Donnerstag, 22. Januar 2015
Entwürdigende Schnäppchenwut
Es war auch diesmal wieder, wie in den anderen Jahren zuvor auch. Eine Elektronik-Handelskette lockte am ersten Einkaufstag nach den Weihnachtsfeiertagen mit Super-Sonderangeboten. Das freilich nicht um 10.00 Uhr, zu den üblichen Öffnungszeiten, sondern um 6.00 Uhr in der Früh. Und es war auch diesmal wie immer - die Leute kamen in Scharen und warteten schon lange vor der Öffnung der Geschäfte, um sich die besten Plätze zu sichern.
Wenn Zyniker das als den Beweis dafür halten, dass die Menschen vom Affen abstammen und sich darum immer wieder und immer öfter zu ebendiesem machen lassen, ist ihnen das nicht zu verdenken. Unbegreifbar und unverständlich ist oft, wie erwachsene Männer und Frauen mit sich umgehen lassen, nur auf dass sie Dinge um ein paar Euro billiger bekommen, gleich ob sie diese brauchen oder nicht.
Wie der Handel die Schwächen dieser Leute benutzt und ausnutzt, ist freilich als nichts denn entwürdigend zu nennen. Dass "Satte Rabatte" vollmundig versprochen werden, geht ja in Ordnung. Dass man sich dafür, diese Rabatte auch zu bekommen, ausschließlich zu gewissen Tagen im Geschäft einfinden muss, tut das schon weniger. Wie auch, dass man Sachen wie Vitamin-Punkte sammeln soll und Sticker und was die Werbeküchen noch alles zusammengemixt haben.
Der Handel hat es in den vergangenen Jahren zu einer ganz unglaublichen Perfidie in der Disziplin Menschenfang gebracht. Was harmlos als Kundenbindungsprogramm mit Rabattmarkerln kleben anfing, ist vielerorts längt zu einen ausgefeilten Kunden-Abzockprogramm geworden, das für die meisten längst undurchschaubar ist. Oder wissen Sie, wie viel Prozente Sie gerade wo bekommen, oder wo ein kleines Extra auf Sie wartet, weil Sie im vergangenen Monat um mehr als 50, 100 oder 150 Euro eingekauft haben?
Eben. Die Handelsketten, sei es in Sachen Lebensmittel, sei es in Sachen Elektronik oder sei es in Sachen Mode, manipulieren die Menschen unter dem Deckmantel der Kundenfreundlichkeit immer unverschämter. Wertschätzung ist da oft nicht mehr zu erkennen, auch wenn es immer anders dargestellt oder gar als zentrale Werbebotschaft vermittelt wird. Wenn schon Rabatte an bestimmten Tagen und Sonderaktionen gar zu bestimmten Uhrzeiten in einer Fülle wie mittlerweile üblich geboten werden, dann kann einem schon der Gedanke an organisierten Betrug in den Sinn kommen, muss doch der Konsument davon ausgehen, dass der Preis, den er zahlt, nichts mit dem wirklichen Preis zu tun hat. Kauft er im Rahmen einer Aktion, macht er günstigenfalls ein Schnäppchen, kauft er zu normalen Konditionen, muss er wohl davon ausgehen, dass er zuviel zahlt.
Diese Infantilisierung der Kunden durch den Handel und die Werbung mit all ihren Aktionen, Sammelheften, Aufklebern und der zuweilen kindlichen Bildsprache wird immer mehr zum Ärgernis. "Danke Lino" flötete unlängst eine mittelalterliche Dame, wohl nicht ohne Hintergedanken gestylt im Stil der Hausfrauen der 1960er Jahre, täglich in der hauptabendlichen Fernsehwerbung, dankbar für die Handcreme, die ihr das Maskottchen mit diesem Namen vermittelte.
Mindestens so groß wie die Verärgerung über die ausufernden Usancen der Handelsunternehmungen und ihrer Marketing-Abteilungen ist freilich die Verwunderung darüber, dass die Menschen das mit sich machen lassen. Was heißt machen lassen? Dass sie sich darum regelrecht reißen ist wohl richtiger. Wirtschaftliche Not ist das wohl nur bei ganz wenigen. Und das macht stutzig. Was treibt diese Menschen an? Immer nur Schnäppchen? Alles Schnäppchen? Ist es ein Spiel gar? Man muss es annehmen. Und man muss sich wundern. Und man kann nur staunen, wie sie den Unternehmen auf den Leim gehen. Bereitwillig geben sie nicht nur ihr Geld, sondern zudem per Kundenkarte auch meist alle Informationen von sich her und machen sich zu gläsernen Menschen, von denen alle Einkaufsgewohnheiten, Träume und Wünsche bekannt sind. Ganz arglos. Und ganz sorglos vor allem.
Dagegen, wie der Handel mit den Konsumenten umgeht, nimmt sich die Politik nachgerade harmlos aus. Das mag damit zu tun haben, dass dort das Vertrauen längst zerbrochen ist und man nicht mehr für bare Münze nimmt, was in Aussicht gestellt wird. Die Lockangebote ziehen dort nicht mehr. Im Handel schon noch. Auch wenn sie sich, so wie in der Politik, immer öfter als nichts denn als Windeier erweisen.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. Jänner 2015
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