Donnerstag, 1. Januar 2015

Wie, das fragt niemand





Die deutsche Bild-Zeitung feierte "Deutschlands schönste Kurven" plakativ auf der Seite eins ab. Doch das Blatt meinte in diesem Fall nicht jene Kurven, die man bei einem Blatt diesen Zuschnitts normalerweise vermutet, sondern die Kurven auf einem Preisdiagramm, das zeigt, wie die Preise für Rohstoffe wie Öl und Agrarprodukte in den vergangenen Monaten in den Keller rasselten.

Die Freude sei der Zeitung unbenommen. Man hätte sich allerdings gewünscht, dass auch gefragt wird, warum Lebensmittel mit Ausnahme von wenigen Produktsegmenten bei Milch und Fleisch immer noch zu den Preistreibern zählen. Oder, wohin die hunderten Milliarden Dollar und Euro gekommen sind, die man sich wegen günstigerer Agrarprodukte einspart. Oder, warum es trotz der günstigeren Preise immer noch kaum Fortschritte im Kampf gegen den Welthunger gibt.

Das war nicht der Fall. Bei der Bild-Zeitung nicht. Und überhaupt nirgends.

Wenn die Preise für agrarische Rohstoffe hingegen auch nur geringfügig steigen - dann ist alles anders. Dann nehmen die heimischen Bäcker und all die anderen, die sich an der Lebensmittelkette zu schaffen machen, das postwendend als Grund für Preiserhöhungen. Dann werden die Spekulanten als Bösewichte ausgemacht, wird die Erzeugung von Agrosprit an den Pranger gestellt und werden die Bauern auch schon einmal als gierig abgestempelt.

Aber jetzt fragt niemand. Wohl, weil die sich die Dinge doch nicht so einfach darstellen lassen, wie man es gerne hätte. Beispiel Spekulationsgeschäfte mit agrarischen Rohstoffen: Sie sind in den vergangenen Jahren tendenziell mehr geworden. Und dennoch stürzten die Preise in den Keller. Wohl weil immer klarer wird, dass sie viel eher zur Stabilisierung von Märkten beitragen, als dass sie Preistreiber sind.  Kaum anders verhält es sich mit den so gescholtenen Agro-Treibstoffen. In den vergangenen zwei Jahren wurden zwar die Ausbauprojekte gestoppt, von einer Stilllegung von Kapazitäten und ein Umkehr ist aber weltweit nichts überliefert. Und dennoch stürzten die Preise in den Keller. Und im Kampf gegen den Hunger zeigt sich immer deutlicher, dass die Probleme viel eher wo anders liegen, als bei den Preisen.

Das alles ist wohl typisch für den Umgang mit landwirtschaftlichen Themen in der Öffentlichkeit. Der ist zunehmend dominiert von einem blinden Alarmismus, der zumeist sehr viel mehr von politischen und wirtschaftlichen Interessen gesteuert ist, denn von ernsthafter Sorge, Vernunft und schlichter Sachlichkeit.

Die Landwirtschaft, zumal die Bauern, stehen dem zuweilen hilflos gegenüber. Was jahrelang gut gewesen ist, ist mit einem Mal schlecht, nur um kurz darauf erfahren zu müssen, dass eigentlich längt wieder alles anders ist.  

Die Bauern leiden darunter. Die gesamte Landwirtschaft. Das hat sie zum Spielball vor allem jener Gruppen der Gesellschaft gemacht, die besonders von sich und ihren Ansichten eingenommen sind, denen aber Verantwortung viel zu oft ein Fremdwort ist. Wie sonst ist zu nennen, dass zumeist gerade jene, die sich um den Welthunger lauthals Sorgen machen und billige Nahrungsmittel fordern, hierzulande ganz vorne stehen, um noch mehr Beschränkungen für die landwirtschaftliche Produktion zu fordern? Wie sonst, dass man am liebsten verträumte Subsistenz-Landwirtschaft abseits der Märkte und ihrer Erfordernisse sähe und im gleichen Atemzug die Versorgungssicherheit gefährdet sieht und vor zu hohen Preise warnt?

Die Bauern müssen damit zurecht kommen. Wie, das fragt dann freilich meist niemand.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land Jänner 2015

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