Wer in Österreich ein Milchprodukt konsumiert, muss kein schlechtes Gewissen haben, sagt Berglandmilch-Chef Josef Braunshofer.
Hans Gmeiner
Tierwohl, saubere Energie und Nachhaltigkeit werden bei Österreichs größtem Milchverarbeiter großgeschrieben. Das verlangt Bauern, die sie beliefern, einiges ab.
SN: Wie läuft es auf dem Milchmarkt?
Braunshofer: Was haben die Konsumenten, was haben die Bauern zu erwarten? Josef Braunshofer: Die Preisspitze auf dem Milchmarkt ist überschritten. Für die Konsumenten wurde es billiger, auch bei den Bauernpreisen ging es nach unten. Im zweiten Halbjahr erwarten wir stabile Marktverhältnisse. Inflationstreiber sind wir jedenfalls nicht.
SN: Wie ist das Verhältnis zum Handel, der ja vor allem für die Bauern immer wieder Reibebaum ist?
Braunshofer: Das muss man professionell sehen. Wir kommen ohne Handel nicht zum Konsumenten und der Handel braucht Produkte in den Regalen, die wir ihm liefern. Da geht es darum, dass wir eine Einigung finden, dass wir Produkte anbieten, die für die Konsumenten interessant sind und auch für den Handel.
SN: Wie hat sich das Geschäft in den vergangenen Jahren verändert?
Braunshofer: Die Art und Weise, wie Produkte konsumiert und eingekauft werden, ist anders geworden. Die Bequemlichkeit ist gestiegen, auch das Umweltbewusstsein. Das Thema Tierwohl hat eine ganz andere Bedeutung. Vor 20 Jahren hat es im Bereich der Handelseigenmarken noch keine Preiseinstiegsschienen wie Clever oder S-Budget gegeben. Es ist wichtig geworden, mehr als das Produkt zu liefern. Qualität und Regionalität als Argumente reichen allein nicht. Bei uns sind das Glyphosat-Verzicht, ausschließlich europäisches und GVO-freies Futter, Tierwohl. Wir müssen etwas bieten, das die Konsumenten zu unseren Produkten greifen lässt. Und zwar jedes Mal, wenn sie vor dem Regal stehen. Dass sie sagen: „Ja, das passt – die Bauern produzieren, wie ich als Konsument oder Konsumentin das haben will.“ Wir müssen daher alles vom Regal her denken.
SN: Wie sieht aus Sicht des Milchverarbeiters das Umfeld der Landwirtschaft aus?
Braunshofer: Wir haben als genossenschaftliches Unternehmen eine besondere Stellung. Bauern sind Hauptlieferanten und Eigentümer gleichzeitig. Die Milchproduktion ist viel stärker vertikal integriert als andere landwirtschaftliche Bereiche. Und wir haben noch starke Herstellermarken, die in den Händen der Bauern sind. Es muss uns gelingen, dass damit mehr Wertschöpfung auf den Bauernhöfen landet und dass die Milchproduktion auch für die nächste Generation interessant bleibt.
SN: Auch die Milch als Nahrungsmittel ist nicht mehr sakrosankt. Stichwort Tierwohl oder Umweltbelastung mit Methan, die großteils den Kühen zugeschrieben wird. Was heißt das für die Bauern? Was für die Milchverarbeiter?
Braunshofer: Deutlich mehr als 50 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche der Welt können nur über Grünland genutzt werden. Wenn ich die Leute vernünftig ernähren will, brauche ich Wiederkäuer wie Kühe. Die Evolution hat da was Tolles hervorgebracht – aus dem für den Menschen nicht verwertbaren Produkt Gras produzieren sie hochwertiges Eiweiß, Vitamine, Milchzucker, Fett und Muskelmasse, also Fleisch. Wir müssen das Beste draus machen. Konsumenten wollen, dass es Kühen gut geht, Kritik an der Haltung wird lauter. Wenn man ein Milchprodukt konsumiert, soll man kein schlechtes Gewissen haben. Wir haben keine Turbokühe, der Anteil von Gras und Heu in der Fütterung ist hoch wie kaum sonst wo, die österreichische Kuh trinkt nur Trinkwasser und kein aufbereitetes Wasser. Wir schreiben unseren Bauern seit drei Jahren vor, dass das Kalb nur echte Milch zum Trinken bekommen darf und artgerecht ernährt werden muss. Zudem haben wir immer mehr Bauern, die ihre Kälber nicht einzeln, sondern in einer Gruppe halten. Das sind Dinge, die wir weiter voranbringen wollen.
SN: Auch in Sachen Klimaschutz stehen Rinderhaltung und Milchproduktion wegen des Methans in der Kritik.
Braunshofer: Dieses Kapitel wird gerade neu geschrieben. Man hat herausgefunden, dass sich Methan wesentlich schneller abbaut als bisher angenommen und die Klimaschädlichkeit daher bei Weitem nicht so groß ist. Wir können zudem auch über natürliche Futterzusätze merkbare Methanreduktionen erreichen. Berglandmilch-Bauern füttern nur europäische Futtermittel und leisten so einen Beitrag, dass Regenwälder nicht weiter abgeholzt werden.
SN: Konsumenten und Konsumentinnen sollen kein schlechtes Gewissen haben müssen, sagen Sie. Wo bleiben da die Bauern?
Braunshofer: Als Genossenschaft tue ich mir da extrem leicht. Alles, was wir erwirtschaften, landet bei den Eigentümern, nämlich bei den Bauern. Und nicht bei einem anonymen Aktionär, der irgendwo sitzt, sondern wie in unserem Fall sind das 8700 österreichische Bauernfamilien.Berglandmilch steht wegen Milchersatzprodukten in der Kritik.
SN: Wie groß ist der Anteil?
Braunshofer: Milchersatzprodukte sind eine Nische. Sie wächst, aber es ist nicht so, dass der Absatz durch die Decke schießt. Das mediale Aufsehen ist größer, als es die Realität zeigt. Wir verwenden für diese Produkte ausschließlich heimischen Hafer und heimische Kichererbsen.
SN: Nachhaltigkeit ist ein großes Thema, Umstellung von Gas auf Hackschnitzelheizungen, Mehrwegflaschen. 40 Millionen hat das Unternehmen bisher investiert. Wird das geschätzt?
Braunshofer: Ich merke, dass es von den Bauern wirklich geschätzt wird und dass es ihnen ein Anliegen ist. Dazu gehört auch, dass wir mit Holz aus ihren Wäldern heizen wollen, da bleibt die Wertschöpfung im Land. Bei den Konsumenten müssen wir noch stärker kommunizieren, dass wir damit einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten.
SN: Wohin geht die Reise in den nächsten Jahren?
Braunshofer: Wir tun alles, dass wir mit unseren Marken die Nummer eins in Österreich bleiben. Anspruch ist, dass Berglandmilch-Bauern auch in Zukunft Marken und Produkte haben, mit denen sie Wertschöpfung erzielen und mit denen Konsumenten und Exportkunden Freude haben.
Josef Braunshofer ist Generaldirektor von Österreichs größter Molkerei Berglandmilch (Schärdinger, Tirol Milch, Stainzer).
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 11. September 2023
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