Donnerstag, 31. Januar 2019

Doppelzüngigkeit als Geschäftsmodell



Im Vorfeld der Grünen Woche in Berlin und rund um das Weltwirtschaftsforum in Davos wurden in den vergangenen Wochen wieder jede Menge Studien herumgereicht von den Empörten dieser Welt. Die menschliche Ernährung, insbesondere der Fleischkonsum, wirke sich "katastrophal" aus und sei "Bedrohung für Menschen und Erde gleichermaßen", stand in den Schlagzeilen. Man zeigte sich allerorten fassungslos und gab, wo immer man konnte, seiner Empörung Ausdruck und seiner Besorgnis.

Aber viele werden sich nicht angesprochen fühlen. Vor allem nicht die, die sich zu den Guten rechnen und erst recht die, die damit auch noch Geschäfte machen. Wünschenswert wäre es freilich. Denn gerade bei letzteren klaffen Reden und Handeln oft weit auseinander.

Vor allem in der Welt der Landwirtschaft und der Lebensmittel hat man diese Besorgnis, die da zu Markte getragen wird, nachgerade zum Geschäftsmodell gemacht. In kaum einer anderen Branche spielt man so unverfroren mit den Sorgen und Ängsten, die sich Menschen um Umwelt und Gesundheit machen, wie dort. Nur um dann den Menschen Geld dafür abzunehmen. Und das oft sehr reichlich.

Man redet gerne von Nachhaltigkeit, zaubert CO2- und jede Menge andere Bilanzen nach Belieben aus dem Hut und wie es ins Geschäftsmodell passt und preist vollmundig die Natur und die Natürlichkeit. Gar nicht reden aber mag man meist davon, wie man selber arbeitet und was man dabei mitunter anrichtet.

Dabei wäre es durchaus angebracht über das eine oder andere zu reden. Etwa davon, dass sich die großen Lebensmittelketten nichts dabei denken, mit ihren eigenen Biomarken die konventionelle Landwirtschaft vor sich herzutreiben und oft auch zu denunzieren. Dass man aber gleichzeitig im Preiseinstiegsegment mit Eigenmarken zu Billigstpreisen Druck in Richtung einer Industrialisierung der Landwirtschaft macht, die so billig wie möglich produziert.

Sie sind nicht die einzigen. Längst ist etwa die Fleischwirtschaft allerorten dick im Geschäft mit veganen Fleischersatzprodukten und hat auch keine Scheu davor, am einen Ende der Unternehmensgruppen dafür mit Sätzen wie "Ich liebe Schwein" zu werben, und esse daher vegan, während am anderen Ende die Schlachtbänder auf Hochtouren laufen.

Ähnlich ist es beim Brot aus all den Backmittelstationen, die zahllosen Bäckern im Land den Garaus machten. Da ist alles vergessen, was man sonst werbewirksam an Umweltschonung hinausposaunt. Da gaukelt man den Kunden Frische und damit wohl auch Nähe vor. Dabei könnte der Energieaufwand bei dieser Art Brot zu erzeugen größer kaum sein. Die Herkunft der Teiglinge ist meist ungeklärt, klar ist nur, dass die zuerst in einer Großanlage halbgebacken werden. Dort werden die erhitzten Teiglinge dann schockgefrostet ehe es ins Tiefkühllager geht. Von dort werden sie in Tiefkühlwägen zu den Handelsfilialen oder in die Gastronomie gebracht. Wieder in Tiefkühlräume. Und dann erst geht es in die Aufbacköfen, wo sie fertig gebacken werden. Aber reden mag keiner davon.

Nachgerade aberwitzig ist mitunter auch der Weg mancher Rohstoffe für vegane Bio-Produkte. Man geißelt zwar die konventionelle Landwirtschaft dafür, dass sie mit aus Übersee importiertem Sojaschrot bei uns Schweine füttert, die dann in China und Südkorea verkauft werden. Darüber kann man diskutieren, keine Frage. Aber dann sollte man auch einmal darüber reden, dass man selbst kaum anders agiert. Das sogenannte Soja-Isolat, hochkonzentriertes Eiweiß, das in veganem Bio-Fleischersatz verarbeitet wird, wird in den USA aus Saatgut kanadischen Ursprungs erzeugt und dann in China verarbeitet, ehe es von dort nach Europa kommt. Von der CO2-Blianz und all dem, was man der Konkurrenz vorhält, mag man da gar nicht reden. Und von dem, was Nachhaltigkeit genannt wird, auch nicht.

Beispiele wie diese gibt es zuhauf. Der Konsument merkt von all dem nichts. Auch, weil niemand das Bewusstsein dafür schärft, dass auch dort, wo das vorgeblich Gute ist, viel zu oft nur das Geld zählt. Wie sollen sie es denn auch wissen? Es redet ja niemand davon. Schon gar nicht redet jemand von denen, die sich -siehe oben -so gerne und wortreich um die Welt Sorgen machen und dabei unter den Teppich kehren, dass sie selbst so viel dazu beitragen. Vielleicht sollte man sich wegen ihrer Doppelzüngigkeit viel mehr Sorgen um die Welt machen, als wegen derer, auf die sie immer mit den Fingern zeigen.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 31. Jänner 2019

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