Freitag, 2. Januar 2015
Vorreiterrolle belastet Bauern
Österreich bezeichnet sich gern als landwirtschaftlicher Musterschüler Europas. Den Bauern tut das nicht immer gut.
Hans Gmeiner
SALZBURG. Aktuell kämpfen die Bauernvertreter gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer bei Saatgut und Futtermitteln im Zuge der Steuerreform. Sie befürchten zusätzliche Wettbewerbsnachteile, weil insbesondere in den Nachbarländern die Mehrwertsteuersätze bei diesen wichtigen Produktionsmitteln zumeist günstiger sind.
Für die Landwirte wäre das auf den Märkten eine weitere Hürde, die Österreich selbst errichtet. Schon jetzt leidet der Agrarsektor darunter, dass in Österreich die Produktionsvorschriften in vielen Bereichen strenger sind, als es das EU-Recht verlangt. Nur die Biobauern wissen das auch zu vermarkten. Im internationalen Vergleich kleine konventionell produzierende Bauern können die daraus entstehenden höheren Kosten dagegen kaum in den Preisen unterbringen. Das gleichen auch die vergleichsweise hohen Förderungen und das freundliche Steuerrecht nicht aus.
Kurz vor Weihnachten schlugen die heimischen Putenzüchter Alarm. Weil in Österreich seit Jahren pro Quadratmeter Stallfläche wesentlich weniger Puten gehalten werden dürfen als in den anderen EU-Ländern, muss man hilflos zuschauen, wie billiges Putenfleisch aus Italien, Polen und Ungarn die eigenen Produkte aus den Regalen verdrängt. Der Marktanteil liegt bereits bei weniger als 50 Prozent.
Während in Österreich nur 40 Kilogramm Puten pro Quadratmeter gehalten werden dürfen, sind es in Deutschland 58 und in Polen sogar 70 Kilogramm. Der Unterschied in den Produktionskosten ist daher enorm. „Unter den aktuellen Bedingungen ist es nicht mehr möglich, längerfristig Putenfleisch in Österreich zu erzeugen“, klagte kürzlich Robert Wieser, der Sprecher der heimischen Geflügelbauern.
Ganz ähnlich ist die Situation bei der Erzeugung von Masthühnern. Auch dort müssen die Bauern oft zur Kenntnis nehmen, dass die Bekenntnisse der Konsumenten zum Tierschutz und zu Extras wie gentechnikfreier Fütterung sowie die Bereitschaft, die höheren Kosten dafür gern zu zahlen, spätestens an der Supermarktkasse vergessen sind. Die Geflügelhalter ärgert das. „Dabei ermöglichen die Fortschritte in der Stall- und Belüftungstechnik heute ganz andere Bestandsdichten als seinerzeit und bieten den Tieren dennoch wesentlich bessere Bedingungen“, klagen Branchenvertreter. Lediglich die Eierproduzenten haben es geschafft, den Musterschülerkurs Österreichs unbeschadet zu überstehen. Als man sich vor zehn Jahren auf ein vorzeitiges Verbot der Käfighaltung einigte, half ein Sonderinvestitionsprogramm bei der Umstellung und trug dazu bei, dass die Marktanteile gehalten werden konnten.
Anders gelagert sind die Probleme bei den Schweinehaltern. Während man für die umstrittenen Ferkelschutzkörbe eine langfristige Übergangsregelung fand, die die Umstellungskosten abfedern soll, kämpft man immer öfter mit massiven Anrainerprotesten, wenn man die Stallungen ausbauen will. „Direkt in Ortschaften ist das heute kaum mehr durchzusetzen und freie Lagen außerhalb gibt es kaum, bei denen es nicht auch Widerstände gäbe“, sagt Hans Schlederer von der österreichischen Schweinebörse. Er sieht deswegen die Möglichkeiten der Schweinebauern beschränkt. „Schon jetzt kostet die Produktion eines Ferkels in Österreich um fünf Euro mehr als in Bayern, um zehn Euro mehr als in Norddeutschland und gar um 15 Euro mehr als in Dänemark.“
Auch die heimischen Milchbauern leiden zuweilen unter ihrem viel gelobten Dasein als Musterschüler. Schon vor Jahren wurden sie zur ausschließlichen Verwendung von gentechnikfreiem Futter verpflichtet. Damals wurde versprochen, die daraus entstehenden Extrakosten zu ersetzen. Allerdings waren diese Zusagen schnell vergessen. Die Bauern bekommen keinen Cent mehr dafür, ganz abgesehen davon, dass sich die Milchwirtschaft bemüht hätte, in der Vermarktung aus den strengeren Vorschriften Kapital zu schlagen.
Vielen Milchbauern platzt jetzt der Kragen. Vor allem aus Oberösterreich und aus dem Salzburger Flachgau liefern sie nicht zuletzt deshalb die Milch lieber direkt nach Bayern. Damit ersparen sie sich die teuren Auflagen für die Fütterung und sie erhalten obendrein meist auch einen besseren Preis.
Im Ackerbau sind es vor allem die länderweise unterschiedlichen Mittelzulassungen im Pflanzenschutz, die die Bauern ärgern. „Da tut man so, als ob die Erdäpfel nicht kreuz und quer durch Europa geführt und verkauft würden“, ätzt ein Beobachter. So sind etwa ab Jänner 2015 viele Mittel in Österreich nicht mehr zugelassen, die im benachbarten Bayern den Pflanzenschutz weiterhin erleichtern. „Im Ackerbau führt das zu Problemen, ernst ist die Entwicklung inzwischen für den Gemüse- und Obstbau, für Spezialkulturen wie Heil- und Gewürzpflanzen und für die Grassamenvermehrung, weil sich die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln gar nicht mehr um spezielle Zulassungen, wie sie das kleine Österreich verlangen würde, bemühen“, sagt Christian Krumphuber von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. „Da wird der österreichische Weg kontraproduktiv, weil genau das gefährdet wird, worauf man stolz ist.“
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. Jänner 2014
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