Donnerstag, 26. Juni 2025

Aber ansonsten geht's uns gut

Wien ist nicht mehr die lebenswertste Stadt der Welt. Nach drei Jahren an der Spitze wurde unsere Bundeshauptstadt von Kopenhagen abgelöst und muss sich mit Zürich nun den zweiten Rang teilen. Auch unsere Badegewässer sind, wiewohl immer noch sehr sauber, nicht mehr die allersaubersten. Aber es ist ja schon auch beim Skifahren im Winter nicht ganz so toll gelaufen und unsere Fußball-Nationalmannschaft hat schon geschwächelt, wenn es nicht gerade gegen San Marino ging.

Das alles sind Petitessen und freilich nicht überzubewerten. Aber sie fügen sich in die Entwicklung des Landes, das sich über Jahrzehnte für eine vom damaligen Papst höchstpersönlich ernannte "Insel der Seligen" hielt, das nun seit geraumer Zeit in vielen internationalen Rankings und Vergleichen stetig abrutscht, ohne dieser Entwicklung viel entgegenzusetzen zu haben und entgegenzusetzen zu wollen. Wir zählen inzwischen beim Wirtschaftswachstum, so man das überhaupt so nennen darf, zu den Schlusslichtern in Europa. Wir haben ein riesiges Budget-Defizit und ein EU-Verfahren am Hals. Bei der Produktivität hinken wir nach. Was nicht verwundert, sind doch kaum sonst wo in Europa und auf der Welt die Arbeitskosten so hoch und die Löhne dazu, während die österreichische Industrie, einst Stolz des Landes, mitunter nur mehr ein Schatten ihrer selbst ist und deutlich hinter Ländern wie Polen, Spanien, Frankreich, Slowakei und selbst dem maroden Deutschland hinterherhinkt.

Aber wen kümmert's, stehen wir doch bei den Sozialausgaben überhaupt an der Spitze. Und jetzt heißt es nun auch noch "Österreich -Hotspot der Erderhitzung", weil es kaum wo auf der Welt und schon gar nicht in Europa in den vergangenen Jahren wärmer geworden ist als bei uns. "Im Schnitt ist es 3,1 Grad Celsius wärmer im Vergleich zum vorindustriellen Schnitt -Tendenz steigend", schreiben die Zeitungen, echauffiert nicht nur der Wärme wegen, sondern auch vom Ergebnis des jüngst präsentierten Klimaberichtes.

Und da ist dann noch Graz. Aber ansonsten geht's uns gut. Irgendwie halt. Das Linzer Market-Institut erhob jüngst für den "Standard", dass gut ein Drittel der Bevölkerung die Lebenschancen in Österreich für besser hält als in anderen EU-Staaten und weitere 44 Prozent für zumindest gleich gut. Immerhin und trotz der schrägen Lage. Freilich -"2012 sagten noch 61 Prozent, also etwa doppelt so viele wie heute, dass man in Österreich bessere Lebenschancen hätte als anderswo in der EU", schreibt der "Standard".

Aber was soll's? Gut, nach dem Amoklauf von Graz hat man in der Vorwoche mit einer Verschärfung des Waffengesetzes und anderen Maßnahmen für österreichische Verhältnisse sehr rasch reagiert. Aber sonst? Aufs Tempo drückt man nicht wirklich, um aus der Malaise zu kommen. Auch nicht die neue Regierung, die ja gar nicht mehr so neu ist. Dabei drängt die Zeit eigentlich, sich endlich am Riemen zu reißen, aus der Lethargie herauszukommen, die Bequemlichkeit abzuschütteln und so etwas wie eine Aufbruchstimmung zu erzeugen, die sich über Gewohntes und Eingefahrenes hinwegsetzt, Schwung und Druck erzeugt und Zuversicht -Ärmel aufkrempeln, statt Kopf in den Sand stecken und sich in den Bunkern überkommener Argumentations-Arsenale zu verbarrikadieren und sich bräsiger Behäbigkeit und starrköpfiger Beharrlichkeit hinzugeben.

Doch wie schafft man das? Wie zieht man die Menschen mit? Möglichst die gesamte Gesellschaft oder zumindest einen Großteil davon? Wie erzeugt man Verständnis dafür und für Maßnahmen, die nötig sind? Wie kann erreicht werden, dass sich die Leute am Riemen reißen und sich nicht nur in Selbstmitleid ergehen und in den alten Eigenschaften, die das Land in den letzten Jahren zu dem gemacht haben, zu dem es geworden ist?

Vielleicht könnte ein Anfang sein, sich nicht gegenseitig bei allem und jedem, das nicht läuft, wie es laufen sollte, die Verantwortung gegenseitig in die Schuhe zu schieben. Und vielleicht könnte ein Anfang sein, sich nicht hauptsächlich auf die Außenwirkung des eigenen Tuns zu konzentrieren, sondern darauf, Lösungen auf den Weg und dorthin weiterzubringen. Gemeinsam mit den anderen und nicht gegen sie.

Das freilich gilt nicht nur für die Politik, auf die man die Verantwortung dafür gerne abschiebt. Das gilt auch für jeden und jede.

Zu befürchten steht freilich - in beiderlei Hinsicht handelt es sich nicht um mehr als um einen frommen Wunsch.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. Juni 2025

Mittwoch, 18. Juni 2025

Nicht nur der Amokläufer lief Amok

"Na und? Bei mir ist jeden Tag Amoklauf?" stand da auf Twitter. Oder "Im russischen Kernland knallt es auch öfter mal, dann ist der ganze Wohnblock weg oder die Familie ausgelöscht - und?" Oder "Das Blut aller 11 Opfer klebt, unabhängig vom Tatmotiv, im gleichen Maß auch an den Händen der Pro-EU-Politiker." Oder "Hier hört man die Schüsse in der Grazer Schule. Das Video wurde in einem Klassenzimmer gefilmt." Oder "Ist das wieder so ein Transgender?" Oder "Warum wird beim Gottesdienst nur den islamischen Opfern Anteilnahme erwiesen? Sind die anderen nichts wert? Dieser salbungsvolle Gottesdienst ist unerträglich".

Was ist in den Köpfen solcher Menschen los? Was da in der vergangenen Woche nach dem Amoklauf in Graz auf Twitter und in anderen Sozialen Medien, aber auch in den Foren von Zeitungen zu lesen war, war nicht nur in der Quantität unerträglich, sondern vor allem auch inhaltlich bestürzend. Man mag sich nicht vorstellen, dass Leute, die so etwas von sich geben, die so denken, so urteilen und solche Schlüsse ziehen, vielleicht in der Umgebung wohnen. Dass sie im Supermarkt vor einem an der Kassa stehen oder im Wartezimmer beim Arzt neben einem sitzen. Freundlich vielleicht und nett sogar, unscheinbar und durch nichts zu erkennen, was in ihren Köpfen los ist. Man mag es nicht fassen. Man ist erschrocken und man ist verwundert. Vor allem aber mag man es nicht glauben.

Aber es ist wohl so. Im Schutz der Anonymität haben immer öfter Menschen keinerlei Hemmungen mehr, ihr wahres Gesicht zu zeigen. Offen zu sagen, was sich in ihren Köpfen wirklich abspielt, was sie denken, und dass sie fordern und was ihrer Meinung nach getan werden müsste.

Als Österreicherin respektive Österreicher ist man einiges gewohnt und man hat gelernt, dass viele der Landsleute auf doppeltem Boden leben und sich in der Öffentlichkeit ganz anders darstellen, als sie wirklich sind. Aber Graz hat wohl auch in dieser Hinsicht eine neue Dimension aufgezeigt. So viel unverhohlener und ungenierter Hass, und so viel unverhohlene Dummheit auch, hat sich bisher noch nie in der Öffentlichkeit dargestellt. Auch nicht in schlimmsten Corona-Zeiten.

Das kann einem Angst machen. Immer mehr Menschen, die selbst in extremen Situationen zu keiner Empathie mehr fähig sind, sondern nur zu Hass, Bosheit, Rechthaberei und Verachtung. Die jede Auseinandersetzung verweigern und keinerlei Argumente mehr akzeptieren. Die immer öfter für nichts und niemanden mehr erreichbar sind und in ihrer eigenen Welt leben. In einer Welt, zu der auch die Möglichkeit gehört, für andere zur Bedrohung zu werden. So wie der Amokschütze von Graz.

Aber längst ist das nicht mehr das Problem Einzelner, sondern der Gesellschaft. In einem Interview mit den Salzburger Nachrichten spricht die Psychotherapeutin Martin Leibovici-Mühlberger von der "individualistischsten" Welt aller Zeiten und bezeichnet diese Gesellschaft als "von großer Verwirrung geprägt". Die Krisen und Gefahren rundherum drückten die Stimmung in der Gesellschaft, führten zu Instabilität, Angst und Rachegelüsten. "Zudem demontieren wir mit der Hyperindividualisierung, in der das Ich dominiert, die Gemeinschaft." Für sie ist das eine "vielfältig fatale Entwicklung".

Dass es so weit kommen konnte, hat auch mit einer zunehmend Verantwortungslosigkeit in der Politik zu tun, die sich von billigem Populismus treiben ließ und den Menschen oft nicht mehr bieten kann als leere Versprechungen. Sie hat aber auch mit oft verantwortungslosen Medien zu tun, denen um der Quoten und Verkaufszahlen willen nichts zu billig und auch nichts zu blöd ist. Und das hat auch damit zu tun, dass der Gesellschaft der Kompass abhanden gekommen ist, zu dem früher die Kirchen gehört haben, aber auch Universitäten, Schulen, Unternehmen und viele andere Einrichtungen. Ihr Einfluss ist verschwunden, untergegangen oft im billigen Zeitgeist und kaum mehr verteidigt, schon gar nicht mit Erfolg.

Nach dem, was das Land in der Vorwoche erleben musste, kann man die Zuversicht verlieren. Man muss aber nicht. Denn die vergangene Woche zeigte auch bei allem Leid sehr viel Positives. "Wir sind stärker", hieß es bei der Gedenkfeier in Graz. Es wurde auch sehr viel richtig gemacht. Von den Sicherheitskräften angefangen, über die Hilfsorganisationen, den Bundespräsidenten, bis hin zum Schuladministrator -und den vielen, vielen Menschen, die ihre Betroffenheit und ihre Empathie zeigten. Auch in den Sozialen Medien.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Juni 2025

Samstag, 14. Juni 2025

Deutscher Verband angelt nach Österreichs Biobauern

Der deutsche Bioverband Naturland, in der Szene ein internationaler „Multi“, greift nach Österreichs Biolandbau. Bio Austria wehrt sich nach Kräften.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Nachdem sich der Markt nach den Rückgängen der vergangenen Jahre wieder gefangen hat und die Absatzzahlen zulegen, herrscht neuerlich Aufregung in der heimischen Bioszene. Seit vergangenem Herbst wirbt der deutsche Biobauernverband Naturland, erst jüngst im Zusammenhang mit einem Verdacht auf einen Bioetikettenschwindel in die Schlagzeilen geraten, unter Österreichs Biobauern um Mitglieder. Nach den Milchlieferanten geht es jetzt vor allem um Erzeuger von Biogetreide.

Es gebe zahlreiche Anfragen, sagt der für Österreich zuständige Josef Brunnbauer von Naturland. Zwei Versprechen stehen dabei im Zentrum: Man biete als Partner von Rewe und Aldi Zutritt zu einem nicht unbedeutenden Teil des deutschen Markts. Und: Naturland sei ein Verband „in dem noch Bäuerinnen und Bauern selbst Richtlinien machen und bestimmen, was hochwertiges Bio ist, und nicht der Handel“. Damit nicht genug, will man die Biobauern auch politisch vertreten. „Wir wollen uns politisch einbringen“, bestätigt Brunnbauer und verweist auf einen „Austausch mit allen relevanten Akteuren“ vom Agrarministerium über die Landwirtschaftskammern bis hin zum Bauernbund, mit dem man sich „schon jetzt“ abstimme. Ob die Bemühungen Erfolg haben, ist offen. Es gibt auch heftigen Gegenwind.

So warnt Franz Waldenberger, Bauernkammerpräsident in Oberösterreich, davor, dass Biorichtlinien für Österreich künftig in Deutschland gemacht werden. „Bei Naturland dürften primär Geschäftsinteressen und nicht jene der heimischen Bauern im Mittelpunkt stehen“, mutmaßt er. Immerhin gilt Naturland, das nach eigenen Angaben weltweit mit 128.000 Bauern und 1500 Handelsunternehmen und Verarbeitern zusammenarbeitet, international als einer der größten Biozertifizierer.

Die heimischen Bauern zeigen sich zurückhaltend. Seit ein Gutteil der Lieferanten der SalzburgMilch und von Woerle und im Vorjahr einige Lieferanten der Berglandmilch zu Naturland wechselten, weil die Molkereien das verlangten, um deutsche Kunden nicht zu verlieren, ist die Zahl der Naturland-Mitglieder in Österreich stabil bei rund 2300. Gut die Hälfte entfällt auf Salzburg. Dass diese Zahl derzeit nicht mehr wächst, hat auch damit zu tun, dass in Deutschland der Biomarkt wieder boomt und der Handel auf spezifische Verbandszertifizierungen wie von Naturland weniger Wert legt, wenn man Bioware denn nur bekommt. Das bestätigen auch Barbara Riegler und Susanne Maier, Obfrau von Bio Austria, dem größten heimischen Biobauernverband, die eine und Geschäftsführerin die andere. „Das hat Druck rausgenommen.“

Riegler und Maier üben sich daher in Gelassenheit, obwohl nicht wenige die Naturland-Aktivitäten in Österreich als Angriff auf Bio Austria sehen. Dem Verband gehören mehr als die Hälfte der 25.000 Biobauern an. „Wir sind ja kein Bio-Entwicklungsland, das auf die Deutschen gewartet hat“, sagen Riegler und Maier. Vielmehr komme Naturland aus einem Land, in dem es „viel mehr Handlungsbedarf als bei uns“ gäbe. Denn während in Österreich 25 Prozent der Höfe und 30 Prozent der Flächen biologisch bewirtschaftet würden, seien es in Deutschland keine zehn Prozent. Zudem habe Bio Austria in Österreich 13.000 bäuerliche Mitgliedsbetriebe und Naturland in Deutschland keine 5000, deutlich weniger als Bioland, der größte deutsche Biobauernverband. Man biete zudem umfassende, auch fachliche Beratung und arbeite zu deutlich niedrigeren Kosten. „Und da kommt jetzt ein Neuer daher, der glaubt, er müsse alles revolutionieren.“ Sie fürchten vor allem um die österreichische Bioqualität, denn die Naturland-Zertifizierung gelte international und mache damit Bioware austauschbar. „Herkunft und Regionalität spielen da keine Rolle.“

Bei Bio Austria spricht man von einer „Konkurrenzsituation“. In Salzburg ist sie am augenscheinlichsten. Dort steht der Landesverband von Bio Austria längst auch unter wirtschaftlichem Druck. Als Bedrohung wollen Riegler und Maier die Naturland-Pläne dennoch nicht sehen. Auch nicht, dass zwischen Hofer und der Naturland Zeichen GmbH Gespräche wegen einer Naturland-Zertifizierung laufen. Sie verweisen darauf, dass die Kosten für die Bauern bei Naturland deutlich höher sind als bei Bio Austria und zitieren nicht ohne Häme aus einem Naturland-Papier den Satz „Die Naturland-zertifizierten Molkereien in Österreich zahlen ihren Lieferanten spezielle Zuschläge, um die Mehrkosten der Naturland-Zertifizierung auszugleichen“, was im Klartext nichts anderes heiße, als dass der höhere Preis nicht in den Taschen der Bauern, sondern in jenen von Naturland lande. Abgesehen davon, dass ein Großteil der Naturland-Milch auf dem heimischen Markt bleibe und dafür oft weniger gezahlt werde.

Trotz der angespannten Situation ist die Gesprächsbasis zwischen Bio Austria und Naturland noch intakt. Man wolle „konstruktiv“ zusammenarbeiten, sagt Brunnbauer. Mit dem Wunsch nach gegenseitiger Anerkennung der Richtlinien, die Bürokratie und Kosten ersparen würde, beißt Bio Austria aber trotz gegensätzlicher Absichtserklärungen von Naturland auf Granit. Einigung gibt es keine. Auf mehr als Doppelmitgliedschaften konnte man sich bisher nicht verständigen. „Naturland gibt mit einer Zertifizierung ein Qualitätsversprechen, das auch viele zusätzliche Tierwohlkontrollen, Sozialstandards und ein starkes System der Qualitätssicherung umfasst“, sagt Brunnbauer.

Bei Bio Austria hält man das für überheblich. „So geht man nicht miteinander um“, sagt Riegler. „Im Prinzip haben wir bis auf wenige Ausnahmen komplett ähnliche Richtlinien.“ Genau das versucht Bio Austria nun deutlicher darzustellen. Gemeinsam mit den großen deutschen Verbänden wie Bioland, Biokreis oder Demeter arbeitet man an einer Allianz zur gegenseitigen Anerkennung der Richtlinien.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 14. Juni 2025

Donnerstag, 12. Juni 2025

Pflichterfüllung in einem ermatteten Land

Am Dienstag dieser Woche war die Regierung 100 Tage im Amt. Aber auch nicht viel mehr. Man scheint immer noch froh zu sein, dass man sich hat. Und auch dass man sie hat und dass das Land Kickl entkommen ist. Das genügt, so scheint es, wohl fürs Erste. Über allen scheint eine Müdigkeit zu liegen und man will jetzt allerorten einmal einfach Großzügigkeit und Ruhe walten lassen. Die spitzen Federn scheinen verräumt zu sein. Die Daueraufgeregtheit hat Pause. Keine Kritik, keine Diskussion, kein Streit gar. "Gepflegte Langeweile", wie eine Beobachterin empfindet. Man habe fast vergessen, wie angenehm normales Regieren sein könne.

Das alles hat etwas für sich. Man kann finden, dass das gut tut. Durchaus. Es tun sich sogar die Freiheitlichen schwer damit, für Wirbel zu sorgen. Und die Grünen auch, die jetzt wieder in alten Mustern und unter neuer Führung ihr Heil zu finden suchen. Sie werden gehört. Das ja. Aber sie regen nicht mehr auf. Derzeit jedenfalls nicht.

Das Land will, so scheint es, offenbar jetzt einmal Ruhe. Man ist erschöpft von den vergangenen Jahren und ihren Zumutungen, Aufregungen und Aufgeregtheiten. Man ist müde, über Politik zu streiten, man lässt geschehen. Aber langsam ist doch zu fragen, ob man damit zufrieden sein kann? Ob das wirklich gut ist? Oder ob es nicht doch ein schlechtes Zeichen ist? Und -ob es uns, ob es dem Land etwas nutzen wird?

Über die Performance der Dreierkoalition wird, gleichsam passend zur Befindenslage, wenig geredet. Und wenn geredet wird, ist man doch milde gestimmt und um Unaufgeregtheit bemüht. Auf allen Seiten. Von einem "überraschend harmonischen Zweckbündnis" schreiben Zeitungen. "Man hat zumindest einmal die Pflicht hinbekommen in den ersten 100 Tagen", sagt der Analyst im Fernsehen, der Wirtschaftsprofessor fügt mit Blick auf den Budgetpfad, auf den man sich einigte, an: "Was bis jetzt gemacht wurde, ist wertzuschätzen", und eine Zeitung fasst zusammen, was Stimmung und Lage wohl am besten trifft - "Die ersten 100 Tage überstanden". Das ist nicht nichts.

Man schläft nicht. Das nicht. Man ist damit beschäftigt, die Hinterlassenschaften der Politik der vergangenen Jahre auszuräumen und in den Griff zu bekommen (Stichwort: Sparpaket) und zumindest das eine oder andere Wahlversprechen umzusetzen -vom Mietpreisdeckel, dem Aus für die Bildungskarenz, Handyverbot in Schulen bis hin zu den dichteren Grenzen und Beschränkung des Familiennachzugs bei Migranten.

Das mag man für gut und richtig finden, aber das sind nicht mehr als Fingerübungen gegenüber dem, was wirklich notwendig ist. Etwas, was allenfalls repariert, aber sicher nicht das, was dem Land eine neue Richtung gibt und ein Ziel, oder gar etwas, was für den nötigen Schub für die kommenden Jahre sorgt.

Bewegung schaut anders aus. Jedenfalls nicht wie ein Aufbruch, auf den man nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in vielen anderen Bereichen wartet. Danach ist die Stimmung jedenfalls nicht. Warum auch, mag man fragen, wo doch jetzt erst einmal alle mit der Ruhe zufrieden sind.

Das Dösen im Land spiegelt sich auch in den Umfragen wider. Keine Ausreißer nach oben oder unten. Keine Veränderungen. Stillstand. Alles wie gehabt. Immerhin, kann man dazu sagen. Die Meinungsforschung verortet angesichts der jüngsten Umfragedaten die Zustimmung zur Regierungsarbeit als "mäßig". Die politischen Verhältnisse scheinen eingefroren. In der Sonntagsfrage ermittelten die Meinungsforscher von OGM für den Kurier die Freiheitlichen mit 32 Prozent weiterhin unangefochten an der Spitze, gefolgt von der ÖVP mit 22, der SPÖ mit 21 und den NEOS mit 12 Prozent. Und wohl auch bezeichnend - Christian Stocker kommt über die Werte seiner Partei nicht hinaus, hat also mithin bisher keinen Kanzlerbonus.

Das wird sich vielleicht jetzt doch ändern, wurde doch bei der Landeshauptleutekonferenz Ende der Vorwoche in Salzburg eine neue Phase im Zusammenleben der Koalition gestartet. Nach den Sparplänen soll es nun um Reformen gehen.

Man darf neugierig sein und kämpft damit, die Skepsis im Zaum zu halten. Schließlich ist man ja in Österreich. Und da kann man nur inständig hoffen, dass man nach der Ruhe-und Besinnungsphase der vergangenen Wochen nun wirklich zu neuen Ufern aufbricht -und nicht in alte Muster zurückfällt. Und Österreich Österreich bleibt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Juni 2025


Samstag, 7. Juni 2025

Bauern wehren sich gegen neue Auflagen

Man pocht auf die Anerkennung bisheriger Leistungen für die Umwelt:80 Prozent nehmen freiwillig am Umweltprogramm teil.

Hans Gmeiner

Linz. In der europäischen Agrarpolitik laufen die Vorarbeiten für die nächste Agrarreform ab 2028 längst auf Hochtouren. Ende Juni will der neue Agrarkommissar ein erstes Konzept präsentieren. Überall werden Positionen abgesteckt, um nicht unter die Räder zu kommen. Budgetnöte auf EU-Ebene, aber auch auf nationaler Ebene spielen einstweilen keine Rolle. „Die Situation ist herausfordernd“, sagt Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer. Dabei geht es ihm nicht nur um die „Beibehaltung einer starken gemeinsamen Agrarpolitik samt ausreichend ausgestattetem Budget“, sondern vor allem auch um eine Absicherung des österreichischen Agrarumweltprogramms ÖPUL. Er verlangt, dass dieses Programm als Vorleistung für die Renaturierungspläne der EU, die bei den Bauern für Aufregung sorgen, anerkannt wird. Klar ist für Moosbrugger schon jetzt: „Ohne zusätzliches Geld einfach von den Bauern mehr zu verlangen, das wird nicht funktionieren.“

Das ÖPUL ist mit einem Anteil von rund 25 Prozent an den gesamten Agrarförderungen in Österreich ein wichtiger Bestandteil der bäuerlichen Einkommen. Etwas mehr als 600 Millionen Euro fließen derzeit jährlich über das von EU, Bund und Ländern gemeinsam finanzierte Programm auf Österreichs Bauernhöfe und in landwirtschaftliche Einrichtungen. Rund 16 Mrd. Euro waren es insgesamt bisher seit dem EU-Beitritt Mitte der 1990er-Jahre. Mit dem Geld sollen in erster Linie der Mehraufwand und Ertragsminderungen abgegolten werden.

Die Bauern beschränken sich im Rahmen dieses Programms im Gegenzug bei Düngung und Pflanzenschutz, legen Winterbegrünungen, Blühflächen und Brachen an, kümmern sich um den Erhalt seltener Tierrassen oder wirtschaften überhaupt biologisch. Insgesamt 26 Maßnahmen werden im Rahmen dieses Programms angeboten. Das Konzept, für das Österreich in ganz Europa als Vorbild gilt, funktioniert. Es hilft nicht nur den Bauern, sondern auch der Umwelt. „Wir Bauern sind die mit Abstand größten Umweltschützer Österreichs“, sagt Landwirtschaftskammerpräsident Moosbrugger selbstbewusst. „Da könnten sich manche, die immer vom Umweltschutz reden, eine Scheibe abschneiden.“

Die Landwirtschaft, die sich angesichts des beständigen wirtschaftlichen Drucks schwertut, die immer neuen Forderungen nach noch mehr Auflagen zu verstehen, kann ihre Position mit Zahlen unterlegen. Insgesamt nehmen rund 80 Prozent der Bauern freiwillig am Umweltprogramm teil. Tendenziell mehr die im Westen des Landes, tendenziell weniger die in den östlichen Bundesländern. Spitzenreiter mit einem Anteil von 86 Prozent ist Oberösterreich.

Immer wieder werden Untersuchungen veröffentlicht, in denen Fortschritte in die richtige Richtung nachgewiesen werden, die mit dem Umweltprogramm in Zusammenhang stehen. Der Bogen reicht dabei von Verbesserungen in der Biodiversität und in der Artenvielfalt bis hin zur Verbesserung der Böden und zur Erosionsverringerung. Das Landwirtschaftsministerium verweist darauf, dass sich der Farmland Bird Index, der als Indikator für die Vogelvielfalt im Kulturland gilt, nach Jahren des Rückgangs wieder stabilisiert hat. Nicht zuletzt steht damit auch in Zusammenhang, dass die Emissionen im Sektor Land- und Forstwirtschaft seit 1990 um rund 16 Prozent zurückgegangen sind. Insgesamt werden derzeit rund 240.000 Hektar als Biodiversitäts- und Naturschutzflächen und als Ackerbrachen ausgewiesen. Das sind rund fünf Prozent der gesamten Acker- und Grünlandfläche.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Juni 2025

Freitag, 30. Mai 2025

Schwerer Stand auf dem Feld und im Regal

In die Freude der Gemüsebauern über das gute Marktumfeld mischt sich Ärger über Lohnkostennachteile, Ungleichbehandlung beim Pflanzenschutz und die Preispolitik des Handels.

Hans Gmeiner

Linz. Auf den Gemüsefeldern des Landes herrscht seit Wochen Hochbetrieb. Nach dem sehr trockenen Winter seien die Anbaubedingungen für das Frischgemüse im heurigen Frühling optimal gewesen, sagen etwa die Gemüsebauern in Oberösterreich. Dort wurden heuer erstmals mehr als 2000 Hektar mit Salat, Zuckermais, Speisekürbis, Kraut, Einlegegurken und vielen anderen Gemüsearten bestellt. Darunter finden sich inzwischen auch solche Spezialitäten wie Melonen, Fenchel oder Pastinaken.

Dass die Anbaufläche insgesamt größer geworden ist, obwohl die Zahl der Gemüsebauern im Bundesland leicht auf 175 gesunken ist, hat allerdings nicht nur mit den guten Anbaubedingungen und dem für die Bauern erfreulichen Marktumfeld zu tun. Nach den Schäden durch Trockenheit, Überschwemmungen und Starkregen, aber auch Problemen im Pflanzenschutz im Vorjahr hätten die Bauern zur Absicherung der Liefermengen für den Handel die Anbauflächen ausgeweitet, heißt es von der Landwirtschaftskammer in Oberösterreich. Zudem sei heuer der Anbau von Gemüse und Kartoffeln auch für einige Zuckerrübenbauern eine Alternative. Wegen der Probleme auf dem Zuckermarkt wurden dort die Anbaukontingente deutlich gekürzt.

Gewachsen ist heuer aber nicht nur die Anbaufläche. Auch der Anteil von Biogemüse wird im Land ob der Enns heuer erstmals die historische Marke von 30 Prozent überspringen. Österreichweit beträgt der Anteil von Biofrischgemüse nur knapp 23 Prozent.

Trotz des guten Starts in das Jahr ist bei den Gemüsebauern die Stimmung nicht wirklich ungetrübt. Sorgen machen nach wie vor besonders in Oberösterreich die Lohnkostennachteile, vor allem gegenüber den Berufskollegen in Bayern. Dort können die Bauern einen um vier Euro höheren Stundenlohn bezahlen, weil sie von den Lohnnebenkosten befreit sind. Das sorgt vor allem für Probleme bei der Rekrutierung von Saisonarbeitskräften aus den östlichen Nachbarländern.

Für Ärger sorgen auch die unterschiedlichen Regelungen beim Pflanzenschutz. „Während heimische Betriebe unter strengeren Regeln wirtschaften müssen, gelangen über Importe weiterhin Produkte in die Regale, die mit in Österreich verbotenen Wirkstoffen behandelt wurden“, beklagt Franz Waldenberger, Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Ein besonderer Dorn im Auge sind ihm die neuesten Usancen im Handel. Während man dort von den heimischen Produzenten verlange, bei Radieschen und Kohlrabi das Blattgrün zu entfernen, weil Fraßschäden als den Konsumenten unzumutbar scheinen, gelten in den Regalen daneben mit Chemie behandelte Tomaten an der Rispe oder Zitronen mit Blatt aus südlichen Ländern offenbar als besonders attraktiv und authentisch, sagt Waldenberger.

„Da stecken reine Marketingüberlegungen dahinter“, sagt der Kammerpräsident, dem nicht nur das sauer aufstößt. Angesichts des auch bei Gemüse steigenden Anteils von Aktionsverkäufen – er hat sich in den vergangenen 20 Jahren auf mehr als 30 Prozent verdreifacht –, spricht Waldenberger von „eiskalter Preispolitik“. Sein Vorwurf: „Das untergräbt langfristig die Existenz vieler landwirtschaftlicher Betriebe und geht zulasten der heimischen Wertschöpfung.“

Hoffnung setzen die Gemüsebauern jetzt vor allem darauf, dass bei „geschnittenen“ Convenience-Produkten, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen, die Herkunft der Produkte ausgewiesen werden muss. „Damit können wir uns von Billiglohnländern wie Polen oder Ungarn abheben“, zeigen sich die Gemüsebauern zufrieden.

Österreichs Haushalte geben laut AMA-Marketing für Frischgemüse im Lebensmittelhandel rund 888 Millionen Euro im Jahr aus. Knapp zehn Prozent davon gehen auf bereits vorbereitetes Frischgemüse – gut ein Drittel mehr als noch vor fünf Jahren.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. Mai 2025

Mittwoch, 28. Mai 2025

Hilflosigkeit auf der Dauerbaustelle

Es könnte auch anderswo sein. Vorige Woche wurde bekannt, dass die ÖBB prüfen wollen, ob sie nicht doch drei Lokalbahnen in Oberösterreich einstellen werden, weil die Passagierzahlen weit unter dem liegen, was als gerade noch wirtschaftlich gilt.

Auf einer dieser Bahnstrecken, der Mühlkreisbahn, die von Aigen-Schlägl hoch oben im oberen Mühlviertel hinunter nach Linz-Urfahr bis fast vor die Tore von Linz führt, zählt man im nördlichen Abschnitt nicht mehr als 375 Passagiere. 375 Passagiere nicht pro Strecke und für jede der gut 20 täglichen Verbindungen, sondern insgesamt.

Da zeigen selbst Bürgermeister aus Anrainer-Orten Verständnis. "Es wird aufgeräumt, was in den letzten Jahren konsequent verschlafen wurde", signalisiert einer davon Verständnis, sogar einer mit SP-Parteibuch. Denn das sei "weder ökologisch vertretbar noch wirtschaftlich tragbar".

Gerade das aktuelle Beispiel aus dem Oberösterreichischen führt wieder einmal vor, wie sehr der öffentliche Verkehr und seine Ausgestaltung im Argen liegen. Und es sind nicht immer nur die störrischen Bürgerinnen und Bürger, die für die leeren Öffis und verstopften Straßen verantwortlich sind.

Der öffentliche Verkehr ist und bleibt wohl eine der großen Dauerbaustellen der Alpenrepublik. Wo es nicht gelingt, das Angebot zu verbessern, bleiben die Züge und Busse leer. Und wo Verbesserungen tatsächlich gelingen, sind die Öffis meist so voll, dass einem die Lust drauf schnell wieder vergeht, es sei denn, man ist mit dem nötigen Phlegma und der zugehörigen Leidensfähigkeit ausgestattet, sich in Zügen mit Stehplätzen zufriedenzugeben, und kann damit leben, in Bim und U-Bahn einer Sardine in der Dose gleich von A nach B transportiert zu werden.

Dabei gibt es freilich immer wieder gelungene Beispiele, wie den Ausbau der Westbahnstrecke zwischen Linz und Wien, der es zumindest, was die Fahrzeit betrifft, für viele weitaus attraktiver macht, auf die Bahn umzusteigen als sich ins Auto zu setzen. Freilich nur, wenn man bereit ist, dann dort Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, die offenbar nicht in den Griff zu kriegen sind -von der notorischen Unpünktlichkeit und verpassten Anschlüssen, über überfüllte Züge, die einem die Fahrt verleiden, bis hin zu verschmutzten, wenn nicht überhaupt versperrten Toiletten. Und diese Bereitschaft ist auch bei Gutwilligen zuweilen rasch erschöpft. Denn man muss immer noch einiges in Kauf nehmen, um überhaupt öffentlich zu fahren.

Selbst in Zentralräumen ist es außerhalb der unmittelbaren Stadtgebiete selten anders. Selbst in so dicht besiedelten Gebieten wie der Region zwischen Linz und Wels etwa -und woanders ist es wohl kaum anders -bleibt an den Haltestellen der Orte dazwischen nur einmal pro Stunde ein Zug stehen, um Fahrgäste aufzunehmen. Und nicht selten muss man erleben, dass man als Regionalpassagier so etwas wie ein Passagier zweiter Klasse ist, für den die Bemühungen um Pünktlichkeit, mit denen sich die Bahn zuweilen rühmt, nicht gelten, weil die internationalen Verbindungen auf den Schienen offenbar Vorrang haben. Verspätungen, die weit über der eigentlichen Fahrzeit liegen, sind da nicht selten und stellen an die Vorsätze auch bestwilliger Passagiere hohe Anforderungen. Ganz abgesehen, dass sie oft zehn und mehr Kilometer bis zum nächsten Öffi-Anschluss ohnehin mit dem Auto fahren müssen.

Das alles hat nicht nur mit Themen wie Unterstützung und Förderung und Ähnlichem zu tun, wie sie immer öffentliche Diskussionen traditionell beherrschen. Das hat auch sehr viel mit der ÖBB zu tun und der Trägheit ihres Apparates. Auch dafür gibt es aus dem Oberösterreichischen ein bezeichnendes Beispiel. Dort dauert es nunmehr schon fast 30 Jahre, um den viergleisigen Ausbau der Bahnstrecke zwischen Linz und Wels auf Schiene zu bringen. Auch wenn man inzwischen die Bauarbeiten in Angriff genommen hat, ist das Projekt wegen Rechtsstreitigkeiten noch nicht in trockenen Tüchern. Gar nicht zu reden davon, dass die tatsächlichen Projektkosten überhaupt nichts mehr mit den ursprünglich geplanten Kosten zu tun haben, weil die Kosten in diesen drei Jahrzehnen explodiert sind - so sehr, dass man dem Vernehmen nach inzwischen sogar Gutachten, die man selbst in Auftrag gegeben hat, beeinsprucht, mithin man als gegen sich selbst vor Gericht steht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. Mai 2025

Donnerstag, 22. Mai 2025

Der Förderdschungel verlangt nach grobem Werkzeug

Die Sportart ist zwar in manchen Kreisen auch bei uns sehr populär, aber hierzulande kein Nationalsport. Manches rund um ein internationales Golf-Turnier, das im Salzburgischen geplant ist, ist aber sehr österreichisch. "Fehlende Förderung schockt Golfturnier in Salzburg", vermeldete die lokale Tageszeitung. Zwei Wochen vor Beginn der mit insgesamt 2,4 Millionen Euro Preisgeld höchstdotierten heimischen Sportveranstaltung fehlten dort mit einem Mal 500.000 Euro, weil es nun, anders als mündlich von der alten Regierung zugesagt, keine Förderungen mehr gibt. "Es ist eine gemeinsame Kraftanstrengung notwendig, um die Staatsfinanzen zu sanieren, so auch im Bereich Sport", wird in der Zeitung aus einem Schreiben des neuen Sportministeriums unter Führung von SP-Chef Andreas Babler zitiert. Man darf annehmen, dass dort, denkt man nur an Bablers mitunter klassenkämpferische Töne, Golf in der Prioritätenliste nicht ganz oben steht. Das Österreichische daran ist leicht zu erahnen -das Turnier wird natürlich trotzdem stattfinden.

Dieses Beispiel aus Salzburg kann nachgerade als prototypisch für das Förderungswesen in Österreich gesehen werden. In dem Land, das gemeinhin als Förder-Weltmeister gilt und in dem kaum etwas in die Hand genommen wird, ohne dass nicht vorher Förderungen verlangt werden. Der Bogen reicht von Spitzensport-Events wie in Salzburg, über Holzheizungen und Photovoltaik-Anlagen, E-Autos bis hin zum Bau von Regenwasserzisternen, dem Ankauf von Hausnummern-Schildern oder dem Kauf von alten heimischen Tierrassen wie kürzlich im ORF-Report aufgezählt wurde. Die tatsächliche finanzielle Notwendigkeit hat man dabei oft längst genauso aus den Augen verloren wie den ursprünglichen Zweck, für den Förderungen eigentlich gedacht sind: als Anschubfinanzierung, um etwas auf den Weg zu bringen, etwa um Wettbewerbsnachteile auszugleichen, oder im Sozialbereich etwa, um soziale Benachteiligungen abzufedern.

Längst ist es in diesem Land Kultur, nicht nur für alles Mögliche und Unmögliche Förderungen zu fordern, sondern das Angebot auch nach Kräften zu nutzen. Da nimmt nicht wunder, dass Investitionen oft nicht von der Notwendigkeit oder von Chancen her gedacht werden, sondern von Förderungen. Viele denken gar nicht mehr daran, etwas zu investieren, wenn es keine Förde-rung gibt. Oder noch verrückter -viele investie-ren wegen Förderungen in die Dinge, die sie gar nicht brauchen. Gar nicht zu reden davon, dass viele Förderungen kassieren, auf die sie eigentlich gar nicht angewiesen wären.

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist da sehr viel aus dem Lot gekommen. Gegipfelt hat der Wahnsinn, wie es manche nennen, in den Corona-Förderungen, die als politische Lockmittel Löcher in den Staatshaushalt gerissen haben. Was "Koste es, was es wolle" wirklich heißt, wissen wir jetzt.

Mehr als 3.000 unterschiedliche Förderungen gibt es im Land, mehr als 800 davon werden von Ministerien vergeben. Manche Schätzungen gehen sogar weit darüber hinaus, was alleine schon als Beweis für die Unübersichtlichkeit des Förderwesens genommen werden darf. Rund 37 Milliarden Euro wurden in Österreich 2023 dafür ausgegeben, um fast 50 Prozent mehr als 2019. Das sind 6,2 Prozent des BIP und damit um 0,5 Prozentpunkte über dem europäischen Durch-schnitt. Freilich kann man darauf verweisen, dass in diesem Zeitraum die Förderungen für Klima, Umwelt und Mobilität um fast 170 Prozent in die Höhe schnellten und die Förder-Aufwendungen für Bildung, Wissenschaft und Forschung um gut 40 Prozent. Und natürlich kann man darauf verweisen, dass da ja auch noch die Corona-Krise war. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass alleine die krisenbereinigten Direkt-Förderungen um 30 Prozent auf mehr als 11 Mrd. Euro zulegten.

"Für den Förderdschungel, den wir haben, kann die Heckenschere gar nicht groß genug sein", ließ dieser Tage Staatssekretär Sepp Schellhorn vernehmen, der an der Einrichtung einer Förder-Taskforce bastelt. Er sollte über das Werkzeug nachdenken. Mit einer Heckenschere richtet man bekanntermaßen nicht viel aus. Zumal in einem dichten, über Jahre gewachsenen Gestrüpp, das nicht nur den nun für die Lichtung ebendieses Gestrüpps zuständigen Schellhorn an einen Dschungel gemahnt.

Da trifft es sich wohl gut, dass der Salzburger Schellhorn nun ein Beispiel aus seiner Heimat als Vorbild dafür nennen kann, dass es ohne Förderungen auch gehen kann.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. Mai 2025

Donnerstag, 15. Mai 2025

Sparen? Am besten nach dem Floriani-Prinzip

Abschaffung der Bildungskarenz, Aussetzung der Valorisierung der Sozial-und Familienleistungen für zwei Jahre, Verschiebung von Infrastrukturprojekten, Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters, Redimensionierung der Klimaförderung, die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge für Pensionisten und vieles andere mehr -was da der Finanzminister am Dienstag dieser Woche als Sparpaket präsentierte, fällt vielen schwer zu akzeptieren. Die Reaktionen fielen schon im Vorfeld mitunter sehr heftig aus. "Die Pensionisten haben das nicht verursacht", hieß es schnell. Ein Aufschnüren des Gehaltsabschlusses der Beamten wäre genauso "fatal" wie die Aussetzung der Valorisierung der Familienleistungen. "Wir verstehen den Sparzwang, aber bei den Kindern zu sparen ist niemals zukunftsfitte Politik", hieß es oder "während bei Pensionisten gekürzt wird, gibt es Millionen für afrikanische Nuss-Bauern" und "Mit alten Technologien können wir keine digitale Zukunft gestalten, wenn Fördermittel ausbleiben, kommen Projekte zum Erliegen". Kurzum und zusammengefasst in der österreichischsten aller Fragen in solchen Fällen: "Seid's ihr komplett ang'rennt?", wie ein verärgerter Bürger schrieb.

Da ist nichts von einer gemeinsamen, gar nationalen Kraftanstrengung, für die man bereit ist, etwas beizusteuern. Nichts von Verständnis und schon gar nichts davon in der Not zusammenzuhalten, um gemeinsam aus der Patsche zu kommen. Das Große und Ganze gilt auch in einer Situation, in der wir uns jetzt befinden, nichts. Ganz im Gegenteil - das Floriani-Prinzip regiert. Zusammenhänge werden ignoriert und geleugnet. Man fragt vor allem, warum will man ausgerechnet bei mir sparen, warum soll es ausgerechnet mich treffen. Man wird umgetrieben von der Sorge benachteiligt zu werden und zu kurz zu kommen und jeder kennt jemanden, bei dem es gerechter wäre, dort zu sparen. Die Notwendigkeit wird von vielen, jedenfalls was sie selbst betrifft, geleugnet und gerne auf andere abgeschoben.

"Die Reform muss in den Köpfen stattfinden", hieß es in den vergangenen Wochen immer wieder. Und "wir müssen uns vom Vollkaskostaat verabschieden". Das Verständnis dafür blieb überschaubar. Da halfen auch keine meterlangen Abhandlungen darüber, dass der Staat heuer trotz Rekordeinnahmen um 22 Milliarden Euro, knapp 2500 Euro pro Kopf, mehr ausgibt, als er einnimmt. Auch der seitenweise mit Datenmaterial unterfütterte Verweis darauf, dass kein Staat der Erde mehr Geld für Sozialleistungen ausgibt als Österreich, verfängt nicht. Und schon gar nicht, dass der Staat mit all seinen Aufwendungen für öffentliche Verwaltung, Erziehung, Unterricht und Gesundheits-und Sozialwesen mit Gesamtaufwendungen von mehr als 80 Milliarden Euro sich längst zum "Wirtschaftsfaktor Nummer 1" gemausert hat, wie die Agenda Austria feststellt. Mittlerweile sogar sehr deutlich vor Bergbau und Herstellung von Waren, Handel, Grundstücksund Wohnungswesen, Dienstleistungen und Bau. "Seit dem Krisenjahr 2019 ist kein Sektor nominell so stark gewachsen wie der staatliche", hält Agenda Austria fest. Da nimmt nicht wunder, dass mancher Kommentator Österreich als zu einer Staatswirtschaft verkommen sieht.

"Anything goes" wurde in den vergangenen Jahren zur Haltung und machte sich breit. "Koste es, was es wolle" wurde verinnerlicht -von der Politik und von den Bürgern. Der Geist ist längst aus der Flasche. Und in einem politischen Klima, das sich in einem haltlosen Populismus zusehends aufheizte und auch radikalisierte, gibt es immer mehr Forderungen von allen Seiten und immer weniger Bereitschaft zu Lösungen beizutragen. Eine "gefährliche Vollkaskomentalität" habe da um sich gegriffen wird mitunter kritisiert, eine Mentalität, die Bürgerinnen und Bürger in allen schwierigen Lebenslagen und nicht nur in diesen nach Hilfe durch den Staat rufen lasse.

Nun geht es darum, den Teufelskreis zum Anhalten zu bringen. Das Sparpaket kann ein Anfang dazu sein. Es muss freilich von echten strukturellen Reformen begleitet werden, um die Wirkung nachhaltig abzusichern. Schließlich kann man sich der Realität nicht verweigern.

Deutschland zeigt es, auch wenn es einstweilen noch nicht mehr als Absicht ist, gerade vor. Dort reden jetzt alle davon, dass es darum geht, die Wirtschaft, der man in den vergangenen Jahren alles zumutete, wieder in die Gänge zu bringen. Sogar die SPD und die Grünen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. Mai 2025

Donnerstag, 8. Mai 2025

Tugendwächter unter Druck

Die Aufregung, zumal unter den Bauern, war eine veritable, als zu Beginn dieses Jahres bekannt wurde, dass alleine im Jahr 2023 etwa 700.000 Euro von der EU-Kommission an NGOs geflossen sind, um, wie man vermutete, für "vermeintlich grüne Themen" Stimmung zu machen. "Es kann nicht sein, dass ideologisch voreingenommene Lobbygruppen mit öffentlichen Geldern subventioniert, Einfluss auf die politische Debatte nehmen und diese in eine Richtung lenken", ärgerte sich der Bauernbund-Abgeordnete im EU-Parlament. Und von daheim aus schimpfte der Präsident der VP-Teilorganisation und forderte, dass die NGOs ihre Geldflüsse transparent machen müssen.

Die Bauern sind seit jeher gebrannte Kinder, was die Arbeit von NGOs betrifft. Der Bogen reicht von Themen wie Tierschutz, über den Green Deal bis hin zur Entwaldungsverordnung, bei denen ihnen das Leben schwer gemacht wird von selbsternannten Tugendwächtern, die wenig Verständnis zeigen für persönliche und wirtschaftliche Nöte und auch nicht für Kompromisse. Neuerdings hadert aber auch die Wirtschaft immer öfter mit dem, was von ihnen gefordert wird. Das Lieferkettengesetz ist nur ein Beispiel dafür, wie sehr auch dort die NGOs inzwischen an den Nerven zerren.

Vor diesem Hintergrund sind der wachsende Ärger verständlich und auch die Forderungen, den NGOs genauer auf die Finger zu schauen. Unterstützung kam erst kürzlich just von einem Bericht des EU-Rechnungshofes. "Die EU-Finanzierung für NGOs ist zu undurchsichtig und leidet unter einem Mangel an Transparenz" wird das verantwortliche Mitglied des Rechnungshofes in den Medien zitiert. Und dabei geht es um sehr viel mehr als die Summe, die von den heimischen Bauernbündlern ins Treffen geführt wurde. Zwischen 2021 und 2023, dem Zeitraum, der überprüft wurde, flossen insgesamt nicht weniger als 7,4 Mrd. Euro an Nicht-Regierungsorganisationen. Und nicht immer weiß man wirklich genau wohin und wofür. Es sei "praktisch unmöglich, zuverlässige Informationen über alle EU-Mittel, die an NGOs gezahlt wurden, zu erhalten".

Mangelnde Transparenz ist nicht das Einzige, was sich die NGOs zunehmend vorhalten lassen müssen. Die fehlende demokratische Legitimation ist ein anderer Schwachpunkt, auf den Kritiker immer wieder hinweisen. Und das nicht immer ganz zu Unrecht einhacken, zumal dann, wenn sich zeigt, welches demokratische Verständnis manche NGO um-und antreibt. Da kommt man schnell an den Punkt, wo man Gesetze nicht mehr anerkennt, weil man, wie eine Aktivistin in einem internen Schreiben einmal meinte, "alles sehr viel größer sehen und denken" müsse.

Kritisiert wird auch die Abhängigkeit von Spenden, zumal dadurch die Unabhängigkeit und die ursprünglichen Ziele schnell in Gefahr geraten können. Und viel Kritik gibt es auch immer wieder daran, dass sich NGOs von der Politik instrumentalisieren lassen. Und vor allem fragen sich viele, wer sich da aller die Freiheit nimmt, mitzureden -nicht nur mit welcher Legitimation, sondern auch mit welcher Qualifikation und mit welchem Interesse.

Gerade Letzteres ist nicht immer von der Lauterkeit getragen, mit der man es in der Öffentlichkeit darstellt. Dahinter stehen oft regelrechte Geschäftsmodelle, bei denen es sehr schnell weniger um die Sache als vielmehr ums Geld und die Erhaltung der Organisation und der Arbeitsplätze geht, die sie bietet. Und Geld ist oft nicht wenig im Spiel, auch wenn man davon am liebsten nicht reden würde. Aber oft verwundert dann doch die Schwerpunktsetzung und es fragt sich, welche Strategie dahinter steckt, wenn immer wieder neue Themen wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf gejagt werden, wie neuerdings die Ewigkeits-Chemikalien, die offenbar Glyphosat als ebendiese ersetzt haben.

Die NGO-Kritiker haben derzeit Oberwasser. Das kann man für gut halten. Korrekturen sind ohne Frage nötig und wünschenswert. Man sollte aber dabei nicht übersehen, was viele NGOs, und dazu zählen nicht nur Organisationen wie Greenpeace, WWF oder VGT, sondern auch die Caritas und das Rote Kreuz, für die Gesellschaft leisten und dass sie, die Politik ist ja, man weiß es, alles anders als unfehlbar und selten so gut, wie sie vorgibt, ein wichtiges Korrektiv sind.

Und alleine deshalb sollte man sie, bei aller Verärgerung und allem Ärger, den NGOs oft verursachen, als solches pflegen und ihnen Raum geben.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 8. Mai 2025

Freitag, 2. Mai 2025

Tierwohl hoch geschätzt, aber kaum bezahlt

Schweinefleisch aus Tierwohlprogrammen ist kein Renner. Der Absatz hinkt hinterher. Bauern pochen auf Lösungen für Spaltenböden.

Hans Gmeiner

Salzburg. Von den Bauern mehr Tierwohl zu verlangen, ist das eine, dafür auch mehr zu bezahlen, ist dann aber etwas ganz anderes. Wenn es darum geht, für Fleisch von Schweinen, die in Tierwohlprogrammen mit mehr Auslauf, Strohhaltung und vielen anderen Extras gehalten wurden, rund 30 Prozent mehr und für Fleisch von Bioschweinen gar das Doppelte auf den Tisch zu legen, ist schnell alles vergessen. Der Absatz von Schweinefleisch aus Tierwohl- und Biohaltung hat sich seit 2021 zwar von damals 70.000 bis zum Vorjahr auf 246.000 mehr als verdreifacht. Der Marktanteil ist mit 6,1 Prozent aber noch immer nicht wirklich von großer Bedeutung. Vom Ziel, bis 2030 rund eine Million Tierwohl-Schweine vermarkten zu können, ist man noch ein gutes Stück entfernt.

Die Zuwächse haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verlangsamt. Ein zahlenmäßiges Plus gab es im Vorjahr nur mehr in der höchsten Qualitätsstufe für konventionell gehaltene Schweine, die allerdings mit nur 67.000 Tieren gleichzeitig die kleinste ist. Bei Bioschweinen und in den anderen Haltungskategorien gab es hingegen Rückgänge.

„Aktuell ist keine weitere Steigerung in Aussicht“, sagt Michael Klaffenböck von der Schweinehaltung Österreich. Johann Schlederer, Chef der Schweinebörse, sieht vor allem die großen Handelsketten in der Pflicht. „Zurzeit ist Rewe mit Billa und Billa plus die Lokomotive auf dem Markt.“ Während man dort versucht, den Bauern mit Fünfjahresverträgen die nötige Sicherheit für Investitionen, aber auch im Absatz zu bieten, halten sich die anderen Ketten nach Schlederers Einschätzung zu sehr zurück. „Man macht zwar mit, aber nicht mit dem nötigen Engagement.“

Dabei wäre das Interesse vor allem junger Bauern, die Schweinehaltung auf tierfreundliche Systeme umzustellen, durchaus beachtlich. Sie landen aber nicht auf dem Markt, sondern lediglich auf Wartelisten, weil es für sie keine Verträge gibt. Angesichts der hohen Investitionskosten und des Mehraufwandes in der Produktion fordert Schlederer „alle anderen Handelsketten auf, sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen, dass man bereitwillige Investoren nicht im Regen stehen lässt“. Jetzt wäre die Chance, in Sachen Tierwohl voranzukommen, zumal sich der Fleischverzehr stabilisiert habe und die Kaufkraft wieder wachse.

Bei allen Diskussionen und Forderungen rund um Tierwohlprogramme lassen die Schweinebauern aber keinen Zweifel daran, dass es vor allem im Hinblick auf die Versorgungssicherheit auch in Zukunft eine differenzierte Produktion braucht. Denn der Bedarf an Schweinen, die außerhalb von Qualitätsprogrammen nur dem gesetzlichen Mindeststandard entsprechend gehalten werden, wächst ganz entgegen der öffentlichen Diskussion stark. Im Vorjahr gab es ein Plus von 3,9 Prozent auf 2,167 Millionen Schlachtungen – rund die Hälfte aller Schlachtungen.

Die Bauern befürchten, dass vor allem ihre Position auf den Märkten durch überzogene Haltungsvorschriften geschwächt wird. Es müsse auch in Zukunft möglich sein, Schweine in unterschiedlicher Weise zu halten. Genau da freilich brennt der Hut. Bis Ende Mai muss es eine Lösung bei der Umstellungsfrist von Vollspaltenböden auf andere Bodensysteme geben. „Sonst wären 80 Prozent der Schweinehalter illegal unterwegs“, sagt Franz Rauscher, Obmann der österreichischen Schweinehalter.

„Die Zeit läuft uns davon“, sagt auch Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, der versucht, Druck auf die Politik und die für eine Lösung zuständige Sozialministerin Korinna Schumann (SP) zu machen. Bei einer Lösung müsse die Marktentwicklung mitberücksichtigt werden, betont der Kammerchef, „und diese zeigt eine Stagnation des Tierwohlsegments und eine verstärkte Preissensibilität“. Ständig die Standards gesetzlich weiter in die Höhe zu schrauben, den Verlust von Marktanteilen zuzulassen und stattdessen Importen schlechterer Qualität Tür und Tor zu öffnen, würde regionale Wertschöpfung vernichten, bäuerliche Existenzen gefährden und ganz Österreich schaden, ist Moosbrugger überzeugt.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. Mai 2025

Mittwoch, 30. April 2025

Ein Papst zeigte, wie es gehen sollte

Papst Franziskus habe die unveräußerliche Würde des Menschen über alles gestellt, sagte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn über das Leben des Papstes. Andere sprachen davon, dass mit ihm die Welt eine "unermüdliche Stimme für soziale Gerechtigkeit, für die Armen und die Ausgegrenzten, für Geflüchtete und für den Schutz unserer Schöpfung" verliere. Als "am auffallendsten" wurde sein Engagement für die Armen, seine Bescheidenheit und seine Einfachheit bewertet. Und: Er sei für die Würde des Menschen gestanden.

All diese Eigenschaften und Themen haben eines gemeinsam - sie gelten in der Politik und in der Gesellschaft allesamt nicht mehr viel und sind allenfalls zu hohlen Phrasen verkommen. Es fehlen ihnen oft die Lobbys, um sie auf der Agenda zu halten. Sie sind gleichsam aus der Mode gekommen in Zeiten, in denen oft nur mehr Härte zu zählen scheint, Ab-und Ausgrenzung auch und in denen man sich sehr viel eher an Umfragen orientiert als an Grundsätzen und Bedürfnissen, die nicht die eigenen sind. 

Was in den vergangenen Tagen über den Papst geschrieben wurde, zeigte eindrücklich, wie selten, was in dieser Welt verloren gegangen und unter die Räder gekommen ist, wonach sich aber dennoch so viele sehnen und woran die Welt leidet -und was sie, geführt oft von selbstverliebten und selbstgefälligen Autokraten und ihrer ideologischen Verbohrtheit und Selbstherrlichkeit, vermissen lässt. Eine Welt, in der die Trumps und Putins herrschen und ein paar Multimilliardäre, in der populistische Parteien immer neue Worte und Methoden finden, um gegen Menschengruppen zu hetzen. In der es viel zu oft um Ideologien und Machtansprüche geht, die immer rücksichtsloser durchgesetzt werden und in der ohne Skrupel ausgehebelt wird, was die Gesellschaft über Jahrhunderte an Demokratie und an sozialen Verbesserungen errungen hat. Viel zu oft ist dabei der Umgang miteinander außer Kontrolle geraten und der Mensch aus dem Fokus gerückt. Überall stellt man die eigenen Bedürfnisse voran, ohne jede Rücksicht.

Papst Franziskus zeigte, dass es auch anders gehen kann. Er war einer der letzten großen Verantwortungsträger der Welt, die sich noch um Themen angenommen haben, die von der großen Politik längst verdrängt oder gar aufgegeben wurden, lästig auch und oft nur beschwerlich.

Franziskus versuchte allen Widerständen und Moden zum Trotz etwas vorzuleben, was im öffentlichen Leben längst verloren gegangen ist. Er verfolgte seine Ziele ohne Hintergedanken und wohl auch ohne sonderliche politische Rücksichten, ohne ideologische Verblendetheit, sondern von innen heraus. "Er lebte das Evangelium" wohl tatsächlich, wie dieser Tage immer wieder zu lesen war. Und er ließ sich diese Position bei aller Kritik nicht nehmen -etwas, was der Gesellschaft so oft fehlt inzwischen und auch etwas, was vor allem die Kirche und ihre Vertreter vermissen lassen. Er war eine moralische Instanz und er verstand sich wohl auch als solche.

Er orientierte sich nicht an Stimmungen, sondern er orientierte sich an Bedürfnissen. Unprätentiös, mit Hausverstand und oft ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Eitelkeit schien ihm fremd. Etwas, das heute oft so schmerzhaft fehlt und von dem man sich so viel mehr wünschen würde. Von der Politik, zumal der christlich-sozialen, sowieso, aber auch von der Kirche, die sehr oft nur mehr zurückgezogen, mit sich selbst beschäftigt, konfliktscheu und oft auch als eitel empfunden wird. Nicht wenige erwarten sich gerade in Zeiten des Umbruchs Orientierung und mehr Mut -vor allem von den Verantwortlichen und den Kirchenoberen.

Papst Franziskus war nicht ohne Fehler. Und er musste sich auch Kritik gefallen lassen. Vor allem sein wirtschaftliches Verständnis sorgte mitunter für Aufregung. "Der Papst der Armen hatte den falschen Plan gegen Armut" heißt es nun da und dort. Mag sein. Aber er machte zum Thema, was andere längst nicht mehr zum Thema machen. Was vielen einerlei geworden ist und was sie hinnehmen, ohne etwas dagegen zu tun, weil sie sehr viel mehr mit sich selbst und mit ihren Interessen beschäftigt sind.

Wie das Pontifikat des Franziskus zu bewerten ist, sei dahingestellt. Das wird die Geschichte zeigen. Ein Vorbild sollte seine unprätentiöse Einstellung bleiben, sein gerader und unverstellter Blick und sein Mut Stellung zu nehmen, wo andere das längst für unnötig oder gar für unstatthaft halten.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. April 2025

Donnerstag, 17. April 2025

Die Hoffnung lebt

Ostern gilt als Fest des Lebens und der Hoffnung. Und Hoffnung brauchen wir in Zeiten wie diesen alle. Vor allem braucht sie wohl die Jugend. Sie hat Träume, sie hat Pläne -und sie hat Hoffnungen. Sie hat das Leben vor sich. Seit langem hat keine Generation der 16-bis 25-Jährigen mit einem derart schwierigen Umfeld zurechtkommen müssen, mit so vielen Unwägbarkeiten und so viel Unsicherheit auch wie die derzeitige. Vor diesem Hintergrund können die Ergebnisse der jüngst veröffentlichten Ö3-Jugendstudie, an der 28.000 junge Menschen teilnahmen, nachgerade verblüffen -und Hoffnung geben. Immerhin gaben dabei 86 Prozent der Teilnehmer an, in Österreich trotz Krisen und zunehmender Unsicherheit mit ihrem Leben zufrieden zu sein.

Dieser Wert ist beachtlich, zumal vor dem Hintergrund einer zerbröselnden Welt, der bedrohten Umwelt, der politisch so stürmischen Zeiten und der fortschreitenden Entsolidarisierung der Gesellschaft. Da hätte man mehr Angst erwartet und weniger Zuversicht und Zufriedenheit. 
Aber nein - man ist zuversichtlich. Dennoch. Zumindest der Großteil der jungen Menschen. Da könnten sich viele Ältere ein gutes Stück abschneiden davon. Man sieht sich weniger auf sich alleine gestellt als früher, man verbringt gerne Zeit mit Freunden und der Familie, rund die Hälfte der 16-bis 25-Jährigen ist in Vereinen aktiv, man hält was auf einen sicheren Arbeitsplatz, auf eine sinnvolle Tätigkeit, und man legt Wert darauf, in einem Team auf Augenhöhe zu arbeiten.

Dinge hingegen, die man der jungen Generation gerne vorhält, spielen offenbar gar nicht die Rolle, die man vermutet. Die Work-Life-Balance steht nur bei sechs von zehn ganz oben, für drei von zehn ist Home-Office besonders wichtig und nur 25 Prozent halten eine Vier-Tage-Woche für unerlässlich.

Das ist alles in allem, bei aller Relativierung, die bei Umfragen dieser Art notwendig ist, ein gutes Zeichen für die künftige Entwicklung des Landes und der Gesellschaft. Und es passt so gar nicht zum Bild, das sich die Erwachsenenwelt von der Jugend macht, die meist von den Adjektiven faul, leistungsfeindlich und weltfremd geprägt ist. Aber das gilt in diesem Land für die junge Generation schon aus Tradition. Seit Jahrzehnten. Immer wohl. Alleine das gibt Zuversicht, dass auch die aktuelle junge Generation mit all den Anforderungen, vor denen sie steht, zurechtkommen wird. Zumindest so, wie es andere vor ihr auch schon geschafft haben.

Freilich ist vieles im Wandel und vieles ist anders geworden in den vergangenen Jahren. Ob man das für gut hält, hängt wohl vom Standpunkt ab. Dass etwa, wie nach den NR-Wahlen im Herbst erhoben wurde, bei den 16-bis 34-Jährigen die FPÖ uneingeschränkt die Nase vorne hat, während die Grünen zuletzt in dieser Altersgruppe stark an Bedeutung verloren haben, kann man wohl dazu zählen. Sorgen kann auch machen, dass Jugendliche politischen Institutionen immer weniger vertrauen und nur mehr 44 Prozent meinen, dass das politische System in unserem Land gut funktioniert. Dazu passt, dass sich nur mehr rund ein Drittel der 16-bis 26-Jährigen gut im Parlament vertreten fühlen, um die Hälfte weniger als noch vor sieben Jahren. Und als Zeichen der Zeit kann einen auch besorgt machen, dass in der Ö3-Umfrage Themen wie Umwelt und Soziales praktisch keine Rolle spielten.

Und es gibt Schattenseiten, die man nicht übersehen darf. Jede und jeder Vierte der Befragten berichtet von einer schlechten psychischen Verfassung. Jeder kennt aus seinem Bekanntenkreis Fälle, in denen junge Menschen Schwierigkeiten haben, mit dem Leben zurechtzukommen, die kämpfen müssen, die in Schule und Beruf Probleme haben oder die in einem schwierigen familiären Umfeld aufwachsen müssen. Es gibt überall die Warnungen und Mahnrufe.

Aber bleiben wir dennoch optimistisch und voller österlicher Hoffnung -wahrscheinlich macht man sich um die jungen Menschen mehr Sorgen als notwendig. Zumindest wenn man sich an die neue Ö3-Jugend Studie hält. Es wird auch mit der jungen Generation weitergehen und es hat wohl schon schlimmere Zeiten gegeben.

Das entbindet Gesellschaft und Politik freilich nicht von der Verantwortung. In deren Mittelpunkt muss stehen, Chancen offenzuhalten, Möglichkeiten nicht zu verbauen und eine Zukunft ohne Altlasten aus der Vergangenheit zu ermöglichen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. April 2025

Samstag, 12. April 2025

Wenn eine Farm 135.000 Kühe hat

Die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Österreich muss sich gegen übermächtige Konkurrenz behaupten.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Auf den internationalen Agrarmärkten rumort es heftig, in Wien kämpft man um eine Übergangslösung für die Böden in den Schweineställen und in Brüssel gegen das Mercosur-Abkommen, die Entwaldungsverordnung und für die Vereinfachung von Auflagen und Kontrollen. Die Bauern und ihre Vertreter befinden sich seit Jahrzehnten in einer Art Dauerkampfmodus, denn ihre Welt hat wenig mit dem idyllischen Bild zu tun, das sich die nicht bäuerliche Öffentlichkeit gern von der Landwirtschaft macht. Ganz im Gegenteil.

Österreich zählt wie die Schweiz oder Griechenland zu den Ländern mit einer kleinstrukturierten Landwirtschaft. Eine Agrarindustrie gibt es hierzulande nicht. Der größte Ackerbaubetrieb, die im Burgenland ansässige Esterházy’sche Gutsverwaltung, bewirtschaftet rund 4000 Hektar. Die Betriebe mit mehr als 1000 Hektar Land kann man an den Fingern einer Hand abzählen. Der weitaus größte Teil der Betriebe bewirtschaftet wesentlich kleinere Flächen.

Mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 24 Hektar Land, 25 Kühen oder 130 Schweinen sind Österreichs Bauern im internationalen Vergleich Zwerge. Selbst in der EU rangiert man mit diesen Werten auf den hinteren Rängen. „Die österreichischen Bauern haben Nachteile wegen höherer Durchschnittskosten“, sagt Wirtschaftsforscher Franz Sinabell vom Wifo. „Daher ist Österreich in der Landwirtschaft nicht so wettbewerbsfähig wie andere Länder.“ Nicht zuletzt deshalb fühlt sich für die meisten Bauern in Österreich der Wettbewerb auf den internationalen Agrarmärkten wie ein permanenter Kampf David gegen Goliath an. Denn die Farmen und Konzerne, die die weltweiten Preise bestimmen, an denen sich auch die heimischen Bauern orientieren müssen, erzeugen Getreide, Milch und Fleisch nach ganz anderen Maßstäben und unter völlig anderen Voraussetzungen.

In den großen Agrarländern sind schon die durchschnittlichen Betriebe um ein Mehrfaches größer als die in Österreich. In den USA bewirtschaftet ein Farmer im Durchschnitt 179 Hektar, in Kanada 301 Hektar, in Argentinien 590 Hektar und in der Ukraine gar 1200 Hektar.

Für österreichische Verhältnisse kaum mehr vorstellbar sind die Dimensionen von Megafarmen, wie es sie in China, Australien, den USA, aber auch in Osteuropa gibt. Sie sind zwar auf den Märkten nur selten direkte Konkurrenten, zeigen aber dennoch auf, wo international der Ton auf den Märkten gemacht wird. So bewirtschaftet etwa die Mudanjiang City Megafarm in China, die als die größte Farm der Welt gilt, rund 9,1 Millionen Hektar Land. Das ist mehr als das Doppelte der Agrarfläche Österreichs. Die Farm ist nicht auf Ackerbau, sondern auf Milchproduktion spezialisiert. Dort werden rund 100.000 Milchkühe gehalten, das ist rund 50 Mal mehr als auf dem größten Milchviehbetrieb Europas. Nur die Hälfte der Fläche, aber dafür 135.000 Kühe, hat die Farm China Modern Dairy, auf der täglich 3,2 Millionen Liter Rohmilch gemolken werden. In Australien bewirtschaftet die Anna Creek Farm 2,4 Millionen Hektar und ist mit 17.000 Rindern der größte Fleischrinderproduzent der Welt. Vergleichsweise klein, aber für österreichische Verhältnisse noch immer riesig ist da die Farm der Familie Resnick, die mit rund 77.000 Hektar als die größte der USA gilt.

Die Familie Resnick rangiert in der „Forbes“-Liste der reichsten Landwirte der Welt auf Platz drei. An der Spitze rangieren zwei Chinesen, auf Rang sechs folgt hinter dem Saudi-Prinzen Al Kabeer und dem US-Farmer Harry Stine der erste Europäer. Es ist der ehemalige tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš mit seinem Unternehmen Agrofert, das mehr als 100.000 Hektar besitzt und jährlich 265 Millionen Eier und 840.000 Tonnen Futtermittel erzeugt. Babiš sorgte erst vor zwei Jahren in Österreich mit der Übernahme der Düngerproduktion von Borealis in Linz für Aufsehen.

Die Bauern sehen sich aber nicht nur in ihrer Branche einer übermächtigen Konkurrenz gegenüber. Nicht einfacher macht ihre Position, dass sich vier große Händler mehr als die Hälfte des Weltmarkts für agrarische Rohstoffe teilen. Die Handelsriesen Archer Daniel Midland (ADM), Bunge, Cargill und Dreyfus dominieren seit Jahren den weltweiten Handel mit Getreide, Ölsaaten und Eiweißfrüchten. Seit Kurzem mischt auch der chinesische Agrarhandelsriese Cofco kräftig mit.

Dass sich Österreichs Landwirte und die Landwirtschaft in diesem Umfeld relativ gut behaupten können, verwundert oft selbst den Wirtschaftsforscher. „Ich habe keine Antwort darauf, die man in einem Satz zusammenfassen könnte“, sagt Sinabell. Neben den Unterstützungen der öffentlichen Hand sei es wohl vor allem das Miteinander von landwirtschaftlichen Betrieben und dem Verarbeitungssektor. „Daher können die österreichischen Bauern zu einem etwas höheren Preis verkaufen und müssen nicht Ware über Hunderte Kilometer zum nächsten Abnehmer liefern.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 12. April 2025
 
UA-12584698-1