Donnerstag, 25. März 2021

Alles hat zwei Seiten

Groß sind zuweilen die Aufregung, die Verwunderung und das Staunen über all die falschen, irreführenden und oft nichts denn verworrenen Meldungen und Meinungen, die über Corona, über die Impfstoffe, die Behandlung und die Maßnahmen kursieren. Medien, die etwas auf sich halten, zeigen sich verwundert darüber, dass so etwas überhaupt möglich ist, zeigen sich erschrocken von der Wirkung, die sie entfalten können und wie viele sie unbesehen für bare Münze nehmen.

Man vergisst freilich dabei, dass dazu immer zwei gehören. Jemand der etwas sagt - und jemand der das veröffentlicht. Eine Äußerung zu Corona, den Impfstoffen und zu Bekämpfungsstrategien, vorgetragen von Politikern, Medizinern oder Wissenschaftlern jeder Art, kann gar nicht so daneben, falsch, gehalt-und niveaulos sein, als dass sie nicht irgendwo publiziert wird. Und das nicht nur im Internet, sondern auch in den klassischen Medien. Oft sind es Fernsehen, Radio oder Zeitung, die das in die breite Öffentlichkeit tragen, was aus dem Internet kommt. Das wird meist vergessen. Denn das eine ist, dass einer einen Blödsinn denkt und sagt, das andere ist, dass der auch gleich veröffentlicht und ihm damit Gewicht gegeben wird, das in keiner Relation zur Wirklichkeit steht.

Da ist im vergangenen Jahr viel passiert. Und nicht zum Positiven. Reden will man davon jedenfalls kaum. In der Szene der Corona-Leugner ist es beliebt, den Medien die Schuld zu geben, dass sich die Gesellschaft uninformiert fühlt, überfordert und bedroht. Um es pointiert zu sagen -diesen Gruppen ist recht zu geben. Freilich nicht in dem Sinn, wie sie das meinen, sondern in dem Sinn, dass viele Medien in der Pandemie versagen, ja zur Verunsicherung und zur Anspannung der Lage im Land beitragen.

Der Journalismus wertet, beurteilt und filtert Meldungen oft nicht mehr, wie es seine ureigenste Aufgabe ist. Stattdessen wird, so scheint es, allem und jedem eine Bühne gegeben, selbst den schrägsten Ansichten und den abwegigsten Forderungen. Medien tun das aus einem falschen Verständnis von Liberalität, Offenheit und Meinungsvielfalt heraus, aus politischem Kalkül und viele auch aus wirtschaftlichem. Servus TV hat sich als erste Medienanstalt ganz gezielt positioniert mit Sucharit Bhakdi, der dank des Senders im deutschsprachigen Raum zu einer Ikone der Corona-Leugner und -Verharmloser avancierte. Wolfgang Fellner und sein "oe24" ist zu dieser Gruppe zu zählen und bald wird wohl auch der neue "Exxpress" dazu gehören, der sich unter dem Mantel für Transparenz zu sorgen anschickt, auch zu einer Plattform für Zweifler und Obskuranten zu werden.

Aber auch von den anderen Medien ist wohl jedes da und dort schon der Versuchung unterlegen, Corona für den eigenen Vorteil zu nutzen, für die Quote und die Auflage, mithin also auch fürs Geschäft. Viel zu oft zählt nicht mehr Wissen und Erfahrung, sondern möglichst dramatische Formulierung und Lautstärke.

"Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache, dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört." Dieser eherne journalistische Grundsatz, der dem legendären deutschen Moderator Hajo Friedrichs zugeschrieben wird, gilt in manchen Verlagshäusern und Sendern dieses Landes nicht mehr viel. Bei vielen Themen -man denke nur an die Kampagnen der Krone, aber auch anderer Zeitungen in den Bereichen Umwelt und Landwirtschaft oder Ähnliches -zeichnete sich das schon über die vergangenen Jahre ab. Bei Corona aber kulminierte es in einer noch nie dagewesenen Form.

Nicht zuletzt, weil Hajo Friedrichs und sein Grundsatz nicht mehr viel gelten, scheiterte die Publizistik bisher an ihrer Aufgabe, den Weg zwischen Desinformation und Geschäftemacherei und zwischen Regierungs-und anderer Propaganda, Realität und deren Notwendigkeit zu finden und hat dabei viel an Glaubwürdigkeit und Vertrauen eingebüßt. Eine der Folgen davon ist, dass die Gesellschaft desorientiert ist und aufgebracht und die Stimmung hektisch und zuweilen explosiv.

Dabei wünscht man sich von den Medien nichts mehr, als ihnen Vertrauen entgegenbringen zu können. Allein, um leichter Orientierung zu finden in Zeiten wie diesen, um sich nicht mit so viel Informations-Müll herumschlagen zu müssen, was so viel Zeit und Energie kostet.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. März 2021

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