Donnerstag, 8. Januar 2015

Allzu noble Zurückhaltung



Die Österreicher mögen die EU nicht wirklich. Immer noch nicht. Daran hat sich seit 20 Jahren nichts geändert. Im Gegenteil. In den vergangenen Jahren ist es sogar noch schlechter geworden. 25 Prozent würde heute wieder am liebsten raus aus der Union. Mehr als jemals zuvor.

Die Stimmung ist nicht gut. Dabei gibt es kaum wirkliche Gründe dafür. Denn Österreich hat, alles in allem betrachtet, durch die Bank vom Beitritt zur Europäischen Union mit 1. Jänner 1995 profitiert. Die Wirtschaft, der Außenhandel, die Bildung. Gar nicht zu reden von der Öffnung der Grenzen und den vielen neuen Möglichkeiten, die sich mit einem Mal boten. Der Beitritt öffnete Österreich das Tor zu Europa. So gesehen funktioniert die so gerne gescholtene Europäische Union für unser Land und seine Bewohner durchaus. Da ist kaum etwas daran zu mäkeln. Österreich und seine Bewohner stehen durch die Bank besser da, als wäre damals die Volksabstimmung anders ausgegangen.

Das Problem freilich ist, dass die EU zwar für Österreich funktioniert, was die Ansprüche und die Umsetzungen von Möglichkeiten der Alpenrepublik in den Feldern der Wirtschafts-,Agrar-,Bildungs-und auch Sozialpolitik betrifft. Die Union aber selbst funktioniert nicht so, wie sie funktionieren sollte. Vor allem nicht im Hinblick darauf, den Nutzen, den Österreichs Mitgliedschaft in der Union seit nunmehr zwei Jahrzehnten hat, auch in Zukunft zu gewährleisten.

Die Einrichtung, die einst gegründet wurde, um in der Welt- und Wirtschaftspolitik ein Bollwerk der Stärke und des Friedens zu sein, schwächelt. Und Österreichs Beitrag dazu, dass sie das nicht tut, ist gering. Und das ist nicht nur auf die Kleinheit der Alpenrepublik, die sich sonst so gern als groß und wichtig sieht, zurückzuführen.

Wie in vielen anderen Ländern hat man sich auch hier längst davon ankränkeln lassen, was längst der Union als Gesamtes zu schaffen macht. Man versteht Brüssel und die dort diskutierten Fragen sehr viel eher als Möglichkeit, sich innenpolitisch zu inszenieren, denn als Möglichkeit, das gemeinsame Europa mitzugestalten. Viel zu oft ist für sie Brüssel nichts anderes als ein Ort, vor europäischer Kulisse Innenpolitik zu machen. Man will gut dastehen. Vor allem daheim. Ein gelungener "Doorstep", jenes Ritual bei dem die Minister schwungvoll aus dem Auto steigen und sich Journalistenfragen stellen, um dann im Ratsgebäude zu verschwinden, gilt vielen unserer Ministerinnen und Minister schon als erfolgreiches Auftreten in Brüssel. Das reicht dann schon.

Es mag schwierig sein, in Brüssel gehört zu werden und gar Initiativen auf den Weg zu bekommen. Es wird aber auch viel zu selten versucht. Und wenn, dann kommen sie, wie seit Wochen die heimischen Aktionen gegen die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, eher skurril anmutend daher - als PR-Aktionen für Zeitungen und Handelsketten und für den einen oder anderen Politiker, dem nichts zu peinlich ist. Wie etwa dem sozialdemokratischen Europa-Abgeordneten Jörg Leichtfried. Ausgerechnet der gelernte Arbeiterkämmerer und Beamte hatte tatsächlich keine Scheu, auf Bauer zu machen und sich in Trachtanzug und mit empörtem Gesicht in einem Kuhstall neben eine Kuh zu setzen und sich für die heimische Milch stark zu machen -für ein Foto in Österreichs größtem Kleinformat.

Das ist EU-Politik, wie sie Österreich und seine Bevölkerung nicht verdient hat. Da nimmt es nicht wunder, dass unser Land in der Europäischen Union über all die Jahre, seit es Mitglied ist - wiewohl einer der wenigen Nettozahler - ein schlichter Mitläufer geblieben ist. Ganz offensichtlich ein Land ohne Ambitionen. Von Visionen gar nicht zu reden.

Jahrelang musste sich Österreichs Bundeskanzler dagegen wehren, dass Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel angeblich einmal gesagt hat: "Faymann kommt mit keiner Meinung zu mir und kommt mit meiner wieder."

Auch wenn das von dem österreichischen Bundeskanzler schlecht wollenden Beobachtern der Szene erfunden sein mag -es beschreibt doch ziemlich genau die Wirklichkeit. Österreich hat auf europäischer Ebene nichts zu sagen. Und das vor allem, weil es gar nichts sagen will.

Das ist reichlich wenig. Vor allem im Hinblick darauf, dass die EU für Österreich und seine Ansprüche und Ziele auch in Zukunft funktioniert, ist das wohl nichts als kontraproduktiv.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 8. Jänner 2015

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