Donnerstag, 17. April 2025

Die Hoffnung lebt

Ostern gilt als Fest des Lebens und der Hoffnung. Und Hoffnung brauchen wir in Zeiten wie diesen alle. Vor allem braucht sie wohl die Jugend. Sie hat Träume, sie hat Pläne -und sie hat Hoffnungen. Sie hat das Leben vor sich. Seit langem hat keine Generation der 16-bis 25-Jährigen mit einem derart schwierigen Umfeld zurechtkommen müssen, mit so vielen Unwägbarkeiten und so viel Unsicherheit auch wie die derzeitige. Vor diesem Hintergrund können die Ergebnisse der jüngst veröffentlichten Ö3-Jugendstudie, an der 28.000 junge Menschen teilnahmen, nachgerade verblüffen -und Hoffnung geben. Immerhin gaben dabei 86 Prozent der Teilnehmer an, in Österreich trotz Krisen und zunehmender Unsicherheit mit ihrem Leben zufrieden zu sein.

Dieser Wert ist beachtlich, zumal vor dem Hintergrund einer zerbröselnden Welt, der bedrohten Umwelt, der politisch so stürmischen Zeiten und der fortschreitenden Entsolidarisierung der Gesellschaft. Da hätte man mehr Angst erwartet und weniger Zuversicht und Zufriedenheit. 
Aber nein - man ist zuversichtlich. Dennoch. Zumindest der Großteil der jungen Menschen. Da könnten sich viele Ältere ein gutes Stück abschneiden davon. Man sieht sich weniger auf sich alleine gestellt als früher, man verbringt gerne Zeit mit Freunden und der Familie, rund die Hälfte der 16-bis 25-Jährigen ist in Vereinen aktiv, man hält was auf einen sicheren Arbeitsplatz, auf eine sinnvolle Tätigkeit, und man legt Wert darauf, in einem Team auf Augenhöhe zu arbeiten.

Dinge hingegen, die man der jungen Generation gerne vorhält, spielen offenbar gar nicht die Rolle, die man vermutet. Die Work-Life-Balance steht nur bei sechs von zehn ganz oben, für drei von zehn ist Home-Office besonders wichtig und nur 25 Prozent halten eine Vier-Tage-Woche für unerlässlich.

Das ist alles in allem, bei aller Relativierung, die bei Umfragen dieser Art notwendig ist, ein gutes Zeichen für die künftige Entwicklung des Landes und der Gesellschaft. Und es passt so gar nicht zum Bild, das sich die Erwachsenenwelt von der Jugend macht, die meist von den Adjektiven faul, leistungsfeindlich und weltfremd geprägt ist. Aber das gilt in diesem Land für die junge Generation schon aus Tradition. Seit Jahrzehnten. Immer wohl. Alleine das gibt Zuversicht, dass auch die aktuelle junge Generation mit all den Anforderungen, vor denen sie steht, zurechtkommen wird. Zumindest so, wie es andere vor ihr auch schon geschafft haben.

Freilich ist vieles im Wandel und vieles ist anders geworden in den vergangenen Jahren. Ob man das für gut hält, hängt wohl vom Standpunkt ab. Dass etwa, wie nach den NR-Wahlen im Herbst erhoben wurde, bei den 16-bis 34-Jährigen die FPÖ uneingeschränkt die Nase vorne hat, während die Grünen zuletzt in dieser Altersgruppe stark an Bedeutung verloren haben, kann man wohl dazu zählen. Sorgen kann auch machen, dass Jugendliche politischen Institutionen immer weniger vertrauen und nur mehr 44 Prozent meinen, dass das politische System in unserem Land gut funktioniert. Dazu passt, dass sich nur mehr rund ein Drittel der 16-bis 26-Jährigen gut im Parlament vertreten fühlen, um die Hälfte weniger als noch vor sieben Jahren. Und als Zeichen der Zeit kann einen auch besorgt machen, dass in der Ö3-Umfrage Themen wie Umwelt und Soziales praktisch keine Rolle spielten.

Und es gibt Schattenseiten, die man nicht übersehen darf. Jede und jeder Vierte der Befragten berichtet von einer schlechten psychischen Verfassung. Jeder kennt aus seinem Bekanntenkreis Fälle, in denen junge Menschen Schwierigkeiten haben, mit dem Leben zurechtzukommen, die kämpfen müssen, die in Schule und Beruf Probleme haben oder die in einem schwierigen familiären Umfeld aufwachsen müssen. Es gibt überall die Warnungen und Mahnrufe.

Aber bleiben wir dennoch optimistisch und voller österlicher Hoffnung -wahrscheinlich macht man sich um die jungen Menschen mehr Sorgen als notwendig. Zumindest wenn man sich an die neue Ö3-Jugend Studie hält. Es wird auch mit der jungen Generation weitergehen und es hat wohl schon schlimmere Zeiten gegeben.

Das entbindet Gesellschaft und Politik freilich nicht von der Verantwortung. In deren Mittelpunkt muss stehen, Chancen offenzuhalten, Möglichkeiten nicht zu verbauen und eine Zukunft ohne Altlasten aus der Vergangenheit zu ermöglichen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. April 2025

Samstag, 12. April 2025

Wenn eine Farm 135.000 Kühe hat

Die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Österreich muss sich gegen übermächtige Konkurrenz behaupten.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Auf den internationalen Agrarmärkten rumort es heftig, in Wien kämpft man um eine Übergangslösung für die Böden in den Schweineställen und in Brüssel gegen das Mercosur-Abkommen, die Entwaldungsverordnung und für die Vereinfachung von Auflagen und Kontrollen. Die Bauern und ihre Vertreter befinden sich seit Jahrzehnten in einer Art Dauerkampfmodus, denn ihre Welt hat wenig mit dem idyllischen Bild zu tun, das sich die nicht bäuerliche Öffentlichkeit gern von der Landwirtschaft macht. Ganz im Gegenteil.

Österreich zählt wie die Schweiz oder Griechenland zu den Ländern mit einer kleinstrukturierten Landwirtschaft. Eine Agrarindustrie gibt es hierzulande nicht. Der größte Ackerbaubetrieb, die im Burgenland ansässige Esterházy’sche Gutsverwaltung, bewirtschaftet rund 4000 Hektar. Die Betriebe mit mehr als 1000 Hektar Land kann man an den Fingern einer Hand abzählen. Der weitaus größte Teil der Betriebe bewirtschaftet wesentlich kleinere Flächen.

Mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 24 Hektar Land, 25 Kühen oder 130 Schweinen sind Österreichs Bauern im internationalen Vergleich Zwerge. Selbst in der EU rangiert man mit diesen Werten auf den hinteren Rängen. „Die österreichischen Bauern haben Nachteile wegen höherer Durchschnittskosten“, sagt Wirtschaftsforscher Franz Sinabell vom Wifo. „Daher ist Österreich in der Landwirtschaft nicht so wettbewerbsfähig wie andere Länder.“ Nicht zuletzt deshalb fühlt sich für die meisten Bauern in Österreich der Wettbewerb auf den internationalen Agrarmärkten wie ein permanenter Kampf David gegen Goliath an. Denn die Farmen und Konzerne, die die weltweiten Preise bestimmen, an denen sich auch die heimischen Bauern orientieren müssen, erzeugen Getreide, Milch und Fleisch nach ganz anderen Maßstäben und unter völlig anderen Voraussetzungen.

In den großen Agrarländern sind schon die durchschnittlichen Betriebe um ein Mehrfaches größer als die in Österreich. In den USA bewirtschaftet ein Farmer im Durchschnitt 179 Hektar, in Kanada 301 Hektar, in Argentinien 590 Hektar und in der Ukraine gar 1200 Hektar.

Für österreichische Verhältnisse kaum mehr vorstellbar sind die Dimensionen von Megafarmen, wie es sie in China, Australien, den USA, aber auch in Osteuropa gibt. Sie sind zwar auf den Märkten nur selten direkte Konkurrenten, zeigen aber dennoch auf, wo international der Ton auf den Märkten gemacht wird. So bewirtschaftet etwa die Mudanjiang City Megafarm in China, die als die größte Farm der Welt gilt, rund 9,1 Millionen Hektar Land. Das ist mehr als das Doppelte der Agrarfläche Österreichs. Die Farm ist nicht auf Ackerbau, sondern auf Milchproduktion spezialisiert. Dort werden rund 100.000 Milchkühe gehalten, das ist rund 50 Mal mehr als auf dem größten Milchviehbetrieb Europas. Nur die Hälfte der Fläche, aber dafür 135.000 Kühe, hat die Farm China Modern Dairy, auf der täglich 3,2 Millionen Liter Rohmilch gemolken werden. In Australien bewirtschaftet die Anna Creek Farm 2,4 Millionen Hektar und ist mit 17.000 Rindern der größte Fleischrinderproduzent der Welt. Vergleichsweise klein, aber für österreichische Verhältnisse noch immer riesig ist da die Farm der Familie Resnick, die mit rund 77.000 Hektar als die größte der USA gilt.

Die Familie Resnick rangiert in der „Forbes“-Liste der reichsten Landwirte der Welt auf Platz drei. An der Spitze rangieren zwei Chinesen, auf Rang sechs folgt hinter dem Saudi-Prinzen Al Kabeer und dem US-Farmer Harry Stine der erste Europäer. Es ist der ehemalige tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš mit seinem Unternehmen Agrofert, das mehr als 100.000 Hektar besitzt und jährlich 265 Millionen Eier und 840.000 Tonnen Futtermittel erzeugt. Babiš sorgte erst vor zwei Jahren in Österreich mit der Übernahme der Düngerproduktion von Borealis in Linz für Aufsehen.

Die Bauern sehen sich aber nicht nur in ihrer Branche einer übermächtigen Konkurrenz gegenüber. Nicht einfacher macht ihre Position, dass sich vier große Händler mehr als die Hälfte des Weltmarkts für agrarische Rohstoffe teilen. Die Handelsriesen Archer Daniel Midland (ADM), Bunge, Cargill und Dreyfus dominieren seit Jahren den weltweiten Handel mit Getreide, Ölsaaten und Eiweißfrüchten. Seit Kurzem mischt auch der chinesische Agrarhandelsriese Cofco kräftig mit.

Dass sich Österreichs Landwirte und die Landwirtschaft in diesem Umfeld relativ gut behaupten können, verwundert oft selbst den Wirtschaftsforscher. „Ich habe keine Antwort darauf, die man in einem Satz zusammenfassen könnte“, sagt Sinabell. Neben den Unterstützungen der öffentlichen Hand sei es wohl vor allem das Miteinander von landwirtschaftlichen Betrieben und dem Verarbeitungssektor. „Daher können die österreichischen Bauern zu einem etwas höheren Preis verkaufen und müssen nicht Ware über Hunderte Kilometer zum nächsten Abnehmer liefern.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 12. April 2025

Donnerstag, 10. April 2025

Pflänzchen der Hoffnung unter dem Bulldozer

Die Börsen crashten wie kaum je in der Geschichte. Billionen und Aberbillionen wurden in den vergangenen Tagen rund um den Erdball vernichtet. Hilflos scheint die Welt ausgesetzt einem Mann, der sich völlig losgelöst von Verantwortung, Konventionen und Regeln und ohne jede Rücksicht über alles hinwegsetzt, was in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Welt, die Wirtschaft und auch den Wohlstand -wie immer man dazu stehen mag und wie immer man es bewerten mag -irgendwie zusammengehalten hat. Längst ist von einer globalen Rezession die Rede, vor der man sich fürchten muss.

Trumps Bulldozer-Politik scheint in wenigen Tagen zu ruinieren, was rund um die Welt über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Und was es so bitter macht -sie hilft keinem. Überhaupt keinem. Sie hinterlässt nur Verlierer. Sie trifft jeden in irgendeiner Weise. Ohne Unterschied und ohne für irgendwen irgendetwas besser zu machen.

Das Einzige, woran man sich derzeit klammern kann, scheint, dass Trump und das, was wir seit Wochen erleben, doch zu so etwas wie einer Katharsis für die Politik und auch für die Gesellschaft wird. Zu einem Wendepunkt einer Entwicklung, die in den vergangenen Jahren ihre zerstörerische Wirkung auf allen Ebenen entfaltete, gegen die es kein Rezept zu geben und gegen die nichts zu greifen scheint. Denn vielleicht scheint just Trump der Anfang vom Ende des halt-und verantwortungslosen Populismus in der Politik zu werden und zum Ende der Entsolidarisierung der Gesellschaften und zum Ende der politischen Lethargie, vor allem in den westlichen Industriestaaten, zumal der europäischen, die in den vergangenen Jahren immer wieder beklagt wurde. Vielleicht beschleunigt Trumps erratische Politik, dass viele der Menschen, die die Dinge bisher treiben ließen, die Versprechungen einer populistischen Politik durchschauen.

Freilich muss man sehr optimistisch sein, um etwas zu erkennen, woran man seinen Glauben an einen Wendepunkt festmachen kann, und wo man in diesen Tagen so etwas wie Pflänzchen der Hoffnung zu erkennen vermag. Die Proteste in den USA, von denen am vergangenen Wochenende berichtet wurde, sind so etwas. Und auch, dass ausgerechnet Elon Musk eine Freihandelszone zwischen den USA und der EU vorgeschlagen hat.

Was all das wert ist, was es bewirkt und welches Gewicht es hat, ist schwer zu beurteilen. Aber die Proteste sind ein Zeichen dafür, dass die Amerikaner zunehmend erkennen, dass ihnen die Politik ihres Präsidenten auch schaden kann. Schließlich steht und fällt die Altersversorgung der Amerikaner mit den Aktienkursen an den Börsen und ist durch Trumps Politik schon jetzt schwer in Mitleidenschaft gezogen. "Dort sind in den vergangenen Tagen Billionen Dollar amerikanischer Ersparnisse verbrannt worden", heißt es in Zeitungskommentaren. Die Zeche wird dabei aber nicht Trumps Milliardärskaste bezahlen. "Die Rechnung wird an den Normalbürger gehen, die Familien und Geringverdiener, deren Arbeitsplätze oft gefährdet sind und die sich schon schwer unter Druck fühlen können."

Was mit Trump schon rund um die Ukraine begann, setzt sich nun fort. Die Europäische Union rückt wieder zusammen, in Deutschland ist die Vernunft dabei sich durchzusetzen und in Österreich auch. Ob das bereits der Wendepunkt ist, die Lethargie zu überwinden, ist freilich noch offen. Ergebnisse fehlen. Die EU rückt zwar zusammen, irrlichtert aber bisher nur von einem Gipfel zum nächsten. In Deutschland schafft Merz es nicht, die große Koalition in trockene Tücher zu bringen. Und auch bei uns in Österreich ist man sich zwar klar darüber, dass man sich viele der in den vergangenen Jahren liebgewonnenen Vorstellungen wohl abschminken kann und dass man sparen muss, mehr aber auch nicht.

Viele scheinen den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen zu haben und glauben, in alten Mustern verharren zu müssen. In Österreich lieferte mancher aus der Riege der Landeshauptleute in der Vorwoche den Beweis dafür, als man sich "Zurufe aus Wien" verbat und meinte, mit Äußerungen wie "die Republik ist keine Hotelküche" Regierungsmitglieder maßregeln zu können. "Geht's noch?", mussten sie sich dann selbst von besonnenen Kommentatoren fragen lassen. Zu Recht.

Allein das zeigt, dass es freilich wohl lange dauern wird, bis aus all dem, was die Hoffnung nähren kann, auch wirklich etwas wird.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. April 2025

Donnerstag, 3. April 2025

Showdown auf der Insel der Seligen

In den vergangenen Tagen haben wir wohl so etwas wie einen Showdown auf der Insel der Seligen erlebt. Zuerst die Meldung, dass das Budgetloch für das heurige Jahr wohl nicht sechs Milliarden Euro groß ist, sondern mindestes das doppelte Ausmaß erreichen wird. Dann veröffentlichen die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre neuesten Prognosen, die in der Aussage gipfelten, dass Österreich auf dem Weg zu einem "verlorenen Jahrzehnt" sei. Und seit Montag wissen wir, dass das Defizit 4,7 Prozent des BIP beträgt, so weit über der Maastricht-Grenze, dass ein EU-Defizitverfahren unvermeidlich ist. Ein Rekorddefizit trotz Rekordeinnahmen.

Zu dem, was Wirtschaftswissenschafter inzwischen vorschlagen, in ihren Strategien ventilieren oder fordern, gibt es wohl kaum mehr Alternativen. Und das wird wehtun. Jedem. Da ist nicht nur die Rede von einer Erhöhung des Pensionsalters auf 67 Jahre, auf Pensionserhöhungen unter der Inflationsrate, von Zurückhaltung bei Lohnabschlüssen und von "schmerzhaften" Einsparungen im Förderwesen sowieso. Sogar die Ersparnisse der Bürgerinnen und Bürger sind in dieser Diskussion kein Tabu mehr. Mit dem Klein-Klein sei es vorbei, heißt es nun.

Es wird Einschnitte, auch schmerzhafte, für alle geben müssen, sagt man nun allerorten. "Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung", ist die Devise, die nun offenbar gilt. Und es scheint Einigkeit darüber zu herrschen, dass ohne Reformen alles nur noch schlimmer wird.

Dort stehen wir jetzt. Und wenn jemand sagt, da sind wir schon öfter gestanden, dann hat man keine Argumente das zu bestreiten. Denn da sind wir in der Tat schon öfter gestanden - ohne das wirklich Nötige zu tun. Aber so tief drinnen in der Krise, von der schon so lange, und wie sich immer deutlicher zeigt, völlig zu Recht, geredet wird, sind wir noch nie gestanden. 

In Wahrheit ist die Lage schlimm wie noch nie. Da ist nichts mehr vom Vorzeige-Österreich, auf das wir auch schon einmal stolz waren. Beim Wirtschaftswachstum sind wir mit Abstand Schlusslicht in Europa, die Prognosen sind bitter, die Industrie und viele andere Wirtschaftszweige schrumpfen weiter, Arbeitsplätze gehen verloren, Negativmeldungen dominieren die Schlagzeilen und das Budgetdefizit explodiert just jetzt, wo überall Geld gebraucht würde.

Alles, was in den vergangenen Jahren bereits kritisiert wurde, wird jetzt schlagend. All die Befürchtungen und Warnungen. Jetzt wird es ernst und es wird wohl niemand davonkommen, ohne Beschränkungen zu spüren.

Man fragt sich im Nachhinein, wo die Wirtschaftswissenschaft, Wirtschaftsforschung und Wirtschaftsexperten waren, und ob sie ihre Sorgen nicht doch zu wenig deutlich artikuliert und, gleichsam im vorauseilenden Gehorsam, zu abgeschliffen und unverbindlich formuliert haben. Es ist erschreckend und unverständlich, dass man derzeit wöchentlich von immer größeren Defiziten "überrascht" wird. Wusste man wirklich so wenig? War das nicht absehbar? Man mag es nicht glauben.

Disqualifiziert hat sich freilich auch die Politik. Sie hat in den vergangenen Jahren mit ihrem Populismus, und ihrer Schwäche dafür, die Wahrheit verdrängt. Statt dessen hat man ein Klima voller Erwartungen, Hoffnungen und Einschätzungen erzeugt, das immer weniger mit der Realität zu tun hatte. Der Wahlkampf im vergangenen Jahr, als das Land schon in der Krise steckte, war so etwas wie der Kulminationspunkt in einer Entwicklung, die sich nun mit all ihren Folgen zeigt. Im Rückblick ist immer weniger verständlich von dem, was uns damals von allen Seiten aufgetischt und versprochen wurde. Und noch weniger verständlich ist, dass es - zuweilen mit Murren zwar und mit Häme  -auch akzeptiert oder zumindest stehengelassen wurde.

Zum Staunenswerten gehört auch, das sei hier auch gesagt, dass nun wieder genau jene Partei, die hauptverantwortlich ist für die Lage des Landes, die Geschicke des Landes lenkt - und das zu einem guten Teil mit demselben Personal. Das freilich wohl auch, weil die Alternativen noch schlechter waren.

Man kann nur hoffen, dass nun zumindest die richtigen Schlüsse aus den vergangenen Jahren gezogen und auch umgesetzt werden. Einer davon sollte sein: man sollte die Fachwelt und ihre Warnungen doch sehr viel ernster nehmen. Und man sollte nicht ideologisch verblendet die Lage im Land beurteilen, sondern sich an der Realität orientieren.

Dann wäre uns viel erspart geblieben. Und Österreich wäre nicht dort, wo es jetzt ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. April 2025

Montag, 31. März 2025

Der Tafelspitz ist jetzt deutlich teurer

Der Rindermarkt boomt. Jetzt aber fürchten sich die Bauern wegen der Maul- und Klauenseuche an der Ostgrenze Österreichs.

Hans Gmeiner 

Linz. Bauern sagen nur ungern, dass die Geschäfte gut gehen. „Na, sagen wir – nicht so schlecht“ kommt in diesen Tagen gern als Antwort, wenn man sie darauf anspricht, dass der Rindermarkt regelrecht brummt. Seit der Vorwoche aber wächst die Unruhe. In Ungarn und in der Slowakei grassiert die Maul- und Klauenseuche. Seit vergangenem Donnerstag gibt es Einfuhrverbote und in Ostösterreich Kontrollen an den Grenzen, um ein Übergreifen der Seuche auf Österreich zu verhindern.

Dabei ist es in den vergangenen Jahren so gut gelaufen. Die Preise für Jungstiere, Ochsen, Kalbinnen, Kühe und Jungrinder kannten nur eine Richtung – aufwärts. „In den vergangenen fünf Jahren hatten wir im Schnitt ein Plus von 40 Prozent“, sagt Johannes Minihuber von der Österreichischen Rinderbörse. Bei Kühen sei der Preisanstieg noch höher gewesen. „Dort kam man allerdings von einem deutlich niedrigeren Niveau“, fügt der Marktexperte hinzu. Auch für die Konsumenten wurden Tafelspitz, Beiried und Schulterscherzl deutlich teurer. „Aber im gleichen Maß wie die Rinderpreise“, merken die Bauern an, „und es gibt ja so viele Aktionen“, fügen sie hinzu.

In der Gastronomie sind Rindfleischgerichte im Schnitt gut drei Euro teurer geworden. Im Gasthof Schloss Aigen in Salzburg etwa kostete der klassische Tafelspitz im März vor zwei Jahren 29 Euro, jetzt liegt der Preis dafür bei 32,50 Euro.

Vor allem in den vergangenen eineinhalb Jahren haben die Preise noch einmal kräftig angezogen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen werden in ganz Europa die Bestände kleiner, weil viele Bauern angesichts der ständig wachsenden Auflagen und steigender Kosten aus der Rinderproduktion aussteigen. Zum anderen wächst die Nachfrage vor allem aus den Nicht-EU-Ländern.

„Der Markt für Rindfleischprodukte ist weltweit sehr, sehr attraktiv, auch weil viele Menschen aus Glaubensgründen nur Rindfleisch essen“, sagt Erik Schöttl vom US-Konzern OSI (Salzburger Alpenrind), dem größten heimischen Rindfleischverarbeiter. „Vor allem die Türkei ist für Österreich ein sehr interessanter Markt geworden.“

In Österreich ging die Zahl der Rinderbauern in den vergangenen zehn Jahren dennoch um 20 Prozent auf etwas mehr als 50.000 zurück. Der Tierbestand verringerte sich in diesem Zeitraum um zehn Prozent auf 1,8 Millionen. Allein im Vorjahr gaben 1000 Bauern auf. Das vor allem auch, weil die Situation für die Erzeuger nicht einfach ist. Auch wenn man rundherum glaubt, dass der Rückgang des Fleischverbrauchs die Talsohle durchschritten habe und die Aussichten längerfristig als gut gelten, fehlt es vielen Bauern am Glauben an die Zukunft. Laut einer Umfrage des Agrar-Forschungsinstituts Keyquest wollen in den nächsten Jahren zehn Prozent der Rindermäster ihre Stalltüren für immer schließen. Investiert wird praktisch nicht mehr. Mehr als Ersatzinvestitionen seien derzeit nicht drin, heißt es.

„In Sachen Rentabilität war es in den vergangenen Jahren trotz der guten Preisentwicklung wegen der stark gestiegenen Kosten trotzdem schwierig“, sagt Minihuber. Der Investitionsaufwand für einen Mastplatz ist in den vergangenen 15 Jahren von rund 3000 auf mittlerweile 5500 bis 8000 Euro gestiegen. Und da erscheint vielen Bauern das Risiko angesichts der unklaren Rahmenbedingungen zu hoch. „Wie geht es mit dem Tierwohl weiter, wie mit dem Spaltenboden und vor allem – wer zahlt mir das?“, fragen sich viele. Das ist nicht unverständlich, geht doch eine Investition schnell in die Millionenhöhe und bedeutet eine Festlegung in der Produktion für 20 bis 25 Jahre. Das ist auch der Grund dafür, dass die Rinderbauern von der neuen Regierung ein Sonderinvestitionsprogramm in der Höhe eines Millionenbetrags „im unteren zweistelligen Bereich“ fordern und nach wie vor gegen das Mercosur-Abkommen, das Zollbegünstigungen für 99.000 Tonnen Rindfleisch aus Südamerika bringt, kämpfen.

Das versteht OSI-Vertreter Erik Schöttl nicht. „Ich glaube, Mercosur wird für die europäische und auch für die österreichische Rinderwirtschaft kein Nachteil und die Auswirkungen werden marginal sein.“ Für ihn geht die Diskussion an der Realität vorbei. „Österreich profitiert doch auch in der Landwirtschaft massiv davon, wenn die Märkte offen sind“, sagt er und verweist auf die „Freihandelsabkommen, die Fleischexporte etwa nach Japan oder Südkorea ermöglichen“.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 31. März 2025

Donnerstag, 27. März 2025

Vor den ersten Klippen schaut es ganz gut aus

Die neuen Namen und die neuen Gesichter sind immer noch nicht geläufig. Der neue Kanzler schafft alleine von seiner Statur her schon Vertrauen und vermittelt Stabilität, was gerade in Zeiten wie diesen nicht schlecht sein kann. Der Herr Vizekanzler versucht immer noch und durchaus nicht unerfolgreich zu staatsmännischer Figur zu finden. Der Dritten im Bunde, der Außenministerin, blitzt nach vor wie am ersten Tag die Freude darüber aus den Augen, dass sie nun in der Regierung sitzt. Und die anderen bemühen sich auch redlich, an Profil zu gewinnen. Mit braven Sagern, mit Antrittsinterviews oder mit leutseligem Auftreten.

Besonders beliebt ist bei der neuen Regierung offenbar die Imagepflege per Instagram. Bei manchen so beliebt, dass man sich schon fragt, machen die eigentlich sonst auch noch etwas? Wie sie es dabei anlegen, erinnert meist an eine längst legendäre "profil"-Titelseite aus den siebziger Jahren, auf der Andrè Heller zu sehen war, der sich selbst eine Taschenlampe über den Kopf hielt um sich so ins Rampenlicht zu setzen. Daran fühlt man sich erinnert, wenn Pröll III., mit Vornamen Alexander diesmal, der auch für Digitalisierung zuständige Staatssekretär, mit dem auf sich selbst gerichteten Handy vor der Nase zu einem TV-Interview schreitet. Die Staatssekretärin im Kanzleramt, seine Parteifreundin, steht ihm um nichts nach, wenn sie vom Salzburger Erzbischof, wie sie sagt, "den Segen erbittet" und von ihrem ersten Auftritt in Brüssel gleich ein ganzes Imagevideo online stellt. Da wollen auch der Kanzler und sein Vize nicht nachstehen und schon gar nicht der "@pepssch", Sepp Schellhorn, der mit seinen "Sepp, was machst du?"-Instagram-Clips längst Kultstatus erlangt hat. Dass er dort jetzt als Staatssekretär eigentlich leiser treten sollte, ist freilich derweil noch kaum zu merken. Die Clips aus der Küche kommen einem immer noch deutlich öfter unter als "der.politiker_ pepssch".

Aber sei's drum - es wird schon noch werden. Die neue Regierung steht auch nach den ersten drei Wochen im Amt noch in einem guten Ruf. Das mag Zuversicht geben. Dass die Regierungsklausur im Kanzleramt stattfand, machte Eindruck, nicht zuletzt, weil man sich, zuweilen mit Schaudern, an das erinnerte, was bei solchen Gelegenheiten schon geboten wurde. Als man etwa vor Jahren "umweltbewusst" per Bahn zur Klausur ins Oberösterreichische anreiste und dann ruchbar wurde, dass die Dienstkarossen auf der Autobahn nachkamen. Langgediente Innenpolitik-Redakteure erinnern sich noch mit Häme daran, als die Minister der ÖVP-FPÖ-Regierung in einem Retzer Weingarten nach ihren Reformen eine "Zeit der Ernte" ausriefen. Die Liste ist damit noch lange nicht vollständig.

So gesehen stehen die Zeichen derzeit nicht schlecht. Es schaut gut aus. Nach alldem, was wir vorher erleben mussten. "Unsere neue Regierung ist gestartet, ohne zu stolpern", ist in den Kommentaren der großen Zeitungen zu lesen. Auch von einer "wohltuenden Sachlichkeit" ist die Rede und von einem "konstruktiven Kurs".

Freilich wird es nicht so bleiben. Denn noch ist nicht wirklich etwas zu erkennen, außer, dass man um Tempo bemüht ist. Freilich bauen sich schon die ersten Klippen - Stichworte: Defizitverfahren und Budgeteinsparungen - auf. Und zuweilen ist zu spüren, dass man noch den Deckel auf manch brodelnden Topf hält - der Stimmung wegen.

Dass die ÖVP beim Mietrecht so schnell bereit war, beizugeben und auch die Wiedereinführung der kalten Progression durchzuwinken, stößt auf wachsendes Unverständnis. Bei der SPÖ ist das Rasseln wegen der Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für die Senioren nicht zu überhören. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis andere Themen dazukommen.

Was auffällt und was auch verwundert, dass der SPÖ von ihren Regierungspartnern sehr viel Spielraum gelassen wird und dass der Chef dieser Partei und nunmehrige Vizekanzler seine Erfolge wie den Miet-Deckel immer noch im Stil eines Parteikämpfers mit einem Anflug von Triumph vermeldet. Die ÖVP-Wähler hingegen müssen, sofern sie nicht gerade Unternehmer sind, immer noch auf etwas warten, das ihre Erwartungen erfüllen könnte. Und was die NEOS-Wähler befriedigen wird, steht noch gänzlich in den Sternen, außer man hat Freude daran, dass Handys in Schulen verboten werden.

Aber, das zum Trost - wir haben ja noch fast fünf Jahre Zeit.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 27. März 2025

Donnerstag, 20. März 2025

Der andere Corona-Rückblick

Die Medien sind in diesen Tagen voll mit Erinnerungen an den Beginn der Covid-Zeit vor nunmehr schon mehr als fünf Jahren. Die Bilder von den Särgen in Bergamo tauchen im Kopf wieder auf, die Hamsterkäufe von Toilettenpapier, der warnende Gesundheitsminister Rudi Anschober und sein "damit werden die nächsten Wochen eine alles entscheidende Phase" und der damalige Bundeskanzler mit seiner eindrücklich gemeinten Warnung "Wir werden auch in Österreich bald die Situation haben, dass jeder irgendjemanden kennt, der an Corona verstorben ist". Dazu die Erinnerungen an die leeren Straßen, an die Masken und an den Stillstand des öffentlichen Lebens. Und an die Angst auch.

Das Land ist auch heute mit den Folgen dieser Zeit noch lange nicht fertig. Und es bleibt nach wie vor vieles zu diskutieren, von dem, was damals passiert ist, was politisch beschlossen und was den Menschen abverlangt wurde. Längst hat sich die Politik des Themas bemächtigt. Keine Frage - es sind viele Fehler passiert und es hätte vieles anders laufen können und müssen. Im Nachhinein betrachtet ist man freilich schnell klüger und schlauer.

Und dennoch ist vieles im Nachhinein ungeheuer beeindruckend von dem, was damals auf die Beine gestellt wurde, was möglich war und was entstanden ist. Dass innerhalb weniger Monate Impfstoffe gegen ein bis dahin praktisch völlig unbekanntes Virus nicht nur in Windeseile entwickelt, sondern auch in Milliarden Dosen produziert worden ist, wird vielleicht einmal als eine der großen Leistungen in die Medizin-Geschichte eingehen. Wer hätte das für möglich gehalten in einer Welt, die schon damals an Überbürokratisierung gelitten hat, in der Gemeinsamkeit nur mehr ein Wort war und gegenseitige Hilfe und Unterstützung auch? Oder all die Milliarden an Masken, die binnen kürzester Zeit zur Verfügung gestanden sind, zuerst in der einfachen Variante, dann in der FFP-2-Variante? Oder die Testprogramme, die in kürzester Zeit aufgestellt, organisiert und umgesetzt wurden? All die Tests, die bald sogar in den Supermärkten zu haben waren. Und als gelernter Österreicher fragt man sich noch heute erstaunt, wie es möglich war, in aller Eile eigene Impfstraßen samt elektronischer Anmeldesysteme einzurichten.

Zum Faszinierenden aus dieser Zeit zählt wohl auch, wie schnell sich Möglichkeiten entwickelten, übers Internet zu kommunizieren. Videokonferenzen wurden zum Alltag, "Zoom" oder "Teams" wurden zu Begriffen, die bald jeder kannte. Und wer hätte geglaubt, dass Unternehmen über Jahre und oft bis heute die Arbeit auslagern und mit Home-Office bestehen können?

Das und vieles andere zeigte nicht nur die Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens in Krisensituationen, sondern auch die Leistungsfähigkeit von Unternehmen, der öffentlichen Einrichtungen und die Möglichkeiten des internationalen Handels und der Zusammenarbeit über Landesgrenzen und Kontinente hinweg. Und es zeigt, bei allen Einschränkungen, auch die Leistungsfähigkeit der Politik, die freilich mit Fortlauf der Zeit von immer mehr Menschen als Unfähigkeit empfunden worden ist.

Es wurde vieles geschaffen in dieser Zeit und es wurde viel gezeigt, was in der Gesellschaft, in der Wirtschaft und auch in der Politik steckt. Heute erinnert man sich manchmal sogar mit einer gewissen Wehmut daran, wie man damals beim Wirt ums Eck die Portion Schnitzel samt Erdäpfelsalat holte, die in -auch das zählt zu den Leistungsbeweisen der Wirtschaft -eigens in aller Eile entwickelten Kartons aus dem Fenster auf die Gasse gereicht wurde.

Das alles sollte nicht untergehen und vergessen werden. Und freilich auch nicht, was viele Menschen vor allem in den Spitälern und Pflegeeinrichtungen leisteten. Genau da zeigte sich allerdings, wie schnell die Gesellschaft vergisst, wie schnell Versprechen verpuffen. Die Wertschätzung für diese Berufe und schon gar die Bereitschaft sie entsprechend zu entlohnen, verschwand so schnell wie das Sars-Cov2-Virus.

Das ist für die Betroffenen bitter. Für die gesamte Gesellschaft ist bitter, dass nichts geblieben ist vom Geist dieser Zeit, der bei allen Widerständen so oft zeigte, was eigentlich in uns allen steckt. Geblieben sind auch heute noch Zank und Hader und viele Schulden. Und dass die Welt wieder in ihrer Bosheit tobt, wie es sich schon in den Jahren vor der Pandemie abzeichnete. Dabei hätte sie gerade in diesen Jahren der Pandemie gezeigt, wozu sie fähig ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. März 2025

Donnerstag, 13. März 2025

Und wir wunderten uns über Marko Arnautovic

Österreichs Fußball-Exzentriker Marko Arnautovic wurde nicht nur wegen seiner Tore, sondern auch wegen seiner Ausraster berühmt. Als er einmal in Wien von der Polizei angehalten wurde, herrschte er den Polizisten an. "Du hast mir gar nichts zu sagen. Ich verdiene so viel, ich kann dein Leben kaufen. Ich bin etwas Höheres als du." Mehr brauchte es nicht. Arnautovic´, der damals bei Werder Bremen spielte, füllte die Schlagzeilen. Die Aufregung war enorm.

Gegen die superreichen Tech-Bosse in den USA, die heute Schlagzeilen machen, ist Arnautovic´, auch wenn er durchaus ähnlichen Geistes sein mag, freilich ein harmloser kleiner Kicker geblieben. Über ihn konnte man lachen und den Kopf schütteln. Aber wenn Elon Musk sagt, "wenn ich Starlink abschalte, bricht die gesamte Ukraine-Front zusammen", kann man nicht mehr lachen. Denn er hat wohl recht damit, und vor allem -er kann das wirklich.

Es hat im Lauf der Geschichte schon oft Zeiten gegeben, in denen nicht nur Herrscherhäuser, sondern auch Oligarchen oder, zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, auch politische Systeme zu großem Einfluss gekommen sind. Aber es hat noch nie so eine Zeit gegeben, in der einzelne Leute wie Musk ohne jede Kontrolle und ohne jede demokratische Legitimation weltumspannende Technologien in der Hand haben, die es ihnen ermöglichen, mit einem Knopfdruck die Welt aus den Angeln zu heben und ihre Allmachtsfantasien umzusetzen. Indem sie Satellitensysteme abschalten, Kommunikationsnetze lahmlegen oder einfach Leitungen kappen. Nicht für hunderte oder für tausende Menschen, sondern für Millionen und Milliarden. WhatsApp und Facebook haben weltweit jeweils rund drei Milliarden Nutzer, Elon Musks X rund 300 Millionen und Google verarbeitet mehr als zwei Billionen Anfragen jährlich.

Solche Dimensionen hat es noch nie gegeben. Derzeit ist es vor allem Elon Musk, der vor so einer Versuchung nicht gefeit zu sein scheint. Aber wer sagt, dass es bald andere nicht auch sind. All die Zuckerbergs, Bezos oder Pichais und wie sie alle heißen, die neben Musk an der Seite von Donald Trump die US-amerikanische Politik, und nicht nur die, aufmischen und offenbar keine Grenzen kennen. Sie können inzwischen Angst machen. Google-Chef Sundar Pichai etwa hat es in der Hand, mit Änderungen am Such-Logarithmus die Meinungslage in ganzen Ländern zu verändern und damit Wahlen stark zu beeinflussen. Und man mag sich gar nicht vorstellen, wenn Microsoft Office oder Cloud zur Demonstration ihre Macht einsetzen oder gar in Versuchung kommen, damit Politik zu machen.

Die lange als Superstars gefeierten US-Amerikaner kamen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in diese Position, weil man nicht nur in den USA der Faszination erlegen ist, sondern auch im Rest der Welt, insbesondere in Europa. Die harmlos und spleenig wirkenden Burschen aus dem Silicon Valley und ihre ständig neuen Entwicklungen sorgten für Bewunderung. Wohl auch, weil es bequem war. Aber erst Donald Trump, ebenso machtbesessener wie machtbewusster und skrupelloser Präsident der stärksten Macht der Erde, entfesselte die Technokraten mit all ihren Möglichkeiten vollends, indem er sie hinter sich versammelte und ihnen im Gegenzug Zugang zu politischem Einfluss verschaffte und sie für seine Zwecke instrumentalisierte.

Die Welt weiß nicht umzugehen mit dieser neuen Konstellation, die viele als Bedrohung sehen. Man staunt, dass in den USA kein demokratisches Instrument verfängt, diese Entwicklungen in den Griff zu bekommen. Man fragt sich, wo die US-Demokraten sind, denen die Welt bei den Wahlen im Vorjahr noch zutraute, Trump zu schlagen. Man rätselt, wie schnell ethische Grundsätze und Verantwortung verschwunden sind.

Das freilich fragt man sich auch von der internationalen Gemeinschaft. Man fragt sich, was sie tun will, um das Heft wieder in die Hand zu bekommen. Ganz besonders freilich gilt das für Europa. Zumindest im militärischen Bereich gibt es jetzt die Bereitschaft, zu Stärke zu kommen. Das aber ist wohl nur die eine Hälfte. Europa hat auch technologisch einen enormen Rückstand aufzuholen und wieder Eigenständigkeit zu gewinnen. Und das ist wohl das noch schwierigere Unterfangen. Auch, weil es noch am Bewusstsein dafür fehlt. Und wohl auch, weil es an der Bereitschaft der Politik fehlt und vor allem auch der Menschen, die alles mittragen sollen. Klar ist nur -die Zeit läuft. Und das ziemlich schnell.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. März 2025

Donnerstag, 6. März 2025

"Wir sind im Nebel"

Der erste Beweis, dass die neue Regierung etwas können könnte, ist gelungen. Die Abstimmung der NEOS am vergangenen Sonntag ist unfallfrei über die Bühne gegangen. Das immerhin. Bei anderen Parteien, man will keine Namen nennen, wäre das ja nicht so sicher gewesen, wie man weiß. Die Regierung Stocker kann also die Arbeit aufnehmen. Höchste Zeit ist es. Große Freude darüber, dass wir endlich wieder eine Regierung haben, mag dennoch nicht aufkommen.

Es hat wohl viel zu lange gedauert und man hat sich viel zu viel anschauen und befürchten müssen, bis es doch noch zu einer Einigung kam. Warum nicht gleich, fragt man sich im Nachhinein. Vielleicht wären dann Freude und Erleichterung größer.

So fehlt der Regierung schon von Beginn weg der Glanz und die Erwartungen sind niedrig. "Jetzt das Richtige tun", der Titel des Regierungsprogramms, ist allenfalls ein Motto, aber kein Ziel und schon gar kein Leuchtturmprojekt, das dem Land Orientierung für die Zukunft sein könnte. Entsprechend in Grenzen hält sich die Begeisterung. Es sind vor allem die unmittelbar Beteiligten, die freundliche Nasenlöcher machen. So findet der VP-Wirtschaftsbund, dass alles passt und auch die Chefin des Seniorenbundes lässt Nämliches vernehmen.

Ansonsten freilich ist die Skepsis nicht zu übersehen und nicht zu überhören. Am spitzesten formulierte Franz Schellhorn, Chef der Agenda Austria und Bruder des Staatssekretärs Sepp Schellhorn. Er gratulierte der Volkspartei und den Neos mit einem Anflug von Spott zu deren "Mut". "Sie trauen sich mit einem Regierungsprogramm an die Öffentlichkeit, das sich wie ein Grundsatzpapier der SPÖ liest, nur ohne Substanzsteuern." Aber auch die Wirtschaftsweisen des Landes sind nicht glücklich mit dem, was die drei Parteien als ihr Programm beschlossen haben. Er sei "keineswegs sicher", ob das Sparprogramm zu schaffen sei, ließ Christoph Badelt, Chef des Fiskalrates, vernehmen und weiß sich einer Meinung mit Wifo-Chef-Gabriel Felbermayr und IHS-Leiter Holger Bonin. Zu viel sei unklar, wo die Gelder herkommen sollen, die man einsparen will. "Wir sind im Nebel", wird Badelt zitiert. Auch bei den Chefs der Industrie kommt "keine Euphorie" auf. "Der große Aufbruch aus der Industriekrise steht nicht drinnen."

Da geht es den Herren nicht anders wie dem Rest der Bevölkerung. Was wirklich aus all dem wird, was man ins Regierungsprogramm geschrieben hat, und wie es letztendlich beim Steuerzahler respektive beim Bürger ankommen wird, ist weitestgehend unklar. Das gilt, abgesehen von Initiativen für die Wirtschaft, auch für die geplanten Sparvorhaben, die umgehend umgesetzt werden müssen, um ein EU-Verfahren zu vermeiden, und reicht bis zur Ausgestaltung der Nachfolgeregelung für die Bildungskarenz und des Mietendeckels, der manchen Vermieter schon jetzt auf die Palme treibt. "Die Inflation in den letzten Jahren hat der Staat gemacht, und die muss nun der Vermieter schlucken, weil man die Mieter schützen möchte", schreiben sich manche schon jetzt den Groll vorsorglich von der Seele. "Das ist rote Politik in Reinkultur."

Von Letzterer finden auch nicht wenige andere allzu viel im Regierungsprogramm. "Die ÖVP machte bei der Wirtschaft viele Zugeständnisse", meint selbst der Politikberater Thomas Hofer. "Auffällig ist, dass die SPÖ viel durchgesetzt hat." Und auffällig wenig ist die Rede davon, dass, wie eine Zeitung geschrieben hat, die Umweltpolitik "gekübelt" wurde, und dass die Kultur kaum eine Rolle spielt.

Auch wenn man es im Überschwang der gelungenen Koalitionsverhandlungen wohl noch verdrängt -es gibt zwischen den drei Parteien auch genügend Reibungsflächen. Inhaltlich sowieso, aber auch persönlich, wenn man nur daran denkt, wie manche der beteiligten Personen doch sehr profiliert und pointiert aufgetreten sind in der Vergangenheit. Querköpfe wie Sepp Schellhorn, Sturköpfe wie Andreas Babler und Ideologen wie Markus Marterbauer können sehr schnell zu Stolpersteinen werden.

Vor allem der neue Bundeskanzler muss nun beweisen, dass er auch ein Politiker ist und mehr als ein Anwalt, der die Konkursmasse verwaltet. Man kann sich Stocker schwer als politischen Agitator vorstellen. Man muss abwarten. So wie man vieles andere abwarten muss, weil alleine die Dreier-Konstellation in Österreich neu ist.

Bleiben wir erst einmal zuversichtlich, dass mehr so gelinge wie die NEOS-Abstimmung.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. März 2025

Donnerstag, 27. Februar 2025

Die bedrückende Wirklichkeit der Irrwitzigkeiten

Wir haben, wie es aussieht, eine neue Regierung. Immerhin das. Wie immer man diese neue Regierung bewerten mag, in Zeiten wie diesen kann es kein Schaden sein, zumindest wieder Aussichten auf geordnete politische Verhältnisse im Land zu haben. Und auch in Deutschland zeichnet sich nach dem vergangenen Sonntag eine Wende zum - hoffentlich - Besseren ab. Das kann uns guttun. Und das kann Europa guttun. Wir wissen, wir brauchen es. Denn abgesehen davon bleiben immer noch jede Menge Unsicherheit, Ungewissheit und Ratlosigkeit und Verunsicherung. Trump stellt die Welt auf den Kopf, wie wir es nie geglaubt hätten. Und wir, nicht nur die Politik, sondern wohl jeder Einzelne auch, wissen nicht, wie damit umgehen.

Wir müssen umlernen, wir müssen umdenken. Spätestens seit der Rede des US-Vizepräsidenten Vance vor zwei Wochen in München ist nicht nur in den europäischen Regierungskanzleien Feuer am Dach. Für viele ist klar, dass all das, was wir seit Wochen aus und von Washington hören, das Ende der transatlantischen Beziehungen bedeutet, wie wir sie seit 1945 erlebt haben. Von tektonischen Verschiebungen in der Weltpolitik ist die Rede und vom Ende der alten Nachkriegsordnung.

Die Welt ist eine andere und wir sind nur Passagiere. Europa, Österreich und die Ukraine. Die Ukraine sowieso. "Das Geld regiert nun tatsächlich die Welt" schreibt der Schriftsteller Peter Rosei in der "Presse" am Samstag. Und das so augenscheinlich wie kaum je zuvor.

Man mag nicht glauben, was Trump sagt und wie er agiert. Seine Gestik, seine Worte lassen einen nur fragen, wie konnte so ein Mann nur so weit kommen. Warum versagten alle und versagen alle Kontrollmechanismen? Man kann nur staunen und man beginnt sich zu fürchten. Hoffnungen schwinden, Ängste werden wach. Was passiert da rund um den Globus? Was passiert zwischen Amerika, Europa und Russland. Und was immer mehr Sorgen macht -was passiert in der Ukraine?

Es ist schlimm zuschauen zu müssen, wie die reichsten Menschen der Welt ohne jede demokratische Legitimation in der Politik mitmischen und sie sich zu Diensten machen. All diese Irrwitzigkeiten, denen ein Ernst innewohnt, den anfangs niemand glauben wollte. Grönland übernehmen, den Panamakanal zurückholen, den Gaza-Streifen zur Riviera des Nahen Ostens zu machen. Oder wie zigtausende Jobs von heute auf morgen gestrichen werden. Gar nicht zu reden von der Anbiederung an Putin, der sich angesichts des Irrwitzes in Washington nur ins Fäustchen lachen kann.

Es ist erstaunlich, wie Trump einen ganzen Staat, ja die ganze Demokratie, abräumen kann. Ohne viel Gegenwehr. Das Land, das sich gerne als die stärkste Demokratie der Welt abzeichnet. Man fragt sich, wie es in den USA so weit kommen konnte. Man versteht nicht, dass Trump und Konsorten nicht in den Griff zu bekommen sind. Die Demokraten in den USA sind in der Versenkung verschwunden, die Republikaner von Trump in die Tasche gesteckt. Gegenwehr kommt allenfalls von den Gerichten.

Es ist wenig Hoffnung zu sehen, dass dieser Wahnsinn in den USA zu einem raschen Ende kommt. Was viele auch in Europa herbeigewünscht haben, erwies sich schnell als Bumerang. Wir müssen für die politischen Versäumnisse, die Treuseligkeit und Bequemlichkeiten, denen wir uns in den vergangenen Jahren gerne hingegeben haben, wohl büßen.

Europa ist ratlos und hat keine Antworten auf Trump. Das hat wohl viel damit zu tun, dass Europa in seiner Selbstverliebtheit international ins Abseits gerutscht ist. Man hat kein Pfand in der Hand, das in diesem Irrsinn, wie wir ihn erleben, von Relevanz wäre. In den vergangenen Tagen war viel davon zu lesen, dass sich Europa nun stärken muss. Das wird wohl so sein. Dafür müsste man freilich wissen, wo und wie man sich stärkt und was man tun soll, damit man schnell stark wird. Da ist einstweilen nichts zu erkennen.

Es steht eher zu befürchten, dass die Politik nicht anders reagiert wie unsereiner. Man versucht sich mit den neuen Verhältnisse zu arrangieren. Man redet sich den Irrsinn klein und man ist dabei, Trump, Musk und auch Putin in den Alltag einzufügen. Die sind halt so.

Das sind schlechte Vorzeichen dafür, dass die Bereitschaft in Europa wirklich groß genug sein wird, all die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die jetzt als notwendig gelten, um nicht unterzugehen. Denn die verlangen auch Opfer von den Bürgern. In welcher Form auch immer. Und die werden nicht angenehm sein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. Februar 2025

Donnerstag, 20. Februar 2025

Sehnsucht nach Politik

Zuerst seit Monaten das Elend um die Bildung einer neuen Regierung, das immer noch kein Ende finden mag. Jetzt auch noch das Attentat von Villach. Und über allem ein irrlichtender Präsident in den USA, der mit dem Vorschlaghammer die Nachkriegsordnung zertrümmert und Europa in Unsicherheit und Hilflosigkeit stürzt. Es mag und mag nicht besser werden. Übersichtlicher schon gar nicht. Die Zeiten sind schlimm. Und zu allem Überfluss ist die politische Führung mit anderem beschäftigt als dem, was dieses Land jetzt bräuchte.

Da ist nichts zu sehen und zu hören, was Vertrauen geben könnte. Da gibt es keine Ideen und kaum gemeinsame Ziele. Und nichts, was Halt geben könnte. Und das nicht nur, weil man mit der Regierungsbildung nicht vorankommt.

Nichts spiegelt die Situation besser als der Auftritt des Innenministers am vergangenen Samstag in Villach. "Anlasslose Massenüberprüfungen" kündigte er dort an. Und mehr Befugnisse für die Polizei verlangte er. Das mag gut klingen in den Ohren vieler, zumal vor dem Hintergrund des grausamen Attentats -bloß, es ist nichts anderes als die Manifestation der Hilflosigkeit und auch der Ideenlosigkeit, das Problem wirklich in den Griff zu bekommen. Mit Worthülsen wie diesen, die rechtliche und faktische Gegebenheiten außer Acht lassen, reagiert man -in Abwandlungen freilich -seit Jahren in solchen Schockmomenten. Wirksame Fortschritte und erfolgreiche Maßnahmen sind freilich kaum je gefolgt.

Diesmal wird es nicht anders sein. Verfassungsrechtler warnen schon und der Beamtenapparat auch. Wie will man es schaffen 81.000 Menschen aus Syrien und Afghanistan, die in den vergangenen Jahren in Österreich Schutz suchten, zu überprüfen? Wie will man sie im Fall des Falles abschieben, wenn sie niemand nehmen will? Und gar nicht zu reden von denen, die sich gut integriert haben, von Leuten, wie jenem Syrer, der den Attentäter in Villach mit dem Auto niedergefahren hat, um noch mehr Unglück zu verhindern. Allein dieses Beispiel zeigt, wie problematisch es ist, jeden einfach unter Verdacht zu stellen, wie das viele gerne hätten. Ganz abgesehen davon -was kommt nach anlasslosen Massenüberprüfungen von Syrern und Afghanen? Welche Gruppen sind die nächsten?

Was da wegen Villach jetzt in Rede steht, ist, wie so vieles andere in der Politik in Österreich, keine Lösung, die angesichts der Größe und Komplexität des Problems Erfolg verspricht, sondern lediglich politische Kosmetik. Und das hat viel damit zu tun, dass man es selbst in solchen Notlagen kaum schafft zusammenzurücken, die Reihen zu schließen und gemeinsam vorzugehen. Selbst da geht es immer noch zuvorderst um den eigenen Vorteil, um die Schlagzeile und um den Sager, mit dem man glaubt, sich gegenüber den anderen profilieren zu können.

Das Muster ist nicht nur bei uns zu sehen. Auch Europa leidet darunter, dass die Politik und die handelnden Personen überfordert sind. In Deutschland sieht man das in diesen letzten Tagen vor den Bundestagswahlen in geradezu beklemmender Dimension. In Frankreich liefert Macron seit Jahren eine Hängepartie und in anderen Staaten ist es nicht viel anders und selbstredend auch nicht in der Europäischen Union. Trump führt diese Schwächen Europas gerade in diesen Tagen gnadenlos vor Augen.

Es ist nachvollziehbar, dass die Leute das nicht mehr wollen und dass Rechtspopulisten überall leichtes Spiel haben, auch wenn sie und ihre Forderungen um nichts weniger von Hilflosigkeit zeugen. Da nimmt nicht wunder, dass immer wieder vom "Multiorganversagen der Politik" die Rede ist und die Wähler in Umfragen den Politikerinnen und Politikern allenfalls die Note "vier minus" geben, wie jüngst bei einer Umfrage für Puls 4.

Man sehnt sich nach Führung und man sehnt sich nach Ruhe. Man will, dass die Politik Probleme gemeinsam angeht. Man mag es kaum glauben, aber diese Zeiten hat es auch bei uns gegeben. Bei allen Differenzen. Unvorstellbar heute, dass, wie seinerzeit im Vorfeld der EU-Volksabstimmung, der damalige Landwirtschaftsminister Fischler (VP) und Finanzminister Lacina (SP) gemeinsam bei Informationsveranstaltungen auftraten, um für die Sache, den EU-Beitritt, zu werben.

Damals ist man auch trotz aller Polit-Gefechte, die man sich lieferte, danach noch miteinander fortgegangen. Oft freilich auch, um gemeinsam zu trinken.

Vielleicht sollten das die Damen und Herren der Politik auch heute wieder tun. Zumindest ab und an.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. Februar 2025

Mittwoch, 12. Februar 2025

Zwischen Pest und Cholera

Das wird nichts mehr, und wenn, dann wird es nichts G'scheites mehr." Die Erwartungen, dass aus dem "Regierungsgebastel", wie es ein Kommentator dieser Tage nannte, noch etwas wird oder gar etwas G'scheites, werden rasant seltener. Österreich erlebt bange und auch beschämende Tage. Mit immer größerer Verärgerung schaut man zu, wie Volkspartei und Freiheitliche es nicht schaffen, eine Regierung zu bilden. Die Stimmung ist nicht nur bei manchen Parteigranden sondern auch bei den VP-Parteigängern am Kippen. "Sag mir, was ich machen kann, damit das nicht kommt", ist inzwischen selbst von eingefleischten Parteimitgliedern zu hören. Sogar der Wirtschaftsbund warnt mittlerweile vor einer Festung Österreich und Wirtschaftskammerboss Mahrer ist voller Bedenken. Auch rundherum wird der Druck auf die ÖVP stärker. Die Warnungen nehmen zu und werden lauter, die Häme auch. 

Es zeichne sich allenfalls eine "Koalition zweier Partner ab, die sich möglicherweise für die gesamte Dauer der Zusammenarbeit spinnefeind gegenüberstehen", schreibt der Chefredakteur der "Presse". Eine "Verlängerung des Elends" befürchtet sein Kollege vom "Standard". Und Anneliese Roher, Doyenne der heimischen Politik-Journalisten, schreibt, "verwunderlich" sei, dass die ÖVP nach den Ereignissen der vorigen Woche "überhaupt noch" an eine mögliche Zusammenarbeit mit der FPÖ denke. Die ÖVP, die "angebliche Partei des Hausverstands", sehe nicht, dass bei der Verachtung der Freiheitlichen für sie "eine gedeihliche Regierungsarbeit einfach nicht möglich sein wird". Kurzum -"diese innenpolitische Quälerei sollte ein Ende haben". 

Ganz abgesehen von diesen Einschätzungen und Forderungen und den Motiven, die dahinter stehen mögen - es ist immer noch nichts Rechtes zu sehen, was da das Land weiterbringen könnte mit einer großen Koalition. 150 km/h auf der Autobahn sind es wohl nicht. Und auch nicht, dass man die ORF-Haushaltsabgabe abschaffen oder Kinder bereits mit zwölf Jahren für strafmündig erklären will, oder, wie auch zu lesen ist, an eine Staatsbürgerschaft für Südtiroler denkt. Und da ist noch gar keine Rede von den wirklich schwerwiegenden Brocken wie der geplanten Kehrtwende in der Klimapolitik oder beim Skyshield, Bösartigkeiten wie die medizinischen Leistungen für Migranten zu kürzen oder so peinlichen Ideen, wie an den Unis nur mehr Abschlussarbeiten auf Deutsch zuzulassen. Das geleakte Verhandlungspapier ist voll von Vorschlägen ähnlicher Qualität. Und nicht nur das. Viele sehen darin den Plan für einen Radikalumbau der Republik.

Kann es das wirklich sein, was da auf das Land zukommen soll? "Bullshit-Politik" nennen manche das und es ist ihnen recht zu geben. 

Antworten und Ideen für die großen Themen, die das Land plagen und hinunterziehen, indes sind kaum zu erkennen, nicht einmal strukturelle Anpassungen. Zu sehr scheint man mit dem Einlösen von politischem Kleingeld beschäftigt. Gut, die Senkung der Lohnnebenkosten ist offenbar ein Thema und auch die Schaffung von Anreizen für die Mehrarbeit. Aber was ist mit einer großen Pensionsreform? Einer Gesundheitsreform? Einer Reform des Bildungswesens? Oder des Föderalismus? Wie soll man die überbordenden Sozialausgaben in den Griff bekommen? Und, das vor allem -wie will man Österreich voranbringen? 

Die Verhandlungen ziehen sich nicht nur - ihnen fehlt offenbar auch jede Perspektive. Es ist nichts von großen Zielen zu erkennen, die man erreichen will, von einer Richtung, in die es gehen soll. Nichts von einer Vision. Es fehlt der Plan, es gibt keine Ziele. Keine Leuchttürme, keine Visionen. Eine "Festung Österreich", wie das die FPÖ will, kann es wohl nicht sein. Und darf es auch nicht sein. 

Österreich hat großen Handlungsbedarf. Da sollte man sich keine Politspielereien mehr leisten. Die waren schon in den vergangenen Jahren wesentlicher Grund dafür, dass das Land jetzt so dasteht, wie es dasteht. Österreich braucht Schwung und Aufbruch -und nicht weitere Jahre der Lähmung. 

Die handelnden Personen, vor allem die in der ÖVP, sind nicht zu beneiden. Sie haben, bei Licht betrachtet, nur die Wahl inzwischen Pest und Cholera. Nichts anderes sind für sie eine Koalition mit der FPÖ oder ein Aufstehen vom Verhandlungstisch mit all seinen Folgen. 

Freilich -zu verantworten hat man die Situation selbst. Zu groß sind die Versäumnisse der vergangenen Jahre gewesen. Zu oft hat man sich in die eigene Tasche gelogen. Und zu oft ist es um die eigene Machterhaltung und nicht um gute, wirksame und zielführende Politik gegangen. Die Partei steht jetzt am Endpunkt einer Entwicklung, die über Jahre ging -und der man nichts entgegenzusetzen hatte. Und das auch gar nicht wollte.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Jänner 2025

Freitag, 7. Februar 2025

„Uns fehlen schlicht die Leute“

Der Österreicher Thomas Brunner führt in der Ukraine eine Landwirtschaft mit 1200 Hektar und 5500 Schweinen. Bei der Mitarbeitersuche tue er sich selbst als kritische Infrastruktur schwer.

Hans Gmeiner 

Salzburg. „Zum Glück sind wir zu 95 Prozent fertig, so ist die Auswirkung überschaubar.“ Thomas Brunner, Agrarunternehmer aus Oberösterreich, der seit mehr als 20 Jahren in der Ukraine lebt und eine Landwirtschaft betreibt, hat Glück gehabt. Dass US-Präsident Trump die Auslandshilfen für Projekte weltweit eingefroren und Mittel gesperrt hat, trifft ihn nicht mehr. Das Futtersiloprojekt samt Futtermischanlage, das er seit dem Vorjahr auf seinem Betrieb mit Schweinehaltung und Ackerbau 250 Kilometer südöstlich von Kiew mit Mitteln aus dem US-Hilfsprogramm für die Ukraine verwirklichte, ist so gut wie fertig. Die Silos sichern nicht nur für Brunners Betrieb, sondern auch Landwirtschaften in der Umgebung die Versorgung mit Futter.

Ein Lichtblick für die Ukraine in immer härteren Zeiten. „Das vergangene Jahr war anstrengend.“ Sein Betrieb entwickle sich „eigentlich gut“, sagt Brunner. Die Situation sei dennoch schwierig, „man muss viele Abstriche machen“. Kriegsmüdigkeit mache sich breit. Man erlebe „eine gewisse Ohnmacht“. Bestimmte Dinge ließen sich kaum mehr steuern, etwa das Personalproblem. „Die Leute werden einfach zum Militär eingezogen“, erzählt Brunner. Bisher hat ihm geholfen, dass sein Betrieb zur kritischen Infrastruktur zählt und wichtig für die Versorgung ist. Daher kann er auch Männer im wehrfähigen Alter zwischen 25 und 60 Jahren für jeweils ein halbes Jahr einstellen. „Das muss dann immer wieder erneuert werden.“ Eben das wird schwieriger. Seit einigen Monaten fahren Behörden und Militär einen schärferen Kurs. Lücken zwischen dem Auslaufen der alten und der Genehmigung der neuen Freistellung werden vom Militär genutzt, um die Männer einzuziehen.

„Die machen schnell Nägel mit Köpfen“, sagt Brunner. Das Erneuern der Freistellung im elektronischen System dauere in der Regel drei Tage, „genau in diesen drei Tagen wurden Leute von mir zur Stellungskommission bestellt und durften nicht mehr weg. Den Frauen wurde gesagt, sie sollen die Sachen bringen.“ Obwohl Brunner die Genehmigung nach drei Tagen vorlegen konnte, hieß es nur, „da kann man jetzt nichts mehr machen“.

Für seine Landwirtschaft ist das eine Herausforderung, „gut eingearbeitete Mitarbeiter sind nicht so einfach zu ersetzen“. Wenn plötzlich Leute in der Futtervorbereitung fehlen und man mit der Aufbereitung nicht nachkomme, habe man ein Problem. Damit ist Brunner nicht allein. Die Zeit der billigen Arbeitskräfte ist in der Ukraine vorbei, aber der Fokus verschiebe sich. Freistellungen, wie er sie für seinen Betrieb anbieten könne, seien wichtiger als das Gehalt, „trotzdem fehlen überall Leute. Viele verstecken sich, weil sie nicht an die Front wollen.“ Es gebe Firmen, bei denen von 50 Mitarbeitern zehn eingezogen worden seien, „die kamen einen Monat später in Särgen zurück“.

Auch in der Landwirtschaft hat sich das Umfeld geändert. Brunners Haupteinnahmequelle ist jetzt der Ackerbau, da habe es zum Glück gute Preise gegeben. Anders als bei der Schweineproduktion. Dort habe die Afrikanische Schweinepest den Markt aufgeräumt, sagt Brunner.

Insgesamt bewirtschaftet er mit 45 Mitarbeitern 1200 Hektar Land. In den Ställen stehen 5500 Schweine, davon 450 Zuchtsauen, die zum Teil aus Oberösterreich importiert werden. Nach wie vor erzeugt Brunner unter der Marke Tomaso Prosciutto und Würste für den Kiewer Markt, „in kleinerem Rahmen“.

Insgesamt sei die Situation der Landwirtschaft heute eine andere als vor zwei Jahren, als zuerst die Bauern in den Nachbarländern der Ukraine und dann auch die Landwirte in Westeuropa auf die Straßen gingen. „Die Odessa-Häfen sind jetzt frei“, sagt Brunner. Seither habe man wieder Weltmarktpreise und das Getreide fließe über die alten Handelsströme vor allem nach Afrika und allenfalls nach Spanien.

An einen Rückzug aus der Ukraine denkt Brunner nicht. „Die Russen kommen nicht wirklich weiter“, übt er sich in dem Zweckoptimismus, den er überall im Land ortet. „Aber es wird nicht aufhören, wenn die Ukraine keine Garantien bekommt.“ Was Trump tun werde, sei schwer vorauszusehen, aber die Ukraine müsse in die Nato. Mehr Sorgen macht ihm, dass es in Kiew zu einem Umsturz durch prorussische Kräfte kommt und „irgendwelche Säuberungen anfangen“.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Februar 2025

Donnerstag, 6. Februar 2025

Der Tanz auf der Nase - und seine Folgen

Es gibt Sachen, da entfährt einem regelrecht "Sachen gibt's, die gibt's gar nicht". Die aber gibt es, wir wissen es, zuhauf. Und man staunt dennoch immer wieder. Wie etwa, vielleicht haben Sie es auch gelesen, bei der Meldung "Gerichtsstreit: Mann will als Frau früher in Pension gehen", die vor ein paar Wochen durch die Medien ging. Ein 1962 geborener Wiener änderte sein Geschlecht im "Zentralen Personenstandsregister", meldeten die Zeitungen, "und pocht jetzt auf das für Frauen niedrigere Pensionsalter". Und das ganz ohne sich die im Falle einer solchen beabsichtigten Transformation verlangte Psychooder Hormontherapie antun zu wollen und auch ohne sonst äußere Zeichen der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht zu zeigen. Der gute Mann ist offenbar hartnäckig. Nachdem die PVA den Antrag ablehnte, bekam er vom Arbeits-und Sozialgericht recht. Dieser Spruch wiederum wurde dann vom Oberlandesgericht Wien aufgehoben. Lange Rede, kurzer Sinn -der Fall ist inzwischen beim Obersten Gerichtshof und hat da und dort Spekulationen ausgelöst, was an dem Fall noch alles dranhängen könnte. Etwa, wie das bei der Wehrpflicht wäre, beim Bundesdienst, in dem man ein Frauenförderungsgebot kennt, oder in Aufsichtsräten börsenotierter Unternehmen, wo es eine Frauen-Quote gibt.

Man staunt und schüttelt den Kopf.

Sachen, die es gar nicht gibt, sorgten dieser Tage auch in Oberösterreich für fette Schlagzeilen. Ein Brüdertrio -13,14 und 17 Jahre alt -verbreitet dort als "Schrecken der Autohäuser" Angst, bricht ein, stiehlt und zerstört Autos, überfällt Trafiken und hat auch sonst allerlei Sachbeschädigungen auf dem Kerbholz. Man kennt die Burschen, man weiß, wo sie leben, man weiß, dass sie reihenweise Straftaten begehen, man wird ihrer auch habhaft -aber man kann sie nicht belangen. Der Jüngste, weil er noch nicht strafmündig ist, und die beiden Älteren, weil ihnen ein Gutachten "verzögerte Reife" attestiert. "Anstatt die jugendlichen Serienkriminellen einzusperren, kann die Polizei sie nach der Tat nur zurück in ihre Betreuungseinrichtungen chauffieren", heißt es in den Zeitungen.

Man staunt und schüttelt den Kopf.

Die beiden Fälle sind freilich nicht die einzigen. Der Bogen reicht bis hin zu den nunmehr an den Flaschen fixierten Schraubverschlüssen bei PET-Flaschen, zu allerlei EU-Verordnungen, bis hin zu René Benko, der der Justiz jahrelang die lange Nase zeigen konnte. Und das alles und noch viel mehr, obwohl wir -und mit uns eigentlich die ganze Welt -über Überregulierung und Bürokratie jammern und klagen. Dennoch gibt es immer wieder erstaunliche Schlupflöcher in dem System, in dem wir leben, und erstaunliche Volten. Sie lösen bei der Bevölkerung nicht nur Staunen, sondern immer öfter auch Wut aus. Verstehen mag das kaum noch jemand.

All die Regeln, Gesetze und Vorschriften, die der Gesellschaft längst Qual und Hemmschuh sind, haben offenbar nicht gereicht, um all das zu verhindern. Und all die Bürokratie schon gar nicht, die oft nicht viel mehr als Selbstzweck zu sein scheint. Ersonnen von Leuten, die in ihren Kämmerchen offenbar oft nichts anders im Sinn haben, als sich die Beschäftigung zu sichern.

Da nimmt nicht wunder, dass sich viele fragen, wo wir hingekommen sind, dass man Grenzen verlangt, dass viele nach Law and Order rufen und nach einem stärkeren Durchgreifen.

Der Apparat -und damit auch die Gesellschaft - ist offenbar überfordert mit all den Vorschriften, die er selbst gemacht hat, um möglichst alles und jedes zu berücksichtigen, um das Leben und seine Gefahren, Unwägbarkeiten und Unstetigkeiten, die das Leben auf allen Ebenen mit sich bringt, in Buchstabenform zu bringen. Längst stellt man sich damit selbst in Frage. Die Gesellschaft wird damit nicht mehr Herr ihrer selbst.

Dieser Weg erzeugt längst Widerstand. Und nicht nur das. Er bereitet das Land auch auf für all die Simplifizierer und all die Kickls und Weidels, die so wie der argentinische Präsident Milei mit der Kettensäge zum politischen Erfolg kommen wollen, oder wie Donald Trump und Elon Musk, indem sie sich über alle Konventionen, nur auf den eigenen Vorteil bedacht, hinwegsetzen. Und das immer rücksichtsloser und ohne lange Rechtfertigung.

Sie können sich des Zuspruchs dennoch sicher sein -auch weil Leute wie der Wiener, der als Frau in Pension gehen möchte, oder drei junge Burschen oder auch Benko allen so auf der Nase herumtanzen können.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. Februar 2025
 
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