Mittwoch, 15. Juni 2016
Füllhorn über die Bauern
Erwartet worden war ein Hilfsprogramm für die Milchbauern. Nun kündigte Landwirtschaftsminister Rupprechter ein Programm an, das allen Bauern zugutekommen soll.
Hans Gmeiner
Wien, Linz. Eine Überraschung hat Landwirtschaftminister Rupprechter für alle Bauern bereit. Nicht nur die Milchbauern, sondern auch alle anderen Bauern sollen von dem 230 Millionen Euro schweren Hilfsprogramm profitieren, das der Minister Dienstag beim sogenannten Milchdialog im Wiener Parlament ankündigte. Im Zentrum der Maßnahmen stehen eine Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen für eines der letzten beiden Quartale 2016 in der Höhe von 170 Mill. Euro, die Stundung von Agrar-Investitionskrediten, 50 Mill. Euro aus dem Programm Ländliche Entwicklung für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Milchwirtschaft und weitere acht Mill. Euro für Sonderunterstützungen für Milchbetriebe im Berggebiet. Zudem sollen noch Mittel aus der EU fließen. Was wirklich kommt, ist freilich noch offen. Die Arbeiterkammer jedenfalls zeigte sich von den Plänen des Landwirtschaftsministers wenig begeistert. „Wenn Unterstützungen, dann aus bestehenden Agrarförderungen“, ist die Meinung der Arbeitnehmervertreter.
Wenig konkret sind hingegen die Vorstellungen des Ministers, wie die Milchmarktkrise nachhaltig überwunden werden könnte. Er verwies auf einen „Ausbau der Qualitätsprogramme“, eine nicht näher benannte „Stärkung der Qualitätsdifferenzierung“ und auf einen „Milchmarketing-Schwerpunkt“, ohne freilich Details zu nennen. Klar sei nur eines: „Europaweite Krisen brauchen europaweite Lösungen.“ Alleingänge Österreichs, wie eine einseitige Produktionsbeschränkung, werden von ihm genauso abgelehnt wie von den Molkereien. Das Risiko scheint zu groß, hängt doch die Hälfte der Arbeitsplätze in der Milchwirtschaft und auf den Milchbauernhöfen vom Export ab.
Für die heimischen Milchbauern ist das nicht die einzige Meldung, die ihnen Hoffnung macht, dass das Schlimmste bald vorbei sein könnte. Auch vom Markt kommen positive Signale. „Vieles deutet darauf hin, dass der Milchmarkt die Talsohle durchschritten hat und es mit den Preisen aufwärts geht“, sagte Dienstag Holger Thiele vom Kieler Institut für Ernährungswirtschaft, einer der profundesten Kenner des europäischen Milchmarktes, in Linz. Der Kieler Rohstoffwert für Milch, wichtiger Frühindikator für die Marktentwicklung in Europa, liege im Juni zwei Cent höher als noch im Mai.
Euphorie ist bei den Milchbauern dennoch nicht angebracht. Der Preis werde sich allenfalls langsam verbessern, wenn saisonal weniger Milch erzeugt werde, die Nachfrage am Binnenmarkt leicht wachse und der Export in Drittländer sich weiterhin so entwickle wie in den vergangenen Monaten, ist Thiele vorsichtig optimistisch. Wenn das so komme, sei bis zum Jahresende ein Preisanstieg von bis zu fünf Cent möglich, lasse sich aus den Entwicklungen an den Warenterminbörsen schließen. „Jede Prognose darüber hinaus ist aber unseriös.“
Ruhige Zeiten haben die Milchbauern nach Einschätzung Thieles dennoch nicht zu erwarten. Wie schon seit Jahren die Getreidebauern müssten sich auch die Milcherzeuger in Zukunft auf wesentlich stärkere Preisschwankungen einstellen, meint der deutsche Experte. „Das ist die neue Normalität.“
Diese neue Normalität herrscht eigentlich bereits seit sieben Jahren. 2009 beutelte die Milchbauern erstmals eine Preiskrise, 2012 und nach den Hochpreisjahren 2013 und 2014 rutschte man in die Krise, die seither bei vielen Bauern für Existenzängste sorgt. Die guten Preise, die Exportchancen, die man sah, und der Wegfall der Produktionsquoten im Frühjahr 2015 verleiteten die Landwirte in ganz Europa zum Ausbau der Produktion. Vor allem große Produzenten wie die Niederlande, aber auch Irland und Deutschland produzierten auf Teufel komm raus und steigerten ihre jährliche Produktion teilweise um bis zu 15 Prozent. Auch in Österreich wuchs die Milcherzeugung deutlich. Als Russland wegen der EU-Sanktionen die Märkte dichtmachte und der Hoffnungsmarkt China zu schwächeln begann, nahm das Unglück seinen Lauf. Es gab auf einmal viel zu viel Milch, die Preise fielen um dreißig Prozent auf nunmehr 27 Cent pro Kilogramm und in Deutschland sogar auf weniger als 20 Cent. Um zumindest zu einem Teil auf die Kosten zu kommen und Kredite bedienen zu können, die man noch wenige Jahre zuvor für den Ausbau der Kapazitäten aufgenommen hatte, wurde die Produktion weiter gesteigert und der Preisdruck noch höher.
Eine nachhaltige Lösung der Probleme steht weiterhin aus. Für Thiele wären Lieferverträge zwischen Bauern und Molkereien, über die die Milchanlieferung gesteuert wird, ein sinnvoller Weg.
Salzburger Nachrichten, 15. Juni 2016 - Wirtschaft
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