Mittwoch, 6. Januar 2021

Lebensgefährliche Gemächlichkeit

 

Der Kameraschwenk, mit dem zur Primetime in der „Zeit im Bild“ die Ankunft des Corona-Impfstoffes in Österreich abgefeiert wurde, wirkt wie eine Provokation. Ein paar wenige schmale Schachteln standen da verloren in einem riesigen Kühlschrank. Vertrauenserweckend ist anders. So klein ist also die Hoffnung, dass die Pandemie bald Geschichte ist? Statt Mut zu machen, bewirkte der Schwenk der Kamera bei vielen Zusehern wohl eher das Gegenteil. Ein paar Schachteln Impfstoff, ein paar Impfungen und „Wir machen dann im Jänner weiter“. Damit sollen wir uns jetzt zufriedengeben. Mehr gibt es nicht und basta.

So geht man den Kampf gegen die Pandemie an, die uns alle bedroht und nervt, die unseren Alltag frisst und die die Wirtschaft und für viele auch Lebenschancen? Und die schon tausende Tote gefordert hat? Darauf ist man stolz und damit ist man zufrieden?

Eile? Tempo? Druck? Fehlanzeige. Während aus anderen Staaten und vor allem aus Israel Rekordzahlen an Impfungen gemeldet werden, zog sich zunächst einmal Österreich in die Feiertage zurück. Man könnte den Eindruck bekommen, man habe gar keinen richtigen Zug, die Pandemie zu bekämpfen. Was freilich zu vielen Menschen in diesem Land passt, die sich ohnehin die Impfung verweigern wollen.

Es überrascht, wie gemächlich und betulich man die Impfung angeht. Nicht einmal von den Seniorenorganisationen ist etwas zu vernehmen. Dabei sollte es jetzt nicht mehr darum gehen, nur Ruhe zu bewahren, sondern Druck zu machen.

Es scheint, als halte man allein die Entdeckung des Impfstoffes für genug, um vom nahen Ende der Pandemie reden zu können, statt jetzt alles zu tun, um ihn auch möglichst rasch einzusetzen. Das, was Impfstrategie genannt wird, wirkt ziemlich dröge. „Sorgfältig“ nennt das der Gesundheitsminister und niemand drängt ihn zur Eile, die seiner Sorgfalt ja nicht entgegenstehen muss. Man wundert sich über die Devise „Wir kommen zu den Menschen“ und fragt sich, warum man nicht Strukturen wie bei den Massentestungen aufbauen kann, um möglichst viele Menschen möglichst schnell zu impfen. Stattdessen hachelt man politisch lieber wegen des Freitestens ab und klagt darüber, warum sich so viele nicht impfen lassen wollen.

Warum aber schafft niemand die Möglichkeit dafür, dass sich zumindest die möglichst rasch impfen lassen können, die schon sehnlichst drauf warten, die aber nicht die formalen Kriterien, wie sie im Impfkonzept festgeschrieben sind, erfüllen. Warum schafft man nicht zumindest für die einen schnellen Zugang? Wenn sich schon so viele aus den Risikogruppen ohnehin nicht impfen lassen wollen?

Die Gelassenheit und die Gemächlichkeit die an den Tag gelegt werden, sind nicht wirklich verständlich. Seit Beginn dieser Woche werden angeblich 60.000 Impfdosen geliefert. Klingt viel, ist aber es wohl aber nicht. In zwei Monaten, bis Ende Februar sind das nicht mehr als knapp 500.000 Dosen mit denen 250.000 Menschen geimpft werden könnten. 250.000 von gut sechs Millionen, die es braucht, um Corana wirklich in den Griff zu kriegen. Das wird dann wohl bis in den Herbst hinein dauern, auch wenn es zusätzliche Impfstoffe geben wird. Zumindest.

Man mag es nicht glauben, dass man nicht mehr zusammenbringt, wenn es darum geht, nicht nur die Menschen zu immunisieren gegen das Virus, sondern auch darum, die Wirtschaft wieder aufmachen zu können und all die Beschränkungen, unter denen die Menschen seit nunmehr fast einem Jahr so leiden, wieder möglichst rasch aufzuheben. Denn der Druck ist unvermindert groß. Und er ist nicht weg mit dem Beginn der Impfungen. Der deutsche Top-Virologe Christian Drosten warnt vor einer „sehr komplizierten ersten Jahreshälfte“. In Großbritannien, wo bereits seit Anfang Dezember geimpft wird, bereitet man sich in diesen Tagen auf die Wiedereröffnung der Notfalllazarette vor, weil die Zahlen trotz des Impfstarts wieder dramatisch ansteigen.

Da ist wenig Trost, dass nicht nur Österreich die Rettung vor der Pandemie sehr gemächlich angeht. Der politische Druck steigt allerorten. Die deutsche Bild-Zeitung schreibt mittlerweile vom „Impf-Fiasko in Europa“ und geißelt die „Impf-Trödelei“. Dabei haben die deutschen immerhin schon 238.000 Menschen geimpft. Auf Österreich umgelegt entspräche das gut 23.000, die bei uns bereits geimpft sein sollten.

Viel mehr als 6000 sind es aber bisher noch nicht.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 7. Jänner 2021

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