Donnerstag, 16. Juni 2016
Zum Fürchten
Österreich ist kompliziert. Man weiß es. Vieles ist nicht nachzuvollziehen. Vieles, was klar sein sollte und verständlich, und das auch ohne Not sein könnte, ist kompliziert und verworren. Die kürzeste Linie zwischen zwei Punkten ist selten eine Gerade. Und Klarheit scheint oft ein völlig fremder Begriff aus einer anderen Welt zu sein. Das gilt in diesem Land für den persönlichen Umgang, für den Umgang mit öffentlichen Stellen sowieso, das gilt im Beruf und in der Arbeitswelt. Und das gilt auch in der Politik und in der Verwaltung. Natürlich fügt man da gleichsam automatisch an. Und sowieso.
Unnötig macht man sich das Leben schwer. Unnötig türmt man Kostenposition auf Kostenposition. Man hält Tausendschaften von Menschen in Beschäftigung, deren Aufgabe zumeist in nichts anderem besteht, als Vorschriften auszudeuten, Auflagen zu prüfen, Berichte zu erstellen und Strategien auszuarbeiten, auf dass man sich im Vorschriftengewirr nicht verheddert und gar ins Kriminal gerät.
"Es kann nicht sein, dass sich Unternehmer vor dem Arbeitsinspektor inzwischen mehr fürchten als vor der Konkurrenz", sagte dieser Tage ein führender österreichischer Politiker. Was er nicht sagte, war, dass seine Partei seit Jahrzehnten in der Regierung sitzt und mithin durchaus Verantwortung dafür trägt, dass es so ist. Und was er auch nicht sagte, ist, dass der Begriff "Arbeitsinspektor" durch schier zahllose andere Begriffe ersetzt werden kann, die bei Unternehmen und Unternehmern durchaus eine ähnliche Reaktion auslösen. Es muss nicht immer Furcht sein, Verärgerung und Verwunderung aber ist es immer.
Typisch dafür sind die Folgen der hochgelobten Steuerreform aus dem vergangenen Jahr. Da sei jetzt gar nicht von der Registrierkassenpflicht geredet, sondern lediglich von den Mehrwertsteuersätzen und ihren verwunderlichen Feinheiten. Sie überfordern, wiewohl seit Jahresbeginn in Kraft, immer noch selbst gewiefte Kenner des heimischen Steuerrechts und seiner Usancen, die dahinterstehen.
Immer noch gibt es offene Fragen, immer noch sind Unternehmen im Unklaren und immer noch hat man in einigen Branchen keine Gewissheit, welchen Mehrwertsteuersatz man wem wofür verrechnen muss, soll und darf. Bäuerliche Zimmervermieter gehören dazu, Betreiber von Kompostieranlagen und Gärtner auch. Manche Details konnten erst Monate nach dem Inkraftreten der Gesetzesänderungen per Jahresbeginn geklärt werden. Manche sind immer noch offen. Von Rechtssicherheit keine Rede.
Aber auch was nicht mehr offen ist, ist oft skurril, nicht nachvollziehbar und bedeutet für die Betroffenen nichts denn einen deutlichen Mehraufwand und viel Ärger. Skurril etwa sind die Regelungen bei Gemüsepflanzen und bei Saatgut. Bei Topfpflanzen etwa gelten zuweilen gleich drei verschiedene Mehrwertsteuersätze - zehn, 13 oder 20 Prozent. Ist, wie etwa beim Salat, die ganze Pflanze zum Verzehr vorgesehen, sind zehn Prozent Umsatzsteuer abzuführen, werden nur die Früchte gegessen, wie etwa bei Tomaten oder Paprika, sind 13 Prozent abzuführen.
Einer ganz eigenen Logik folgt auch die Besteuerung von Saatgut für die Landwirtschaft. Da unterliegen etwa Zuckerübensaatgut, Samen von Futterpflanzen und Forstpflanzen einem Steuersatz von 13 Prozent, während Saatgetreide mit zehn Prozent besteuert wird. Bei Saatgutmischungen hinwiederum richtet sich der Umsatzsteuersatz nach der Komponente mit dem mengenmäßig größten Anteil. Da ist es in diesem Umfeld nur zu logisch, dass auch bei Futtermitteln zwei verschiedene Mehrwertsteuersätze zu berücksichtigen sind.
Das alles ist schlimm und ärgerlich. Noch schlimmer und ärgerlicher macht es freilich, dass solche Veränderungen, die nichts denn noch mehr Papierkram und Bürokratie und Unklarheit bringen, just zu Zeiten passieren, in denen die Forderung nach Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung zum fixem Bestandteil einer jeden Politiker-Rede in diesem Land zählt. Und untragbar ist es genau betrachtet, dass diese Forderung just auch von jenen Politikern ständig im Mund geführt wird, die genau das im Frühjahr 2015 beschlossen haben.
Es wäre hoch an der Zeit, dass diese Damen und Herren ihre eigenen Worte wirklich einmal ernst nehmen. Zu viel haben sie schon verspielt damit, dass sie das nicht tun. Nicht nur, wenn es um Steuern und Entbürokratisierung geht, sondern auch um all die anderen Themen, die die Politik seit Jahren und Jahrzehnten vor sich herschieben.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Juni 2016
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