschimpft, wenn es die nicht gegeben hätte. Gar nicht genug haben wir kriegen können davon. Und jetzt schreien wir nach Abgeltungen für die Teuerungen und nach Unterstützung und nach Hilfe.
Mit Verlaub, das ist alles irgendwie sehr österreichisch. Das passt zur Versorgungsmentalität, die sich in den vergangenen Jahrzehnten breit gemacht hat und zu dem, was nicht wenige mittlerweile nicht ganz zu Unrecht "Vollkasko-Gesellschaft" nennen. Wenn's brenzlig wird, ist das Erste, dass wir Hilfe und Unterstützung vom Staat fordern. Da gibt man gerne die Verantwortung ab wie eine Jacke an der Garderobe. Da tut man lieber so, als könne man selbst rein gar nichts.
Das gilt vor allem dann, wenn es ums Geld geht. Da macht man die Politik verantwortlich und kommt aus dem Fordern nicht mehr heraus. Geht es aber, wie bei Corona etwa, nicht ums Geld, sondern um so etwas wie Solidarität, ist das freilich alles in der Sekunde vergessen. Da pocht man auf das, von dem man meint, dass es persönliche Freiheit ist und auf die Eigenverantwortung. Da soll sich tunlichst niemand einmischen. Da ist man empfindlich und oft sogar mehr als das. Wir haben es erlebt.
Der Boden für Pläne, wie sie im Sog von Kickl und Babler nun allerorten modern zu werden scheinen (sogar die NEOS-Chefin kann sich mittlerweile Erbschaftssteuern vorstellen), ist fruchtbar in diesem Land. Da soll sich niemand Illusionen machen. Da kann noch einiges auf uns zukommen, was viele als gerecht verstehen und notwendig, was aber in Wahrheit nichts anderes als ein dreister Eingriff auf Grundrechte und die Privatsphäre ist, die bisher nicht angetastet wurden. Und das aus guten Gründen.
Sätze wie "Reiche Menschen sind keine zu schützende Minderheit" werden inzwischen arglos hingeschrieben. Dabei geht es weniger darum, dass nicht gesagt wird, wo "reich" beginnt, sondern dass man eine Gruppe ohne jeden Respekt und ohne jede Rücksicht gleichsam zum Freiwild der Gesellschaft erklärt.
Man muss gespannt sein auf das, was da noch alles auf uns zukommt. Nicht nur von Kickl und Babler, sondern auch von allen anderen.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. September 2023
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