Donnerstag, 30. Januar 2025

Es ist an der Zeit zurückzuschalten

Es ist viel Lärm im Land in diesen Tagen. Die Aufregung ist zuweilen groß. Der Ärger auch und die Verwunderung. Die Gräben quer durch die Gesellschaft werden noch tiefer, das Verständnis füreinander immer weniger. Respekt ist oft nicht mehr als ein Wort. Wertschätzung sowieso. Seit die Volkspartei mit den Freiheitlichen verhandelt und alles, was sie über Kickl gesagt hat, über Bord gegangen ist, hat sich die Stimmung aufgeheizt. Nicht nur in der ÖVP. Die alten Muster kommen wieder hervor. Die einen feuern aus allen Rohren, die anderen schießen zurück. Dass man von den "Linken" und den "Rechten" - und das natürlich mit abfälligem Unterton -redet, scheint immer öfter wieder normal. Und dass man über den jeweils anderen nicht nur schimpft, sondern regelrecht herzieht, auch.

Man schenkt sich nichts dabei, wenn man einander an den Kopf wirft, was man voneinander hält. Die Muster sind hüben wie drüben dieselben. Gleich, ob sich die FPÖ-oder ÖVP-Parteigänger über die SPÖ oder die Neos oder die Grünen auslassen, oder ob die SPÖ-und Neos-Parteigänger oder die Grünen die FPÖ und die ÖVP abkanzeln.

Die einen sehen die anderen nur als rückständig und aus der Zeit gefallen - und wenn sie ganz böse sind, als Nazis. Und die anderen sehen die Gegenseite wiederum nur als "linke Asseln", die den Staat nichts als ausnutzen wollen, die alles geschenkt haben wollen, aber möglichst nichts leisten wollen dafür. Aber nicht alleine das -mitreden wollen sie dann auch noch, aber keine Ahnung haben, wo alles herkommt, schwingt dann immer eine große Portion Empörung mit.

"Ich habe mir nicht gedacht, dass du auch so eine/r bist", kommt es dann oft sehr schnell und scharf, wenn man anderer Meinung ist als das Gegenüber. "Das mag ich nicht, das halte ich nicht aus", wird man sofort ins Eck gestellt. Ohne Diskussionen, und immer irgendwie wie knapp vor der Exekution. Reden darüber, diskutieren gar? Ist nicht. Das geht oft auch nicht mehr. Zu verfahren scheint der Karren. Man mag gar nicht mehr die Argumente der anderen hören.

Es ist fraglos gut, eine klare Meinung zu haben. Das entschuldigt aber nicht, wie man oft umgeht damit. In der aktuellen Ausgabe des deutschen Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" findet sich in einem Essay zur Lage ein bemerkenswerter Satz, der dort zwar auf die Linke gemünzt ist, der aber für beide Seiten, oder wie man nun auch wieder immer öfter sagt, Lager, passt: "In den vergangenen Jahren hat sich im linken Spektrum eine Diskursmentalität ausgeprägt, die teilweise ins Autoritäre lappt", heißt es dort. Als Beispiel wird dann die "irreguläre Zuwanderung" genannt, bei der man sich leicht den Vorwurf einhandeln kann, ein Rassist zu sein, wenn man sie für problematisch halte. Wer nicht gendern wolle, werde als Frauenfeind beschimpft, und wer dann auch noch auf getrennte Toiletten besteht, als transphob.

Für die andere, die rechte Seite, sind jederzeit ähnliche Beispiele zu finden. Da ist jeder Migrant schnell ein Gauner, jeder Grünwähler ein "linker Träumer", und jeder SPÖ-Wähler ein Marxist, selbst wenn er nur gerne eine Lohnerhöhung hätte.

Die Diskussion um Geld für die Kleinkindbetreuung zu Hause ist geradezu exemplarisch dafür. Da geht nichts mehr, obwohl die Grundidee aus der politischen Mitte kommt und seinerzeit von einem ÖVP-Bürgermeister erstmals umgesetzt wurde. Heute ist diese Idee als "Herdprämie" punziert. Und die Punzierung sitzt. Unverrückbar. Wer dafür ist, kommt, wenn er nicht gerade der FPÖ anhängt, schnell auf den Scheiterhaufen. Das freilich auch, weil sich inzwischen FP-Politiker wie Dagmar Belakowitsch des Themas bemächtigt haben, die den Gegnern einer solchen Prämie vorwirft, dass es ihnen nur darum gehe, "die Kinder so schnell wie möglich fremd zu betreuen, um sie politisch indoktrinieren zu können".

Man hat nicht nur, man weiß es, bei diesem Thema verlernt, in der Sache zu diskutieren. Das hat auch damit zu tun, dass politische Parteien und Interessensverbände Themen und Positionen sofort okkupieren und in Schubladen stecken - und damit jeden Diskurs allzu oft unterbinden und regelrecht einfrieren.

Es wäre an der Zeit, nicht nur einen Gang, sondern zumindest zwei Gänge zurückzuschalten. Die Zeiten, in denen man allen Gegensätzen zum Trotz versuchte, mit der jeweils andere Seite zu reden oder gar Verständnis aufzubringen, waren nicht die schlechtesten. Österreich wurde groß damit.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. Jänner 2025 

Donnerstag, 23. Januar 2025

Von der Volkspartei zur Nanny des "Volkskanzlers"?

Seit Montag dieser Woche verhandeln FPÖ und ÖVP über eine künftige Koalition. Ohne großes Tamtam. Man versucht, so der Eindruck, den Ball flach zu halten, wie es so schön heißt. Der Chef der Freiheitlichen schlägt neue Töne an. Da ist nichts mehr von den schulmeisterlichen Ansagen wie in seiner ersten Pressekonferenz, als er den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen hatte. Die Töne, die vom neuen Chef der Volkspartei zu hören sind, sind leise. Zuletzt hieß es immerhin "Ich bin nicht die Nanny der FPÖ". Stocker will offenbar Land gewinnen.

Und dennoch gilt immer noch, was in einem Leitartikel der vergangenen Woche im Kurier festgestellt wurde -"Neben Kickl wirkt die ÖVP sehr klein." Eindrücklich ist das bei allen gemeinsamen Auftritten von FP-und VP-Politikern vor Kameras zu erleben, wenn Letztere neben Kickl oder Leuten wie dem FP-Budgetexperten Hubert Fuchs wie Ministranten wirken.

Da nimmt nicht wunder, dass die Partei nicht zur Ruhe kommen mag. Viele hadern nach wie vor damit, dass jetzt mit Kickl verhandelt wird. Die Zahl derer, die ein Scheitern der Verhandlungen für möglich halten, scheint nicht gering zu sein. Es wirkt ab und an, als nehme der Widerstand in der ÖVP gegen eine Koalition mit Kickl Fahrt auf. Und es scheint immer mehr zu geben, die glauben, dass es auch mit dieser Koalition nichts wird. Manche glauben gar erkennen zu können, dass sich auch bei Kickl Zweifel breit machen, weil er neue Töne anschlägt und Fristen nach hinten hinaus verlängert.

Es grummelt in der Volkspartei. Viele beschreiben gerne mit "Kopfweh" und anderen Leibschmerzen, was die Koalitionsverhandlungen mit einem machen. Manche werden aber inzwischen auch deutlicher. Ende vergangener Woche ließ Josef Moosbrugger, als Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich nicht nur oberster Bauernvertreter, sondern auch Mitglied des ÖVP-Präsidiums, aufhorchen, als er Klartext in Richtung FPÖ redete und unter anderem einen Preisdeckel für Lebensmittel, wie ihn die FPÖ auch schon forderte, als klares "No-Go" für eine Koalition abkanzelte.

Sogar aus der Industriellenvereinigung und aus der Wirtschaft, die von vielen als maßgeblicher Betreiber von Blau-Schwarz gesehen werden, kommen inzwischen neue Töne. Ganz so, als hätte sich nach der ersten Euphorie nun nach dem ersten Auftritt Kickls doch Fracksausen breitgemacht. "Es geht um eine starke Stimme Österreichs in der EU", wird inzwischen selbst der Präsident der IV nicht müde zu betonen. Eine Festung Österreich könne kein Ziel sein, man brauche qualifizierten Zuzug.

Von "ehernen Grundsätzen", die "nicht verhandelbar" seien, spricht auf einmal der Wirtschaftskammerpräsident, was freilich nach der 180-Grad-Wende vor drei Wochen nicht ohne Pikanterie ist. Man wird auf einmal nicht müde, den Wert der Werte zu betonen, jenen des Rechtsstaates und jenen der Demokratie. Und sogar, "dass die FPÖ in der Regierung ihre Einstellung zum Klimaschutz überdenkt", wünscht sich mancher Proponent der Wirtschaft.

Mag sein, dass all das echt ist, was da auf einmal an Sorgen und Forderungen geäußert wird, mag aber auch sein, dass man damit nur Positionen für die Verhandlungen abstecken will. Wie auch immer. Es ist nicht alleine das. Immer mehr wird bewusst, mit wem man sich da eingelassen hat.

Aber reicht das dafür, dass die Koalition noch platzen könnte? Das ist wohl eher zu bezweifeln. Auch weil man sich in Situationselastizität übt. Von "Verantwortung" ist viel die Rede, von "Realismus" und von "Handlungsfähigkeit", die für das Land zu erhalten sei. Man sieht keine Alternative und fürchtet die Gefahr, bei Neuwahlen völlig unterzugehen. Das vor allem.

Aber könnte die Volkspartei nicht gerade daran wieder erstarken, dass sie doch Haltung zeigt und Charakter und sich auf einen anderen Weg einlässt? Reden davon mag noch niemand so recht.

Eher ist wohl doch zu erwarten, was derzeit noch als Forderung oder gar No-Go formuliert wird, eingeschliffen und passend gemacht wird. Kickl sagt ja schon jetzt, dass er für Europa ist und mit Moskau nichts am Hut hat. Und für die Ukraine wird sich auch noch ein Wording finden. Das wird dann wohl reichen für die ÖVP, mit ihm zu gehen.

Darum sollten sich die, die sich Hoffnung machen, nicht allzu große Hoffnung machen, dass die Verhandlungen noch scheitern.

Aber hoffen darf man freilich immer.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. Jänner 2025

Samstag, 18. Januar 2025

Die Bauern wollen das Umweltministerium zurück

Nach fünfjähriger Pause wollen die Bauern das Umweltministerium wieder ins Agrarressort eingliedern. „Die FPÖ muss Farbe bekennen“, sagen sie.

Hans Gmeiner 

Berlin. „Ich kann heuer mein Berlin-Programm leider nur eingeschränkt absolvieren“, entschuldigte sich Freitag Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (VP) bei der traditionellen Pressekonferenz der heimischen Agrarspitzen auf der Grünen Woche in Berlin. Wegen der Koalitionsverhandlungen müsse er gleich zurück nach Wien. Bauernbundpräsident Georg Strasser kam erst gar nicht an die Spree. Für die Bauern geht es um viel.

Während sich Totschnig zurückhielt („Zuerst verhandeln, dann werden wir sehen“), redete Josef Moosbrugger, der nicht nur Präsident der Landwirtschaftskammer, sondern auch Vizepräsident des VP-Bauernbunds und Mitglied des ÖVP-Präsidiums ist, Klartext in Richtung FPÖ. Es sei unvernünftig, bei Einrichtungen wie den Kammern oder der AMA sparen zu wollen. Das schwäche die Position der Bauern. Als „No-Go“ bezeichnete er die Einführung eines Preisdeckels bei Lebensmitteln. „Wenn der FPÖ die Lebensmittel zu teuer sind, wird sie Farbe bekennen müssen und nicht nur allen nach dem Mund reden können“, schlug Moosbrugger einen harschen Ton an und ließ dann aufhorchen, als die Rede auf die Ressortverteilung kam. „Das ist für uns eine Grundbedingung für eine Koalition und es braucht eine vernünftige Weiterentwicklung insbesondere in den Ressortzuständigkeiten“, sagte Moosbrugger und forderte, dass „die Umweltagenden wieder zum Landwirtschaftsministerium kommen, damit Entwicklungen der letzten Jahre für die Bauern wieder mehr Praktikabilität und Vernunft bekommen“. Schon in den Jahren 2000 bis 2020 war das Umweltressort im Landwirtschaftsministerium angesiedelt.

Klar ist inzwischen, welchen Beitrag das Landwirtschaftsministerium zu den aktuellen Einsparungsplänen beim Bundesbudget leisten wird. 55 Mill. Euro werden dabei aus Rücklagen insbesondere aus dem Topf für die ländliche Entwicklung kommen. Weitere zehn Millionen kommen aus Einsparungen beim mit insgesamt 550 Mill. Euro dotierten Waldfonds, mit dem Investitionen in eine nachhaltige und zukunftsfitte Forstwirtschaft gefördert werden. „Für die Bauern direkt werde es keine spürbaren Einbußen geben“, versicherten Totschnig und Moosbrugger.

Die Unruhe in der Bauernschaft ist angesichts der unklaren politischen Situation nicht unbeträchtlich. Denn nicht nur in Österreich geht es darum, die Weichen zu stellen. Mit dem Umgang mit dem Mercosur-Abkommen, auf das man sich verständigte, und dem geplanten Assoziierungsabkommen mit der Ukraine stehen große Herausforderungen an. Auch in der EU ist mit dem neuen Agrarkommissar Christophe Hansen ein neuer Mann an den Schalthebeln. Die Erwartungen an ihn sind groß, schließlich steht die nächste Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik vor der Tür. Die neue Periode soll 2027 beginnen. Hansen gilt als Mann der Landwirtschaft mit Verständnis für die Bauern und ihre Probleme. Ende Februar wird er seine Strategie für die Landwirtschaft in Europa vorlegen.

Was Österreich dabei will, formulierte Totschnig so: „Es braucht eine starke, wettbewerbsfähige europäische Landwirtschaft, die sich international behaupten kann.“ Das erfordere eine nachhaltig produzierende Landwirtschaft statt Produktionsbeschränkungen, sichere Einkommen statt Kürzungen und Bürokratieabbau statt Regulierungsdruck. Und es geht auch ums Geld: „Leistungen, die bestellt werden, müssen auch bezahlt werden.“

Die Situation der heimischen Landwirtschaft ist durchwachsen. Im Vorjahr gab es zwar ein kleines Einkommensplus, aber in einigen Sparten gibt es große Probleme. Bei den Schweinehaltern sorgt das Warten auf eine Lösung beim Thema Vollspaltenboden für Unsicherheit und einen Investitionsstopp. Die Ackerbauern klagen über hohe Kosten für Betriebsmittel und niedrige Preise. Zudem sorgt der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Deutschland für Unsicherheit. Dort warnen inzwischen nicht nur die Fleischverarbeiter, sondern auch die Molkereien vor einem Zusammenbruch der Märkte.

Das könnte auch die österreichische Landwirtschaft empfindlich treffen. Deutschland ist schließlich Österreichs mit Abstand wichtigster Exportmarkt. Mit fast fünf Mrd. Euro werden dort knapp 40 Prozent des Exportgeschäfts gemacht. Im Vorjahr gab es sogar ein Plus von 3,6 Prozent. Besonders erfolgreich war dabei die Fleischwirtschaft. Der Grund dafür: Deutschland kämpft in der Schweineproduktion. Der Schweinebestand ging im Vorjahr um 20 Prozent zurück. Erstmals waren 2024 die Exporte Österreichs von Schweinefleisch, Würsten, Speck und Fleischzubereitungen größer als die Käseexporte. Bei Schweinefleisch gab es gar ein Plus von 93 Prozent. Beachtliche Zuwächse gab es auch bei zubereitetem Obst und Gemüse.

Dennoch fiel die Agrar-Handelsbilanz im Vorjahr durchwachsen aus. Das Defizit war nach den ersten neun Monaten des vergangenen Jahrs mit 1,24 Mrd. Euro vier Mal so hoch wie im Jahr zuvor. Bei den Ausfuhren gab es nur ein mageres Plus von 0,4 Prozent. Die Importe hingegen legten um 7,9 Prozent zu. Christina Mutenthaler-Sipek, Chefin der AMA-Marketing, spricht dennoch von einer stabilen Entwicklung. Für sie bleibt der agrarische Außenhandel „eine absolute Erfolgsgeschichte“. Sie verweist darauf, dass sich der Anteil der Agrarexporte an den Gesamtexporten seit dem EU-Beitritt vor 30 Jahren von 4,2 auf 8,8 Prozent mehr als verdoppelt hat. Katharina Koßdorff und Josef Domschitz vom Fachverband der Lebensmittelindustrie machen sich dennoch große Sorgen. Die hohe Inflation und die höheren Energie-und Arbeitskosten seien ein klarer Wettbewerbsnachteil.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 18. Jänner 2025



Donnerstag, 16. Januar 2025

Klimaschutz hat bei Populisten schlechte Karten -zu Unrecht

Das Klima zu schützen hat in diesem Land wohl in den nächsten Jahren keinen besonders hohen Stellenwert mehr, wenn man liest, was einer Koalition von FPÖ und ÖVP zugetraut wird. Man fürchtet um die CO2-Besteuerung, um den Klimabonus, um die Förderungen für den Umstieg auf neue Energieformen für Wirtschaft und Private, um die Förderung von E-Autos, um das Klimaticket und vieles andere mehr, und man geht davon aus, dass das Ziel, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen, wohl auch fallen wird. Wohl nicht ganz zu Unrecht, gehört doch der Begriff "Klimahysterie" seit langer Zeit zum Standardrepertoire des vielleicht zukünftigen Bundeskanzlers und ließ auch der neue Parteiobmann der ÖVP schon hören, dass sich seine Partei gegen den "Verbotswahn im Klimaschutz" einsetzen wolle. Da fügt es sich nur, dass man in Kärnten gegen den Ausbau der Windkraft stimmte und Oberösterreich erst kürzlich entsprechende Pläne einstampfte. 

International ist es, und das wiegt wohl noch schwerer, nicht anders. Mit dem Schlachtruf "drill, baby, drill" macht der künftige Präsident der USA keinen Hehl daraus, dass er die Förderung fossiler Energieträger wie Öl und Gas massiv ankurbeln will. Und nicht nur das. Auch die Rücknahme von Umweltauflagen und der neuerliche Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen gehören zum fixen Programm von Donald Trump. 

Die Kickls und Trumps dieser Welt haben Rückenwind. Wohl auch, weil viele Gut-Meinende ihre Forderungen überzogen haben und zu wenig Wert darauf legten, die Menschen mitzunehmen. Nicht zuletzt deswegen freuen sich viele darüber und können viele gar nicht erwarten, dass von den Populisten dieser Welt umgesetzt wird, was da versprochen wird. 

Manches mag durchaus nachvollziehbar und sogar sinnvoll sein, aber verständlich wäre dann doch etwas anderes. Gerade jetzt. Und gerade in diesen Wochen, wo neuerliche Rekordwerte von der Erderwärmung gemeldet wurden. "Die Welt hat Fieber" schrieb eine Zeitung, dass die globale Durchschnittstemperatur 2024 so hoch wie noch nie zuvor war und damit jedes der vergangenen zehn Jahre seit 2015 zu den zehn wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen gehörte. Nicht nur die Landflächen, heißt es etwa laut einem Report des EU-Programms Copernicus, auch die Ozeane waren im Vorjahr im Jahresmittel so warm wie nie zuvor. 

Auch in Österreich war das Vorjahr das wärmste Jahr der Mess-Geschichte. So viele Hitzetage gab es noch nie zuvor. Und so viele Niederschläge wie in diesem Jahr, das in vielen Regionen genau deswegen zum Katastrophenjahr wurde, wurden auch noch nie gemessen. Die Schäden in Niederösterreich und in der Steiermark gingen in die Milliarden. Allein für die Landwirtschaft beziffert die Hagelversicherung die Schäden durch Überschwemmungen, Frost, Dürre, Hagel und Sturm mit rund 260 Millionen Euro. 

Anders als die Politik ist sich die Wissenschaft sehr einig. "Die Fakten sind längst bekannt", sagt etwa die in der Vorwoche zur Wissenschaftlerin des Jahrs gekürte Ökonomin Sigrid Stangl. "Fossile Brennstoffe tragen massiv zur Erderwärmung bei und bedrohen damit unsere Lebensgrundlage." 

Der Ausstieg aus Öl und Gas gilt der Wissenschaft als der Königsweg. Der freilich ist immer mehr Menschen zu holprig, vor allem aber zu teuer. Wissenschaftler verstehen das nicht. In Interviews nannte Stangl "durchwursteln" und "wegschauen", was in Österreich angesichts der Klima-Herausforderungen betrieben wird. Den Widerstand breiter Teile der Bevölkerung kann sie nicht nachvollziehen. Sie hält ihn für das "Ergebnis eines jahrzehntelangen Politikversagens". 

Für Stangl geht es darum, auch die Chancen zu sehen und neue Technologien zu nutzen. "Klimaschutz macht uns widerstandsfähiger", sagt sie. Studien zeigten, dass innovatives und nachhaltiges Wirtschaften nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll sei. Die Kosten für Klimaschutz sind für sie keine Kosten im ökonomischen Sinn. "Klimaschutz ist ja eine Investition in die Zukunft", ist Stangl überzeugt. "Und wenn wir es klug machen, dann nützt uns das Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, und sichert uns unsere Lebensgrundlage." 

Angesichts solcher Sätze ist zu wünschen, dass zumindest ein paar der Populisten -auch die an den Koalitions-Verhandlungstischen in Österreich -doch nachrechnen. Wenn schon nicht die Sprache der Wissenschaft das ihre sein mag, die Sprache des Geldes ist doch immer noch das ihre gewesen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Jänner 2025

Samstag, 11. Januar 2025

„Es ist keine Spielerei“

Thomas Weigl mag nicht abhängig sein. Jetzt ist sein Bauernhof in Pasching fast energieautark und ein Beispiel dafür, wie Bauern Lösungen selbst in die Hand nehmen.

Hans Gmeiner

Pasching. Am Anfang stand ein Feierabendbier mit zwei Freunden. „Sie haben erzählt, dass sie sich das mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach anschauen wollen“, sagt Thomas Weigl aus Pasching. „Da habe ich mir gedacht, das will ich mir auch anschauen.“ Außerdem habe er nach einem zusätzlichen Einkommen gesucht. Das war 2021.

Heute ist Weigls Landwirtschaft dabei, zu einem Vorzeigebetrieb zu werden für viele, die ihren Bauernhof energieautark machen wollen. Erst kurz vor Weihnachten stand ein Besuch des Hofs von Weigl auf dem Programm eines Seminars des Netzwerks Zukunftsraum Land zum Thema „Krisensichere Bauernhöfe“. Ein Bus voller Fachleute und interessierter Landwirte aus ganz Österreich, angeführt vom Energieexperten der Landwirtschaftskammer, informierte sich vor Ort über die Fortschritte des Projekts, das mit einem Bier begann.

Und die Fortschritte können sich sehen lassen. Die PV-Module auf den Dächern der Gebäude von Weigls Haidlgut, einem Bio-Ackerbaubetrieb mit Pensionspferdehaltung, sind nicht zu übersehen. „Eine Anlage mit 140 kW-Peak“, sagt Weigl. „Dazu haben wir 22 kW Speicher und ein Notstromaggregat.“ Unabhängigkeit ist Weigl, wie vielen anderen Landwirten auch, etwas wert. Mit den meist großen Dachflächen auf ihren Gebäuden und dem Besitz von Waldflächen sind sie prädestiniert, sich mit PV-Anlagen und Holzheizungen bei der Erzeugung von Strom und Wärme bei der Energiegewinnung möglichst unabhängig von Märkten zu machen, die zuweilen unliebsame Überraschungen bereithalten.

An die 170.000 Euro hat Weigl in den vergangenen Jahren in seine Unabhängigkeit von den Energiemärkten investiert. Nicht nur in die PV-Anlage und einen Gutteil davon noch bevor „energieautarker Bauernhof“ zu einem Begriff und zu einem Förderprogramm des Umweltministeriums wurde, das mit 100 Mill. Euro dotiert ist. Auch die obersten Geschoßdecken im Hof wurden isoliert, um Heizenergie zu sparen, und vor wenigen Wochen erst wurde die neue 100 kW-Hackschnitzelheizung installiert, die die 30 Jahre alte Stroh-Holz-Kombiheizung ablöste.

In der Werkstatt stehen heute E-Motorsensen und E-Motorsägen, im Hof ein kleiner E-Transporter, den es dank einer Förderung billig im Handel gab. „Mein Tuk-Tuk“, lacht Weigl. Es ist einstweilen das einzige strombetriebene Fahrzeug am Hof. Ein Auto soll noch kommen. Mit den Traktoren wird es schwieriger. „Da gibt es noch keine serientaugliche Technik“, sagt Weigl.

Das alles bremst ihn freilich nicht. Derzeit ist er dabei, eine Verdoppelung der Stromspeicher für die PV-Anlage auszuloten. Und demnächst will er den Trocknungsanhänger für die Hanfblüten und andere Spezialkulturen, die auf seinen Feldern wachsen, mit Wärme aus der Hackschnitzelheizung betreiben.

Längst hat Weigl Blut geleckt. „Jetzt verfolge ich den Pfad vom energieautarken Bauernhof und alles, was mir gefällt, mache ich“, sagt er. Er schätzt, dass er rechnerisch bereits zu 80 Prozent völlig selbstständig ist in der Energieversorgung. Viel mehr geht derzeit nicht, vor allem wegen der Traktoren.

Und rechnet sich das alles? „Es rechnet sich und es ist keine Spielerei“, kommt die Antwort umgehend. Der Zeitraum sei überschaubar. „Mit dem, was ich da gemacht habe, kann man keinen Hof retten, aber es passt sehr gut und es ergänzt sich alles.“

Der Landwirt in Oberösterreich ist typisch für viele Landwirte im Land. Die Bauern machen sich ihre Lösungen sehr oft selbst und sie sind viel offener für Neues, als gemeinhin angenommen wird. Nicht nur bei der Selbstständigkeit in der Energieversorgung, auch in der Digitalisierung sind sie nicht nur in der Verwaltung, sondern auch in der Produktion vorn dabei. Auch wenn es um die Vermarktung ihrer Produkte geht, beschreiten sie oft neue Wege. So gehört es für rund 30 Prozent der Bauern zum Alltagsgeschäft, die Preise für Getreide, Mais und Sojabohnen über Warenterminbörsen abzusichern und die Ware zu verkaufen, schätzt etwa Helmut Feitzlmayr von der Landwirtschaftskammer in Linz.

„Die Bauern sind sehr innovativ, wenn es darum geht, für die Zukunft Wege zu finden“, bestätigt auch Franz Sinabell vom Wirtschaftsforschungsinstitut. Erfolgsgeschichten nennt er nicht nur die Biolandwirtschaft und das Heumilchprojekt, sondern auch die Anpassung an den Klimawandel und die Entwicklung neuer Verfahren zur Schonung der Böden. „Da zeigen die Bauern, wohin die Entwicklung geht.“ Man probiere etwa mit dem Anbau von Melonen oder Reis neue Wege zu gehen und man tüftle auf den Feldern an bodenschonenden Bearbeitungsverfahren. „Dort kann dann die Wissenschaft hingehen und anschauen, was die Bauern Gescheites machen“, sagt der Wirtschaftsforscher. Das stehe freilich nur selten in der Auslage und es werde nicht einer reich damit, sagt Sinabell, weil meist viele Bauern gemeinsam in der Landwirtschaft etwas besser und für die Verbraucherinnen und Verbraucher billiger machen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 11. Jänner 2025

Donnerstag, 9. Januar 2025

Die Implosion eines überholten Systems

So viel wie in der vergangenen Woche ist in der österreichischen Innenpolitik kaum je passiert. Das System ist regelrecht implodiert. Von "Chaostagen" reden viele. Man mag dazu stehen, wie man will, man mag davon halten, was man will, und mag Schlüsse daraus ziehen, welche immer man will. Und man mag auch mit Inbrunst darüber spekulieren, wer wofür verantwortlich ist, dass die Koalitionsgespräche scheiterten und nun doch alles auf den Chef der Freiheitlichen Partei hin zu laufen scheint. Und natürlich haben die Kommentatoren nicht Unrecht, die sagen, dass in allen Parteien nicht die Staatsräson, sondern die Parteiräson gewonnen habe. Und natürlich reiten jetzt wieder die aus, die sich über den neuen Partei-Chef Christian Stocker und die 180-Grad-Wende der ÖVP und das "Glaubwürdigkeitsproblem" nicht genug echauffieren können und zu denen Beate Meinl-Reisinger wenig anderes als das Attribut "naiv" einfällt.

Freilich haben sie in vielem Recht. Wert festzuhalten ist in diesem Polit-Tohuwabohu und auch im Hinblick darauf, was noch auf uns zukommen wird, allem zum Trotz, was Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger in ihrem Statement sagte, als sie den Rückzug aus den Koalitionsverhandlungen bekanntgab. Unbesehen davon, wie man ihr Agieren einschätzt. Denn Beate Meinl-Reisinger sagte sehr viel Richtiges, sehr viel, das man nur unterschreiben kann, und sehr viel, das in Österreich längst gesagt gehört. Eine "gemeinsame Vision für Österreich" forderte sie etwa ein, einen "Staat, der sich klar zu seiner Verantwortung bekennt","Verständnis dafür, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Boot sitzen und gemeinsam wieder Wachstum ermöglichen". Sie verlangte auf "Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft" zu setzen, ohne "den sozialen Ausgleich und den Ausgleich zwischen den Generationen" aus den Augen zu verlieren. Sie verlangte von den Parteien "Bereitschaft, ihre eigene Macht einzuschränken" und über Legislaturperioden hinaus zu denken. Sie sagte, dass es "definitiv zu wenig" sei als Regierungszweck, die FPÖ zu verhindern, und nannte als Antwort darauf, "doch endlich eine alternative Zukunftserzählung mit Perspektiven, wirklichen Veränderungen und Reformen anzugehen und zu sagen 'Schaut, wir haben ein besseres Programm'".

Es ist wohl so, dass sehr viele Österreicherinnen und Österreicher Meinl-Reisinger Recht geben mit ihren Forderungen. Wenn ihre Ansichten aber auf die Realität treffen, sind diese Forderungen chancenlos, umgesetzt zu werden. Und das hängt wohl auch damit zusammen, dass die Österreicherinnen und Österreicher gerne nach außen anders reden, als sie tatsächlich denken und handeln, zumal dann, wenn es um ihre eigene Brieftasche und ihre Vorstellungen geht, zumal dann, wenn es darum geht, dass sie etwas beitragen oder gar verändern sollten.

Was jetzt kommt ist ungewiss. Man weiß wenig von den Freiheitlichen und wenig von dem, was Kickl vorhat. Wie will er mit dem Budgetloch umgehen, wie mit dem Schuldenberg? Wie wird seine Sozialpolitik in der Realität ausschauen? Was hat er zum Pensions-und Gesundheitssystem zu sagen und zur Bildung? Welche Leute hat er überhaupt aufzubieten, die sich mit all diesen drückenden Themen auseinandersetzen könnten? Wie wird das Ausland reagieren? Kurzum, wie wird das Rendezvous des Paradepopulisten, der in den letzten Jahren ohne jede politische Verantwortung agierte, mit der Realität wirklich ausschauen?

Österreich ist, das wurde in diesen Tagen seit Neujahr unübersehbar, an die Wand gefahren. Das Land ist orientierungslos und ohne Konzept, das Modell, das über Jahrzehnte hielt, überholt. Wir sind jetzt wohl wirklich dort angekommen, wo uns warnende Stimmen schon seit Jahren gesehen haben. Der Staat kommt daher wie ein Auto mit hunderttausenden Kilometern auf dem Tacho, einer verbeulten, rostigen Karosserie, einem spritschluckenden Uralt-Motor und einem Lenkradspiel, mit dem es kaum mehr auf der Straße zu halten ist. Und jetzt ist es auch mit dem Pickerl vorbei.

Ein neues Fahrzeug wäre dringend nötig. Ein Fahrzeug mit einem modernen Konzept, eines, das eine sichere Fahrt in die nächsten Jahrzehnte garantiert.

Ob das die Regierung, respektive der mögliche neue Kanzler, zusammenbringen wird, sei bezweifelt. Aber vielleicht kommt ja eh wieder alles anders.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Jänner 2025
 
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