Der Kameraschwenk, mit dem zur Primetime in der „Zeit im
Bild“ die Ankunft des Corona-Impfstoffes in Österreich abgefeiert wurde, wirkt
wie eine Provokation. Ein paar wenige schmale Schachteln standen da verloren in
einem riesigen Kühlschrank. Vertrauenserweckend ist anders. So klein ist also
die Hoffnung, dass die Pandemie bald Geschichte ist? Statt Mut zu machen,
bewirkte der Schwenk der Kamera bei vielen Zusehern wohl eher das Gegenteil.
Ein paar Schachteln Impfstoff, ein paar Impfungen und „Wir machen dann im
Jänner weiter“. Damit sollen wir uns jetzt zufriedengeben. Mehr gibt es nicht
und basta.
So geht man den Kampf gegen die Pandemie an, die uns alle
bedroht und nervt, die unseren Alltag frisst und die die Wirtschaft und für
viele auch Lebenschancen? Und die schon tausende Tote gefordert hat? Darauf ist
man stolz und damit ist man zufrieden?
Eile? Tempo? Druck? Fehlanzeige. Während aus anderen Staaten
und vor allem aus Israel Rekordzahlen an Impfungen gemeldet werden, zog sich
zunächst einmal Österreich in die Feiertage zurück. Man könnte den Eindruck
bekommen, man habe gar keinen richtigen Zug, die Pandemie zu bekämpfen. Was
freilich zu vielen Menschen in diesem Land passt, die sich ohnehin die Impfung
verweigern wollen.
Es überrascht, wie gemächlich und betulich man die Impfung
angeht. Nicht einmal von den Seniorenorganisationen ist etwas zu vernehmen.
Dabei sollte es jetzt nicht mehr darum gehen, nur Ruhe zu bewahren, sondern
Druck zu machen.
Es scheint, als halte man allein die Entdeckung des
Impfstoffes für genug, um vom nahen Ende der Pandemie reden zu können, statt
jetzt alles zu tun, um ihn auch möglichst rasch einzusetzen. Das, was
Impfstrategie genannt wird, wirkt ziemlich dröge. „Sorgfältig“ nennt das der
Gesundheitsminister und niemand drängt ihn zur Eile, die seiner Sorgfalt ja
nicht entgegenstehen muss. Man wundert sich über die Devise „Wir kommen zu den
Menschen“ und fragt sich, warum man nicht Strukturen wie bei den
Massentestungen aufbauen kann, um möglichst viele Menschen möglichst schnell zu
impfen. Stattdessen hachelt man politisch lieber wegen des Freitestens ab und
klagt darüber, warum sich so viele nicht impfen lassen wollen.
Warum aber schafft niemand die Möglichkeit dafür, dass sich
zumindest die möglichst rasch impfen lassen können, die schon sehnlichst drauf
warten, die aber nicht die formalen Kriterien, wie sie im Impfkonzept
festgeschrieben sind, erfüllen. Warum schafft man nicht zumindest für die einen
schnellen Zugang? Wenn sich schon so viele aus den Risikogruppen ohnehin nicht
impfen lassen wollen?
Die Gelassenheit und die Gemächlichkeit die an den Tag
gelegt werden, sind nicht wirklich verständlich. Seit Beginn dieser Woche
werden angeblich 60.000 Impfdosen geliefert. Klingt viel, ist aber es wohl aber
nicht. In zwei Monaten, bis Ende Februar sind das nicht mehr als knapp 500.000
Dosen mit denen 250.000 Menschen geimpft werden könnten. 250.000 von gut sechs
Millionen, die es braucht, um Corana wirklich in den Griff zu kriegen. Das wird
dann wohl bis in den Herbst hinein dauern, auch wenn es zusätzliche Impfstoffe
geben wird. Zumindest.
Man mag es nicht glauben, dass man nicht mehr
zusammenbringt, wenn es darum geht, nicht nur die Menschen zu immunisieren
gegen das Virus, sondern auch darum, die Wirtschaft wieder aufmachen zu können
und all die Beschränkungen, unter denen die Menschen seit nunmehr fast einem
Jahr so leiden, wieder möglichst rasch aufzuheben. Denn der Druck ist
unvermindert groß. Und er ist nicht weg mit dem Beginn der Impfungen. Der
deutsche Top-Virologe Christian Drosten warnt vor einer „sehr komplizierten
ersten Jahreshälfte“. In Großbritannien, wo bereits seit Anfang Dezember
geimpft wird, bereitet man sich in diesen Tagen auf die Wiedereröffnung der
Notfalllazarette vor, weil die Zahlen trotz des Impfstarts wieder dramatisch
ansteigen.
Da ist wenig Trost, dass nicht nur Österreich die Rettung
vor der Pandemie sehr gemächlich angeht. Der politische Druck steigt
allerorten. Die deutsche Bild-Zeitung schreibt mittlerweile vom „Impf-Fiasko in
Europa“ und geißelt die „Impf-Trödelei“. Dabei haben die deutschen immerhin
schon 238.000 Menschen geimpft. Auf Österreich umgelegt entspräche das gut
23.000, die bei uns bereits geimpft sein sollten.
Viel mehr als 6000 sind es aber bisher noch nicht.
Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 7. Jänner 2021
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