Montag, 8. März 2021

Lebensmittelpreise steigen weltweit rasant

Die Agrarpreise steigen und steigen. Corona, China und Russland mischen die internationalen Märkte auf. Wie das Österreich trifft, ist aber noch ungewiss.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Seit Monaten jagen die Agrar- und Lebensmittelpreise auf den internationalen Märkten von einem Höchststand zum nächsten. In Riesenschritten nähern sie sich den Rekordwerten der Jahre 2011 bis 2013, als die Lebensmittelpreise in vielen Ländern der Welt für Demonstrationen und Unruhen sorgten. Seit nunmehr neun Monaten kennt der Nahrungsmittelpreisindex der FAO, der Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der UNO, nur eine Richtung – aufwärts.

Seit Mai vergangenen Jahres legte der Index, wie die Organisation in der Vorwoche meldete, von 91 auf 116 Punkte per Ende Februar zu. Allein von Jänner auf Februar betrug der Anstieg des Index 2,8 Punkte. Marktanalysten gehen davon aus, dass der Höhenrausch noch lange nicht vorbei ist. Experten wie Brett Stuart vom US-Agrar-Onlinedienst Global AgriTrends reden gar von einem neuen „Superzyklus“, der begonnen habe. Auf den Märkten reibt man sich die Hände. „Da ist Musik drinnen“, hofft man auf ein Ende der eher mageren Jahre.

Der Höhenflug der Preise ist auf den internationalen Märkten inzwischen in fast allen Agrarsparten angekommen. Am stärksten ist der Anstieg bei Getreide, Ölsaaten und Pflanzenölen. In Europa wurde Weizen Ende Februar erstmals seit Mai 2013 mit 245 Euro je Tonne gehandelt. Die Preise für Raps sprangen auf 485 Euro je Tonne, so hoch wie zuletzt im Oktober 2012. Die internationalen Preise für Mais legten binnen Jahresfrist um mehr als 45 Prozent zu. Kräftig zugelegt haben auch die Preisindizes für Soja-, Sonnenblumen- und Palmöl. Dort schnellte der Index von 99 im August auf 138,8 Punkte im Februar.

Auch der FAO-Preisindex für Molkereiprodukte kletterte seit dem Mai des Vorjahres kontinuierlich von 94,4 auf 113 Punkte. Der Index der Handelsplattform Global Dairy Trade legte um 15 Prozent zu und erreichte das höchste Niveau seit März 2014. Auch auf den Terminmärkten für Butter und Magermilchpulver gehen die Preise „steil nach oben“, wie das deutsche Fachmagazin „agrarheute“ meldet.

Selbst bei Zucker drehte sich der internationale Markt. Lag der FAO-Index im April vorigen Jahres noch bei 63,2 Punkten, so war er Ende Februar bei 100,2, um sechs Punkte höher als noch im Jänner. Und auch bei Fleisch glauben manche Beobachter eine Wende erkennen zu können. Auch wenn der FAO-Index, ganz anders als bei den meisten anderen Agrarprodukten, seit Monaten kaum eine Änderung nach oben erkennen lässt und mit 96,4 Punkten noch deutlich unter den 100,5 Punkten zu Beginn des vorigen Jahres liegt, spricht man zumindest in Deutschland seit der vergangenen Woche von einer Wende auf dem Schweinemarkt. „Die Marktstimmung hat sich komplett gedreht“, heißt es. Das unterstreichen auch Meldungen aus anderen europäischen Ländern. In der Vorwoche legten die Preise für Schlachtschweine zum ersten Mal seit Langem wieder um drei bis neun Cent je Kilogramm zu.

Die Gründe für die Wende auf den Agrarmärkten sind vielfältig. Der Höhenflug der Agrarpreise ist nach Ansicht vieler Analysten in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Rohstoffmärkte und optimistischen Konjunktureinschätzungen zu sehen. Bei Getreide etwa sehen Analysten einen engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Rohölpreise.

„Sie sind immer ein Indikator vor allem für die Entwicklung der Weizenpreise“, sagt Christian Gessl, Marktexperte der Agrarmarkt Austria. Er verweist aber auch darauf, dass die Zeit der großen Überschüsse auf den Märkten vorbei ist, weil der Verbrauch der immer größer werdenden Weltbevölkerung ständig ansteigt. „Dazu kommt, dass Russland durch einen Exportstopp für Getreide die Marktlage massiv beeinflusst.“

Aber auch der Coronapandemie kommt bei der aktuellen Entwicklung der Agrarpreise eine zentrale Rolle zu. Sie hat zu einer weltweiten Störung der Lieferketten geführt, zu Hamsterkäufen von Verbrauchern und auch von Ländern. Es folgte die Aufstockung der Lagerbestände, aber auch zahlreiche Handelsbeschränkungen. „Inzwischen wird selbst in der Europäischen Union, einem der größten Exporteure auf den internationalen Agrarmärkten, gefragt, ob es so gescheit ist, alles zu verkaufen, während für die Länder der Union oft zu wenig übrig bleibt“, sagt Experte Gessl.

Aber auch die Knappheit der internationalen Transportkapazitäten und die daraus resultierende zum Teil enorme Verteuerung der Frachtraten schlagen sich auf das Agrarpreisniveau nieder.

Eine wichtige Rolle bei der aktuellen Entwicklung der internationalen Agrarmärkte kommt auch China zu. „Die Verbrauchszahlen dort steigen nach wie vor gewaltig, man saugt alles auf, was zu kriegen ist“, meint Gessl. Das gelte, sagt nicht nur Gessl, für die internationalen Sojamärkte genauso wie für die Getreidemärkte, aber auch für Milch und Milchprodukte und für Fleisch. „Die Lagerbestände in China halten nicht mit dem Verbrauch Schritt“, nennen Analysten der neuseeländischen ASB-Bank, die die Folgen für die Milchwirtschaft unter die Lupe nahmen, einen der Gründe.

Wann und in welcher Form die höheren Preise bei den Konsumenten in Österreich ankommen werden, ist freilich ungewiss. Erst im Februar gingen die Preise für Nahrungsmittel zurück und sorgten für eine niedrigere Inflationsrate.

Bei den Bauern ist das Bild sehr differenziert. Was die Ackerbauern freut, bedeutet etwa für die Schweine- und Geflügelmäster höhere Kosten für Futtermittel. Schon jetzt haben sie mit deutlich gestiegenen Preisen für Sojaschrot zu kämpfen. Bei den Milchbauern hingegen haben manche Molkereien sogar gerade die Preise gesenkt, denn die Entwicklung auf den internationalen Märkten unterscheidet sich oft stark von jener auf den regionalen Märkten. Aber auch, dass die Ackerbauern eins zu eins von den Zuwächsen profitieren werden, ist unwahrscheinlich. Die Preise für die neue Ernte, die erst im kommenden Sommer eingebracht wird, liegen auf der europäischen Terminbörse Matif nicht um vierzig Prozent höher als jene für die Ware aus der vorjährigen Ernte, sondern nur um zehn Prozent.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 8. März 2021

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