Donnerstag, 27. November 2025

Krise? Ein Fake?

Wir sind schon wieder mittendrin, und dabei ist es offiziell noch gar nicht losgegangen. Die Adventmärkte im ganzen Land sind seit dem vergangenen Wochenende überlaufen. Die Black Week mit ihren Sonderangeboten aller Art, die am Freitag dieser Woche im Black Friday gipfelt, hat uns schon fest im Griff, ehe die Zeit, die immer noch als die "besinnliche" bezeichnet wird, am kommenden Sonntag mit dem ersten Adventsonntag beginnen wird. Dann geht es erst richtig los. Es ist alles angerichtet. Irgendwo ist der schöne Satz gestanden, dass dann "das Land dem Punschduft und Glöckchen klingen der Adventmärkte verfällt". So ist es. Und es wird jedes Jahr immer noch mehr, oder, wie nicht wenige finden, es wird immer noch ärger. Krise? Ist da was? Ein Fake gar?

Die Daten und Geschichten, die in diesen Tagen veröffentlicht werden, passen jedenfalls nicht dazu. Alles, was zu Geld gemacht werden kann, wird zu Geld gemacht. Allein aus dem Christkindlmarkt vor dem Wiener Rathaus sollen die Standler heuer Prognosen zufolge 60 Millionen Euro Umsatz machen. Auf 390 Millionen Euro wird der Umsatz aller Adventmärkte in Österreich geschätzt.

Das neueste Feld, das man entdeckt hat, sind augenscheinlich Adventkalender, die man über Jahre als einfache Kreationen mit 24 Türchen kannte, hinter denen sich im besten Fall Schokofiguren verbargen, die das Warten aufs Christkind erträglicher machen sollten. Heute ist das Schnee von vorgestern, wird doch berichtet, dass man Adventkalender auch um 1.750 Euro (sic!) bekommt. Das freilich ohne Schokofiguren, dafür aber mit einem "handgenähten Wäschestück" hinter jedem Türchen, wie es vielversprechend heißt. Dagegen nimmt sich der Back-Adventkalender, den eine Lungauer Bäuerin um 105 Euro anbietet, noch günstig aus.

Da scheint noch allemal genug Geld für das eigentliche Fest übrig zu bleiben. Handelsforscher rechnen mit einem, wenn auch nur leichten Anstieg der Ausgaben im Handel gegenüber dem Vorjahr auf 2,35 Mrd. Euro, was einem neuen Rekord entspräche. Es gelte das Motto "Das Schenken lassen wir uns nicht nehmen". Das gilt auch für die Haustiere. Auch im Tierbedarfs-Handel hat das Weihnachtsgeschäft mit allerlei für Hund und Katz' längst begonnen und läuft dem Vernehmen nach gut.

54 Prozent der Bevölkerung haben heuer Freude beim Geschenkekaufen, hat das Meinungsforschungsinstitut IMAS erhoben. 426 Euro wollen sie im Schnitt ausgeben. Die Teuerung spiele zwar schon eine Rolle, heißt es, aber bei rund einem Drittel der Leute werden es schon zwischen 200 und 1.000 Euro sein, bei drei Prozent sogar mehr als 2.000 Euro, die man ausgeben will. Es ist, als ob es keine Bremsen gäbe, immer wieder gibt es neue Höhepunkte. Mehr denn je davon wird in chinesische Kassen fließen und jene von Amazon. Bei Temu, Shein und Konsorten darf man sich die Hände reiben. "Die Kassen klingeln in Fernost" heißt es.

Was wir in diesen Wochen erleben, fügt sich zur unbändigen Reiselust im Sommer und im Winter. Zwei, drei, oft vier Urlaube oder Reisen sind für viele selbstverständlich. Der Automarkt brummt, in Restaurants bekommt man oft ohne Reservierung keinen Platz. Das alles passt so gar nicht zu den düsteren Darstellungen der Wirtschaftslage und des Arbeitsmarktes und schon gar nicht zur Stimmung im Lande, die zur Schau getragen wird.

Geht es uns wirklich so schlecht? Oder doch nicht? Oder liegen die Befragungen für die Stimmungsbarometer und Ähnlichem so daneben, weil die Antworten den Erwartungen angepasst sind? Es nimmt nicht wunder, wenn mitunter Zweifel aufkommen an all dem Gezetere, das aus allen Ecken zu vernehmen ist. Oder könnten wir nicht doch etwas dazu beitragen respektive zulassen, dass sich der Staat und seine Finanzen wieder erfangen, auf dass man wieder Handlungsspielraum für die Gestaltung der Zukunft ermöglicht?

Bei Licht betrachtet muss man angesichts der tatsächlichen Lebensverhältnisse, die sich von den in Zahlen gespiegelten oft diametral unterscheiden, wohl ja sagen -ohne dass die Meldungen davon, dass vielen in einem kargen Jahr auch ein karges Weihnachtsfest blüht, untergehen sollen.

Die Stimmung ist freilich nicht danach. Nicht wegen der ewig geifernden Opposition, vor allem aber auch nicht wegen des fehlenden Mutes der Regierung.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. November 2025

Montag, 24. November 2025

Wer von hohen Lebensmittelpreisen profitiert

Nur vier von 100 Euro, die wir fürs Essen ausgeben, landen bei den Bauern. Sogar der Finanzminister hat mehr davon. Am meisten landet – noch vor dem Handel – in Gastronomie und Hotellerie.

Hans Gmeiner

Salzburg „In der Landwirtschaft kann man nichts verdienen, aber an der Landwirtschaft kann man viel verdienen.“ Diesen Satz bekommt man auf den heimischen Bauernhöfen schon mit der Muttermilch mit. Franz Sinabell, Agrarexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, relativiert ihn nur geringfügig. „In der Landwirtschaft kann man gerade so viel verdienen, dass man über die Runden kommt, und an der Landwirtschaft kann man gut verdienen“, sagt er und untermauert das mit Zahlen. „Von 100 Euro, die für Lebensmittel ausgegeben werden, kommen nur wenig mehr als vier Euro in der Landwirtschaft an.“

Am meisten geht an Gastronomie und Hotellerie

Mehr als doppelt so viel, nämlich neun Euro, gehen als Steuern in die Staatskasse, und fünf Euro landen bei den Verarbeitern der Produkte, die die Bauern liefern. Die großen Brocken aber teilen sich der Handel sowie Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe. In den Groß- und Einzelhandel gehen laut einer Aufstellung der „Wertschöpfungsverteilung bei Haushaltsausgaben für Nahrung und Getränke in Österreich“, die das Wifo erarbeitete, 14 von 100 Euro und in die Gastronomie und Hotellerie zusammen sogar 17 Euro von 100.

Ein Drittel landet direkt oder indirekt im Ausland

Damit nicht genug. Zwölf von 100 Euro, die die Konsumenten für Lebensmittel zahlen, landen direkt oder indirekt in Immobilien, bei Patenten oder bei Markenrechten. Dort ist es oft der Handel, der die Hand ein zweites Mal aufhält und etwa über Eigenmarken oder Immobiliengeschäfte profitiert. Was selbst Sinabell überraschte: „Mehr als ein Drittel, 34 Prozent, der Ausgaben für Lebensmittel landet direkt oder indirekt im Ausland.“ Dazu zählen nicht nur die Ausgaben für importierte Lebensmittel, sondern auch die Aufwendungen für Importe von Gütern, die gebraucht werden, um Nahrungsmittel in Österreich herzustellen. „Der Bogen reicht da bis hin zu Energieimporten“, erläutert Sinabell.

Insgesamt ist dieser Kuchen gut 100 Milliarden Euro groß. Die 4,3 Mrd. Euro, die als Bruttowertschöpfung dabei im Vorjahr auf die Landwirtschaft entfielen, nehmen sich sehr bescheiden aus angesichts des Geschäftsvolumens, das zu einem guten Teil mit den Produkten gemacht wird, die die Bauern liefern. Im Groß- und Einzelhandel etwa geht es um ein Volumen zwischen 15 Mrd. und 20 Mrd. Euro und in der Gastronomie um rund 14 Mrd. Euro. Und da ist noch gar nicht die Rede von den fast 10 Mrd. Euro, die als Steuern in die Staatskasse fließen.

Landwirtschaft will nicht den Schwarzen Peter

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist nachvollziehbar, dass sich die heimische Landwirtschaft in der Diskussion um die hohen Lebensmittelpreise nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen will. „Unsere Untersuchungen belegen, dass der Anteil der bäuerlichen Produktion am Endpreis gering ist und weiter abnimmt“, sagt Sinabell. Er stellt die Rechnung am Beispiel Brot auf: „Weniger als fünf Prozent des Endpreises gehen an den Bauern, der Rest verteilt sich auf Mühle, Bäckerei, Verpackung, Transport, Handel und Steuern.“

Die Wifo-Analyse zeigt, dass die Preissteigerungen der vergangenen Jahre kaum auf die Landwirtschaft zurückzuführen sind. Vielmehr seien es gestiegene Energiepreise sowie höhere Löhne und Transportkosten, die sich laut dieser Untersuchung in der gesamten Kette niederschlagen. Besonders stark sei dabei der Außer-Haus-Konsum wegen der gestiegenen Personalkosten in Gastronomie und Hotellerie betroffen. Im Lebensmittelpreisindex gehe das aber unter.

Österreich nicht im Spitzenfeld bei Preisen

Im internationalen Vergleich liegt das Preisniveau von Lebensmitteln in Österreich im oberen Mittelfeld, aber nicht an der Spitze. „Lebensmittel in Österreich sind leistbar“, sagt Sinabell. „Was fehlt, ist aber oft ein faktenbasierter Blick auf die Sachlage.“ Zu berücksichtigen sei auch, dass sich Österreich durch ein hohes Qualitätsniveau, einen überdurchschnittlichen Bioanteil und strengere Produktionsstandards von anderen Ländern abhebt.

Alkohol ist billig wie kaum wo sonst

Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel an den gesamten Haushaltsausgaben beträgt in Österreich nur zwölf Prozent. „Das ist der drittniedrigste Wert in der EU.“ Nahrungsmittel wie Brot, Milch, Milchprodukte, Fleisch, Obst und Gemüse, aber auch Getränke sind in vielen europäischen Staaten deutlich teurer als in Österreich. So liegt Österreich bei Milch und Milchprodukten erst an 22. Stelle, bei Fleisch an siebter, bei Brot an sechster und bei Nahrungsmitteln und Getränken insgesamt an neunter Stelle. Billig wie kaum sonst wo in Europa ist Alkohol. Da liegt Österreich an 32. Stelle.

Die Forderung nach Preisdeckeln für Lebensmittel hält Sinabell für fragwürdig. „Wenn man die Position der Bauern verbessern will, muss man sie messbar machen und dann gezielt stärken“, sagt er. Sein Rezept: die Einführung eines Preismonitoring-Systems nach französischem Vorbild, in dem Datenquellen gebündelt werden und das schrittweise zu einem umfassenden Monitoring ausgebaut wird, um mehr Transparenz zu schaffen.

Salzburger Nachrichten – Wirtschaft, 24. November 2025

Bauern profitieren von teuren Lebensmitteln am wenigsten

Salzburg. „In der Landwirtschaft kann man gerade so viel verdienen, dass man über die Runden kommt, und an der Landwirtschaft kann man gut verdienen.“ Das sagt kein Landwirt, sondern Franz Sinabell, Agrarexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Denn von 100 Euro, die für Lebensmittel ausgegeben werden, kommen nur etwas mehr als vier Euro in der Landwirtschaft an. Immerhin geht es um 100 Milliarden Euro. Wo gehen dann die restlichen 96 Prozent dieses Kuchens hin? Das zeigt die Wertschöpfungsverteilung bei Haushaltsausgaben für Nahrung und Getränke in Österreich, die das Wifo erarbeitete. Demnach landen 17 von 100 Euro in der Gastronomie und Hotellerie. Damit nicht genug: Zwölf von 100 Euro, die die Konsumenten für Lebensmittel zahlen, wandern direkt oder indirekt in Immobilien, Patente oder Markenrechte. Dort ist es oft der Handel, der die Hand ein zweites Mal aufhält und etwa über Eigenmarken oder Immobiliengeschäfte profitiert. Ohne diesen Posten gehen 14 von 100 Euro in den Groß- und Einzelhandel.

Was selbst Sinabell überraschte: „Mehr als ein Drittel, 34 Prozent, der Ausgaben für Lebensmittel landet direkt oder indirekt im Ausland.“ Dazu zählen nicht nur die Ausgaben für importierte Lebensmittel, sondern auch die Aufwendungen für Importe von Gütern, die gebraucht werden, um Nahrungsmittel in Österreich herzustellen. „Der Bogen reicht da bis hin zu Energieimporten“, erläutert Sinabell. Seite 15

Salzburger Nachrichten - Seite 1, 24. November 2025


Donnerstag, 20. November 2025

Politblase blockiert Politik

Österreichs Politik hat in diesen Tagen nur ein Thema - Harald Mahrer. Dieses Thema ist, was man "fett" und "ergiebig" nennt. Und es passt wie maßgeschneidert in den Kosmos der Politblase, die im Land die Deutungshoheit zu haben glaubt und sich gerne als Jagdgesellschaft versteht. Da ist einer, der immer schon Kanten gezeigt hat, der als arrogant empfunden wurde, zu dem man nie wirklich eine Nähe gefunden hat und der zu allem Überfluss noch der Chef einer Kammer und einer der mächtigen Männer in der ÖVP war. An so einem Mann und seinem Scheitern kann man sich wunderbar abarbeiten. Mahrers Fall ist, was die Politblase liebt, ist man doch vorzugsweise damit beschäftigt, sich gegenseitig zu beschädigen und schlecht zu machen. Da kann man alte Rechnungen begleichen und sich profilieren. Es muss gestritten und ausgeteilt werden. Das vor allem. Nach vorne schaut man freilich nie.

Bei Mahrer war alles aufgelegt. Er war von Beginn an verloren, aus eigenem Verschulden. Aber sei's drum - Mahrer ist Geschichte. Das ist wohl auch gut so.

Mit Fällen wie Mahrer wird, auch wenn es um einen bedeutenden Posten und eine bedeutende Institution im Land geht, Zeit vergeudet und werden Kapazitäten gebunden, die anderswo fehlen. Das hemmt die politische Arbeit an den tatsächlichen Problemen des Landes, wirft sie zurück und gaukelt eine Aktivität vor, die weit von dem entfernt ist, was das Land braucht. Und von dem, was sich die Leute erwarten. Zumal in einem Land, das so in den Seilen hängt wie derzeit Österreich.

Dabei ist klar, Fälle wie den Fall Mahrer darf und sollte es nicht geben. Sie sollten die politische Arbeit nicht bremsen. Dass sie es tun, ist zur Kultur geworden in diesem Land. Man versteht es, damit das p.t. Publikum zu unterhalten, man spielt sich gegenseitig die Bälle zu, man ist sich der Schlagzeilen sicher und oft auch des Beifalls von den Rängen.

Da wird zum Greifen, warum in diesem Land nichts weitergeht. Alleine die Vorwoche zeigte es. Da war nicht nur Mahrer, dessen Fall den Politbetrieb beherrschte und damit blockierte. Da waren auch so Themen wie die Juwelen Habsburgs und die unklare Antwort des Enkels des letzten Kaisers auf die Frage, ob er sich als rechtmäßiger Kaiser von Österreich sehe, oder die Auseinandersetzung um das unselige Dinghofer-Symposium im Parlament.

Das alles gilt als Politik im Land. In Wahrheit Nullthemen aus der Vergangenheit allesamt, die nicht auf der großen Bühne gelöst werden müssten, sondern auf kurzem Weg abgehandelt werden sollten. Genauso wie eigentlich auch der Rücktritt eines Kammerpräsidenten nicht große Politik sein darf, die das Land gleichsam in Geiselhaft nimmt, während die wirklichen Themen zu kurz kommen -Themen wie eine Strategie für die Industrie oder die explodierenden Ausgaben der Länder, insbesondere Wiens, und die Folgen für das Bundesbudget, die daneben in der Vorwoche fast untergegangen sind.

Da nimmt nicht wunder, dass die Politik im Ansehen der Leute regelrecht abstürzt. Der Großteil der Menschen in diesem Land fühlt sich politisch nicht mehr gehört. Die Jungen verlieren das Vertrauen in die Politik. Nur einer profitiert davon und darf sich die Hände reiben -Herbert Kickl und seine Freiheitliche Partei. Für sie war die vorige Woche wieder eine Steilvorlage. Nicht nur, weil sie sich nach dem Wöginger-Desaster schon wieder in Häme ergehen konnte, sondern auch, weil die Volkspartei insgesamt in Probleme schlitterte, die schnell an die Substanz gehen können. Und das nicht nur jener der Volkspartei, sondern auch jener der Regierung.

Der Druck auf den Bundeskanzler, nach der Phase der Beruhigung endlich Leadership zu zeigen und Ziele vorzugeben, wächst rasant. "Die Regierung fährt sich gerade im Morast fest", schreiben prominente Zeitungskommentatoren inzwischen. Und: "Die Bundesregierung muss heuer noch Pflöcke einschlagen, um nicht ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren."

Dies auch schon alleine deswegen, um einen Vergleich verstummen zu lassen, der immer öfter zu hören ist. Da und dort lästert man, "Stocker erinnert mich nicht nur wegen der Physiognomie immer öfter an Fred Sinowatz". Der war, für die Jungen unter den Lesern, in den 1980ern SP-Bundeskanzler und ging mit dem Satz "Es ist alles sehr kompliziert" in die Geschichte ein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. November 2025

Mittwoch, 12. November 2025

Wenn Bürgermeisterinnen in der Schulküche stehen

In einer Gemeinde im Oberösterreichischen, die seit Jahren finanziell mit dem Rücken zur Wand und damit unter finanzieller Kuratel des Landes steht, stand kürzlich für ein paar Tage die Bürgermeisterin höchstpersönlich mit freiwilligen Helfern in der Schulküche, weil es wegen unerwarteter Krankenstände an Personal fehlte. Dem Vernehmen nach soll sie auch schon zur Malerbürste gegriffen haben, um im Gemeindeamt einen Raum auszumalen. Aus Salzburg meldeten dieser Tage die Zeitungen Verschiebungen von Schulbauprojekten und Straßensanierungen und Kürzungen im Sport-und Kulturbereich und bei Vereinen, weil es an Geld fehlt.

Meldungen wie diese häufen sich. Das nimmt nicht wunder. Immer mehr Gemeinden im Land sind das, was man gemeinhin "völlig blank" nennt. Sie sind auf Zuschüsse der Länder angewiesen und können kaum mehr etwas planen oder gar umsetzen. "Wegen jedem Euro müssen wir in die Landeshauptstadt", heißt es dann.

Mehr als die Hälfte der Gemeinden steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Seit 2019 sind laut Agenda Austria die Einnahmen der Gemeinden um 31 Prozent gestiegen, die Ausgaben aber um 39 Prozent. Der Schuldenberg allein der Kommunen wird inzwischen mit 23 Milliarden Euro vermessen und die Prognosen schauen düster aus.

Längst fragt man auf der Suche nach Sparpotenzial in den öffentlichen Haushalten "Wozu brauchen wir so viele Gemeinden?", zumal es in Österreich immer noch 2.092 Gemeinden gibt und rund 200 davon nicht mehr als 1.000 Einwohner zählen. Für nicht wenige im Land ist klar, dass -oft neben den Bezirksverwaltungen -die Gemeindeebene die Verwaltungsebene ist, auf die man verzichten kann, seien doch ineffiziente Verwaltungsstrukturen "eine von vielen Gruben, in denen Steuergelder sinnlos versickern".

Da mag etwas dran sein. Aber selbst die schärfsten Kritiker erkennen an, dass es gerade die Gemeinden sind, die identitätsstiftend sind. Dort ist man daheim, dort fühlt man sich zugehörig, dort ist für viele der Ankerplatz im Leben. Einfach Heimat und Teil der Identität und des Selbstverständnisses auch. Daran ist oft schwer zu rütteln, zumal dann, wenn man dort geboren und groß geworden ist und gar in der Gesellschaft, im Gemeinderat, in der Pfarre, in Vereinen engagiert ist. Da hat man schnell Sorge, im Großen verloren zu gehen und unsichtbar zu werden.

Gemeinden zusammenzulegen ist daher vor allem draußen am Land politischer Sprengstoff pur. Der Graben zwischen Stadt und Land wächst, nirgendwo ist die Angst größer, dass man persönlich in den kommenden Jahren zu den Verlierern zählt. Die jüngste Eurobarometer-Befragung zeigt, dass vor allem im ländlichen Raum und in regionalen Zentren außerhalb großer Städte die Sorge am größten ist, dass sich in den kommenden Jahren der Lebensstandard verschlechtern wird. Und das nicht wegen denen in der Gemeinde, sondern wegen denen in der Stadt. Da wünscht man sich Stärkung und nicht Schwächung, als die Zusammenlegungen von Gemeinden meist empfunden werden.

Da kann man sich im wahrsten Sinn des Wortes schnell die Finger verbrennen, wenn man an dem rüttelt, was für viele eine Grundsäule des Selbstverständnisses ist. Schulden hin oder her. Vor allem Landespolitikern ist das bewusst. Landeshauptleute wie Johanna Mikl-Leitner sagen zwar "Verwaltung muss schlank, effizient und bürgernah sein", betonen aber im gleichen Atemzug "Gemeinden sind das Rückgrat unseres Landes". Ihr oberösterreichischer Kollege Thomas Stelzer bekräftigte erst am vergangenen Wochenende in der TV-Pressestunde die Forderung nach einer Neuverteilung der Einnahmen vom Bund in Richtung Länder und Gemeinden. "Es ist genug Geld da", befindet er.

Die Auseinandersetzung gewinnt an Spannung. Man müsse freilich auch "bei uns selbst" über Reformen reden, etwa was die Kooperationen zwischen Gemeinden angeht, zeigte sich erst vor Monatsfrist Gemeindebund-Chef Johannes Pressel verständnisvoll. Gleichzeitig forderte er aber verstärkte Mitsprache bei der Aufteilung der Mittel ein und sorgte mit dem Vorschlag, die Gesundheit in den Bund, dafür aber die Kinderbetreuung und Schulen zur Gänze zu den Ländern zu verschieben, für Aufsehen.

Auch wenn die Zeit drängt und für viele die Lösung klar sein mag, wird es wohl noch vieler Diskussion bedürfen. Klar ist nur, dass Bürgermeisterinnen in der Gemeindeküche und mit Malerbürste in der Hand nicht die Zukunft sein können. Auch wenn das von den Bürgerinnen und Bürgern sehr geschätzt wird.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. November 2025

Donnerstag, 6. November 2025

Der Herr Wöginger und wir

Das Land erregt sich seit Wochen an der Causa August Wöginger. Die Diversion erscheint vielen als zu mild, das Urteil soll nun noch einmal aufgemacht werden. Das hinwiederum sorgt auch für Aufregung. Mit Wonne arbeitet man sich an der Volkspartei ab und an der Politik insgesamt. Antikorruptionsexperten werden mit Warnungen vor einem Vertrauensverlust in staatliche Institutionen zitiert. Für die Opposition ist es ein gefundenes Fressen. Nicht nur der politische Gegner wird gegeißelt, auch die Justiz wird in Zweifel gezogen und angepatzt.

Was freilich gar nicht vorkommt, ist, dass dieses Urteil und was dem VP-Klubobmann vorgeworfen wird, nicht nur die Abgründe der Politik spiegelt, sondern auch die der Gesellschaft.

Denn was da im Innviertel geschah, ist nicht neu. "Das System Wöginger war jahrzehntelang so etwas wie die Geschäftsordnung der Österreich AG", sagt einer, der den Politbetrieb im Land von innen und außen kennt. "Wer was anderes sagt, ist ein Heuchler", fügt er hinzu. Und hat wohl recht damit. Mitgetan haben in diesem System alle. Bei jeder Partei, vor allem aber bei der Volkspartei und der SPÖ.

Alle haben gewusst, wie die Wege gehen. Die Mechanismen waren bekannt und wurden genutzt und benutzt. Von vielen. Man erwartete, und erwartet immer noch, dass sich Politiker für einen einsetzen und auch, dass sie etwas richten. Tun sie das nicht, müssen sie um seine Stimme und auch um ihr Renommee bangen. Oft jedenfalls. Die Gesellschaft, die Wähler, sind es meist, die genau das von Wöginger und seiner Kollegenschaft, gleich aus welcher Partei, seit jeher einfordern und erwarten. Das spiegelt nichts anders als das Verständnis von Politik der meisten Menschen hierzulande. Neu ist eigentlich nur, dass Wöginger nun sagt, dass er die Dinge heute ganz anders als damals vor neun Jahren sehe und er, wenn er gewusst hätte, welche Konsequenzen sein Handeln hat, das nicht mehr tun würde.

Es reicht noch heute, Politiker jedweder Couleur bei öffentlichen Auftritten zu beobachten. Die allermeisten sind umschwirrt von Sekretärinnen und Sekretären, die einzig deshalb mit dabei sind, um die Wünsche und Anliegen der Wählerinnen und Wähler, die das persönliche Gespräch suchen, aufzunehmen. Sei es die Bitte, sich für einen Job für den Sohn oder die Tochter einzusetzen bei der Gemeinde oder beim Land oder in einem öffentlichen Unternehmen, für eine Förderung für eine Wohnung oder eine Maschine, für Nachsicht bei einer Behördenkontrolle, bei der es etwas auszusetzen gab, für die Verlegung einer Hochspannungsleitung oder einer Straße, oder für einen Platz im Studentenheim.

Die Anliegen, die bei solchen Gelegenheiten vorgebracht werden, sind zahllos. Und ganz selten geht es dabei darum, dass wirklich die politische Diskussion gesucht wird, dass EU-Themen diskutiert werden, die Verkehrspolitik oder gar weltpolitische Themen.

Nicht anders ist es bei den zahllosen Sprechtagen, die Politikerinnen und Politiker im ganzen Land abhalten. Da geht es um nichts anderes. "Ich war einmal dabei, da sollte ein Minister mit der örtlichen Bank reden, um den Zinssatz für den Kredit günstiger hinzubekommen", erzählt einer aus dem Nähkästchen der Republik. Und unvergessen ist die Antwort, die der Personalchef eines staatsnahen Industriebetriebs für einen Vater parat hatte, der für seinen Sohn wegen eines Jobs fragte. "Keine Chance", bekam der zu hören, "du bist ja nicht bei unserer Partei."

Schon in den vergangenen Jahren, vor allem seit dem EU-Beitritt, hat sich vieles verändert. Objektivierung wurde mit einem Mal vorgeschrieben, Transparenz spielte mit einem Mal eine Rolle und Gerechtigkeit im Wettbewerb.

Das ist auch gut so und war und ist notwendig. Und blieb nicht ohne Folgen -vor allem in der Politik. Nicht wenige führen die Schwäche der SPÖ darauf zurück, dass sie kaum mehr etwas zu vergeben hat. Nicht zuletzt, weil es keine verstaatlichte Industrie mehr gibt. Und nicht wenige führen die Volten der Volkspartei, um an der Macht zu bleiben, drauf zurück, um sich den Einfluss zu bewahren.

Darunter, dass sich die Verhältnisse geändert haben, leiden wohl beide ehemaligen Großparteien. Ob die Causa Wöginger freilich wirklich ein letzter Ausläufer ist, muss sich erst weisen. In der Politik, bei den Parteien.

Aber auch bei den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. November 2025

Donnerstag, 30. Oktober 2025

Streit um Zölle trifft die Bauern

Seit US-Präsident Donald Trump, aber auch die EU und China Politik mit Zöllen machen, bleibt in der Landwirtschaft kein Stein mehr auf dem anderen.

Hans Gmeiner

Salzburg Für Hans Schlederer, Chef der oberösterreichischen Schweinebörse, ist die Sache klar. „Die Schweinebauern zahlen aktuell die Zeche für die europäischen Autobauer“, sagt er. Als die EU vor Jahresfrist die Importzölle für E-Autos aus China um 25 Prozent anhob, bremste Peking zunächst mit Anti-Dumping-Untersuchungen die Schweinefleischimporte aus Europa. Anfang September dieses Jahres war dann endgültig Schluss mit lustig. Nach langem Hin und Her wurden die Einfuhrzölle für Schweinefleisch aus Europa auf zwischen 20 und 62 Prozent angehoben.

Seither ist bei den Schweinebauern Feuer am Dach. Die Exporte nach China – sie machten zuletzt mit einem jährlichen Volumen von 1,5 Millionen Tonnen gut ein Drittel der Schweinefleischexporte der EU aus – sind de facto eingestellt. Innerhalb weniger Wochen kippte der im Herbst ohnehin stark versorgte Schweinefleischmarkt und die Preise für die Bauern sind seither auf Talfahrt.

Der Schweinemarkt ist nicht der einzige Agrarmarkt, auf dem die internationalen Krisen und vor allem die Zollstreitigkeiten alles durcheinanderwirbeln. Die Marktverwerfungen sind massiv. Die Märkte insbesondere für Soja, Mais, Getreide, aber auch für Düngemittel sind dabei, sich neu zu ordnen. Die europäischen Bauern könnten dabei besonders unter Druck kommen, befürchtet man.

US-Bauern als Verlierer, obwohl sie treue Trump-Wähler sind

Die Probleme sind vielschichtig. War es zunächst der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der die Märkte durcheinanderbrachte, so geht es jetzt um Zölle, mit denen vor allem US-Präsident Trump, aber nicht nur er, Politik macht. Zuletzt waren es ausgerechnet die ohnehin seit Jahren von Einkommensverlusten gebeutelten US-Farmer, treue Trump-Wähler, die besonders unter Trumps Zollfuror zu leiden hatten. Seit sich der US-Präsident mit China anlegte und die Einfuhrzölle für China-Ware kräftig anhob, kauft Peking kein Kilogramm Soja mehr aus den USA. Dabei ist Soja mit großem Abstand wichtigstes Agrarexportgut der USA.

In den vergangenen Jahren gingen bis zu 60 Prozent der Sojabohnenexporte nach China. Nun rechnet man damit, dass Trump und der chinesische Staatschef Xi Jinping noch in dieser Woche ein Abkommen unterzeichnen und die US-Farmer wieder Sojabohnen nach China liefern können. China versorgte sich zuletzt aus Brasilien und aus Argentinien. Die US-Farmer freilich mussten sich neue Abnehmer suchen. Das machte vor allem Sojabauern in Europa nervös. Sie fürchteten wachsenden Preisdruck. „Die Ware ist billig“, sagt Helmut Feitzlmayr, Marktexperte der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Das hat freilich zwei Seiten. „Das trifft die Sojabauern, freut aber die Schweinebauern, weil Sojaschrot für die Fütterung billiger wird.“

Zölle treffen Käse und Wein

Für Unsicherheit sorgt auch das Zollabkommen, das die EU mit US-Präsident Trump im Sommer abschloss. Die EU gestand dabei den USA zollfreie Importkontingente für Schweinefleisch, Milchprodukte, Sojaöl, Lebensmittelzubereitungen und viele andere Produkte im Wert von insgesamt 7,5 Mrd. Euro zu. Aber nicht nur das. Die EU akzeptierte für Agrarprodukte und Lebensmittel auch einen US-Pauschalzoll von 15 Prozent. Besonders betroffen davon sind vor allem Käse, aber auch Wein.

Auf Sturm stehen die Zeichen auch auf den Düngermärkten, seit die EU mit Juli Strafzölle für Düngerimporte aus Russland einführte. Wie auf dem Schweinefleischmarkt zahlen auch da die Bauern die Zeche für eine Maßnahme, die insbesondere von der europäischen Düngerindustrie gefordert wurde. Während dadurch mineralischer Dünger für die europäischen Bauern empfindlich teurer wird, verkauft Russland Berichten zufolge etwa Harnstoff statt nach Europa nun – zollfrei – in die USA. Für die europäischen Bauern, auf die mit Beginn 2026 auch eine CO₂-Steuer auf Dünger zukommt, bedeutet das, dass sich ihre internationale Wettbewerbsposition auf den Getreide- und Maismärkten wegen der höheren Kosten verschlechtert, für die US-Farmer aber verbessert.

Gute Ernten, schlechte Preise


Doch damit nicht genug. Noch nicht ausgestanden ist für die europäische Landwirtschaft auch das Thema Mercosur-Abkommen, das die EU mit südamerikanischen Staaten wie Brasilien und Argentinien abschließen will. Die Bauern, vor allem in Frankreich und in Österreich, befürchten, dass dadurch der Druck auf die Preise bei Rindfleisch, aber auch bei Zucker und einer Reihe anderer Produkte stark steigen wird.

Neben allem haben die Landwirte vor allem auf den Getreidemärkten und bei Mais heuer mit miserablen Preisen zu kämpfen. Bei Weizen werden aus allen Teilen der Welt Rekordernten gemeldet. Bei Mais ist es nicht anders, obwohl heuer vor allem die osteuropäischen Länder schlechte Ernten hatten. Die Preise sind im Keller. Für Trockenmais bekommen die Bauern 160 bis 170 Euro je Tonne, für Nassmais mit 30 Prozent Feuchtigkeit nur 80 Euro je Tonne. „Das ist so wenig wie schon lange nicht mehr“, sagt Feitzlmayr. „Aber damals waren die Preise für Dünger und Pflanzenschutzmittel noch deutlich niedriger.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. Oktober 2025

Mit Steilvorlagen ins Aus

Der vergangene Sonntag verlief für Herbert Kickl etwas anders als sonst seine Sonntage verlaufen. War ja der Staatsfeiertag. Da verteilte der Obmann der Freiheitlichen Partei auf dem Neutralitätsfest seiner Partei in Wien Gulasch. Normalerweise wünscht er per Selfie in sportlicher Montur und verschwitztem Gesicht auf seinen Social Media-Kanälen -Kickl hat alleine auf Facebook, X und Instagram mehr als 465.000 Follower und damit ein Vielfaches seiner Konkurrenten - einen schönen Sonntag aus irgendeiner Bergwand in Österreich.

Mehr braucht er derzeit nicht zu tun. Es läuft für ihn, wie es besser nicht laufen könnte. Kickl kann es sich leisten, nur Sonntagswünsche auszuschicken. Die Umfragen weisen ihm derzeit 38 Prozent aus, die wohl bald 40 sein werden. Die anderen Parteien müssen sich indes vorwiegend mit Themen abstrudeln, die er angezettelt hat -von stärkerem Grenzschutz über Ausweisungen von Syrern und Afghanen und Kopftuchverbot, Stromkosten und Inflation natürlich bis hin zur Brüsseler Politik, an der Kickl auch genug auszusetzen findet.

Und sie machen dabei keine gute Figur, sondern vermitteln Tag für Tag überall eher das Gefühl, überfordert zu sein und nichts weiterzubringen. Das spiegeln die Umfragen wider. Die Kanzlerpartei ÖVP hat Mühe, sich über 20 Prozent zu halten, die Babler-SPÖ schafft selbst das nicht.

Das nimmt nicht wunder. Zum einen hecheln sie Kickls Themen, wie etwa beim Kopftuchverbot, hinterher, während die Karawane längst weitergezogen ist und andere Themen die öffentliche Diskussion beherrschen. Und zum anderen liefern sie der FPÖ Woche für Woche wie zur Bestätigung der Vorwürfe, die von der FPÖ kommen, neue Steilvorlagen wie den Fall Wöginger oder jüngst den tragischen Fall einer 55-jährigen Mutter in Oberösterreich, die mit einem Aorta-Einriss in keinem Spital aufgenommen wurde.

Eine Steilvorlage sind in nämlichem Bundesland auch die Zustände im Leit-Spital, das im Eigentum des Landes steht. Dort wurde jüngst die Zahl der Operationen kurzfristig drastisch eingeschränkt, weil es an Personal fehlt. Obwohl die Zuspitzung angeblich länger bekannt war, fiel der VP-Gesundheitslandesrätin nicht viel mehr ein als ein "Ich verstehe den großen Unmut und die Sorge der Betroffenen".

Da verwundert, mit Verlaub, nichts mehr. Kickl und seine FPÖ können, was andere nicht können. Sie sind bei den Leuten und können Themen machen und diese zuspitzen. Die Botschaften sind klar. Man versteht es, Finger in Wunden zu legen, man hat ein Gespür dafür, was die Leute beschäftigt, das andere nicht haben, auch weil sie zu sehr in der Verantwortung und in Parteiinteressen verstrickt sind. Die Freiheitlichen bringen Fragen, die die anderen Parteien, zumal solche in Regierungsverantwortung, nicht bringen, weil sie ihnen nicht in den Kram passen und sie sich selbst nur schaden würden damit.

Die FPÖ versteht es, den Leuten die Gefühle der Menschen zu bestätigen und für sich zu nutzen. Es ist Oppositionspolitik, ohne Verantwortung, aber perfekt gespielt. Der Bürgermeister der Stadt Wels, dem immer wieder eine große Zukunft in der FPÖ vorausgesagt wird, lieferte kürzlich in einem Interview in den OÖ Nachrichten ein eindrückliches Beispiel dafür. "Veränderung ist mit den aktuellen Regierungsparteien nicht möglich", sagte er da. Es gehe immer "in erster Linie darum, die eigenen Freunde und Privilegien abzusichern. Aktuell gehe Wohlstand verloren in Österreich, "die Menschen spüren das". Warum gerade die Pensionisten die Gruppe sei, die draufzahlen sollte, verstehe er nicht und schlägt eine Kürzung des Förderungsvolumens auf das Niveau von 2019 vor, mit dem man 20 Milliarden Euro einsparen könnte.

Sätze sind das, die viele in diesem Land unterschreiben, gegen die man kaum argumentieren kann, die aber von Parteien in Regierungsverantwortung nicht kommen können. Nicht nur, weil man sich selbst beschädigen würde, zumal dann, wenn man keine besseren Ideen hat, wenn man an Altem festhält oder mit der Verteidigung der Vergangenheit zu tun hat, sondern auch, weil man keine Geschichte und keine Vision für die Zukunft zusammenbringt.

Für die Gegner Kickls ist das ein Teufelskreis. Ein Rezept haben sie bisher nicht gefunden. Nachahmen ist jedenfalls keines. Und von einem Befreiungsschlag ist nirgendwo etwas zu sehen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30 Oktober 2025 

Donnerstag, 23. Oktober 2025

Leere Rituale - böse Folgen

Österreich hat ein veritables Problem mit wachsendem Antisemitismus. Seit Jahren - und nicht erst seit der mörderischen Auseinandersetzung zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen. Das Problem ist kaum je kleiner geworden, sondern wuchs stetig weiter, zuletzt sprunghaft. Dabei hatte es nie am Engagement gefehlt, gegen den Antisemitismus anzukämpfen. Legion sind die Fernsehdiskussion, die Artikel, die Bücher, die Demonstrationen, die Protestaktionen und die Filme, die gemacht wurden. Was wurde nicht alles an Aufklärungsarbeit geleistet. Immer im ernsten und ernsthaften Bemühen. Oft großartig sogar und immer redlich. Die Argumente hätten überzeugender nicht sein können und auch nicht einleuchtender. Und dennoch ist der Kampf gegen den Antisemitismus in Österreich wohl eher eine Geschichte des Scheiterns, zumal jener in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Die Argumente verfingen nicht, gingen ins Leere, bewirkten oft sogar das genaue Gegenteil dessen, was sie intendierten. Leerlauf im besten Fall. Und Verhärtung im Schlechtesten.

Bei anderen Themen läuft es nicht anders. Das Ringen um Frauenrechte und Emanzipation zählt dazu, der Kampf gegen den neuen Faschismus, der in allen extrem rechten Parteien mehr oder weniger deutlich durchschimmert, oder die Bemühungen, für Flüchtende und Migration Verständnis zu finden. Nichts scheint zu verfangen, oft scheinen sich die Bemühungen ins Gegenteil zu verkehren. Auch das alles Geschichten des Scheiterns. Oft nicht mehr als leere Rituale.

All dieses ständige Scheitern freilich hat nie dazu bewogen, die Strategie zu ändern. Nirgendwo. Immer wieder die gleichen Argumente, immer wieder die gleiche Strategie, immer wieder rennt man mit den gleichen Methoden gegen das an, was man verurteilt -ohne je danach zu fragen, warum man keinen Erfolg hat und schon gar nicht, was man ändern und anderes machen könnte, um doch zu Erfolg zu kommen. Um das zu erreichen, was man will -wenn es um Antisemitismus geht, um das Aufkommen der neuen Rechten oder um Migration oder um Frauenrechte.

Das mag mit vielem zu tun haben. Es hat aber auch, und das mag man gar nicht wahrnehmen, sehr viel damit zu tun, dass man die Menschen, die man überzeugen will von den eigenen Ansichten, kaum je versucht zu verstehen. Man will ihnen, so der Eindruck, gar nicht zuhören und scheint sich stattdessen sehr viel lieber in oft eitler Selbstzufriedenheit ergehen zu wollen, als wirklich zu Erfolgen zu kommen. Man hat ja die Wahrheit gepachtet und die Moral auf seiner Seite. Ist halt einfacher so. Das hat auch viel mit intellektueller Arroganz und Hochnäsigkeit zu tun und viel damit, dass man sich mit Leuten, die solchen Einstellungen anhängen, nicht einlassen mag.

Das macht es schwierig, zumal dann, wenn man erkennen muss, dass diese Leute, was die Ablehnung und Einschätzung ihres Gegenübers betrifft, durchaus oft aus ähnlichem Holz geschnitzt sind wie man selbst. Von sich und ihrer Meinung und Einstellung fest überzeugt, und überzeugt davon, dass das Gegenüber völlig falsch liegt, ja nachgerade ein schlechter Mensch ist. Hochnäsig auch und herablassend.

Dieses Muster ist längst überall zu finden. Und der Riss durch die Gesellschaft ist kaum mehr zu übersehen und noch weit weniger zu überbrücken.

Daran leiden wir. Kaum jemand schaut noch über den eigenen Tellerrand hinaus oder ist, wie man heute wohl sagt, willens, seine eigene Blase zu verlassen, verschafft die ihm doch täglich Selbstbestätigung, ohne sich lange mit der Welt draußen, mit anderen Ansichten und Einschätzungen gar, auseinandersetzen zu müssen.

Man versucht gar nicht mehr zueinander zu finden und auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Es gibt keine Gespräche mehr, sondern allenfalls einen Austausch von Argumenten. Ritualisiert und leer. Das gilt im Privaten und erst recht in der Politik, von der kaum mehr Substanzielles, gar schon Substanzielles über die Parteigrenzen hinweg, kommt, sondern nur mehr PR-Botschaften für die eigene Klientel. Und gar keine Rede davon, den anderen zu akzeptieren.

Und nicht anders ist es mit den Bemühungen um die großen, eingangs zitierten Themen. Warum sich dann auch mit dem Gegenüber ernsthaft auseinandersetzen? Warum ihm zuhören? Warum auf ihn eingehen? Wo man doch die Wahrheit gepachtet hat. Gleich auf welcher Seite man steht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. Oktober 2025

Montag, 20. Oktober 2025

Ernte gut, aber nicht alles gut

Das Wetter war heuer den Bauern meist hold. Sie dürfen sich über durchwegs gute Ernten freuen. Doch die Freude über die hohen Erträge ist nicht ganz ungetrübt.

Hans Gmeiner

In diesen Tagen herrscht noch einmal Hochbetrieb bei den heimischen Ackerbauern. Die Maisfelder werden abgedroschen, die Zuckerrüben geerntet und die letzten Erdäpfel aus dem Boden geholt. Die Kürbisfelder sind abgeerntet und in den Obstanlagen werden die letzten Äpfel von den Bäumen gepflückt. Die Erträge sind meist gut wie schon lange nicht, die Preise aber lassen oft zu wünschen übrig. Vor allem die Ackerbauern sind unter Druck. Nachdem schon im Vorjahr das Einkommensniveau um gut 20 Prozent unter dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre lag, ist heuer kaum mit einer Verbesserung zu rechnen. „Die finanzielle Situation bleibt angespannt und drückt spürbar auf die Stimmung in der Branche“, sagt Franz Waldenberger, Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, einer der wichtigsten Ackerbauregionen.

Den Ackerbauern bleibt trotz der guten Erträge heuer vor allem bei Weizen und Gerste um rund ein Drittel weniger als voriges Jahr. Bei Mais ist es ähnlich, wenn man sich auf der Warenterminbörse nicht bereits im Winter einen damals im Vergleich zu heute noch einigermaßen guten Preis sicherte. Während die Kosten für Dünger und Pflanzenschutzmittel unvermindert in die Höhe kletterten, rutschten die Preise für die Feldfrüchte weiter ab.

Mit rund 190 Euro je Tonne erhielten die Ackerbauern weniger für Mahlweizen als vor den Krisenjahren ab 2020. „Die Inflation betrug seither über 30 Prozent“, rechnet Waldenberger vor. „Im Klartext bedeutet das, dass der Weizenpreis real um gut ein Drittel gesunken ist – und das bei massiv gestiegenen Preisen für Betriebsmittel“, sagt er auch in Richtung all jener, die die Bauern für Preissteigerungen bei Brot, Gebäck, Nudeln und Backwaren verantwortlich machen.

Lag der Deckungsbeitrag bei Weizen, der Erlös, der den Bauern nach Abzug der Kosten bleibt, in Oberösterreich im Vorjahr schon bei mageren 550 Euro pro Hektar, so sind es heuer keine 400 Euro. Bei Futtergerste ist der Rückgang noch dramatischer. Bei dieser Getreideart blieben heuer den Bauern kaum mehr als 200 Euro. Unter Druck sind auch die Deckungsbeiträge bei Mais und Zuckerrüben. Einzig bei Raps und Sojabohne kam man mit einem blauen Auge davon.

Da überrascht es nicht, dass Waldenberger und Helmut Feitzlmayr, Leiter der Abteilung Pflanzenbau in der Landwirtschaftskammer OÖ, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirte zunehmend gefährdet sehen. „Die Kosten sind in der EU deutlich stärker gestiegen als bei internationalen Mitbewerbern.“ Sorgen macht vor allem die Einführung von CO2-Grenzausgleichsmaßnahmen bei Importen, die Dünger noch weiter verteuern werden. „Dabei liegen die Düngerpreise etwa in den USA, aber auch in Russland, die auf den internationalen Märkten den Ton angeben, schon jetzt um 50 bis 70 Prozent niedriger als bei uns, wo die Düngerkosten gut ein Drittel der Gesamtkosten ausmachen.“ Dazu kämen auch immer restriktivere Vorschriften beim Pflanzenschutz, bei dem den Bauern inzwischen ganze Wirkstoffgruppen fehlen, die ihre Konkurrenten auf dem Weltmarkt zur Verfügung haben.

Nicht ganz so angespannt ist die Situation bei den Kartoffelbauern, die vor allem in Niederösterreich daheim sind. Mit den Ernteerträgen zeigt man sich, auch wenn es regional teils deutliche Unterschiede gibt, heuer alles in allem zufrieden. „Wir können heuer den heimischen Markt erstmals seit zwei Jahren wieder selbst versorgen“, sagt Anita Kamptner von den niederösterreichischen Erdäpfelbauern. Dass die Preise wegen der Rekordernte in Deutschland, wo man nach einer Jahrhunderternte bereits von einer „Kartoffel-Schwemme“ spricht, unter Druck kommen werden, befürchtet sie nicht. „Der Erdäpfelmarkt ist ein sehr regional geprägter Markt“, sagt Kamptner.

Gelassen können auch die Bauern bleiben, die in anderen Sparten tätig sind. Bei Wein etwa sprechen die Winzer heuer von einem guten Jahrgang. Und auch die heimischen Apfelbauern können zufrieden sein. Die Frostschäden hielten sich heuer in Grenzen, die Ernte fiel mit rund 200.000 Tonnen deutlich besser aus als im Jahr davor. Und dass kürzlich die heimische Verarbeitungsindustrie angesichts der schlechten Ernte in den wichtigsten Obstgebieten Europas klagte, wird für die heimischen Obstbauern nicht von Schaden sein.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 20. Oktober 2025

Donnerstag, 16. Oktober 2025

Darüber reden, um nicht mehr darüber zu reden

Österreich hadert in diesen Tagen mit der Justiz und der Rechtsordnung. Zuerst der Freispruch für die zehn jungen Burschen, die sich an einer Zwölfjährigen vergingen. Dann in der Vorwoche das Diversionsurteil für August Wöginger, das von vielen als allzu billig gesehen wird. Und dazwischen Fälle wie jener der zwei Buben in Oberösterreich, die mit der Polizei ungestraft Katz und Maus spielen können, oder wie der Fall "Waltraud". Das ist der Fall jenes ehemaligen Wiener Stundenhotelbetreibers, der zuerst das Geschlecht wechseln wollte, um als Frau um vier Jahre früher in Pension gehen zu können und der es mit eben diesem Vorhaben zuletzt darauf anlegte, in einem Frauengefängnis unterzukommen.

Und dabei begann in dieser Woche erst der größte Prozess, der wohl auch für viel Aufsehen sorgen wird - Rene Benko steht vor Gericht. Und alle, die schon jetzt von Zweifeln geplagt werden, werden wohl ganz genau hinschauen.

Die Gazetten sind voll und die Leserbriefspalten, an den Stammtischen und wo immer diskutiert wird, geht es rund. Das Unverständnis ist groß, die Aufregung auch. Viele können nicht nachvollziehen, wie die Justiz zu ihren Urteilen gekommen ist und wundern sich nur mehr, was in Österreich alles möglich ist.

Österreich hat damit ein heikles Thema auf dem Tisch. Ein sehr heikles. Eines, das man nicht haben sollte. Schon gar nicht in einer ohnehin so fragilen gesellschaftlichen Situation wie die, in die man in den vergangenen Jahren hingeraten ist. Daher muss man, auch wenn es als nicht statthaft gilt, über Justiz, Recht und Rechtsordnung reden. Ob man will oder nicht. Man muss darüber reden, damit darüber nicht mehr geredet wird.

Zu viel steht auf dem Spiel. Bei vielen Menschen wachsen die Sorgen um den Rechtsstaat, viele sind dabei, das Vertrauen in diesen zu verlieren. Viele werden damit in die Hände von Populisten und ihren Parteien getrieben, weil sie nicht nachvollziehen können, wie und warum Urteile zustande gekommen sind.

Es geht dabei nicht darum, dem Druck der Straße und populistischen Forderungen nachzugeben und Gesetze anzupassen. Aber es muss darum gehen, den Rechtsstaat, das Recht und die Justiz besser zu erklären. Es muss darum gehen, auch für die breite Bevölkerung und nicht nur für ein paar Spezialisten oder Fachkollegen, Urteile, Bescheide und alles Ähnliche nachvollziehbar zu machen. Die Justiz muss sich besser erklären, denn Recht muss auch verstanden werden. Das Thema ist heikel. Fraglos. Denn zu den Anforderungen gehört nicht nur, dass Recht gerecht ist, sondern wohl auch, dass die Menschen die Rechtsvorschriften verstehen und nachvollziehen können und dass sie nicht überfordert werden.

Das Eis ist freilich dünn, auf dem man sich da bewegen muss. Aber man darf sich nicht davor drücken. Darüber zu reden bedeutet ja nicht automatisch, den Stammtischen oder populistischen Politikern nachzugeben. Vielmehr gilt es Brücken zu bauen und Wege zu finden, die Entscheidungen von Gerichten nachvollziehbar und so wirklich unantastbar zu machen. Auch wenn das vielen als nicht opportun gelten mag. Aber Recht ist auch ein lebendiger Organismus. Und der verlangt Verantwortung.

Auf einem anderen Blatt steht die Rolle von Politikern und Anwälten, die in Verfahren nicht an Schweigepflichten und Ähnliches gebunden sind. Ligitations-PR ist zu einer eigenen Branche geworden, um bei prominenten Verfahren in der Öffentlichkeit Stimmung für Beklagte zu machen. Allzu oft widersteht man nicht der Versuchung, zu laufenden Verfahren Stellung nehmen, sich gar einzumischen oder gar Urteile abzugeben oder die Justiz zu kritisieren. Allzu oft sind sie es, die das Vertrauen in Justiz und Rechtsprechung und auch das Recht untergraben und zum Spielball von Politik und Medien machen.

Und auf einem dritten Blatt steht die Politik, die mit ihren Gesetzen das Feld für die Stimmung im Land aufbereitet, die jetzt Sorgen macht. Zu oft macht man es sich zu einfach und lagert die Verantwortung einfach aus auf Richter oder auch Beamte in Verwaltungsverfahren, weil man sich um die oft nötige Klarheit drückt.

Das Resultat finden immer mehr Menschen in diesem Land bedrückend. "Justitia", die Göttin der Gerechtigkeit, wird meist mit Augenbinde dargestellt, die die Unparteilichkeit des Rechts symbolisieren soll. In Österreich ist das gerade dabei anders interpretiert zu werden -als Blindheit vor der Realität.

Und das sollte nicht sein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Oktober 2025

Freitag, 10. Oktober 2025

Leben in der Kuckucksuhr

Ganz Österreich wartet auf den großen Schub. Nicht erst seit Wochen oder Monaten, sondern seit Jahren. Die Politik bringt ihn nicht zusammen, weil die Politiker nichts zusammenbringen. Jedenfalls nicht das, was das Land braucht. Und auch die Wirtschaft bringt ihn nicht zusammen. Weil die Politik nichts zusammenbringt. Und auch, weil es an Grundsätzlichem fehlt. An Freude an Selbstständigkeit, am Gestalten. Daran, Verantwortung zu übernehmen. Darauf, etwas aufzubauen. Darauf, sich nicht auf andere und den Staat zu verlassen, sondern auf die eigenen Fähigkeiten. Daran, dass man sich etwas zutraut und daran, dass man sein Schicksal selbst in die Hände nehmen will. Kurzum -es fehlt immer öfter an dem, was man unter Unternehmergeist versteht. Der sei abhandengekommen, meinten erst kürzlich Ökonomen, Manager und Investoren, die sich vorgenommen haben, dem nicht mehr zuzuschauen. Sie wollen das Unternehmertum, sagen sie, "in der DNA verankern", in der Kultur des Landes ist damit gemeint.

Das könnte schwierig werden. Aber das weiß man längst in diesem Land, in dem gerade alles schwierig zu sein scheint. Unternehmer zu werden, gilt hierzulande alles andere als attraktiv. Nur magere 5,4 Prozent jener Österreicherinnen und Österreicher zwischen 18 und 64 Jahren, die bisher nicht unternehmerisch tätig waren, denken daran, in den nächsten drei Jahren ein Unternehmen zu gründen. Auch wenn sie im Job als durchaus ehrgeizig und ambitioniert gelten, wie ihnen Umfragen immer wieder bescheinigen. Geringer ist die Lust, sich selbstständig zu machen, nur in Polen. Und sie ist vor allem bei Start-ups weit entfernt von Ländern wie den Niederlanden und sogar Großbritannien. Dagegen wirkt Österreich eher, als liege es in Agonie.

Dabei spielen Jungunternehmen eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, das gesamtwirtschaftliche Potenzial der Volkswirtschaft zu fördern. Würde Österreich bei der Dynamik der Unternehmensgründungen zu den Niederlanden aufschließen, könnte das bis zu 26.000 Arbeitsplätze und ein Plus von zwölf Milliarden Euro beim Bruttoinlandsprodukt bringen, hat Eco Austria errechnet.

Aber damit schaut es nicht wirklich gut aus. Viele aus der Generation Z und viele Millennials haben zwar zu tun, ihre Lebenshaltungskosten zu decken, sind aber weit davon entfernt, eine Führungsposition anzustreben oder gar ein Unternehmen zu gründen. Das will man sich dann doch nicht antun. Was nicht wunder nimmt, wenn man von der Einstellung hört, die in den Köpfen der jungen Leute dominiert. Man hält schlicht nur wenig von Unternehmen und gesteht ihnen keinen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu. Und damit nicht genug. Wenn stimmt, was die Agenda Austria ermittelte, weiß man auch gar nicht viel davon. "Die Wissenslücken in Sachen Wirtschaft sind groß", heißt es dort. Sehr groß offenbar. Beispiele gefällig? 60 Prozent halten den Staat für zuständig zu entscheiden, was im-und exportiert wird. Ebenso viele meinen die Inflation stärke die Kaufkraft und mehr als die Hälfte, dass höhere Zinsen die Staatsschulden senken würden.

Das ist starker Tobak. Und wohl eine Folge dessen, woran unsere Gesellschaft schon lange leidet. Man lebt lieber in der Kuckucksuhr. Man befasst sich gar nicht mehr damit, Verantwortung zu übernehmen, sondern hält es mehr mit der Vollkaskomentalität und lässt machen.

Dabei sind die offiziellen Zahlen gar nicht so schlecht, wie man meinen könnte. Dass es 2024 mit mehr als 36.000 gewerblichen Neugründungen einen neuen Rekord gegeben hat, klingt auch besser, als es ist. Weil davon auszugehen ist, dass mehr als 50 Prozent der Neugründungen nach fünf Jahren nicht mehr aktiv oder insolvent sind, wie die Statistik Austria einmal erhoben hat, schaut das Bild gleich nicht mehr so gut aus.

Man scheitert, woran in Österreich so viele scheitern -vor allem an der Bürokratie und an Regulierungen bei der Gründung, an Kapitalvorschriften, aber auch am nötigen Wissen. Schlechte Geschäftsplanung, Fehlentscheidungen und Fehleinschätzungen gelten als die wichtigsten Gründe dafür, dass über vielen jungen Unternehmungen bald der Pleitegeier kreist.

Die Hoffnung sollte man freilich nicht aufgeben. In den vergangenen Jahren wurden einige Initiativen auf den Weg gebracht. Es ist gut, dass sie das wurden. Aber wirklich gegriffen haben sie noch nicht. Nur das aber wäre das, was zählt. Leider.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Oktober 2025

Donnerstag, 2. Oktober 2025

Und wir klatschen begeistert dazu

Es gibt ja allerhand "Washings", um etwas sauber zu waschen, was nicht so sauber ist. Green-Washing ist wohl am populärsten. Es geht dabei darum, etwas zu schönen und sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen, um Image und Eindruck zu machen. Auch Health-Washing ist, wiewohl nicht ganz so bekannt, allgegenwärtig. Da werden Produkte als gesund und natürlich dargestellt obwohl sie es eigentlich kaum sind und ihre Wirkung nicht wirklich bewiesen werden kann. Dann kennt man natürlich das White-Washing, die eigentlich ursprüngliche Form und Bedeutung von Washing - da werden gerne kritische Aspekte und Dinge, die das Bild trüben könnten, einfach unter den Tisch fallen gelassen oder wortreich beschönigt, um das Image fleckenlos erscheinen zu lassen.

Und es gibt auch das Sport-Washing. In den vergangenen zwei Wochen erlebte die Welt ein besonders eindrückliches Beispiel dieser Methode, um mit großen Sportereignissen oder teuren Sponsorings von politischen Problemen, unethischem Verhalten oder gar Menschenrechtsverletzungen abzulenken und das schlechte Image aufzumöbeln. Ruanda richtete als erstes afrikanisches Land die Rad-Weltmeisterschaft aus. Aus Kalkül, wie man annehmen darf. Denn dort trifft das alles zu. Das Land wird mit harter Hand regiert. Man pflegt gute Beziehungen zu Russland und China. Und Großbritannien und die USA machte man sich zum Freund, weil man sich anbot, Migranten aufzunehmen. Und jetzt diente eben die Rad-WM als Vehikel, die Position weiter zu festigen.

Widerstand und Kritik waren überschaubar, das internationale Echo gewünscht groß. Die Welt ist inzwischen so etwas gewöhnt. Sport-Washing funktioniert besser als jedes andere Washing. Schon Adolf Hitler wusste das, als er 1936 zu den Olympischen Spielen nach Berlin lud. Putin, damals noch hofiert von ganz Österreich inklusive Karl Schranz, wusste es, als er Russland zum Gastgeber der Spiele in Sotchi machte. Und der chinesischen Führung gelang es gar innerhalb weniger Jahr sowohl die Sommer-als auch die Winterspiele zu beherbergen.

Für die Sportler und ihre Funktionäre heißt es meist Augen zu und durch. Der durchschnittliche Fan denkt sich nicht viel dabei. Wir klatschen begeistert Beifall. Und rechtfertigen damit die Strategie -zumindest aus der Sicht derer, die darauf setzen. Und am Ende bleibt immer der Glanz für die Veranstalter.

Sogar für die Scheichs in Katar, für deren Fußball-WM tausende Bau-Arbeiter ihr Leben lassen mussten. "Sie sind gestorben wie die Sklaven beim Bau der Pyramiden" schrieben Kritiker bitter, ohne Wirkung. Und seit Neymar, Ronaldo oder Benzema dem Ruf Saudi-Arabiens, dort zu kicken, nachgaben und die Formel 1 dort ihre Runden dreht, ist keine Rede mehr von der dunklen Seites des dortigen Regimes, von der strengen Justiz mit ihren archaischen Strafen oder gar von der Todesstrafe, die dort, wie übrigens in vielen anderen Ländern auch, die auf Sportwashing setzen, gang und gäbe ist und öffentlich zelebriert wird. Man bewundert die Projekte des Wüstenstaates, macht Geschäfte ohne Wenn und Aber und Reisen nach Saudi-Arabien gelten arglos als der letzte Schrei. Ein Muss für viele.

All die Millionen und Milliarden, die man da hineinsteckte, haben sich bezahlt gemacht. Und schon hat man die nächsten Ziele im Visier. Längst sind Staaten wie Saudi-Arabien dick im internationalen Sportgeschäft, Ölstaaten kaufen ganze Fußballklubs in Europa um mitzumischen, im Rennsport hat man die Finger drin, im Golf und im Tennis.

Sponsoring kennt man seit Jahrzehnten. Damit ist man vertraut. Was ist anders, wenn Staaten auftreten, fragt man. Die Grenze ist tatsächlich fließend. Geht es beim Sponsoring um Erhöhung der Verkaufszahlen und Marketing, steht beim Sport-Washing das Ziel im Vordergrund, mit Großveranstaltungen das angekratzte Image von Staaten und Regierung aufzupolieren. Das sollte man nicht vergessen.

Nicht ohne Grund wählen meist Diktatoren und Despoten diese Methode. So wie jetzt Ruanda. Und dort denkt man offenbar auch schon weiter. Was die Saudis können und die Scheichs am Golf, gefällt auch dort offenbar. In den vergangenen Jahren gelang es, den FC Bayern München, Arsenal und Paris Saint-Germain für Trikotwerbung zu gewinnen. Damit ist es seit einigen Wochen bei den Bayern zwar vorbei, den Fuß aber hat man in München dennoch in der Tür - die Bayern wollen sich weiter um die Talenteförderung im schwarzafrikanischen Land annehmen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Oktober 2025

Donnerstag, 25. September 2025

Nachhaltigkeit mit der Schubraupe

Wo sind die Zeiten geblieben? Früher wurde, zumal dann, wenn das nötige Geld vorhanden war, für Jahrzehnte gebaut, wenn nicht für Jahrhunderte. Massiv musste es sein, aushalten musste es etwas und langlebig musste es sein - kurzum das, was man heute gerne nachhaltig nennt. Freilich, heute hat man dafür außer großen Worten oft nicht sehr viel übrig dafür. Und die Worte können sehr groß sein, wie man weiß. Vor allem dann, wenn neue Bauwerke eröffnet oder in Betrieb genommen werden. "Wir übernehmen Verantwortung auf dem Weg nach morgen", heißt es da gerne, oder "Wir denken heute an morgen".

Viele reden so. Besonders gerne aber die Supermarktketten, die sich, man weiß es, meist nicht genug selbst loben können -gerade auch, wenn sie wieder irgendwo eine neue Filiale eröffnen. Draußen vor der Stadt beim Kreisverkehr, mit großen Parkflächen und oft auf dem brachem Land. Oder weil sie den Standort erneuert haben. Im Klartext bedeutet das oft nichts anderes, als dass innerhalb weniger Monate der alte Markt, der vor vielleicht gerade einmal zwanzig Jahren errichtet wurde, mit der Schubraupe mir nix, dir nix kurzerhand weggeschoben wurde, um innerhalb weniger Wochen einen neuen Markt hinzustellen. Die Presseaussendung des Händlers lobt dann das neue Bauwerk, diese Nachhaltigkeit mit der Schubraupe, wie man sie versteht, dennoch unverdrossen als "Vorzeigeprojekt in Sachen Nachhaltigkeit".

Man sieht das immer wieder. Und man wundert sich immer wieder. Und man fragt sich, wie man dazu kommt. Und man fragt sich nicht nur bei Supermarktketten, sondern auch bei Möbelhäusern, bei Geschäftszentren und ähnlichen seinerzeit schnell und billig hingestellten Bauten, die nichts wert sind und bald im Weg stehen und plötzlich wieder weg sind. Oft bleibt nicht mehr als ein Haufen Schutt.

In Linz etwa steht vor der Stadt seit mittlerweile mehr als zehn Jahren ein komplettes und riesiges Einkaufszentrum leer und wird nur rudimentär genutzt. Aber in Linz steht auch ein Rathaus, das in den 1980ern gebaut wurde und über dessen Abriss nun ernsthaft diskutiert wird. Detail am Rande -der dortige Bürgermeister residierte nie in dem Bau direkt an der Donau, sondern immer im traditionsreichen alten Rathaus auf dem Linzer Hauptplatz, dessen Wurzeln in das 17. Jahrhundert zurückgehen.

In nahezu jeder Stadt und in jedem Ort gibt es solche Bauwerke, die schnell und billig errichtet wurden, bei denen Architektur und Qualität nichts zählten, und schon gar nicht das, was man heute Nachhaltigkeit nennt. Selbst Privathäuser, seinerzeit oft noch mit eigener Hand und massiv gebaut, strahlen inzwischen oft eine Billigkeit aus, die signalisiert, als seien sie nur für Jahre, jedenfalls nicht aber für Generationen gebaut.

Für all das mag es Erklärungen geben. Und bei vielen Bauwerken muss man nachgerade froh sein, dass sie so schnell wieder abgerissen werden. Und dennoch bleibt die Frage nach der Nachhaltigkeit, nach dem Verbrauch von Ressourcen und von Böden. Und, um wieder auf die Supermärkte zurückzukommen, nach dem tatsächlichen Fortschritt. Die Parkflächen werden bei solchen Projekten kaum je verringert, und auch die neuen Märkte scheinen nur gebaut zu sein, um im Fall des Falles, wenn es neue Trends verlangen, wieder schnell abgerissen zu werden.

Aber es ist nicht nur das, was einem aufstößt. Es ist vor allem die Chuzpe, mit der man sich in Sachen Nachhaltigkeit wortreich zu Vorreitern erklärt und auch keine Scheu hat, das von anderen zu verlangen, obwohl die eigene Weste alles andere als sauber ist, vor allem nicht so blitzsauber, wie man das gerne hinstellt. Die Lebensmittelwirtschaft und die Bauern wissen ein Lied davon zu singen, was von ihnen alles verlangt wird. Unvergessen der Biolandwirt aus der Nachbarschaft, der am Sonntag bei heftigem Regen und eigentlich unbefahrbarem Acker Biokraut ernten musste - aus Angst, dass er von seiner ach so nachhaltigen und umweltfreundlichen Supermarktkette ausgelistet wird, wenn er für Montag nicht liefert.

Und doch sei, gleichsam zur Ehrenrettung, angeführt, dass das Thema Nachhaltigkeit bei den heimischen Supermarktketten durchaus viel Platz einnimmt und dabei auch viel vorangebracht wird. Keine Ehre aber ist -nicht nur bei ihnen -zu retten, wenn dabei zweierlei Maß angelegt wird.

Und das ist zu oft der Fall. Leider.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. September 2025
 
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