Donnerstag, 18. Januar 2024

Die missbrauchte Demokratie

Vor Weihnachten sorgte der Verdacht, dass mit Volksbegehren Geschäfte gemacht werden, für Aufsehen. An die 130.000 Euro Reingewinn soll eine Gruppe erzielt haben, die sich seit 2018 mit der Eintragung von Volksbegehren beschäftigt. Ob es so war, ist noch nicht wirklich klar. Aber möglich scheint es zu sein. Selbst die grüne Verfassungssprecherin im Parlament beklagte sich, dass sie immer wieder beobachten musste, dass eine Gruppe von Personen wiederholt Volksbegehren einbringt, aber wenig Interesse an einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Themen hatte. Was kaum verwundert. Ging es früher um Themen wie den Rundfunk, Frauenrechte oder den Sozialstaat, so ging es zuletzt um Themen wie die Legalisierung von Cannabis, die Einführung einer täglichen Turnstunde bis hin zur Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe. 
Mehr direkte Demokratie war das wichtigste Argument, als 2018 das Volksbegehren reformiert wird. Statt auf Gemeindeamt und Magistrat zu pilgern und zu unterschreiben, kann man seither online zu Hause abstimmen. Zwischen Frühstückssemmerl und Mistkübel leeren. Demokratie to go quasi. Volksbegehren wurden damit inflationär und nachgerade wertlos. Was mehr Demokratie bringen sollte, wurde zum Bärendienst. 
Und das fügt sich in eine Entwicklung, die vielen zunehmend Sorgen bereitet. Demokratie, Mitbestimmung, Bürgerbeteiligung auch, wurden zu Geschäftsmodellen in Politik, in öffentlichen Verfahren und auch in der Wirtschaft, da sie genau das schwächten, was sie eigentlich stärken sollten. Unaufhaltsam werden dabei die Säulen unseres Gemeinschaftswesen unterspült. Demokratie wird zuweilen ins Lächerliche gezogen. "Demokratische Waffen werden stumpf gemacht", wie es ein Zeitungskommentator formulierte. 
Denn das Volksbegehrenswesen ist nicht die einzige dieser "Waffen", die da "stumpf" gemacht werden. In diesen Tagen wird uns wieder deutlich vor Augen geführt, wie die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zu billigen Polit-Spektakeln gemacht wurden, bei denen es längst nicht mehr um die Aufklärung finsterer Vorgänge geht, sondern vor allem darum, den politischen Gegner vorzuführen und ihm ans Zeug zu flicken. Machst du einen Untersuchungsausschuss, mach ich auch einen. Wie im Sandkasten wirkt zuweilen, was da geboten wird. Mit dem ursprünglichen Zweck hat es meist nur mehr wenig zu tun. Und einem Instrument der Demokratie wird es kaum mehr gerecht. 
Die Aufzählung des Missbrauchs von Instrumenten, die in ihrem Ursprung eigentlich der Stärkung der Demokratie, der Mitbestimmung und der Transparenz dienen sollten, ist damit noch lange nicht zu Ende. Der Bogen reicht von den "dringlichen Anfragen" an Ministerinnen und Minister im Parlament, die keinerlei Bedeutung mehr haben, und geht bis hin zur sogenannten Bürgerbeteiligung bei großen Bauprojekten. 
Da geht es nicht wirklich um eine Beteiligung oder gar Mitsprache der Bürger wie zuweilen suggeriert wird, sondern vor allem darum, mögliche Widerstände oder Aggressionen geschickt abzuleiten und ins Leere zu führen. Am besten, ohne Wünsche von Beteiligten berücksichtigen zu müssen. Professionelle Mediatoren geben Interesse vor, nehmen die Argumente auf, schreiben sie auf Pinwände -nur um sie dann im Mistkübel verschwinden zu lassen. Ganz so wie in der Politik, wo es auch oft, zumal in Vorwahlzeiten, um nicht viel mehr geht, als Interesse vorzugeben. Was dann aus den Versprechungen wirklich gemacht wird, steht, wir wissen es, auf einem ganz anderen Blatt. Wenn es denn überhaupt noch auf irgendeinem Blatt steht. 
Da verwundert, dass man sich wundert, wenn viele Leute in diesem Land enttäuscht und frustriert sind. Der Umgang mit demokratischen Instrumenten, wie er in den vergangenen Jahren eingerissen ist, tut dem Land nicht gut und der Stimmung. Und gut tut auch nicht, wie man die Bürger, denen man Beteiligung verspricht, immer wieder ins in Leere laufen lässt. Man hat wohl allzu viel versprochen und den Mund allzu voll genommen. Aber es erklärt einiges von dem, was nun vielen als Stimmung Sorgen macht. 
Es ist an der Zeit zurückzurudern und Themen wie die direkte Demokratie, aber auch Bürgerbeteiligung neu aufzustellen. Sie dürfen nicht endgültig zu etwas verkommen, was gemeinhin als politisches Kasperltheater gilt und auch nicht zu Instrumenten, mit denen man die Bürgerinnen und Bürger des Landes nichts als gängelt. 
Der Umgang mit demokratischen Instrumenten, wie er in den vergangenen Jahren eingerissen ist, tut dem Land nicht gut.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18.Jänner 2024

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