Samstag, 10. Februar 2024

Den Bauern geht es vor allem um Wertschätzung

Quer durch Europa demonstrieren die Bauern. Sie haben es satt, dass vor allem über sie, aber nicht mit ihnen geredet wird.

Bei den Demonstrationen der deutschen Bauern ist ein Spruch ganz besonders oft auf den Tafeln zu sehen, mit denen die Bauern ihren Unmut zum Ausdruck bringen. „Sie säen nicht, sie ernten nicht – aber sie wissen alles besser.“

Nichts bringt wohl besser zum Ausdruck, was mittlerweile die Bauern in halb Europa auf die Straßen bringt. Sie haben es satt, dass vor allem über sie, aber kaum mit ihnen geredet wird. Dass ihnen immer neue Vorschriften vor die Nase gesetzt werden, die sie nicht nachvollziehen können, und ihre Arbeit permanent in ein schlechtes Licht gerückt wird. Dazu all die Bürokratie und der wirtschaftliche Dauerdruck, unter dem sie stehen. Und gar nicht zu reden vom Ärger darüber, dass für Importe all das, was ihnen die Arbeit verleidet, nicht gilt, und darüber, was der Green Deal mit seinen Beschränkungen von Pflanzenschutz und Düngung bringen soll.

Dazu kommt der Ärger über die Doppelbödigkeit von Konsumenten und Handel. Während den Bauern immer mehr abverlangt wird, nimmt sich die andere Seite alle Freiheiten und verkauft und kauft, was billig ist.

All das hat sich bei den Bauern in den vergangenen Jahren aufgestaut und scheint sich jetzt quer durch die EU zu entladen. Auch wenn die Gründe für die Proteste in den einzelnen Ländern auseinandergehen, haben sie doch eine Klammer – es sind vor allem Wertschätzung und Verständnis, die die Bauern für ihre Arbeit und für ihre Produkte vermissen.

Über Jahre machte sich Verbitterung breit hinter den Hoftüren Europas, die keiner ernst nehmen wollte. Die Sorgen und Einwände der Landwirtschaft wurden meist und ohne viel Federlesens vom Tisch gewischt. Oft wird den Bauern jede Kompetenz in Abrede gestellt. Viele fühlen sich in ihrer Existenz bedroht, zumal ihre Möglichkeiten beschränkt sind und die Produktionszyklen in der Landwirtschaft lang. Viele Landwirte sehen daher tiefschwarz für ihre Zukunft. „Was kommt denn da noch alles?“, fragen sie sich.

Es verwundert nicht, dass die Bauern sagen, das alles geht sich für uns nicht aus. Auch nicht in Österreich, wo die Probleme die nämlichen sind wie im Rest Europas. Dass bei uns die Bauern noch nicht auf den Straßen sind, erstaunt manche. Dass es noch dazu kommt, will man nicht ausschließen. Aber die Stimmung scheint nicht danach zu sein.

Freilich gibt es auch bei uns Unzufriedenheit und die wirtschaftlichen Sorgen der Bauern sind auch hierzulande groß. Aber im Vergleich zu anderen EU-Staaten ist Österreich mit seiner ökosozialen Agrarpolitik und den Umweltprogrammen, bei denen man Vorreiter in Europa war und über die viel Geld auf die Höfe kommt, vergleichsweise gut aufgestellt. Eine Rolle spielt wohl auch, dass die Bauern „in der Regierung sitzen“ und dass es „keine Kürzung der Mittel wie in anderen Ländern“ gibt, wie die Agrarpolitik nicht müde wird zu betonen. Ganz im Gegenteil. Erst vor Weihnachten wurde zusätzlich zu all den Corona- und Energiehilfen der vergangenen Jahre ein 360-Millionen-Euro-Impulsprogramm auf den Weg gebracht.

Das alles heißt freilich nicht, dass die Landwirtschaft aus allen Verpflichtungen entlassen ist. Auch wenn die EU-Kommission jetzt einige der so gefürchteten Umweltvorhaben zurückgezogen hat. Denn festzuhalten ist, dass die Landwirtschaft nicht ganz unschuldig ist an all diesen Entwicklungen, unter denen sie jetzt so leidet. Zu lange ist sie auf die Sorgen der Gesellschaft nicht eingegangen. Ohne Not hat man sich von NGOs und Handel die Kompetenzhoheit im Agrarbereich, aber auch in Sachen Umwelt abnehmen lassen, weil man sie zu lange nicht ernst genommen hat. Man hat es sich einfach gemacht und immer geglaubt, es sei genug, was man macht. Das gilt es zurückzugewinnen. Auch, indem man sich der Verantwortung bei Themen wie Klima- und Umweltschutz und auch Tierhaltung stellt. Freilich, der Gesellschaft muss klar sein, dass das nicht ohne höhere Preise für Lebensmittel geht.

Aber die Landwirtschaft könnte das. Und sie hat auch Vorschläge und Ideen. Die freilich – und das ist die Aufgabe und Verantwortung der Gesellschaft und der Politik – müssen gehört und ernst genommen werden und dürfen nicht als billige Lobbyarbeit weggewischt werden.

Denn die heimischen Bauern können was.

Salzburger Nachrichten - Seite 1/Leitartikel, 10. Februar 2024

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