Es ist, als ob man zuschauen würde. Mehr oder weniger bewusst. Achselzuckend. Man sieht eine Entwicklung, man sieht die Probleme und die Gefahren -aber man tut nicht, was man tun könnte, sollte, müsste. Unvermögen ist oft der Grund dafür, fehlende Möglichkeiten, Desinteresse, Kalkül zuweilen. Meist aber sind es Bequemlichkeit und einfaches Wegschauen. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Mit der Ukraine ist es so und mit vielen anderen Themen auch.
Es muss freilich nicht gleich ein Krieg sein und es müssen nicht gleich Gefahren wie die Klimakrise sein. Oft sind es viel einfachere Themen. Themen, die viel weniger komplex und die nicht global sind, sondern die zu lösen und für die Wege zu finden man auch in Österreich selbst in der Hand hätte. Die heimische Industrie und mit ihr die gesamte Wirtschaft sind ein solches Thema. Leidlich geschätzt in der Gesellschaft, oft sogar angefeindet. Da, um zu funktionieren. Mehr nicht und in der vollen Bedeutung kaum begriffen. Schon gar nicht in der Bedeutung, die Wirtschaft und Industrie für den Wohlstand in diesem Land haben. Schon gar nicht in Zeiten wie diesen, in denen die hässliche Seite der Wirtschaft in Form von Signa und Benko für Schlagzeilen sorgt.Die Wirklichkeit ist eine andere. Und Wirtschaft ist nicht nur Benko und Signa. Gar nicht. Da geht es um sehr viel mehr. Da geht es in der Tat um den Wohlstand von uns allen, da geht es um den Wirtschaftsstandort Österreich. Da geht es um Arbeitsplätze und vieles andere mehr. Und da muss man sich Sorgen machen, weil nichts geschieht, weil niemand eingreifen will. Weil man einfach zuschaut. Das Wort von der "Deindustrialisierung" macht die Runde. "Ich kann nur den Kopf schütteln", sagt KTM-Chef Stefan Pierer, einer der wenigen Wirtschaftsbosse, die frei von der Leber reden und sich kein Blatt vor den Mund nehmen, die keine politischen Rücksichten nehmen und keine zu nehmen brauchen. Die sagen, was gesagt werden muss. Da ist jeder Satz, den er in Interviews sagt, ein Nadelstich. Wie kürzlich mit den "Salzburger Nachrichten": "In Europa hat sich der Glaube an einen Wohlstand ohne Leistung festgesetzt", ist ein solcher Satz. Und auch der gleich darauffolgende: "Und jetzt will man jene, die etwas leisten, noch mehr belasten." Dabei müsste man jene belohnen, die mehr leisten. Dringend nötig aber wäre ein "gesellschaftliches Umdenken", sagt er. "Wir müssen mehr leisten und arbeiten, um unseren Wohlstand zu wahren." Und: "Wir müssen handeln, bevor unsere Sozialsysteme zu bröckeln beginnen." Zu sehen sei nichts davon. Im Gegenteil. "Wir preisen uns aus dem internationalen Wettbewerb hinaus", und man lege sich mit Bürokratie lahm und werde von den Lohnnebenkosten erdrückt.
Die Aussichten der Industrie sind in der Tat eher düster. Die schwache Industriekonjunktur schlage inzwischen auf Dienstleistungsbranchen und den Handel durch und belaste zunehmend den Arbeitsmarkt, sagt das Wifo. Und dass die Wirtschaftslokomotive Deutschland von einer ideologiegetriebenen Ampelregierung lahmgelegt und zum kranken Mann Europa gemacht wurde, macht die Lage gerade in Österreich nicht einfacher.
Österreich muss aufpassen. Was in diesem Land diskutiert wird, macht Sorgen. Noch mehr Sorgen macht, was nicht diskutiert und worüber nicht geredet wird. Jetzt und in den kommenden Monaten erst recht, in denen das Land zuerst im Europa-Wahlkampf und dann im Nationalrats-Wahlkampf unterzugehen droht. Sachlichkeit wird da wohl, man kennt es, kaum eine Rolle spielen. Und auch nicht die wirklich großen Themen, schon gar nicht die Wirtschaftsthemen, die die Basis legen dafür, wie es uns in Zukunft gehen kann und wird.
Die Stimmung im Land ist eine ganz andere. Ungefähr das genaue Gegenteil von der Stimmung, die von dem Mann geschürt wurde, auf den sich jetzt just die zu berufen glauben müssen, die Österreich zum Service-und Nanny-Staat machen wollen und die Gesellschaft als Bankomat verstehen -von Bruno Kreisky. "Leistung. Aufstieg. Sicherheit" plakatierte er in den 1970er Jahren.
Genau das, was Österreich auch heute braucht. Und das ist genau das Gegenteil von Kerns "Hol dir, was dir zusteht" und erst recht von Bablers Vorstellungen, wie das Land vorankommen soll.
So gesehen wäre glatt "ein Schuss Kreisky" zu fordern. Nicht nur für die heimischen Sozialdemokraten und ihr Umfeld, sondern auch für die heimische Wirtschaft und Industrie, ja für das ganze Land.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. Februar 2024
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