Korruption ist nicht allein ein politisches Phänomen und auch nicht ein wirtschaftliches, es ist ein gesellschaftliches."
Am Montag dieser Woche endete die Eintragungsfrist für das Anti-Korruptionsvolksbegehren. Es ist ein veritabler Erfolg geworden. Rund um dieses Volksbegehren wurde sehr viel und sehr viel Gescheites und Richtiges geschrieben und gesagt zu dem Thema, über das ganze Generationen über Jahrzehnte so generös hinwegschauten. "Korruption? Doch nicht bei uns. Wir sind doch keine Bananenrepublik!", war zu lang die einzige Antwort, die dazu einfiel.Bis man erkennen musste, dass man sich auf den internationalen Rankings doch nicht ganz vorne befand und zuletzt sogar auch noch ein paar weitere Plätze zurückrutschte. Auf Rang 15 mit 76 von 100 möglichen Punkten. Eigentlich beschämend für einen Staat, der sich gerne und überall zu den besten und saubersten zählt. Zu den Engerln quasi.
Dabei poppten und poppen über die Jahrzehnte immer wieder Skandale, wie erst jüngst die Vorgänge in Vorarlberg und vorher zahlloses anderes Skandalträchtiges auf, und da muss man nicht gleich die Anschaffung der Eurofighter ins Treffen führen. Und gar nicht mag man daran denken, was alles gelaufen sein mag dafür, dass wir vor allem bei Gas in eine derart große Abhängigkeit von Russland gekommen sind.
Korruption ist aber nicht allein ein politisches Phänomen und auch nicht alleine ein wirtschaftliches. Es ist, auch wenn die sogenannte Alltagskorruption, also die Korruption des kleinen Mannes respektive der kleinen Frau sozusagen, in den vergangenen Jahren zurückgegangen sein mag, ein gesellschaftliches Phänomen. Ganz oben wie ganz unten und dazwischen erst recht.
Da gibt es die ältere Dame, die, sobald sie wieder einmal ins Spital eingeliefert wird, gleich nach der Ankunft damit beginnt, Geldscheine ans Personal zu verteilen, um gute Stimmung für sich zu machen und bevorzugt behandelt zu werden. Trinkgeld erst beim Verlassen des Krankenhauses liegen zu lassen, hält sie dieser Logik zufolge klarerweise für Verschwendung. Oder da ist der, der in diesem Land später ein hohes politisches Amt bekleiden sollte, der schon in jungen Jahren Talent für spätere Schandtaten bewies, und als Erstes, als er einmal in ein Ordensspital eingeliefert wurde, die Kirchenzeitung verlangte. "Das macht auf die Schwestern einen besseren Eindruck als die Kronen Zeitung". Da gibt es die zahllosen Mütter, die an den Zeugnistagen ihre Kinder mit Kuchen, Bonbonnieren und vielem anderen für Lehrerinnen und Lehrer in die Schule schicken. Wohl nicht immer allein um sich bei denen zu bedanken. Und "Wer schmiert, der fährt" geben in diesem Land viele Väter ihren Söhnen gerne als Leitsatz mit, wenn sie ihnen plausibel machen, dass Trinkgeld in der Werkstatt dazugehört, weil es der dortigen Arbeit eine zweite Bedeutung gibt, die Wunder wirken kann -mit dem Augenzwinkern, das den Umgang mit dem Phänomen Korruption bei uns wohl am besten beschreibt und signalisiert: "Ist ja nicht so schlimm -noch dazu wenn's hilft".
"Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft", heißt es. Und oft nicht nur das. Oft ist halt auch ein Hintergedanke dabei. So ist Österreich eben. Ein bisserl Augenzwinkern, immer ein doppelter Boden. Es geht immer was. Und oft hat der das Nachsehen, der glaubt, es geht schon längst nichts mehr, weil sich das aufgehört hat. Weil niemand mehr etwas annimmt, sich niemand mehr von irgendetwas beeinflussen lässt, weil wir alle brav und korrekt geworden sind, vom Scheitel bis zur Sohle.
Das stimmt wohl nicht. Oft ist man nur einfallsreicher und noch subtiler geworden. Gut, die ganz platten Dinge, mit Geldscheinen zwischen den Fahrzeugpapieren bei einer Verkehrskontrolle und Ähnliches, gehen wohl wirklich nicht mehr. Auch weil die Vorschriften strenger geworden sind und die Kultur vor allem in den Ämtern oft eine andere. Aber das Spielfeld ist wohl immer noch sehr groß.
All das im Hintergrund, und erst recht die Vorgänge in der Politik, nimmt sich die hohe Teilnahmezahl am Antikorruptions-Volksbegehren als Begehren des Volkes gegen sich selbst aus.
Österreich und seine Bewohnerinnen und Bewohner hätten einen "folkloristischen Zugang zum Korruptionsproblem", sagte einer der Initiatoren des Volksbegehrens in einem Interview. Damit hat er wohl recht. Nach dem Ergebnis des Volksbegehrens ist nun freilich zu hoffen, dass diese Art des Zugangs doch endlich ihre Grundlage verliert.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Mai 2022
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