Donnerstag, 10. März 2022

Hässliches Österreich

Die große politische Welt ist hässlich. Die kleine österreichische ist es auch. Nicht in der Dimension natürlich, aber auf ihre Weise. "Mückstein geht -Rauch kommt -Karmasin sitzt". Die Seite eins der Kronenzeitung vom Freitag der Vorwoche hat das Zeug in die Annalen der heimischen Publizistik einzugehen. Als pointiertes Blitzlicht auf den Zustand der heimischen Innenpolitik. Ein Gesundheitsminister, der persönliche Bedrohungen als einen der Rücktrittsgründe nennt und eine ehemalige Ministerin in Untersuchungshaft, die sich, auch wenn sich nicht alle Vorwürfe gegen sie erhärten lassen sollten, durchtrieben an öffentlichen Kassen zu schaffen machte und nicht genug kriegen konnte. Was ist aus Österreich geworden?

Die Erklärung für den Rücktritt des Gesundheitsministers und die Verhaftung der ehemaligen Familienministerin sind zwei Seiten einer Medaille. Zunehmend aggressive Bürger da, maßlose Politikerinnen und Politiker dort.

Politiker und Kanzler gar, die nicht beliebt waren und die auch schon einmal mit Eiern beworfen worden sind, hat es in diesem Land schon immer gegeben. Auch Politiker, die nach dem Ende ihrer Karriere auf Abwege gerieten und im Gefängnis landeten, sind nichts Neues. Neu ist freilich die Qualität.

In den vergangenen Jahren ist etwas anders geworden im Land. Die Bevölkerung ist aggressiver geworden. Beschimpfungen und Verachtung für die Politik sind heute in breiten Kreisen gang und gäbe. Eine radikalisierte Minderheit scheut auch nicht mehr vor Gewaltandrohungen zurück. Hemmschwellen sind gefallen.

Und auch in der Politik ist vieles anders geworden. Dort kamen Techniker der Macht mit ausgefeilten Strategien an die Schalthebel, die oft sehr viel weniger das Wohl des Landes als die Umsetzung eigener Interessen oder jener von Gruppen, aus denen sie kamen, im Auge hatten. Die sich dabei zuweilen sogar in Allmachtsphantasien verloren und sich nicht davor scheuten, selbst mit Einrichtungen der Republik und damit der Demokratie zu spielen. Tendenzen dazu hat es in der Vergangenheit auch immer wieder gegeben. In allen politischen Lagern und in allen Parteien. In den vergangenen Jahren aber hat diese Entwicklung, längst losgelöst von weltanschaulichen Orientierungspunkten, wohl eine neue Dimension erreicht. Das Denken, das im Ibiza-Video am Beispiel von FP-Politikern entlarvt wurde, hat sich längst auch in anderen Parteien breitgemacht. Auch wenn die anderen Parteien das so weit von sich weisen, wie es nur geht.

Nun hat freilich vor allem die ÖVP damit zu kämpfen. Weil die Ära Kurz viel Aufklärungsbedürftiges hinterließ und jetzt auch wegen Karmasin. Aber auch weil man nicht willens ist, sich endgültig von den vergangenen Jahren zu lösen. Man hatte im Kurz-Taumel über vieles hinweggesehen und vieles hingenommen und durchgehen lassen, weil man so glücklich war, damit an der Macht zu sein und bereit auch dafür schien, alles in Kauf zu nehmen, damit es so bleibt. Und man tut es immer noch.

So wie die Politik hat in den vergangenen Jahren auch die Gesellschaft Respekt und Augenmaß verloren. Was bei den Corona-Demos zu hören und zu sehen war, ist die Spitze dieser Entwicklung. Einer Entwicklung, die Sorgen macht. Das kann man mit grundsätzlichen gesellschaftlichen Trends in Zusammenhang bringen, die auf der ganzen Welt zu sehen sind, damit, dass sich viele zu kurz gekommen fühlen und abgehängt, mit Medien auch und mit vielem anderen auch.

Viele werden sagen, dass diese Entwicklung kein Wunder sei bei solchen Politikern, wie wir in Österreich haben und hatten, und bei dem allem, was jetzt zu Tage kommt.

Da mag etwas dran sein. Entschuldigung aber darf das keine sein. Wenn der Vizekanzler sagt "Ein Gesundheitsminister, der mit kugelsicherer Weste herumfahren muss, kann kein Zustand sein", ist ihm nur recht zu geben. Und es ist inakzeptabel, wenn immer mehr Politikerinnen und Politiker, Türkise genauso wie Grüne, zumindest temporär bewacht werden müssen, weil sie auf Social-Media-Plattformen anonyme Morddrohungen erhalten.

Die große Herausforderung für das Land ist es wieder zurückzufinden. Dass man darüber ätzt, dass in dieser Woche bereits der dritte Gesundheitsminister der türkis-grünen Regierung angelobt wurde, mag verständlich sein, richtig ist es nicht, hatte man doch über Monate gerade das verlangt.

Denn genau damit bereitet man den Boden für die Stimmung auf, die dem Land nun so zu schaffen macht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. März 2022

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