Die deutsche Bild-Zeitung feierte "Deutschlands schönste Kurven" plakativ auf der Seite eins ab. Doch das Blatt meinte in diesem Fall nicht jene Kurven, die man bei einem Blatt diesen Zuschnitts normalerweise vermutet, sondern die Kurven auf einem Preisdiagramm, das zeigt, wie die Preise für Rohstoffe wie Öl und Agrarprodukte in den vergangenen Monaten in den Keller rasselten.
Die Freude sei der Zeitung unbenommen. Man hätte sich
allerdings gewünscht, dass auch gefragt wird, warum Lebensmittel mit Ausnahme
von wenigen Produktsegmenten bei Milch und Fleisch immer noch zu den
Preistreibern zählen. Oder, wohin die hunderten Milliarden Dollar und Euro
gekommen sind, die man sich wegen günstigerer Agrarprodukte einspart. Oder,
warum es trotz der günstigeren Preise immer noch kaum Fortschritte im Kampf
gegen den Welthunger gibt.
Das war nicht der Fall. Bei der Bild-Zeitung nicht. Und
überhaupt nirgends.
Wenn die Preise für agrarische Rohstoffe hingegen auch nur
geringfügig steigen - dann ist alles anders. Dann nehmen die heimischen
Bäcker und all die anderen, die sich an der Lebensmittelkette zu schaffen
machen, das postwendend als Grund für Preiserhöhungen. Dann werden die
Spekulanten als Bösewichte ausgemacht, wird die Erzeugung von Agrosprit an den
Pranger gestellt und werden die Bauern auch schon einmal als gierig
abgestempelt.
Aber jetzt fragt niemand. Wohl, weil die sich die Dinge doch
nicht so einfach darstellen lassen, wie man es gerne hätte. Beispiel
Spekulationsgeschäfte mit agrarischen Rohstoffen: Sie sind in den vergangenen
Jahren tendenziell mehr geworden. Und dennoch stürzten die Preise in den
Keller. Wohl weil immer klarer wird, dass sie viel eher zur Stabilisierung von
Märkten beitragen, als dass sie Preistreiber sind. Kaum anders verhält es
sich mit den so gescholtenen Agro-Treibstoffen. In den vergangenen zwei Jahren
wurden zwar die Ausbauprojekte gestoppt, von einer Stilllegung von Kapazitäten
und ein Umkehr ist aber weltweit nichts überliefert. Und dennoch stürzten die
Preise in den Keller. Und im Kampf gegen den Hunger zeigt sich immer
deutlicher, dass die Probleme viel eher wo anders liegen, als bei den Preisen.
Das alles ist wohl typisch für den Umgang mit
landwirtschaftlichen Themen in der Öffentlichkeit. Der ist zunehmend dominiert
von einem blinden Alarmismus, der zumeist sehr viel mehr von politischen und
wirtschaftlichen Interessen gesteuert ist, denn von ernsthafter Sorge, Vernunft
und schlichter Sachlichkeit.
Die Landwirtschaft, zumal die Bauern, stehen dem zuweilen
hilflos gegenüber. Was jahrelang gut gewesen ist, ist mit einem Mal schlecht,
nur um kurz darauf erfahren zu müssen, dass eigentlich längt wieder alles
anders ist.
Die Bauern leiden darunter. Die gesamte Landwirtschaft. Das
hat sie zum Spielball vor allem jener Gruppen der Gesellschaft gemacht, die
besonders von sich und ihren Ansichten eingenommen sind, denen aber
Verantwortung viel zu oft ein Fremdwort ist. Wie sonst ist zu nennen, dass
zumeist gerade jene, die sich um den Welthunger lauthals Sorgen machen und
billige Nahrungsmittel fordern, hierzulande ganz vorne stehen, um noch mehr
Beschränkungen für die landwirtschaftliche Produktion zu fordern? Wie sonst,
dass man am liebsten verträumte Subsistenz-Landwirtschaft abseits der Märkte
und ihrer Erfordernisse sähe und im gleichen Atemzug die Versorgungssicherheit
gefährdet sieht und vor zu hohen Preise warnt?
Die Bauern müssen damit zurecht kommen. Wie, das fragt dann
freilich meist niemand.
Gmeiner meint - Blick ins Land Jänner 2015
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