Jetzt ist es vorbei. Die Wahl und alles, was dazugehörte. Österreich ist blau. Und es ist nicht nur ein blaues Auge, das sich das Land da am vergangenen Sonntag zugezogen hat. Und es ist auch kein blaues Wunder, das wir da erlebten. Ganz im Gegenteil -es war ein blauer Erfolg mit Anlauf, dem man über Jahre zuschaute und der seit langem absehbar war. Die Politik, die Politiker, die Parteien haben allesamt versagt dabei, das zu stoppen, was sie jetzt so wortreich beklagen und zur Kenntnis nehmen müssen. Und mit dem sie und mit dem Österreich leben muss.
Man hat nie ein Rezept gegen den kleinen Mann aus Kärnten an den Steuerhebeln der FPÖ gefunden. Viele haben geglaubt, Häme sei ein taugliches Rezept gegen ihn, Abfälligkeit und Geringschätzung. Ins Lächerliche zog man ihn und als Nazi punzierte man ihn mehr oder weniger offen. Was hat man gewitzelt über die Bilder, die ihn seinerzeit als Innenminister auf einem Pferd zeigten. Was geiferte man über seine zuweilen brachialen Wortmeldungen. Was ereiferte man sich gegen seine Auftritte mit Orban und gegen seine Meinung zum Ukraine-Krieg und sein Verständnis für Putin. Und gar nicht zu reden von seiner Haltung zu EU und erst recht zur Migration. Alles völlig zu Recht und verständlich -aber eben ohne die Wirkung, die es gebraucht hätte.Kurz vor den Wahlen kam auch noch das Bild von der Brandmauer in die öffentliche Diskussion, die gegen Kickl aufzubauen sei. Als wollte man auf den Punkt bringen, was man in den vergangenen Jahren versäumt und was man schlecht gemacht hatte. Wegschauen, abmauern. Was dahinter passiert, geht uns nichts an. In Deutschland ist man damit längst krachend gescheitert, aber hierzulande ist das einerlei.
Es ist nun hoch an der Zeit für alle, die sich permanent an Kickl reiben, vom hohen Ross herunterzusteigen. Ihre Strategien haben versagt. Die der Linken und die der Intellektuellen. Und auch die jener, die sich der Mitte zuzählen. Im Gegenteil. Mit vielem, von dem man meinte, dem nunmehrigen Wahlsieger Herr zu werden, machte man ihn noch größer. Man muss aufhören, über ihn von oben herab zu urteilen und ihn, sein Gehabe, sein Auftreten, seine Äußerungen zu belächeln. Man muss auch aufhören, ihn zu dämonisieren.
Und nicht nur das. Man muss auch aufhören, von oben herab über die Kickl-Wähler und -Parteigänger den Kopf zu schütteln und die Nase zu rümpfen. Genau das Gegenteil ist nun gefordert. Man muss sich von all den bisherigen Strategien und Methoden verabschieden, auch von den Vorurteilen. Man muss sich Neues überlegen, wie man diese Menschen erreichen, wie man zu ihnen finden könnte. Man muss vieles völlig neu denken und Vorurteile über Bord werfen. Was man bisher machte, das ist wohl nun erwiesen, taugte nichts. Neben all den anderen Aufgaben und ganz gleich in welcher Koalitionsform, die jetzt kommen wird, ist das wohl die vorderste Aufgabe.
Es darf eben nicht darum gehen, gut 30 Prozent der Bevölkerung hinter Brandmauern auszugrenzen und zu verstecken, sondern es muss darum gehen, sie wieder hereinzuholen. Darum, sie ernst zu nehmen, ihnen zuzuhören und mit ihnen zu reden. Und dazu gehört wohl auch, sie aus dem Eck zu holen, in das man sie stellte. Sie sollen sich wieder vertreten fühlen von der Politik, von der sie sich in den vergangenen Jahren offenbar nicht mehr vertreten fühlten. Denn das war die Basis für Kickls Erfolg.
Noch ist nicht alles verloren. Kickl und seine FPÖ haben 29 Prozent der Stimmen erzielt. Das ist viel. Keine Frage. Aber 71 Prozent haben ihn und seine FPÖ nicht gewählt. Und das ist immer noch eine große Mehrheit. Und genau darin liegt die Verantwortung und wohl auch die Chance, all das in den nächsten Jahren wieder umzudrehen, was mit den Wahlen nun so festgemacht wurde, wie man es nie glauben wollte.
Auch wenn es schwierig sein mag, wenn man nicht gerade FPÖ-Wähler ist, die neuen Realitäten zu akzeptieren. Das ist Demokratie. Das ist zu akzeptieren. Aber das Wahlergebnis muss als Auftrag verstanden werden und als Herausforderung, auch alte Pfade zu verlassen.
Die ersten Reaktionen auf das Wahlergebnis und all die Koalitions-Spekulationen in den ersten Tagen nach der Wahl lassen freilich nicht wirklich Gutes ins diese Richtung erwarten. Denn es zeigt sich allerorten genau das, was das Image der Politik so katastrophal werden ließ -und die Wählerinnen und Wähler in Kickls Hände trieb.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. Oktober 2024
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