In Vorarlberg, so die wichtigste politische Entscheidung der vergangenen Tage in diesem Land, der ein veritabler Streit vorausging, müssen die Landesräte den Kaffee jetzt wieder selbst bezahlen. Kurz kommt nicht an die Spitze der ÖVP zurück. Und "Die neue Volkspartei" lässt das "neue" verschwinden und wird nicht schwarz-gelb, sondern bleibt türkis.
Wenigstens etwas, das konkret war in den vergangenen Tagen.Denn so Konkretes ist sonst rar in diesen Tagen. Die Chefin der SPÖ meine am 1. Mai, es müsse sich "etwas ändern" in unserem Land, Österreich brauche eine "neue Richtung" und lässt sich offenbar nicht weiter stören, um im "Schlafwagen in die Regierung" zu kommen, wie dieser Tage der Presse-Chefredakteur formulierte. Der Bundeskanzler antwortete nach zwei Monaten Ukraine-Krieg auf die Frage, ob Österreich einen Plan habe, wenn das Erdgas ausgehe, schlicht: "Wir versuchen neue Gas-Quantitäten aufzutreiben und Pipeline-Kapazitäten zu sichern." Und die Umweltministerin seines Kabinetts, zuständig für die Versorgung mit Gas, scheint auch keine übertriebene Eile zu haben, sondern denkt immer noch in Jahren, obwohl die Lage sehr schnell sehr brenzlig werden könnte.
"Müss ma, wird ma, schau ma", schimpfte Beate Meinl-Reisinger wie ein Rohrspatz. Man muss die Neos-Chefin nicht mögen, aber wo sie recht hat, hat sie recht. Man versteht, wenn jemand der Kragen platzt ob der Drögheit der heimischen Politik, die der Devise zu folgen scheint: "Es ist Krise, aber wir schauen nicht hin." Noch dazu, wo wir ja so viele andere Themen zu behandeln haben -siehe oben.
Die Zeiten sind schwierig wie seit Jahrzehnten nicht, die Herausforderungen enorm. Das aber darf keine Erklärung sein dafür, dass die Politik so schlecht ist, wie wir sie erleben. Schlechte Politik war schon in der Pandemie ein Luxus, den man sich eigentlich nicht leisten hätte dürfen.
Politik darf ohne Erfolg sein, aber nicht schlecht. Und sie muss gemacht werden, wenn sie gemacht werden muss. Wenn es darum geht, die Inflation abzufedern und die Energieversorgung, den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft abzusichern. Da sollte dann kein Platz mehr sein für PR-Spielchen und Parteizank. Da wünscht man sich als Bürger, dass man zusammenrückt und zusammenhält und gemeinsam in eine Richtung geht.
Das alles ist in Österreich nicht zu spüren. Schon seit Jahren nicht mehr. Da geht es, so der Eindruck, der sich festgesetzt hat, nicht mehr ums Land und um sein Fortkommen, sondern um Einzelinteressen und billige Parteipolitik, die mittlerweile aus schier jedem Winkel als Show daherkommt.
Die Politik hat sich damit nicht nur bei den heimischen Wählern in Misskredit gebracht, auch auf internationaler Ebene sind wir, wie es scheint, völlig abgemeldet. Da kann unser Kanzler noch so oft nach Moskau oder Kiew fahren. Auch in Brüssel hat Österreich nachgerade dramatisch an Gewicht verloren. Nicht nur Johannes Hahn fragt sich, was in das Land gefahren ist, wenn ihm entfährt, dass er auch nicht wisse "was mit dem Schalli in letzter Zeit los ist".
Politik ist, das zeigt sich gerade jetzt am Krieg Russland gegen die Ukraine -freilich just jetzt nicht nur in Österreich -, in der Krise. Deutschland plagt sich mit einem zurückhaltenden Kanzler, die EU ist zwar geschlossen wie kaum je zuvor, tut sich aber dennoch schwer mit der Absicherung der eigenen Mitgliedstaaten und mit Initiativen auf dem internationalen Parkett der Politik und der Diplomatie. Die Machtlosigkeit der UNO zeigten die Bilder aus dem Kreml so eindrücklich, wie man sie gar nicht sehen wollte, als dort Putin den UNO-Chef am anderen Ende seines Monstertisches eher wie einen Schulbuben aussehen ließ, aber keinesfalls wie einen Partner, den er auch nur irgendwie ernst nimmt.
Wie es scheint, geht ohne die USA nichts und auch nicht ohne Großbritannien. Diese beiden Großmächte erfüllen noch am ehesten, was man von ihnen erwartet. Sie machen Politik und das sehr konkret. Konkreter jedenfalls als alle anderen. Immer deutlicher wird, dass sie die Führung übernehmen. Wieder einmal. Dankenswerterweise möchte man hinzufügen. Wohlwissend, dass das von vielen im Rest der Welt wohl nicht wirklich goutiert wird.
Alternativen freilich hat man nicht zu bieten - nicht zuletzt, weil man sich nicht nur bei uns, sondern in vielen anderen Ländern auch, viel zu viel mit Kaffeekassen beschäftigt und woher das Geld dafür kommt.
Es geht nicht mehr ums Land und um sein Fortkommen, sondern um Einzelinteressen und billige Parteipolitik."
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Mai 2022
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen