Die Ereignisse in Frankreich erschüttern die ganze Welt. Die
Bilder aus Paris am vergangenen Sonntag waren beeindruckend. Doch auf Sicht
bleibt die Frage, ob diese machtvollen Demonstrationen auch die Kraft haben,
nachhaltig auf die Politik und den Alltag der Menschen zu wirken.
Zweifel sind angebracht. Viel größer als die Chance, dass
die Ziele und Wünsche der Teilnehmer an den Kundgebungen Wirklichkeit werden,
ist wohl die Gefahr, dass die Anschläge von Paris die Rechtspopulisten vor
allem in Europa weiter stärken. Für sie sind die Ereignisse wohl nichts als
frischer Wind, um das Feuer der Fremdenfeindlichkeit noch intensiver zu
schüren. Dieser Tage freilich sind sie klug genug, das nicht unter dem frischen
Eindruck der mörderischen Ereignisse zu tun. Aber sie sind sich wohl gewiss,
dass die Zeit für sie arbeitet, um aus dem, was in der Redaktion von
"Charlie Hebdo" und im jüdischen Supermarkt an der Porte de Vincennes
passierte, politisches Kapital zu schlagen.
Paris passierte just in einer Zeit, in der sich in
Deutschland die Pegida-Bewegung bereit macht und die für zunehmendes Unbehagen
wegen des immer offeneren rechtsradikalen Anstrichs sorgt. Paris passierte just
in einer Zeit, in der sich diese Bewegung auch anschickt, in Österreich Fuß zu
fassen. Und Paris passierte just zu einer Zeit, in der der Umgang mit
Flüchtlingen auch hierzulande wieder ein Thema geworden ist, das in der
politischen Agenda ganz nach oben rückt.
Dass die Anschläge von Frankreich wohl eher als Rückenwind
für fremdenfeindliche Strömungen, denn als Mahnung zur Umkehr und zum
Nachdenken wirken werden, hat auch damit zu tun, dass die Bemühungen nie
vergriffen, den Trend zu rechtspopulistischen Parteien und vor allem ihre
Fremden-feindlichen Inhalten zu stoppen. Und es hat damit zu tun, dass man die
Menschen, die offene Ohren für die dortigen Töne haben, nie erreichte. Und zu
tun hat es auch damit, dass kaum je wirklich zur Kenntnis genommen wurde, dass
sich viele Menschen echte Sorgen machen, dass viele zunehmend Angst umtreibt
und sehr oft auch der bloße Ärger.
Statt sich mit diesen Befindlichkeiten auseinander zu
setzen, wurde allzu oft von oben herab dekretiert, was gut zu sein hat und was
schlecht und was richtig und was falsch. Die Intellektuellen waren immer gut
darin, viele Künstler auch und auch viele Politiker, die es sich mit ihnen
nicht vertun wollten. Und der große Rest der gut Meinenden getraute sich in
diesem Klima erst gar nicht Position zu beziehen.
Viel zu oft wurden just die Menschen, die gewinnen zu wollen
sie sich bemühten, als dumm, uneinsichtig und böswillig hingestellt und
lächerlich gemacht. Viel öfter als die Energien darein zu setzen, sie zu
erreichen, verwendete man diese Energien, sich selbst zu beweihräuchern.
Das freilich lief den lauteren Absichten diametral
entgegen. Das Resultat dessen, was hierzulande und in anderen westeuropäischen
Staaten als Aufklärungsarbeit gilt, ist angesichts der stets und zuweilen
lawinenartig anwachsenden Fremdenfeindlichkeit nichts denn als erbärmlich zu
nennen.
Mit diesem Versagen schuf man den Nährboden für
rechtspopulistische Politiker wie Haider, Strache oder Le Pen und machte sie
groß. Die Arroganz der gut meinenden, die viel Häme, aber zumeist keine
Antworten zu bieten hat, trieb und treibt diesen Populisten die Leute
scharenweise in die Hände. Für viele wurde es nachgerade eine Flucht in eine
Parallel-Gesellschaft, in der sie sich ihren Ansichten unter ihresgleichen
hingeben können und von niemanden gesellschaftliche Ächtung zu fürchten haben.
Das alles ist alles andere als im Sinn der Sache. Und Sache
ist, dass das Land und seine Bewohner zu einem gedeihlichen Umgang mit
Bewohnern nicht-österreichischer Herkunft und zu einem Umgang mit Flüchtlingen
finden muss, der für keine der Seiten so beschämend ist, wie in den vergangenen
Jahren.
Davon ist man weit entfernt. Nach Paris möglicherweise mehr
denn je. All die, die sich um die Integration und eine gute Stimmung gegenüber
ausländischen Mitbürgern bemühen, müssen sich diesem Thema stellen. Nicht von
oben herab und nicht aus Nobel-Wohngegenden heraus. Sondern direkt bei den
Menschen. Es geht darum, diese Leute zu erreichen. Dabei geht es nicht darum,
den Hetzern und politischen Heilsbringern recht zu geben, sondern darum, sie zu
gewinnen und einen Weg zu finden, mit dem alle leben können.
Denn was bisher in dieser Hinsicht geschah, hat genau das
nicht erreicht.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. Jänner 2015
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