Donnerstag, 25. Januar 2024

Das ewige Monster

Der deutsche Edelbarde Reinhard Mey landete mit seinem Song über den "Antrag auf Erteilung eines Antragformulars", den er für die "Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars, dessen Gültigkeitsvermerk von der Bezugsbehörde stammt", brauchte, schon 1978 einen Hit. Seither ist es wohl nicht besser, sondern eher noch viel schlimmer geworden. Die Bürokratie hat uns fester im Griff denn je. Verbesserungen, die zugegebenermaßen immer wieder gelingen, und um die man sich auch bemüht, werden, so schnell kann man gar schauen, von immer neuen Regularien mühelos übertroffen. Trotz aller Bemühungen und Bekenntnisse der Politik und den ewigen Versprechen, sich den Bürokratieabbau an die Fahnen zu heften, nimmt die Regulierungswut kein Ende und sorgt allerorten für wachsende Verzweiflung. Trotz aller Versprechungen ist es noch nie besser geworden.

Und das in allen Bereichen. Im oberösterreichischen Kirchdorf warf erst vor wenigen Wochen die dortige Faschingsgilde das Handtuch, als sie von den Behörden mit der Forderung nach Terrorprävention, Maßnahmen gegen Unwetter, Notstrombeleuchtung und zahllosen Attesten konfrontiert wurde. Brauchtum hin, Brauchtum her -das Wiehern des Amtsschimmels übertönt allemal alles. Dass damit viel kaputt gemacht und jedes private Engagement eingedampft wird, wird, so der Verdacht, allzu oft billigend in Kauf genommen.

Nicht anders geht es vor allem den klein-und mittelständischen Unternehmen, für die all die bürokratischen Auflagen, mit denen sie Tag für Tag zu kämpfen haben, eine weitaus größere Anforderung sind als für große Unternehmen und Konzerne. Dabei haben schon die oft genügend Grund zur Klage: Arbeitsrecht, Arbeitnehmerschutz, die Steuergesetzgebung, Genehmigungsverfahren, Informations-und Veröffentlichungspflichten werden immer ganz zuvorderst genannt, wenn es um die größten Probleme mit der Bürokratie und der Regulierungswut geht.

Dabei sind die nächsten großen Brocken, die kommen sollen, noch gar nicht in Kraft. Was von Brüssel aus als EU-Lieferkettengesetz losgeschickt und von den Mitgliedstaaten bald umgesetzt werden muss, zählt genauso dazu wie die Entwaldungsverordnung, die Brüssel plant. Diese Verordnung, hinter der die verständliche Idee steht, künftig Importe aus Entwaldungsgebieten zu verbieten, soll dem Vernehmen nach zu einem wahren Bürokratiemonster werden. "Das hilft wieder nur den großen Konzernen und dreht den kleineren Unternehmen die Luft ab", heißt es schon jetzt. Auch in der Landwirtschaft ist die Bürokratie in all ihren Verästelungen bis hin zu detaillierten Aufzeichnungen und oft sehr engmaschigen Kontrollen ein großes Thema. Auch wenn sich die Behörde bemüht und Hilfen zur Verfügung stellt, auf dass sich der Bauer respektive die Bäuerin leichter tut, die Anforderungen zu erfüllen, bleibt vor allem eines - Unbehagen und sehr viel Verärgerung.

Die Politik wird des Themas und der Herausforderungen nicht Herr. Dabei ist gut untersucht, welcher Schaden damit angerichtet wird und wie schlecht es besonders in Österreich damit bestellt ist. Eine Studie des Market-Instituts belegte schon vor Jahren, dass Jungunternehmen im Schnitt einen Arbeitstag pro Woche nur für Bürokratieaufwand verlieren. Und die Bertelsmann-Stiftung errechnete, dass rund zwölf Prozent der Wertschöpfung eines Unternehmens von der Bürokratie verschlungen werden. In kaum einem anderen Land ist die "Regulierungsdichte", um nicht schon wieder das Unwort "Bürokratie" anzuführen, so groß wie in Österreich. In einschlägigen Rankings schaffen wir es allenfalls ins Mittelfeld.

Ob sich das bald ändern wird, steht zu bezweifeln. Leider. Denn die Vorschläge, die in diesen Tagen ventiliert werden, sind nicht wirklich ernst zu nehmen. Der ehemalige Präsident der Wirtschaftskammer Österreich plant in Sachen Lieferkettengesetz laut Medienberichten eine Art zivilen Ungehorsam und schlägt vor, die damit verbundene Bürokratie bewusst zu verweigern. Und die Präsidentin einer Landwirtschaftskammer fordert eine "eigene Behörde gegen Bürokratie". Allen Ernstes.

Das zeigt vor allem zweierlei -dass die Verzweiflung groß ist. Und dass die Aussichten, das Monster Bürokratie zu bändigen, gering sind.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. Jänner 2024

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