Freitag, 30. Januar 2015

Exporterfolge auf dünnem Eis





Bei der "Grünen Woche" in Berlin feierte die Agrarpolitik einen neuerlichen Exportrekord ab. Agrarprodukte und Lebensmittel im Wert von fast zehn Milliarden Euro exportiert das kleine Österreich inzwischen jährlich in alle Welt. Vor dem EU-Beitritt waren es gerade einmal 1,8 Mrd. Euro. Die Agrarexporte zählen damit ohne Zweifel zu einer der Erfolgsstories der heimischen Wirtschaft.

Allerdings ist das Eis, auf dem man sich bewegt sehr dünn. Die internationalen Märkte sind immer heftiger umkämpft. Überall sucht man Ersatz für das verlorene Russlandgeschäft. Die Handels-Ströme ordnen sich in vielen Bereichen völlig neu. Der Preisdruck ist gewaltig. Und auf die Produkte aus dem kleinen Österreich wartet niemand. Das zeigte sich im Vorjahr in wichtigen Export-Ländern wie Ungarn, Tschechien und Slowenien, wo es deutliche Rückschläge gab, weil dort den Leuten das Geld ausgeht.

Vorbei sind die Zeiten, als Österreich mit dem Verweis auf umweltfreundliche Produktion und besondere Qualitäten auf den internationalen Märkten spielend Meter machen konnte, weil sich das im Verein mit Dirndl, Trachtenhut und schneebedeckte Berggipfeln quasi von alleine verkaufte. Der Wind ist rau geworden und der Druck groß, etwas neues zu finden.

Österreich hebt sich kaum mehr ab auf den Märkten. Und genau das ist das Problem. Allerorten herrscht Routine. Die Exportinitiativen sind eingeschlafen. Die Werbelinien und Marketingkonzepte, auf die man im Exportgeschäft setzt, sind zwanzig Jahre alt. Das zeigte sich in Berlin ganz eindrücklich. So wie Österreich wirbt inzwischen jedes Land. Die Argumente gleichen sich überall aufs Haar - von "Unsere Milch", "Genussregion" und "So schmeckt unser Land" bis hin  zur nachhaltigen Produktion, auf die man überall hinweist. In Schleswig-Holstein genauso wie in Niedersachsen und Brandenburg, wo die deutschen Großbetriebe daheim sind, und auch im beschaulicheren Bayern. Aber nicht nur die deutschen machen es so. Auch die Franzosen, die Italiener, die Dänen, die Holländer, die Briten, die Skandinavier und wen es da noch aller gibt. Alle sind auf ihre Agrarprodukte zumindest genauso stolz wie wir und überzeugt davon, dass sie es sind, die die besten Sachen liefern.

Alarmierend auch, dass es Österreich in den vergangenen Jahren kaum gelungen ist, die Wertschöpfung der Exporte zu steigern. Der Erlös pro Tonne Ware, der als Indikator dafür gilt, pendelt seit Jahren bei 1,1 Euro pro Kilogramm und liegt damit deutlich unter dem, was die Importe pro Tonne erlösen. Der Feinkostladen Europas, als der man sich hierzulande so gerne feiert, müsste, möchte man meinen, eigentlich andere Zahlen liefern.

Daher darf man sich von den Zuwachsraten der vergangenen Jahre nicht blenden lassen. Österreich ist gefordert, sein Profil nachzuschärfen und ordentlich Gas zu geben. Möglichkeiten gibt es. Die bisher nicht vermarktete GVO-freie Fütterung des Milchviehs zählt dazu, oder auch die stärkere Nutzung geschützter Herkunftsbezeichnungen.

Die russische Importsperre scheint die Verantwortlichen zumindest aufgerüttelt zu haben. Engagement im Ausland und Bemühungen um neue Märkte sind in der Agrarpolitik mit einem Mal wieder ein großes Thema.  Es gibt wieder Initiativen, aber freilich noch kaum zählbare Erfolge. Denn die Politik kann nicht mehr als Türöffner sein. Um der Wirtschaft schnell zu helfen, ist sie zu langsam. 

Die hilft sich längst selbst. Ein Beispiel dafür: Die Schweinefleisch-Exporte nach Japan verdoppelten sich im Vorjahr auf 68 Mill. Euro. Und das ganz ohne Politikerbesuch im Land der aufgehenden Sonne.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land Februar 2015, 29.1. 2015

Donnerstag, 29. Januar 2015

Ein Land in Geiselhaft



In der vergangenen Woche feierten die heimischen Alles-und Besserwisser im Verein mit den Panikmachern Kirtag. Wieder einmal. Die EU-Kommissarin Cecilia Malmström, in der Europäischen Kommission für den Handel zuständig, war in Österreich. Sie wollte aufklären, diskutieren und für Verständnis werben für das, was unter dem Kürzel TTIP nirgendwo die Menschen so sehr in schrillste Aufregung versetzt wie in Österreich. Statt dessen erntet sie nichts als Ablehnung und Häme. Mit unverhüllter Genugtuung twitterte etwa der SP-Abgeordnete Christoph Matznetter aus dem Parlament "EU-Kommissarin Malmström hats nicht leicht, sie wird dzt von uns Abgeordneten iS TTIP und CETA 'gegrillt' "- und lieferte damit ein eindrückliches Bild der Stimmung in diesem Land, die von Panikmache gekennzeichnet ist.

Die Stimmung ist in Österreich längst gekippt. Das Urteil der Bevölkerung scheint unumstößlich. Eine sachliche Diskussion ist längst nicht mehr möglich. Und wer das auch nur ansatzweise einmahnen möchte oder gar so etwas wie Sympathie für TTIP zeigt, läuft höchste Gefahr, publizistisch und politisch um einen Kopf kürzer gemacht zu werden. Ohne langes Federlesen. Ohne lange Rückfragen. Und vor allem ohne Rücksichtnahme auf sachliche Argumente.

Da warnen nicht nur manche politische Parteien, sondern vor allem Österreichs größtes Kleinformat davor, die NGOs von Greenpeace über Global 2000 bis hin zum Verein gegen Tierfabriken und natürlich die großen Ketten im Lebensmittelhandel, die immer öfter meinen, auch im politischen Geschehen mitmischen zu müssen - zumal dann, wenn es gut ist für die eigene Kassa.

Bei TTIP ist es so, bei der Gentechnik, bei den Bienen und in vielen anderen Bereichen auch. Hierzulande gilt, was diese Allianz der selbsternannten Alles- und Besserwisser meint, und sonst nichts. Über die Jahre ist Österreich regelrecht in deren Geiselhaft geraten. Immer weniger getrauen sich dagegen aufzumucken, immer weniger nehmen die Mühen auf sich, Sachlichkeit in die Diskussion einbringen zu wollen und immer mehr ducken sich einfach weg, um nur ja nicht an den Pranger gestellt zu werden.

Das Klima, das in diesem Land dadurch entstanden ist, ist nicht gut. Es wird in entscheidenden Fragen immer weniger von der demokratisch gewählten politischen Vertretung bestimmt, sondern von den Auflagenzahlen des Boulevards und den Millionen und Abermillionen aus dem Handel, der nicht nur über Inserate Meinungsmache betreibt, sondern den NGOs über Partnerschaften auch reichlich Bares zukommen lässt.

Da gibt es keine differenzierten Töne, da gibt es keine Wertschätzung anderer Meinungen. Da gibt es nur Schwarz und Weiß. Gut und Schlecht. Und was das ist, das bestimmen in diesem Land immer öfter ein paar wenige Medien und die NGOs und ihre Vasallen. Ohne jede demokratische Legitimierung und orientiert zumeist am Geschäft, was zuzugeben man aus verständlichen Gründen immer weit von sich weist.

Nirgendwo, nicht einmal in Deutschland, geht die Stimmung bei Themen wie TTIP, Gentechnik oder Bienen so schnell so heiß, wie bei uns im kleinen Österreich. Zu tun hat das damit, dass in diesem Land eine sachliche Diskussionskultur längst verloren gegangen ist. Die Politik ist viel zu schwach, um dieser Entwicklung entgegenzutreten. Viel eher versucht man dadurch politisch Punkte zu machen, indem man sich dem herbei geschriebenen und herbei kampagnisierten Meinungstrend anschließt, um ihn für sich zu nutzen. Für manchen, wie für den angeschlagenen Bundeskanzler, ist das gar zur politischen Überlebensstrategie geworden.

Zu tun hat diese Entwicklung aber auch damit, dass die Stimmen der Vernunft in Österreich zu feig, zu leise und zu bequem sind. Nicht nur in der Politik. Vorzuhalten ist das vor allem der Wirtschaft und auch der Wissenschaft, die sich viel lieber hinter ihren Fabrikstoren und in ihren elfenbeinernen Türmen verstecken, als sich in die Diskussionen einzumischen. Dabei bräuchte gerade das ein Land wie Österreich so dringend - aufstehen, mitreden.

Österreich sollte sich aus dieser Geiselhaft so schnell wie möglich befreien, die es immer weiter von den Realitäten in der internationalen Politik und Wirtschaft entfernt. Das Land braucht eine ehrliche, offene und der Sachlichkeit verpflichtete Diskussionskultur.

Und keine Meinungskampagnen in Permanenz, die alles niederwalzen. Sonst wird das Land tatsächlich das, als das es manche schon jetzt auf der internationalen Bühne sehen - ein Sonderling.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 29. Jänner 2015

Mittwoch, 28. Januar 2015

Bio schmeckt den Bauern nicht



Der Zuwachs bei der Zahl der Biobauern liegt weit unter den Erwartungen.

HANS GMEINER

Puchberg, Wels. Die heimische Biolandwirtschaft stottert sich in die Zukunft. Die Zahl der Biobauern wächst trotz Nachbesserungen im Bioprogramm weitaus langsamer als erwartet. Bio Austria hielt für möglich, dass die Zahl der Biobauern mit Beginn der neuen EU-Programmperiode im vergangenen Herbst von gut 19.000 auf bis zu 50.000 schnellt. Nun muss man sich mit gerade einmal knapp 1000 neuen Biobauern in ganz Österreich zufriedengeben. Der Anteil der Biobauern in der heimischen Landwirtschaft legte damit um nur einen Punkt auf 17 Prozent zu.
Einen Boom gibt es nur in Wien. Dort wuchs der Anteil der Biobauern von neun auf 14 Prozent. In Salzburg, mit großem Abstand Österreichs Bioland Nummer eins, kletterte der Anteil von 43 auf 44 Prozent. In Tirol ging die Zahl der Biobauern sogar zurück. Knapp 300 Bauern stiegen dort aus Bio aus, der Anteil der Biobauern sank von 19 auf 17 Prozent.
Biobauern-Chef Rudi Vierbauch glaubt, dass viele umstiegswillige Bauern noch zuwarten. „Auch in der Vergangenheit war das bei Perioden-Wechseln so“, sagt er. „Für 2016 sind wir optimistisch, dass der Anteil stark steigt.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 28. Jänner 2015

Donnerstag, 22. Januar 2015

Entwürdigende Schnäppchenwut



Es war auch diesmal wieder, wie in den anderen Jahren zuvor auch. Eine Elektronik-Handelskette lockte am ersten Einkaufstag nach den Weihnachtsfeiertagen mit Super-Sonderangeboten. Das freilich nicht um 10.00 Uhr, zu den üblichen Öffnungszeiten, sondern um 6.00 Uhr in der Früh. Und es war auch diesmal wie immer - die Leute kamen in Scharen und warteten schon lange vor der Öffnung der Geschäfte, um sich die besten Plätze zu sichern.

Wenn Zyniker das als den Beweis dafür halten, dass die Menschen vom Affen abstammen und sich darum immer wieder und immer öfter zu ebendiesem machen lassen, ist ihnen das nicht zu verdenken. Unbegreifbar und unverständlich ist oft, wie erwachsene Männer und Frauen mit sich umgehen lassen, nur auf dass sie Dinge um ein paar Euro billiger bekommen, gleich ob sie diese brauchen oder nicht.

Wie der Handel die Schwächen dieser Leute benutzt und ausnutzt, ist freilich als nichts denn entwürdigend zu nennen. Dass "Satte Rabatte" vollmundig versprochen werden, geht ja in Ordnung. Dass man sich dafür, diese Rabatte auch zu bekommen, ausschließlich zu gewissen Tagen im Geschäft einfinden muss, tut das schon weniger. Wie auch, dass man Sachen wie Vitamin-Punkte sammeln soll und Sticker und was die Werbeküchen noch alles zusammengemixt haben.

Der Handel hat es in den vergangenen Jahren zu einer ganz unglaublichen Perfidie in der Disziplin Menschenfang gebracht. Was harmlos als Kundenbindungsprogramm mit Rabattmarkerln kleben anfing, ist vielerorts längt zu einen ausgefeilten Kunden-Abzockprogramm geworden, das für die meisten längst undurchschaubar ist. Oder wissen Sie, wie viel Prozente Sie gerade wo bekommen, oder wo ein kleines Extra auf Sie wartet, weil Sie im vergangenen Monat um mehr als 50, 100 oder 150 Euro eingekauft haben?

Eben. Die Handelsketten, sei es in Sachen Lebensmittel, sei es in Sachen Elektronik oder sei es in Sachen Mode, manipulieren die Menschen unter dem Deckmantel der Kundenfreundlichkeit immer unverschämter. Wertschätzung ist da oft nicht mehr zu erkennen, auch wenn es immer anders dargestellt oder gar als zentrale Werbebotschaft vermittelt wird. Wenn schon Rabatte an bestimmten Tagen und Sonderaktionen gar zu bestimmten Uhrzeiten in einer Fülle wie mittlerweile üblich geboten werden, dann kann einem schon der Gedanke an organisierten Betrug in den Sinn kommen, muss doch der Konsument davon ausgehen, dass der Preis, den er zahlt, nichts mit dem wirklichen Preis zu tun hat. Kauft er im Rahmen einer Aktion, macht er günstigenfalls ein Schnäppchen, kauft er zu normalen Konditionen, muss er wohl davon ausgehen, dass er zuviel zahlt.

Diese Infantilisierung der Kunden durch den Handel und die Werbung mit all ihren Aktionen, Sammelheften, Aufklebern und der zuweilen kindlichen Bildsprache wird immer mehr zum Ärgernis. "Danke Lino" flötete unlängst eine mittelalterliche Dame, wohl nicht ohne Hintergedanken gestylt im Stil der Hausfrauen der 1960er Jahre, täglich in der hauptabendlichen Fernsehwerbung, dankbar für die Handcreme, die ihr das Maskottchen mit diesem Namen vermittelte.

Mindestens so groß wie die Verärgerung über die ausufernden Usancen der Handelsunternehmungen und ihrer Marketing-Abteilungen ist freilich die Verwunderung darüber, dass die Menschen das mit sich machen lassen. Was heißt machen lassen? Dass sie sich darum regelrecht reißen ist wohl richtiger. Wirtschaftliche Not ist das wohl nur bei ganz wenigen. Und das macht stutzig. Was treibt diese Menschen an? Immer nur Schnäppchen? Alles Schnäppchen? Ist es ein Spiel gar? Man muss es annehmen. Und man muss sich wundern. Und man kann nur staunen, wie sie den Unternehmen auf den Leim gehen. Bereitwillig geben sie nicht nur ihr Geld, sondern zudem per Kundenkarte auch meist alle Informationen von sich her und machen sich zu gläsernen Menschen, von denen alle Einkaufsgewohnheiten, Träume und Wünsche bekannt sind. Ganz arglos. Und ganz sorglos vor allem.

Dagegen, wie der Handel mit den Konsumenten umgeht, nimmt sich die Politik nachgerade harmlos aus. Das mag damit zu tun haben, dass dort das Vertrauen längst zerbrochen ist und man nicht mehr für bare Münze nimmt, was in Aussicht gestellt wird. Die Lockangebote ziehen dort nicht mehr. Im Handel schon noch. Auch wenn sie sich, so wie in der Politik, immer öfter als nichts denn als Windeier erweisen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. Jänner 2015

Sonntag, 18. Januar 2015

Agrarpolitiker ziehen bei TTIP rote Linien



Mit dem Freihandelsabkommen dürften Standards in der Produktion und Herkunftsbezeichnungen nicht aufgeweicht werden.

HANS GMEINER

Berlin. In der europäischen Bauernschaft geht die Sorge wegen des zwischen EU und USA geplanten Freihandelsabkommens TTIP um. Immer lauter werden die Befürchtungen, dass dadurch europäische Standards verkauft und der industriellen Landwirtschaft Tür und Tor geöffnet werden. Auf der „Grünen Woche“, der weltgrößten Agrarmesse in Berlin, versuchen die Agrarpolitiker der EU-Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission die Diskussion zu versachlichen und Sorgen zu zerstreuen.

Nahezu gleichlautend stellten etwa der neue EU-Agrarkommissar Phil Hogan, der deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt und Österreichs Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter klar, dass man nicht alle Vorschläge, die diskutiert werden, akzeptieren will.

„Die hohen Standards dürfen durch TTIP nicht aufgeweicht werden“, hieß es da, und „es gibt rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen.“ Rupprechter nannte in diesem Zusammenhang neben dem Schutz der geografischen Herkunftsangaben auch den Schutz von Standards in der heimischen Agrarproduktion und von Umweltstandards sowie das Verbot des Einsatzes von Hormonen und anderen leistungssteigernden Mitteln in der Tierhaltung. Man ist sich auch bewusst, dass manche Produktionszweige in der Landwirtschaft besonderen Schutz brauchen.

Sämtliche Politiker ließen aber keinen Zweifel daran, dass sie dem Freihandelsabkommen grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Man erwartet sich neue Exportchancen und verweist nicht nur auf die Möglichkeiten für die Landwirtschaft, sondern auch auf die positiven Folgen für den Arbeitsmarkt. Große Möglichkeiten sieht Rupprechter für Österreich auf dem US-amerikanischen Markt, vor allem bei Wein, Rindfleisch und Käse.

Unabhängig davon arbeitet man in Österreich verstärkt daran, neue Absatzmärkte zu erschließen. Bauernbundpräsident Jakob Auer will die Exportaktivitäten der Landwirtschaft und der Lebensmittelerzeuger in einer Exportagentur bündeln. Stärker ins Treffen führen will man auch die geschützten geografischen Herkunftsbezeichnungen für Lebensmittel. In Österreich gibt es davon 14 solche Bezeichnungen. „Italien etwa hat 260“, sagt Bauernkammern-Chef Hermann Schultes, „da haben wir großen Nachholbedarf.“ Und unabhängig von TTIP will Rupprechter schon heuer heimische Agrarprodukte in den USA in einer sogenannten Edelweiß-Offensive besser vermarkten.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 17. Jänner 2015

Agrarexporte legten trotz Russland-Embargo zu



HANS GMEINER

Berlin. Der Erfolg der heimischen Agrarexporte ist auch durch die russischen Einfuhrsperren nicht zu bremsen. Im vergangenen Jahr legten die Ausfuhren von heimischen Agrarprodukten und Lebensmitteln abermals um gut zwei Prozent auf den Rekordwert von 9,7 Mrd. Euro zu und übertrafen damit den Zuwachs der Gesamtexporte Österreichs, die nur ein Plus von einem Prozent erreichten. „Dabei hatten wir noch zur Jahresmitte Sorge, eine schwarze Null zu erreichen“, zeigte sich Donnerstag Michael Blass, Chef der AMA-Marketing, erleichtert.

In Deutschland, Österreichs mit Abstand wichtigstem Auslandsmarkt für Agrarprodukte, gab es abermals ein Plus von drei Prozent (auf 3,36 Mrd. Euro). Die russische Importsperre schlug sich hingegen in der Gesamtbilanz kaum nieder. Russland rangiert mit einem Exportvolumen von 202 Mill. Euro nur auf Rang zehn in der Rangliste der wichtigsten Abnehmer von österreichischen Agrarprodukten. Gegenüber 2013 betrug der Rückgang 14,8 Prozent. Damit, dass die Russen die Grenzbalken für Agrarprodukte Mitte vergangenen Jahres herunterließen, hat das aber nur zum Teil zu tun. Für Schweinefleisch und später auch Milchprodukte etwa gab es schon ab Beginn des Vorjahres Importsperren wegen vorgeblicher hygienischer Probleme. In Bereichen wiederum, die nicht von der Importsperre betroffen sind, wie Fruchtsäfte, Energydrinks, Gewürze oder Süß- und Backwaren, gab es sogar Zuwächse. „Insgesamt schaut Russland nicht so schlecht aus“, sagt Blass. „Aber man darf nicht übersehen, dass einzelne Sparten ganz besonders stark betroffen waren.“ Bei Fleisch oder Milchprodukten gab es allein im zweiten Halbjahr Absatzrückgänge von 50 bis 90 Prozent.

Die Fleischexporteure haben inzwischen neue Absatzkanäle gefunden. Die Schweinefleischexporte nach Japan verdoppelten sich im Vorjahr auf 68 Mill. Euro, die Exporte nach Südkorea legten um mehr als 60 Prozent zu und die Ausfuhren nach Italien um rund elf Prozent. Die politische Hilfe hingegen kommt nicht recht in die Gänge. Die angekündigten Hilfsgelder stecken in der Bürokratie fest. AMA-Präsident Franz Stefan Hautzinger will sich darauf nicht verlassen: „Das beste Konzept ist es, selbst den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 16. Jänner 2015

Donnerstag, 15. Januar 2015

Gefährliche Arroganz



Die Ereignisse in Frankreich erschüttern die ganze Welt. Die Bilder aus Paris am vergangenen Sonntag waren beeindruckend. Doch auf Sicht bleibt die Frage, ob diese machtvollen Demonstrationen auch die Kraft haben, nachhaltig auf die Politik und den Alltag der Menschen zu wirken.

Zweifel sind angebracht. Viel größer als die Chance, dass die Ziele und Wünsche der Teilnehmer an den Kundgebungen Wirklichkeit werden, ist wohl die Gefahr, dass die Anschläge von Paris die Rechtspopulisten vor allem in Europa weiter stärken. Für sie sind die Ereignisse wohl nichts als frischer Wind, um das Feuer der Fremdenfeindlichkeit noch intensiver zu schüren. Dieser Tage freilich sind sie klug genug, das nicht unter dem frischen Eindruck der mörderischen Ereignisse zu tun. Aber sie sind sich wohl gewiss, dass die Zeit für sie arbeitet, um aus dem, was in der Redaktion von "Charlie Hebdo" und im jüdischen Supermarkt an der Porte de Vincennes passierte, politisches Kapital zu schlagen.

Paris passierte just in einer Zeit, in der sich in Deutschland die Pegida-Bewegung bereit macht und die für zunehmendes Unbehagen wegen des immer offeneren rechtsradikalen Anstrichs sorgt. Paris passierte just in einer Zeit, in der sich diese Bewegung auch anschickt, in Österreich Fuß zu fassen. Und Paris passierte just zu einer Zeit, in der der Umgang mit Flüchtlingen auch hierzulande wieder ein Thema geworden ist, das in der politischen Agenda ganz nach oben rückt.

Dass die Anschläge von Frankreich wohl eher als Rückenwind für fremdenfeindliche Strömungen, denn als Mahnung zur Umkehr und zum Nachdenken wirken werden, hat auch damit zu tun, dass die Bemühungen nie vergriffen, den Trend zu rechtspopulistischen Parteien und vor allem ihre Fremden-feindlichen Inhalten zu stoppen. Und es hat damit zu tun, dass man die Menschen, die offene Ohren für die dortigen Töne haben, nie erreichte. Und zu tun hat es auch damit, dass kaum je wirklich zur Kenntnis genommen wurde, dass sich viele Menschen echte Sorgen machen, dass viele zunehmend Angst umtreibt und sehr oft auch der bloße Ärger.

Statt sich mit diesen Befindlichkeiten auseinander zu setzen, wurde allzu oft von oben herab dekretiert, was gut zu sein hat und was schlecht und was richtig und was falsch. Die Intellektuellen waren immer gut darin, viele Künstler auch und auch viele Politiker, die es sich mit ihnen nicht vertun wollten. Und der große Rest der gut Meinenden getraute sich in diesem Klima erst gar nicht Position zu beziehen.

Viel zu oft wurden just die Menschen, die gewinnen zu wollen sie sich bemühten, als dumm, uneinsichtig und böswillig hingestellt und lächerlich gemacht. Viel öfter als die Energien darein zu setzen, sie zu erreichen, verwendete man diese Energien, sich selbst zu beweihräuchern.

Das  freilich lief den lauteren Absichten diametral entgegen. Das Resultat dessen, was hierzulande und in anderen westeuropäischen Staaten als Aufklärungsarbeit gilt, ist angesichts der stets und zuweilen lawinenartig anwachsenden Fremdenfeindlichkeit nichts denn als erbärmlich zu nennen.

Mit diesem Versagen schuf man den Nährboden für rechtspopulistische Politiker wie Haider, Strache oder Le Pen und machte sie groß. Die Arroganz der gut meinenden, die viel Häme, aber zumeist keine Antworten zu bieten hat, trieb und treibt diesen Populisten die Leute scharenweise in die Hände. Für viele wurde es nachgerade eine Flucht in eine Parallel-Gesellschaft, in der sie sich ihren Ansichten unter ihresgleichen hingeben können und von niemanden gesellschaftliche Ächtung zu fürchten haben.

Das alles ist alles andere als im Sinn der Sache. Und Sache ist, dass das Land und seine Bewohner zu einem gedeihlichen Umgang mit Bewohnern nicht-österreichischer Herkunft und zu einem Umgang mit Flüchtlingen finden muss, der für keine der Seiten so beschämend ist, wie in den vergangenen Jahren.

Davon ist man weit entfernt. Nach Paris möglicherweise mehr denn je. All die, die sich um die Integration und eine gute Stimmung gegenüber ausländischen Mitbürgern bemühen, müssen sich diesem Thema stellen. Nicht von oben herab und nicht aus Nobel-Wohngegenden heraus. Sondern direkt bei den Menschen. Es geht darum, diese Leute zu erreichen. Dabei geht es nicht darum, den Hetzern und politischen Heilsbringern recht zu geben, sondern darum, sie zu gewinnen und einen Weg zu finden, mit dem alle leben können.

Denn was bisher in dieser Hinsicht geschah, hat genau das nicht erreicht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. Jänner 2015

Donnerstag, 8. Januar 2015

Allzu noble Zurückhaltung



Die Österreicher mögen die EU nicht wirklich. Immer noch nicht. Daran hat sich seit 20 Jahren nichts geändert. Im Gegenteil. In den vergangenen Jahren ist es sogar noch schlechter geworden. 25 Prozent würde heute wieder am liebsten raus aus der Union. Mehr als jemals zuvor.

Die Stimmung ist nicht gut. Dabei gibt es kaum wirkliche Gründe dafür. Denn Österreich hat, alles in allem betrachtet, durch die Bank vom Beitritt zur Europäischen Union mit 1. Jänner 1995 profitiert. Die Wirtschaft, der Außenhandel, die Bildung. Gar nicht zu reden von der Öffnung der Grenzen und den vielen neuen Möglichkeiten, die sich mit einem Mal boten. Der Beitritt öffnete Österreich das Tor zu Europa. So gesehen funktioniert die so gerne gescholtene Europäische Union für unser Land und seine Bewohner durchaus. Da ist kaum etwas daran zu mäkeln. Österreich und seine Bewohner stehen durch die Bank besser da, als wäre damals die Volksabstimmung anders ausgegangen.

Das Problem freilich ist, dass die EU zwar für Österreich funktioniert, was die Ansprüche und die Umsetzungen von Möglichkeiten der Alpenrepublik in den Feldern der Wirtschafts-,Agrar-,Bildungs-und auch Sozialpolitik betrifft. Die Union aber selbst funktioniert nicht so, wie sie funktionieren sollte. Vor allem nicht im Hinblick darauf, den Nutzen, den Österreichs Mitgliedschaft in der Union seit nunmehr zwei Jahrzehnten hat, auch in Zukunft zu gewährleisten.

Die Einrichtung, die einst gegründet wurde, um in der Welt- und Wirtschaftspolitik ein Bollwerk der Stärke und des Friedens zu sein, schwächelt. Und Österreichs Beitrag dazu, dass sie das nicht tut, ist gering. Und das ist nicht nur auf die Kleinheit der Alpenrepublik, die sich sonst so gern als groß und wichtig sieht, zurückzuführen.

Wie in vielen anderen Ländern hat man sich auch hier längst davon ankränkeln lassen, was längst der Union als Gesamtes zu schaffen macht. Man versteht Brüssel und die dort diskutierten Fragen sehr viel eher als Möglichkeit, sich innenpolitisch zu inszenieren, denn als Möglichkeit, das gemeinsame Europa mitzugestalten. Viel zu oft ist für sie Brüssel nichts anderes als ein Ort, vor europäischer Kulisse Innenpolitik zu machen. Man will gut dastehen. Vor allem daheim. Ein gelungener "Doorstep", jenes Ritual bei dem die Minister schwungvoll aus dem Auto steigen und sich Journalistenfragen stellen, um dann im Ratsgebäude zu verschwinden, gilt vielen unserer Ministerinnen und Minister schon als erfolgreiches Auftreten in Brüssel. Das reicht dann schon.

Es mag schwierig sein, in Brüssel gehört zu werden und gar Initiativen auf den Weg zu bekommen. Es wird aber auch viel zu selten versucht. Und wenn, dann kommen sie, wie seit Wochen die heimischen Aktionen gegen die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, eher skurril anmutend daher - als PR-Aktionen für Zeitungen und Handelsketten und für den einen oder anderen Politiker, dem nichts zu peinlich ist. Wie etwa dem sozialdemokratischen Europa-Abgeordneten Jörg Leichtfried. Ausgerechnet der gelernte Arbeiterkämmerer und Beamte hatte tatsächlich keine Scheu, auf Bauer zu machen und sich in Trachtanzug und mit empörtem Gesicht in einem Kuhstall neben eine Kuh zu setzen und sich für die heimische Milch stark zu machen -für ein Foto in Österreichs größtem Kleinformat.

Das ist EU-Politik, wie sie Österreich und seine Bevölkerung nicht verdient hat. Da nimmt es nicht wunder, dass unser Land in der Europäischen Union über all die Jahre, seit es Mitglied ist - wiewohl einer der wenigen Nettozahler - ein schlichter Mitläufer geblieben ist. Ganz offensichtlich ein Land ohne Ambitionen. Von Visionen gar nicht zu reden.

Jahrelang musste sich Österreichs Bundeskanzler dagegen wehren, dass Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel angeblich einmal gesagt hat: "Faymann kommt mit keiner Meinung zu mir und kommt mit meiner wieder."

Auch wenn das von dem österreichischen Bundeskanzler schlecht wollenden Beobachtern der Szene erfunden sein mag -es beschreibt doch ziemlich genau die Wirklichkeit. Österreich hat auf europäischer Ebene nichts zu sagen. Und das vor allem, weil es gar nichts sagen will.

Das ist reichlich wenig. Vor allem im Hinblick darauf, dass die EU für Österreich und seine Ansprüche und Ziele auch in Zukunft funktioniert, ist das wohl nichts als kontraproduktiv.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 8. Jänner 2015

Montag, 5. Januar 2015

Bauern machen gemeinsame Sache



Gemeinschaftsmaschinen und die Vergabe von Arbeiten an Lohnunternehmer sind auf den Höfen in Österreich kein Fremdwort mehr. Damit sollen die Kosten gesenkt werden.

Hans Gmeiner Salzburg. Der Leondinger Landwirt Franz Ransmayr und Thomas Schürz vom Maschinenring Eferding hatten es während der Weihnachtsfeiertage kaum ruhig. Seit Wochen arbeiten sie am Ankauf zweier neuer Maschinen für die Zuckerrübenernte für die knapp 100 Bauern, die sich im oberösterreichischen Zentralraum zwischen Linz und Wels zu einer Erntegemeinschaft zusammengeschlossen haben. Verhandlungen mit Vertretern der Hersteller da, Gespräche mit den bäuerlichen Mitgliedern dort. „Wir rechnen genau und wollen die Zustimmung aller Mitglieder“, sagt Ransmair, seit Jahren von den Bauern gewählter Obmann der Gemeinschaft. „Bei dem Geschäft geht es schließlich um viel Geld.“

Seit mehr als 20 Jahren ernten die Landwirte die Zuckerrüben, die sie jährlich auf rund 600 Hektar anbauen, gemeinsam und teilen sich die Kosten. „Anders wäre das heute kaum mehr zu machen“, sagt Ransmair.

Die österreichischen Bauern, denen man zuweilen eine Schwäche für neue und teure Traktoren sowie überdimensionale Maschinen nachsagt, legen immer öfter ihr Geld für den Ankauf von Traktoren und Geräten zusammen, um ihre Produktionskosten möglichst niedrig zu halten. Der Bogen der Kooperationsmodelle reicht von zwei oder drei Bauern, die die Maschinen gemeinsam kaufen und sich gegenseitig bei der Arbeit helfen, bis hin zu großen Maschinengemeinschaften. Das Ziel ist immer dasselbe: Man will moderne Technik möglichst günstig nutzen können. Im Bezirk Grieskirchen etwa hat der Maschinenring nicht weniger als 47 Traktor- und Maschinengemeinschaften mit mehr als 300 Bauern als Mitgliedern unter seinen Fittichen. Über 100 Maschinen nutzen sie gemeinsam. Im niederösterreichischen Zwettl sind es 140 Maschinen, die von den Bauern gemeinsam genutzt werden. Traktoren gehören genauso dazu wie Pflüge und andere Bodenbearbeitungsgeräte oder Geräte zur Gülleausbringung. „Derzeit ist die Gründung von Gemeinschaften für Geräte zur Holzbergung sehr aktuell“, sagt Josef Voraberger vom Maschinenring Grieskirchen, der in Oberösterreich als einer der Pioniere der gemeinsamen Mechanisierung in der Landwirtschaft gilt.

Die Traktoren und Geräte haben fixe Standorte bei Bauern. Dort werden sie gewartet und können von den Mitgliedern der Gemeinschaft geholt werden. „Telefonische Voranmeldung genügt in der Regel“, sagt Helmut Scherzer, Landeschef der Maschinenringe in Oberösterreich. „In manchen Gemeinschaften reserviert man die Maschinen aber bereits über einen Outlook-Kalender, in dem Anmeldungen ersichtlich sind und gewünschte Zeiten eingetragen werden.“

Ein leistungsstarker Traktor mit stufenlosem Getriebe und elektronischer Steuerung, der weit jenseits der 100.000 Euro kostet, würde sich bei 20 oder 30 Hektar Acker und Grünland, wie sie in vielen Regionen Österreichs üblich sind, kaum rechnen. „Wird er aber gemeinsam genutzt, dann kommt man auch auf entsprechende Betriebsstunden“, sagt Thomas Schürz. Dann rechne sich auch ein solcher Traktor gut.

Mit rund 50 Prozent beziffert Scherzer das Einsparungspotenzial, das die gemeinschaftliche Nutzung von Traktoren und Maschinen bei den Fixkosten bieten kann. Die Bauern verhalten sich dennoch sehr reserviert. Scherzer hat dafür eine einleuchtende Erklärung. „Gerade bei Erntearbeiten geht es nicht allein um möglichst geringe Kosten, sondern auch um die termingerechte Verfügbarkeit der Gerätschaften“, sagt er. „Erst wenn man für sich auch arbeitswirtschaftliche Vorteile sieht, ist man bereit für Maschinengemeinschaften.“ Ganz abgesehen davon, dass es auch zwischenmenschlich zwischen den Bauern stimmen muss.

Die Landwirte nutzen aber zunehmend auch andere Wege. Vor allem tierhaltende Betriebe lagern immer öfter ganze Produktionsschritte wie das Silieren von Gras oder Mais aus und vergeben sie an darauf spezialisierte Landwirte oder Lohnunternehmen, die über die entsprechend schlagkräftige Technik verfügen. Im Ackerbau werden vor allem Druscharbeiten an Spezialisten vergeben. Von diesem Trend profitieren auch landwirtschaftliche Lohnunternehmer. Die größten unter ihnen betreiben 25 bis 30 Mähdrescher oder zwölf bis 15 Traktoren mit entsprechenden Geräten, um den Bauern ihre Dienste anzubieten. „Die Nachfrage steigt“, sagt Scherzer, der auch den Verband der Lohnunternehmer betreut. Eine Umfrage, die das Marktforschungsinstitut Keyquest für die Maschinenringe durchführte, ergab, dass fast zwei Drittel der Landwirte im Lauf des Jahres Fremdleistungen für ihren landwirtschaftlichen Betrieb zukaufen. Insgesamt werden dieser Umfrage zufolge rund sieben Prozent der Arbeiten fremd vergeben. Das entspricht einem Marktvolumen von knapp 330 Millionen Euro pro Jahr. Tendenz steigend. Laut Keyquest-Umfrage wächst der Markt für Fremdleistungen in der Landwirtschaft um vier Prozent jährlich.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 5. Jänner 2015

Freitag, 2. Januar 2015

Vorreiterrolle belastet Bauern



Österreich bezeichnet sich gern als landwirtschaftlicher Musterschüler Europas. Den Bauern tut das nicht immer gut.

Hans Gmeiner

SALZBURG. Aktuell kämpfen die Bauernvertreter gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer bei Saatgut und Futtermitteln im Zuge der Steuerreform. Sie befürchten zusätzliche Wettbewerbsnachteile, weil insbesondere in den Nachbarländern die Mehrwertsteuersätze bei diesen wichtigen Produktionsmitteln zumeist günstiger sind.

Für die Landwirte wäre das auf den Märkten eine weitere Hürde, die Österreich selbst errichtet. Schon jetzt leidet der Agrarsektor darunter, dass in Österreich die Produktionsvorschriften in vielen Bereichen strenger sind, als es das EU-Recht verlangt. Nur die Biobauern wissen das auch zu vermarkten. Im internationalen Vergleich kleine konventionell produzierende Bauern können die daraus entstehenden höheren Kosten dagegen kaum in den Preisen unterbringen. Das gleichen auch die vergleichsweise hohen Förderungen und das freundliche Steuerrecht nicht aus.

Kurz vor Weihnachten schlugen die heimischen Putenzüchter Alarm. Weil in Österreich seit Jahren pro Quadratmeter Stallfläche wesentlich weniger Puten gehalten werden dürfen als in den anderen EU-Ländern, muss man hilflos zuschauen, wie billiges Putenfleisch aus Italien, Polen und Ungarn die eigenen Produkte aus den Regalen verdrängt. Der Marktanteil liegt bereits bei weniger als 50 Prozent.

Während in Österreich nur 40 Kilogramm Puten pro Quadratmeter gehalten werden dürfen, sind es in Deutschland 58 und in Polen sogar 70 Kilogramm. Der Unterschied in den Produktionskosten ist daher enorm. „Unter den aktuellen Bedingungen ist es nicht mehr möglich, längerfristig Putenfleisch in Österreich zu erzeugen“, klagte kürzlich Robert Wieser, der Sprecher der heimischen Geflügelbauern.

Ganz ähnlich ist die Situation bei der Erzeugung von Masthühnern. Auch dort müssen die Bauern oft zur Kenntnis nehmen, dass die Bekenntnisse der Konsumenten zum Tierschutz und zu Extras wie gentechnikfreier Fütterung sowie die Bereitschaft, die höheren Kosten dafür gern zu zahlen, spätestens an der Supermarktkasse vergessen sind. Die Geflügelhalter ärgert das. „Dabei ermöglichen die Fortschritte in der Stall- und Belüftungstechnik heute ganz andere Bestandsdichten als seinerzeit und bieten den Tieren dennoch wesentlich bessere Bedingungen“, klagen Branchenvertreter. Lediglich die Eierproduzenten haben es geschafft, den Musterschülerkurs Österreichs unbeschadet zu überstehen. Als man sich vor zehn Jahren auf ein vorzeitiges Verbot der Käfighaltung einigte, half ein Sonderinvestitionsprogramm bei der Umstellung und trug dazu bei, dass die Marktanteile gehalten werden konnten.

Anders gelagert sind die Probleme bei den Schweinehaltern. Während man für die umstrittenen Ferkelschutzkörbe eine langfristige Übergangsregelung fand, die die Umstellungskosten abfedern soll, kämpft man immer öfter mit massiven Anrainerprotesten, wenn man die Stallungen ausbauen will. „Direkt in Ortschaften ist das heute kaum mehr durchzusetzen und freie Lagen außerhalb gibt es kaum, bei denen es nicht auch Widerstände gäbe“, sagt Hans Schlederer von der österreichischen Schweinebörse. Er sieht deswegen die Möglichkeiten der Schweinebauern beschränkt. „Schon jetzt kostet die Produktion eines Ferkels in Österreich um fünf Euro mehr als in Bayern, um zehn Euro mehr als in Norddeutschland und gar um 15 Euro mehr als in Dänemark.“

Auch die heimischen Milchbauern leiden zuweilen unter ihrem viel gelobten Dasein als Musterschüler. Schon vor Jahren wurden sie zur ausschließlichen Verwendung von gentechnikfreiem Futter verpflichtet. Damals wurde versprochen, die daraus entstehenden Extrakosten zu ersetzen. Allerdings waren diese Zusagen schnell vergessen. Die Bauern bekommen keinen Cent mehr dafür, ganz abgesehen davon, dass sich die Milchwirtschaft bemüht hätte, in der Vermarktung aus den strengeren Vorschriften Kapital zu schlagen.

Vielen Milchbauern platzt jetzt der Kragen. Vor allem aus Oberösterreich und aus dem Salzburger Flachgau liefern sie nicht zuletzt deshalb die Milch lieber direkt nach Bayern. Damit ersparen sie sich die teuren Auflagen für die Fütterung und sie erhalten obendrein meist auch einen besseren Preis.

Im Ackerbau sind es vor allem die länderweise unterschiedlichen Mittelzulassungen im Pflanzenschutz, die die Bauern ärgern. „Da tut man so, als ob die Erdäpfel nicht kreuz und quer durch Europa geführt und verkauft würden“, ätzt ein Beobachter. So sind etwa ab Jänner 2015 viele Mittel in Österreich nicht mehr zugelassen, die im benachbarten Bayern den Pflanzenschutz weiterhin erleichtern. „Im Ackerbau führt das zu Problemen, ernst ist die Entwicklung inzwischen für den Gemüse- und Obstbau, für Spezialkulturen wie Heil- und Gewürzpflanzen und für die Grassamenvermehrung, weil sich die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln gar nicht mehr um spezielle Zulassungen, wie sie das kleine Österreich verlangen würde, bemühen“, sagt Christian Krumphuber von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. „Da wird der österreichische Weg kontraproduktiv, weil genau das gefährdet wird, worauf man stolz ist.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. Jänner 2014

Donnerstag, 1. Januar 2015

Wie, das fragt niemand





Die deutsche Bild-Zeitung feierte "Deutschlands schönste Kurven" plakativ auf der Seite eins ab. Doch das Blatt meinte in diesem Fall nicht jene Kurven, die man bei einem Blatt diesen Zuschnitts normalerweise vermutet, sondern die Kurven auf einem Preisdiagramm, das zeigt, wie die Preise für Rohstoffe wie Öl und Agrarprodukte in den vergangenen Monaten in den Keller rasselten.

Die Freude sei der Zeitung unbenommen. Man hätte sich allerdings gewünscht, dass auch gefragt wird, warum Lebensmittel mit Ausnahme von wenigen Produktsegmenten bei Milch und Fleisch immer noch zu den Preistreibern zählen. Oder, wohin die hunderten Milliarden Dollar und Euro gekommen sind, die man sich wegen günstigerer Agrarprodukte einspart. Oder, warum es trotz der günstigeren Preise immer noch kaum Fortschritte im Kampf gegen den Welthunger gibt.

Das war nicht der Fall. Bei der Bild-Zeitung nicht. Und überhaupt nirgends.

Wenn die Preise für agrarische Rohstoffe hingegen auch nur geringfügig steigen - dann ist alles anders. Dann nehmen die heimischen Bäcker und all die anderen, die sich an der Lebensmittelkette zu schaffen machen, das postwendend als Grund für Preiserhöhungen. Dann werden die Spekulanten als Bösewichte ausgemacht, wird die Erzeugung von Agrosprit an den Pranger gestellt und werden die Bauern auch schon einmal als gierig abgestempelt.

Aber jetzt fragt niemand. Wohl, weil die sich die Dinge doch nicht so einfach darstellen lassen, wie man es gerne hätte. Beispiel Spekulationsgeschäfte mit agrarischen Rohstoffen: Sie sind in den vergangenen Jahren tendenziell mehr geworden. Und dennoch stürzten die Preise in den Keller. Wohl weil immer klarer wird, dass sie viel eher zur Stabilisierung von Märkten beitragen, als dass sie Preistreiber sind.  Kaum anders verhält es sich mit den so gescholtenen Agro-Treibstoffen. In den vergangenen zwei Jahren wurden zwar die Ausbauprojekte gestoppt, von einer Stilllegung von Kapazitäten und ein Umkehr ist aber weltweit nichts überliefert. Und dennoch stürzten die Preise in den Keller. Und im Kampf gegen den Hunger zeigt sich immer deutlicher, dass die Probleme viel eher wo anders liegen, als bei den Preisen.

Das alles ist wohl typisch für den Umgang mit landwirtschaftlichen Themen in der Öffentlichkeit. Der ist zunehmend dominiert von einem blinden Alarmismus, der zumeist sehr viel mehr von politischen und wirtschaftlichen Interessen gesteuert ist, denn von ernsthafter Sorge, Vernunft und schlichter Sachlichkeit.

Die Landwirtschaft, zumal die Bauern, stehen dem zuweilen hilflos gegenüber. Was jahrelang gut gewesen ist, ist mit einem Mal schlecht, nur um kurz darauf erfahren zu müssen, dass eigentlich längt wieder alles anders ist.  

Die Bauern leiden darunter. Die gesamte Landwirtschaft. Das hat sie zum Spielball vor allem jener Gruppen der Gesellschaft gemacht, die besonders von sich und ihren Ansichten eingenommen sind, denen aber Verantwortung viel zu oft ein Fremdwort ist. Wie sonst ist zu nennen, dass zumeist gerade jene, die sich um den Welthunger lauthals Sorgen machen und billige Nahrungsmittel fordern, hierzulande ganz vorne stehen, um noch mehr Beschränkungen für die landwirtschaftliche Produktion zu fordern? Wie sonst, dass man am liebsten verträumte Subsistenz-Landwirtschaft abseits der Märkte und ihrer Erfordernisse sähe und im gleichen Atemzug die Versorgungssicherheit gefährdet sieht und vor zu hohen Preise warnt?

Die Bauern müssen damit zurecht kommen. Wie, das fragt dann freilich meist niemand.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land Jänner 2015
 
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