Donnerstag, 18. Dezember 2014

Christkindl-Republik



Österreichs Innenpolitik hat nur mehr ein Thema. Und bei dem wird es auf absehbare Zeit wohl auch bleiben - die Steuerreform. Von vielem ist dabei die Rede, über viel wird schon jetzt gestritten obwohl noch gar keine Details bekannt sind, da wie dort betonieren sich die Verhandlungspartner ohne Not bereits jetzt ein, als ob es kein Morgen gäbe und manche reden gar schon baldige Neuwahlen herbei.

Von einem großen Bereich hingegen redet man bemerkenswert wenig. Von den Ausgaben, bei denen man sparen könnte. Ganz so, als ob die nicht bedeutsam wären für die Budgetnöte, die man nun in den Griff bekommen muss. Man mag darüber nicht reden. Nicht von den 16 Milliarden Euro, die alleine vom Bund jährlich als Förderungen und Zuschüsse unters Volk gebracht werden. Nicht von den Sozialleistungen, die durchforstet werden könnten. Nicht vom Dickicht all der zahllosen großen und kleinen Ausgabenpositionen, die sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten angesammelt haben. Und schon gar nicht von den Strukturen, die das ermöglichen und die längst Kultur geworden sind in diesem Land. Von denen schon gar nicht.

Man hat sich so daran gewohnt. Und man lebt so gut damit. "Es wird ja eh bezahlt" ist zur stehenden Redewendung geworden, wenn sich wegen nicht ganz notwendig erscheinender Ausgaben das schlechte Gewissen meldet, kritische Stimmen warnen, an die Vernunft appelliert wird oder sich Widerstand formiert. Das gilt im privaten Bereich, wenn es etwa gilt, den gemeinsamen Kuraufenthalt mit der allerliebsten Gattin, für den die Sozialversicherung aufkommen soll, zu verteidigen. Und das gilt erst recht im öffentlichen Bereich - für die Kosten für die Ortsumfahrung samt Kreisverkehr für die kleine Gemeinde und deren Bürgermeister weit hinter den Bergen, für die ja das Land "eh mitzahlt" , für manches Projekt, mit denen sich die Landeshauptleute Macht und Ansehen sichern, für die "der Bund eh zahlt". Und das gilt für die Brüsseler Gelder für heimische Projekte, an die man ohne dieses Geld nicht im entferntesten gedacht hätte. "Wir wollen ja keinen Euro in Brüssel liegen lassen", ist die Devise.

"Es wird ja eh bezahlt." Österreichs Politik nimmt sich zuweilen aus wie das Christkind. Dass sich die zuweilen so reichlich Beschenkten und gut behandelt Fühlenden in Wahrheit über eine immer höhere Steuerbelastung und zuweilen ans ordinäre grenzende Gebührenerhöhungen alles selbst zahlen müssen, hat man in dem Taumel schon lange vergessen. Dass das zählt bei den Leuten und gut ankommt, ist viel zu oft der einzige Maßstab, an den man sich hält.

Dabei ist es längst höchste Zeit darüber zu reden, was diese Haltung wirklich kostet und wie von ihr loszukommen ist. Es gab freilich in der Vergangenheit auch ziemlich wenig Grund dafür, diese Mechanismen, die alle schlau und als großzügige Geber erscheinen ließen und ihnen ein gutes Auskommen sicherten, genauer zu hinterfragen. Die kalte Progression bescherte dem Staat Jahr für Jahr automatisch Mehreinnahmen, ohne dass man die lange rechtfertigen musste. An den Gebührenschrauben kann man schier nach Belieben drehen, um sich Körberlgeld zu verschaffen. Und dass die steuerliche Gesetzgebung hierzulande überhaupt so angelegt ist, dass ein Drittel der Bevölkerung erst gar nicht unter die Steuerpflicht fällt, sondern ausschließlich in Form von direkten und indirekten Zahlungen vom System ausschließlich profitiert und ein weiteres Drittel auch nicht mehr als gerade das zahlt, was es als Beihilfen und Ähnliches zurückbekommt, tut sein Übriges.

"Es wird ja eh bezahlt". Um vierzig Milliarden Euro gibt der Staat heute mehr aus, als vor zehn Jahren. Mehr Netto vom Brutto, eine Entlastung des Mittelstandes, einen Schub für die Wirtschaft, eine Neuorientierung, ein Aufbruch waren trotz der enorm angestiegenen Schulden nicht zu erkennen. Die 40 Milliarden stehen in keinerlei Relation zu den paar Prozent, die die Wirtschaft in diesen zehn Jahren der Krise nur unter größten Mühen gewachsen ist.

Allein das ist Argument genug, neue Steuern und eine weitere Erhöhung der Staatseinnahmen abzulehnen. Und es ist Argument genug, in der Steuerreform auch den Einsparungs-Anforderungen den nötigen Raum zu verschaffen und die Strukturen anzupassen.

Sonst macht die Christkindl-Politik aus Österreich noch endgültig eine Christkindl-Republik. Unbedarft und fern des Lebens und seiner Anforderungen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Dezember 2014

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Offenbarung ohne Folgen?



Es war eine Offenbarung im sonst so tristen politischen Alltag Österreichs wie kaum je eine zuvor. Mit einem Mal fasste man wieder Mut. Es gibt diese Leute doch in diesem Land. Die, die anders reden. Die, die anders denken. Die, die wirklich gescheit sind. Die, die etwas draufhaben. Und die, die sich nicht verbiegen lassen. Gerade und von einer präzisen Klarheit und Direktheit, die man hierzulande eigentlich schon längst verloren gegeben hat.

Jeder Satz von Irmgard Griss saß, als sie in der vergangenen Woche den nach ihr benannten Bericht zur Kärntner Hypo-Affäre präsentierte. Worte setzte sie wie ein Skalpell ein. Messerscharf und mit höchster Präzision legte sie unprätentiös und ohne jede Übertreibung und Aufgeregtheit die Vorgänge offen und entblößte dabei die Zustände in dieser Republik und die Politik in diesem Land wie kaum jemand zuvor. Nichts und niemanden schonte sie, und nichts beschönigte sie. Und das, vollends ungewohnt hierzulande, ohne jeden ironischen Unterton und ohne den erhobenen Zeigerfinger der Besserwisser. Eine bittere Wahrheit nach der anderen.

Bittere Wahrheiten, die freilich längst bekannt sind, von denen aber niemand hören wollte. Schon gar nicht die Verantwortlichen in der Politik. Warnende Stimmen wurden wortreich in den Wind geschlagen, Probleme, die aufgeworfen wurden, kleingeredet, Entscheidungen, die sich stellten, auf die lange Bank geschoben, wenn man sich nicht gleich vor ihnen wegduckte und darauf hoffte, alles möge sich von selber lösen. Ganz österreichisch eben.

Der Griss-Bericht ließ sich davon nicht ankränkeln. Und Irmgard Griss schon gar nicht. In Interviews legte sie noch einiges von dem drauf, was das Land beherzigen sollte, und bei dem ihr nur Recht zu geben ist. Es regiere hauptsächlich die Politikersorge, wie man selbst dastehe und man stelle sehr darauf ab, wie über etwas geschrieben werde. Unprätentiös legte sie viele Wurzeln dessen frei, was für Österreich längst zum Übel geworden ist. So verwehrte sie sich dagegen, den Skandal an Personen festzumachen und Namen zu nennen. "Das führt vom eigentlichen Problem weg", sagte sie in einem Interview in der ZiB2. Der oder die würden dann vielleicht verurteilt. "Aber das Problem ist nicht gelöst". Statt dessen bringt sie die Verantwortung der Einrichtungen ins Spiel, die diese Leute entsandt haben, die nach Ansicht vieler nun an den Pranger gehören.

Was Griss fordert und was sie fragt, fehlt in diesem Land schon lange, weil die Bereitschaft zu notwendigen Veränderungen längst von den politischen Mühlen und ihren Interessen zermahlen ist. Der Griss-Bericht zeigt, wie weit unten dieses Land inzwischen angekommen ist, mit dieser Art an Herausforderungen heranzugehen und Probleme zu lösen respektive nicht zu lösen. Der Griss-Bericht und die Person Irmgard Griss rücken aber auch die Frage in den Vordergrund, warum solche Leute in diesem Land kaum zu hören sind respektive warum sie nicht in entscheidenden politischen Funktionen stehen.

Das hohe Risiko für Karrieren und wirtschaftliches Fortkommen ist ein in diesem Zusammenhang oft gehörtes Argument. Und von der geringen Bereitschaft, sich der Öffentlichkeit und der dort immer unerträglicher werdenden Methoden auszusetzen, ist zu hören. Es ist höchste Zeit dieses Umfeld neu aufzubereiten. Österreich kann sich die Distanz der gescheiten, kompetenten und guten Leute zur Politik nicht mehr länger leisten. Leute wie Irmgard Griss braucht dieses Land dringender denn je. Leute, die einen unverstellten Blick habe, Leute die selbstständig sind, Leute, die Politik nicht als plumpes Anbiedern verstehen.

Aber genau das sind wohl die Themen, die das verhindern. Das politische Verständnis und die Strukturen der politischen Parteien stehen diesen Anforderungen diametral entgegen. Längt hat man dort aus den Augen verloren, wie man für solche Leute attraktiv sein könnte, wie man sie für politische Aufgaben interessieren und wie man sie in die Politik bringen könnte.

Irmgard Griss wird nun da und dort bereits als mögliche Kandidatin für die nächste Bundespräsidentenwahl genannt. Man möchte fast darauf wetten, dass sie das nicht sein wird, weil es mehr als genug Politikerinnen und Politiker in diesem Land gibt, die es ihrem politischen Verständnis folgend als ihre Aufgabe sehen, genau das zu verhindern.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. Dezember 2014

Dienstag, 9. Dezember 2014

Suche nach 190 Milliarden Euro



Lebensmittelrohstoffe wie etwa Weizen, Mais oder Soja sind heuer weltweit 190 Milliarden Euro weniger wert als noch vor zwei Jahren. Den Konsumenten und Bauern nützt das jedenfalls nicht.

HANS GMEINER

SALZBURG. Als im Jahr 2012 auf den internationalen Märkten die Preise für Getreide, Mais und Soja in die Höhe schnalzten, schrillten weltweit die Alarmglocken. Es wurde die Gefahr von Hungerkrisen beschworen und über die Preiserhöhungen bei Lebensmitteln geklagt. Die Verantwortlichen dafür waren rasch ausgemacht. Spekulationsgeschäfte mit Getreide und Mais sowie der weltweite Agrosprit-Boom wurden an den Pranger gestellt.

Zwei Jahre später ist zwar auf den internationalen Getreidemärkten alles anders. Um gut zehn Prozent höhere Welternten ließen die Preise für Weizen, Mais und Soja in den Keller stürzen. Für Weizen wird heute um rund ein Drittel weniger gezahlt als vor zwei Jahren. Bei Mais und Soja beträgt das Minus sogar rund 40 Prozent. Bei Zucker ist es kaum anders.

Das zeigt, wie volatil und labil die Getreidemärkte sind. Immer klarer wird, dass die bisherigen Erklärungen insbesondere für Preisanstiege zu kurz greifen. So wurde etwa die weltweite Biospritproduktion in den vergangenen zwei Jahren nicht eingeschränkt. In einem neuen Licht werden inzwischen auch Spekulationsgeschäfte gesehen. „Sie wurden eher mehr und bisher in ihrer Wirkung auf die Preise überschätzt“, sagt Wirtschaftsforscher Franz Sinabell. Sie brächten eher Sicherheit und Berechenbarkeit auf den Märkten. „Politische Eingriffe in Märkte, wie Exportbeschränkungen, haben weitaus weitreichendere Folgen.“

Der Preisverfall bei den Rohstoffen von den Feldern erspart in der Kette der Lebensmittelproduktion seit zwei Jahren richtig viel Geld. Weltweit liegt heuer etwa der Wert der gesamten Ernten von Weizen, Mais und Soja trotz der höheren Mengen mit 350 Mrd. Euro um rund 190 Mrd. Euro niedriger als vor zwei Jahren. In Österreich beträgt die Einsparung gegenüber 2012 allein bei Weizen und Mais rechnerisch mehr als 300 Millionen Euro.

Während vor allem die landwirtschaftlichen Erzeuger unter dem Preisdruck zu leiden haben und Einbußen bei den Einnahmen hinnehmen müssen, spüren die Konsumenten bei den Lebensmittelpreisen kaum etwas von der drastischen Verringerung der Rohstoffkosten. Und obwohl diese Einsparungen im Kampf gegen den Welthunger wie ein ungeheuer großes Hilfsprogramm wirken müssten, ist auch dort kaum etwas von Erfolgen zu vernehmen.

Nach wie vor zählen die Lebensmittel international und in Österreich zu den größten Preistreibern. Erst vor ein paar Monaten, als die Preise für die Rohstoffe längst im Keller waren, beklagte die Arbeiterkammer, dass die Lebensmittelpreise in Österreich doppelt so stark steigen wie die Inflation.

Wer vom Preisverfall profitiert und wo die fast 200 Milliarden Euro, die man sich weltweit einspart, wirklich landen, ist schwer auszumachen. „Die Konsumenten haben jedenfalls keinen Vorteil davon“, sagen Kenner der Szene wie Sinabell. „Das meiste wird einfach von den Verarbeitern und vom Handel geschluckt“, vermutet er. Niedrigere Rohstoffkosten würden erst weitergegeben, wenn die Preise über längere Zeit niedrig seien. Zwei Jahre sind dafür offenbar zu wenig. Verarbeiter und Handel erklären die unvermindert hohen Preise vor allem mit dem geringen Anteil der Rohstoffkosten an den Gesamtkosten für die fertigen Produkte. Dass sie in Zeiten steigender Rohstoffpreise immer mit den gestiegenen Kosten für die Vorprodukte aus der Landwirtschaft argumentieren, wenn es gilt, Preiserhöhungen durchzusetzen, vergessen sie dabei tunlichst.

Anders ist die Situation in Weltregionen, in denen der Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln nicht so hoch liegt wie bei uns. „Dort spürt man die Preisrückgänge sehr wohl“, sagt Sinabell. Viele Menschen hätten aber dennoch nichts davon, weil sie unter der oft schlechten konjunkturellen Situation litten und sie sich auch die günstigeren Lebensmittel nicht leisten könnten.

Zu den Nutznießern zählen aber auch die Tierproduzenten unter den Landwirten. Sie profitieren von den günstigeren Preisen für Futtergetreide und Soja. Sie brauchen das freilich ihrer Ansicht nach auch dringend. Der Preisdruck wegen des hohen Angebots, der durch die Russland-Krise noch verschärft wurde, sei in vielen Bereichen groß. Vor allem Schweinefleischproduzenten klagen. Auch für Milcherzeuger hat sich die Situation in den vergangenen Monaten drastisch gewandelt. Statt mit Rekordpreisen, wie noch zu Jahresbeginn zu bekommen, muss man nun mit Preisen für Milch und Milchprodukte leben, die schier im Wochentakt fallen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 9. Dezember 2014

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Unerfüllte Erwartungen





"Herz-Jesu-Schrittmacher" wurde er genannt, weil er bei seiner Vereidigung als Minister seinen Schwur auch auf das Heilige Herz Jesu Christi leistete. Als "Spaßminister" tauchte er in den Gazetten auf. Und als Bienenretter waren ihm die Schlagzeilen genauso sicher, wie als Äpfelverteiler.  Die Strategie funktionierte. In der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung stürmten die Beliebtheitswerte in die Höhe. So sehr, dass der Tiroler in der Spindelegger-Nachfolge sogar als Kandidat gehandelt wurde.

Andrä Rupprechter ist in seinem ersten Jahr auf der Bühne der heimischen Politik als vieles zu sehen gewesen, Landwirtschaftsminister aber, als der er eigentlich geholt wurde, ist er immer noch nicht ganz. Darum hält sich die Begeisterung über ihn im Agrarbereich auch in Grenzen.

Dabei hat es so viele und so große Hoffnungen gegeben. Wer, wenn nicht er, wusste, wie man es macht, war die Meinung. Und die Hoffnung. Doch Rupprechter hat in seinem ersten Jahr diese Erwartungen noch nicht eingelöst. Eine ausgeprägte Handschrift, eine Linie und Leadership, wie man sich von einem Mann seines Kalibers erwartet, sind noch viel zu selten erkennbar.

Die Liste der Versprechungen und Ankündigungen ist lang. Viele sind uneingelöst, viele hängen in der Warteschleife und viele stecken im Apparat fest oder sind längst am Abstellgleis geparkt. Wo Annährung entstehen sollte - wie  etwa zum Lebensmittelhandel - entstanden Fronten und machte sich Distanz breit. Und viele der Erfolge, die er verkauft, sind, wie die Fleisch-Export-Initiativen in Fernost, nichts anderes, als Absichtserklärungen, deren Umsetzung in zählbare Euros noch lange dauern wird.

Einzig die Neu-Organisation des Ministeriums und die Almlösung darf sich Rupprechter als Federn an seinen Tirolerhut stecken. Die Verhandlungen rund ums Umweltprogramm hingegen gerieten fast zum Desaster. Termine, die genannt wurden, hielten selten, und Programmpunkte, die als fix gehandelt wurden, auch nicht immer. Richtig an die Wand aber fuhr Rupprechter die heimische Pflanzenschutzpolitik. "Im Zweifel für den Regenwurm" diktierte er vollmundig und wie immer lächelnd in die Notizblöcke der Journalisten. Dass er damit den Großteil der heimischen Bauern, zumal die konventionelle Landwirtschaft, brüskierte und in ernsthafte Schwierigkeiten brachte, scheint ihm einerlei.

Es nimmt nicht Wunder, dass der Zuspruch in der Bauernschaft, aber auch in der heimischen Agrarwirtschaft in den vor- und nachgelagerten Bereichen dabei ist, in offene Ablehnung und immer öfter auch in Wut und Häme umzuschlagen. Längst geht ein Riss durch die Agrarpolitik, längst wächst die Wut in den Unternehmen. "Es nimmt ihn niemand mehr ernst", schimpft der Chef eines heimischen Schlüssel-Unternehmens im Agrarbereich, der sich von ihm düpiert und im Stich gelassen fühlt. "Er macht vorne seine Show und zu den Wünschen der Wirtschaft lacht er nur."

Rupprechters Spiel ist riskant für die gesamte Landwirtschaft, weil er keine Alternativen anbietet. Im Verein mit der Unverbindlichkeit, die zuweilen in Schnoddrigkeit umschlägt, die Rupprechter zumeist an den Tag legt, kann das zur Gefahr werden. Die Bauern und die gesamte Agrarwirtschaft brauchen aber Richtung und Rückhalt, zumal in einem gesellschaftlichen Umfeld, das von immer mehr Bauern als feindlich empfunden wird.

Genau das zu bieten ist von  Rupprechter einzufordern. Gerade von ihm, der das Geschäft wie kaum ein anderer in diesem Land kennt.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 4. Dezember 2014

Wir Unkalkulierbaren



Euphemismen nennt man sprachliche Ausdrücke, die einen Sachverhalt beschönigen und mildern, wenn nicht gar in verschleiernder Absicht benennen. Solche Euphemismen haben in diesen Tagen, wo allerorten Meldungen von einer einbrechenden Wirtschaft kursieren oder, wo man, wie in der SPÖ, brüskierende Wahlergebnisse zu vermelden hat, Hochkonjunktur.

Unangenehmes wird möglichst schmeichelweich unter die Leute gebracht. Von "Minuswachstum" redet man jetzt gerne, wenn die Konjunkturforscher einen ein Schrumpfen der Wirtschaft vorhersagen, von "Marktbegleiter", wenn man die Konkurrenz verniedlichen will, und von "Freisetzung von Mitarbeitern", wenn man Kündigungen plant. Und ein österreichischer Top-Manager in italienischem Sold ließ jüngst nicht mit den von ihm ansonsten gewohnten Zuwachszahlen aufhorchen, sondern damit, dass er eine "Verlangsamung der Märkte um bis zu 15 Prozent" befürchte.

Verharmlosender kann man kaum sagen, dass man große Schwierigkeiten erwartet.

Unerreicht freilich ist in diesen Tagen der Sager von SP-Klubobmann Andreas Schieder vom "Oberwasser, an dem man sich auch verschlucken" könne im Zusammenhang mit Faymanns magerem Ergebnis bei der Wahl zum SP-Parteiobmann. So kann man die 83,9 Prozent auch "ganz normal" sehen. Man ist wohl dankbar, dass Faymann die mehr als 90 angepeilten Prozent gar nicht bekommen hat. Denn dann hätte er sich möglicherweise doch glatt verschluckt und wäre vielleicht heute gar nicht mehr. Wenn Euphemismen grassieren, ist höchste Vorsicht geboten. Man will etwas verstecken, man will etwas nicht zugeben, man will etwas verschleiern. So nimmt nicht wunder, dass in einem Land, in dem vieles schief läuft, Kultur geworden ist, die Dinge nicht beim Namen zu nennen. Man scheut die Reaktionen auf allzu direkte Äußerungen und Ankündigungen, zumal dann, wenn sie Belastungen, Einschränkungen, Streichungen oder das Eingestehen eigener Fehler bedeuten.

Man hat gelernt, dass dafür bestraft wird, wer allzu unverblümt die Wahrheit ausspricht. Längst hat man sich in eine Welt der Euphemismen geflüchtet, um bei den potentiellen Wählerinnen und Wählern möglichst gut dazustehen und dabei mitunter den Bezug zur Wirklichkeit und ihren Anforderungen verloren. Zu verdenken ist den Verantwortlichen das nicht, weiß man sich damit doch auf der sicheren Seite -die Leute schätzen das. Für viele freilich sind die Folgen der ewigen Schönfärberei längst unerträglich geworden. Was, von dem, was erzählt wird, fragen sie sich, stimmt und was nicht? Wie ist es wirklich einzuordnen? Und worauf muss man sich einstellen? Die Menschen sind zunehmend überfordert damit.

Wie auf der einen Seite der Trend zu Euphemismen zur Plage geworden ist, wächst auf der anderen Seite der blinde Alarmismus, den die Tendenz zur Verniedlichung und Schönfärberei nachgerade herausfordert. Er warnt vor allem und jedem und vermutet überall Betrug und Untergang. Das freilich macht es um keinen Deut leichter.

Im Verein nähren die beiden Tendenzen nichts als die Politikverdrossenheit. Man hat genug davon, sich mühsam im Dschungel schmeichelweicher Formulierungen und übertriebener Warnungen und Vorhaltungen Orientierung verschaffen zu müssen. Immer seltener will man Zeit dafür aufwenden, wo sich allzu oft am Ende doch herausstellt, das man der Geleimte ist. Da lässt man's lieber gleich bleiben und geht seiner Wege.

Vor diesem Hintergrund nimmt die Sehnsucht nach klaren Worten und nach klaren Handlungen markant zu. Nicht zuletzt deshalb, weil die Menschen spüren, dass ihnen etwas vorgemacht wird und dass viele Dinge falsch laufen. Der Politik fehlt dennoch der Mumm zu handeln. Viel lieber setzt man darauf, alles weich und klein zu reden, weiß man doch, das der - um beim Thema Euphemismus zu bleiben - "politische Mitbewerb" auf nichts anders wartet und klare Worte sofort seinerseits mit Alarmismus abstraft.

Längst hat man in diesem Spiel die Realität aus den Augen verloren und ist auf diese Weise in eine Kunstwelt geraten, die der wirklichen Welt und ihren Anforderungen entgegensteht.

Den Knoten aufzulösen scheint unmöglich. Nicht zuletzt, weil auch wir Bürgerinnen und Bürger dazu neigen, nach unserem Gusto und unseren Bedürfnissen zwischen den Euphemismen und Übertreibungen hin und her zu schalten und uns damit selbst unkalkulierbar und zur Bremse jedweder Entwicklung und notwendiger Maßnahmen zu machen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. Dezember 2014

Freitag, 28. November 2014

Höhere Steuern fürs Essen?



Wirtschaftsminister Mitterlehner will nicht ausschließen, dass zur Finanzierung der Steuerreform begünstigte Mehrwertsteuersätze, die auch für Lebensmittel gelten, zur Diskussion stehen.

HANS GMEINER

WELS. Mit Händen und Füßen wehrt sich die heimische Landwirtschaft gegen zusätzliche steuerliche Belastungen von Vermögen und Grund und Boden. „Wir beißen nicht vom Boden ab, sondern leben von dem, was darauf wächst“, formuliert Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, gerne deftig, wenn es um höhere Steuern auf die betriebliche Substanz geht. Man verweist in diesem Zusammenhang immer wieder auf die wirtschaftliche Bedeutung der Bauern für ganze Regionen. 560.000 Arbeitsplätze hängen nach Angaben der Bauernvertreter in den vor-und nachgelagerten Bereichen wie Landhandel, Landtechnik-Industrie oder Metzgereien an der Landwirtschaft. „Ein Euro, den ein Bauer investiert, löst eine Wertschöpfung von vier Euro aus, eine Million Invest-Förderung sichert 20 Arbeitsplätze“, sagt Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter.

Nun droht den Bauern möglicherweise aber zusätzliches Ungemach. Auf die Frage, ob eine Änderung bei den reduzierten Mehrwertsteuersätzen von zehn bzw. zwölf Prozent, von denen die Landwirtschaft wie alle Lebensmittelerzeuger, aber auch Gastronomie, Beherbergungsbetriebe und andere wichtige Wirtschaftssparten profitieren, für ihn eine Option sei, antwortete Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Donnerstag bei einem Pressegespräch auf der Welser Agrar-Messe ausweichend. Er möchte „keinen Kommentar abgeben“, sagt er und fügte an, „dass bei einer Reform, und wir reden nicht nur von einer Verkürzung oder Senkung der Steuern, auch diverse Überlegungen in diese Richtung mitspielen können, würde ich nicht ausschließen“.

Die Bauern könnten zwar beim Verkauf ihrer Produkte die höhere Mehrwertsteuer aufschlagen, wären aber wohl einem noch größeren Preisdruck ausgesetzt. Für sie würden aber auch Zukäufe, insbesondere Futtermittel, damit deutlich teurer. Zudem hätten Änderungen bei den Mehrwertsteuersätzen weitreichende Folgen für das steuerliche Pauschalierungssystem. Drastisch wären auch die Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise für die Konsumenten. Sie unterliegen, anders als Konsumprodukte, für die 20 Prozent Mehrwertsteuer zu entrichten sind, einem Mehrwertsteuersatz von zehn Prozent.

Eindeutiger war Mitterlehner bei der Ablehnung der von den Bauern so gefürchteten Substanzsteuern. „Das kann nicht Gegenstand der Verhandlungen sein.“ Da gehe es um die wirtschaftliche Substanz der bäuerlichen Betriebe, um Investitionsmöglichkeiten und um Arbeitsplätze nicht nur auf den Bauernhöfen, sondern auch in den Regionen. „Auf viele Bauern kommen durch die Erhöhung der Einheitswerte und die Neuregelung der Grundsteuern ohnehin schon jetzt zusätzliche Belastungen zu.“

Seine explizite Ablehnung einer Erhöhung der landwirtschaftlichen Substanzsteuern will er ausdrücklich nicht als Ja zu höheren Steuern im nicht landwirtschaftlichen Bereich interpretiert sehen. „Dass ich das nicht ausschließe, heißt noch nicht, dass ich das bestätige“, sagt er. Vorstellen will Mitterlehner die ÖVP-Pläne am 9. Dezember.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 28. November 2013

Donnerstag, 27. November 2014

Verlorene Hoffnungen



Seit Tagen führt sich das Team Stronach, respektive das, was davon geblieben ist, in aller Öffentlichkeit selbst vor. Erbarmungswürdig. Ist die Parteichefin aus der Partei ausgetreten oder nicht? Sagt sie etwas oder lieber doch nicht? Wer wusste was und wer was nicht? Und hat er, der Parteigründer, etwas gewusst? Oder doch nicht?

Wenige Wochen zuvor waren es die Neos, die sich in ähnlicher Weise vorführten. Der Parteichef als Verfasser schwülstiger Gedichtzeilen und gleich einem Guru auf Fotos im Gras, die Jungen in seiner Partei hingegen für Gras -ganz legal und ohne Einschränkungen.

Die Ersteren haben sich längst dezimiert und sind dabei in der Öffentlichkeit endgültig durchzufallen. Die Letzteren sind umgehend in den Umfragen abgestürzt. Einst angetreten, um die Republik zu retten und einen frischen Wind in die Politik zu bringen, neue Ideen und mehr Transparenz, wurden die beiden neuen Parteien, eben erst gegründet und voller Hoffnung von allen Seiten in der Öffentlichkeit hofiert, binnen kurzer Zeit gegen die Wand gefahren. Ohne Not, aber mit einer Gründlichkeit, die ihresgleichen sucht.

Dabei hätte sie dieses Land so dringend gebraucht. Nicht zuletzt deswegen setzte man allerorten so große Hoffnungen in sie. Aber nein, sie konnten sie nicht erfüllen. Mancherorts mag sich darob Schadenfreude breit machen. Die ist freilich nicht angebracht. Denn es tut nicht gut, dass sich in diesem Land neue Parteien so schwer tun, groß und stabil zu werden. Das Liberale Forum scheiterte, jetzt sind das Team Stronach und die Neos dabei das Gleiche zu tun.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen haben sie mit der Unfähigkeit der Leute zu tun, die meinen, die politische Landschaft in Österreich aufmischen zu müssen, und auch mit ihren oft nicht ganz lauteren Motiven. Zum anderen haben sie aber auch mit dem bestehenden System zu tun, das sich als wehrhafte Trutzburg erweist, der kaum beizukommen ist. Binnen kurzer Zeit zeigte sich da wie dort bei den jüngsten Parteigründungen, dass die Personaldecke viel zu dünn ist und dass der Text zu den mitunter sehr populistisch und großspurig formulierten Slogans und Überschriften fehlte. Viel zu oft ließ man politische Glücksritter schalten und walten, die zuweilen bereits in mehreren Parteien in unterschiedlichen Funktionen nach oben zu kommen versuchten, dort aber nicht ohne Grund kläglich scheiterten. Hochgejazzt von willfährigen Medien verlor man rasch den Boden unter den Füßen und ging blauäugig und ohne praktischen und theoretischen Unterbau in politische Auseinandersetzungen, in denen man sich oft nur lächerlich machen konnte. Rasch zeigte sich, dass man von den Ansprüchen überfordert war und dass politische Arbeit mehr ist als ein paar flapsige Bemerkungen und kontroverse Vorschläge. Gemeinsam ist den scheiternden Parteien auch, dass sie die Anforderungen und den Aufwand unterschätzten, der notwendig ist, um im politischen Getriebe zu bestehen oder gar etwas zu bewegen.

Und unterschätzt wurde auch der Widerstand des bestehenden Systems respektive der Parteien, die sie vertreten. Und der ist, man ahnt es, nicht gering zu schätzen. Das Beharrungsvermögen ist groß. Da lässt man Neuankömmlinge nach alter Österreicher Traditionen ins Leere laufen, schickt sie im Kreis und lässt sie dumm sterben. Eine kleine Trickserei da, ein kleines Legerl dort. Das macht auch engagierte Polit-Neuankömmlinge schnell mürbe. Und im Nu ist aus vorgeblichen Wunderwuzzis ein Haufen desorientierter Ahnungsloser, frei zum Gespött der Öffentlichkeit, geworden. Die etablierten Parteien, man weiß es, verstehen sich darauf bestens.

Dass in diesem Land neue Parteien nicht Fuß fassen können, hat auch mit der allgemeinen Politmüdigkeit zu tun, unter die auch die etablierten Partien leiden. Es finden sich zwar jede Menge Leute, die über das Politik-Geschäft schimpfen, aber immer weniger, die es sich auch antun wollen. Vor allem solche, die es drauf hätten.

Damit wendet sich, was eigentlich als Aufbruch für das Land und seine Politik gedacht war, ins genaue Gegenteil, spielen doch die neuen Parteien den bestehenden mit ihrem Scheitern in die Hände. Die wissen, dass sie nichts zu befürchten haben und sehen sich gar in ihrem Tun bestätigt.

Und das ist nicht das, was einem Land gut tut, das so sehr nach Veränderung schreit und die auch dringend bräuchte.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. November 2015

Donnerstag, 20. November 2014

Da braut sich etwas zusammen



In der heimischen Innenpolitik braut sich wieder etwas zusammen. Die Zeit der Ruhe und der Hoffnung auf konstruktives Arbeiten, die vom Wechsel von Spindelegger zu Mitterlehner und Schelling genährt wurde, dauert manchen ganz offensichtlich schon wieder zu lange. Der Ton ist dabei, wieder rauer zu werden. Die Vernunft in der Politik, die man in den vergangenen Wochen und Monaten zu spüren vermeinte, ist dabei, wieder zu verschwinden. Immer deutlicher zeigt sich, dass man nicht verlernt hat, was Bürgerinnen und Bürger dieses Landes in den vergangenen Jahren so sehr vergrault hat. Allerorten werden im Ringen um eine Steuerreform die vorübergehend verlassenen Stellungen wieder bezogen. Das lässt Übles befürchten.

Vor allem die Sozialdemokraten, aufgejagt von neuerdings guten Umfragewerten des Koalitionspartners und getrieben von den Gewerkschaften, werden im Vorfeld ihres Parteitages Ende November, bei dem es für Bundeskanzler Faymann um alles geht, rückfällig. Mitunter greift man tief in die Klassenkampf-Mottenkiste und heizt ein Klima der Begehrlichkeiten an, das mit der Realität budgetpolitischer Notwendigkeiten kaum etwas zu tun hat.

Aber auch bei den Schwarzen funktionieren die althergebrachten Muster nach wie vor klaglos. "Politik von oben herab" schimpfte Tirols Günther Platter auf Faymanns Vorschlag, bei den Ländern einzusparen, von "Affront" sprach" Vorarlbergs Wallner. Und Oberösterreichs Pühringer stellte klar, dass die Länder zu keinen Sonderopfern bereit sind: "So etwas hat es ja noch nie gegeben."

Lediglich die neuen VP-Köpfe Mitterlehner und Schelling scheinen den Ball rund um die Steuerreform noch flach halten zu wollen. Fraglich freilich ist, wie lange sie dem Druck standhalten können, der die Koalition immer heftiger in die alten Muster drängt, die man schon so satt hat.

Denn dieser Druck wächst rasant. Die Gewerkschaft hat nach Jahren der Neuorientierung wieder die Kraft, bei den Sozialdemokraten die Richtung vorzugeben. Das nimmt Faymann fast jeden Spielraum und macht ihn zu einer "Lame Duck", einer "Lahme Ente", im Bundeskanzleramt. Als fehlte es dafür eines Beweises dafür, hat er, wohl um sein politisches Überleben zu sichern, der Einfachheit halber gleich die ÖGB-Steuerreform-Vorschläge eins zu eins übernommen.

Dass die Steuerreform nun im Vorfeld eines wichtigen Wahljahres gestemmt werden muss, macht die Sache nicht einfacher, zumal es nicht irgendwelche Bundesländer sind, in denen gewählt wird, sondern zumeist Bundesländer, deren Chefs in ihren Parteien die Linien vorgeben. Häupl und Voves, die sich im Juni und September Wahlen stellen müssen, sind auf Seiten der Sozialdemokraten ebenso wenig politische Leichtgewichte wie Oberösterreichs Josef Pühringer auf Seiten der Schwarzen, der sich im September der Wahl stellen wird. Und auch Burgenlands Hans Niessl, wiewohl Landeshauptmann eines kleinen Bundeslandes, hat schon mehrmals bewiesen, dass er sich nicht so einfach die Butter vom Brot nehmen lässt

Da hält sich die Bereitschaft zu Veränderungen oder gar dazu, sich etwas wegnehmen zu lassen, in sehr engen Grenzen.

Man darf gespannt sein, wie sich die Dinge in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln werden. Dabei geht es nicht nur darum, ob die Steuerreform überhaupt zustande kommt und wie sie aussehen wird. Dabei geht es auch darum, wie es mit der Koalition zwischen SPÖ und ÖVP weitergeht, die sich schon seit so vielen Jahren quält und eher aneinander abarbeitet, als für das Land zu arbeiten. Und man darf gespannt sein, wie es mit der ÖVP unter Mitterlehner und mit Mitterlehner selbst weitergehen wird. Noch hat er kräftigen Rückenwind aus der Partei. Wenn es ums Geld geht, ums Eingemachte, kann sich das sehr schnell ändern. Aufgebrachte Reaktionen von Landeshauptleuten, wie sie am vergangenen Wochenende Faymann galten, könnten sehr schnell auch ihm gelten. Und seinem Finanzminister. Was noch als Selbstbewusstsein bewundert wird, könnte dem bald als Arroganz ausgelegt werden. Auch von den Leuten seiner Partei. Vor allem von jenen in den Ländern, richtete er denen doch schon bei seinem Amtsantritt aus: "Sie wissen, ich bin auch ein harter Knochen."

Als Bürger dieses Landes freilich kann man nur hoffen, dass seine Ankündigung hält. Denn soll das Land Zukunft haben, braucht es "harte Knochen", und nicht Politiker, die allen nach dem Mund zu reden versuchen und nicht zuletzt deswegen nichts voranbringen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. November 2014

Donnerstag, 13. November 2014

Verlorenes Maß



Derzeit sind es die Wirte dieses Landes, die mit der Bürokratie und dem Schicksal, das sie ihnen beschert, hadern. Ab Dezember müssen sie ihre Gäste über die allergenen Inhaltsstoffe in den von ihnen aufgetischten Gerichten informieren. Ein zusätzlicher Aufwand an Zeit, Geld und Papier, den sie sich gerne ersparen würden, meinen sie, ohnehin schon genug gegängelt zu werden.

So wie den Wirten geht es immer wieder ganzen Berufs- und Bevölkerungsgruppen in diesem Land. Allerorten ist das Wiehern des Amtsschimmels längst zum nervigen Dauerthema geworden. Und das nicht nur, weil die vielen Vorschriften lästig sind und jede Menge Nerven, Zeit und Geld kosten, sondern auch deswegen, weil man sich immer leichter in ihnen verheddert, gibt es doch fast nichts mehr, wo man nicht etwas falsch machen und entsprechend bestraft werden kann. Die Fallen, in die man selbst als um Korrektheit bemühter Bürger tappen kann, werden immer mehr. Die Vorschriften werden immer komplexer und detaillierter und die Kontrollnetze immer engmaschiger. Mitunter so engmaschig, dass sich der Verdacht aufdrängt, sie seien nichts als Beschäftigungstherapie für Beamte, auf dass sie um die Häuser ziehen können.

Da nimmt nicht wunder, dass der Ärger zunimmt. Man ist immer weniger gewillt, Entscheidungen und Bescheide von Behörden hinzunehmen, zumal dann, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Der enorme Anstieg der Beschwerden bei der Volkanwaltschaft ist einer der Belege dafür. Knapp 20.000 Bürgerinnen und Bürger wandten sich im vergangenen Jahr an die Einrichtung, die ihnen zum Recht verhelfen soll, wenn sonst nichts mehr scheint helfen zu können. Um 27 Prozent mehr Beschwerden als im Jahr zuvor waren das.

Auch in der Wirtschaft wird die Klage immer lauter. Erst vor wenigen Wochen veröffentlichte der Wiener Management-Club eine Umfrage, derzufolge 80 Prozent der Unternehmer der Überzeugung sind, dass sich die Rahmenbedingungen verglichen mit den vor fünf Jahren gültigen deutlich verschlechtert hätten. Und das obwohl Verwaltungsvereinfachung und Bürokratie-Abbau seit Jahren ganz oben auf der politischen Agenda und, wenn schon nicht das, so doch auf der Liste der politischen Versprechungen stehen.

Vor allem die höheren Kosten , der höhere Zeitaufwand und der erhöhte Ressourceneinsatz, den die Bürokratie verlangt, sind es, die von den Führungskräften der Unternehmen beklagt werden. Dabei geht es oft ans Eingemachte und an die Substanz der Unternehmen. "Drei Viertel der Führungskräfte melden einen höheren Personaleinsatz, bei fast zwei Drittel dämpfen überbordende Verwaltung und Gesetzgebung die Investitionstätigkeit aus", schreibt die Tageszeitung "Kurier"."Mehr als 90 Prozent der Führungskräfte erklären, dass die rechtlichen und verwaltungsmäßigen Rahmenbedingungen Investitionen eher behindern bzw. verzögern und verteuern." Am meisten stöhnen die Unternehmen demnach unter langwierigen und komplexen Bauverfahren, unter der Finanzmarktaufsicht, unter Arbeitszeitregelungen und so Unsinnigkeiten, wie Vorschriften für Parkplatzbeleuchtungen, denen oft eine überproportional hohe Bedeutung zugestanden werde.

Die Zustände sind in vielen Bereichen schlimm und zum Erbarmen. Sie haben aber auch, das ist die andere Seite, mit dem wachsenden Anspruchsdenken aller Beteiligten zu tun. Etwa mit der wachsenden Präpotenz bei der Planung und Umsetzung von Projekten, die am liebsten gar keine Rücksicht auf irgendjemand nehmen würden und die oft nur mit rigiden Vorschriften unter Kontrolle zu bringen sind. Oder damit, dass sich immer irgendein Anwalt darauf versteht, für seinen Mandanten, der wegen einer zu schlechten Parkplatzbeleuchtung gestolpert ist und sich verletzt hat, Körberlgeld zu holen. Oder damit, dass allenfalls als Kavaliersdelikt gilt, mit ein paar nicht ganz der Wirklichkeit entsprechenden Angaben in den Genuss irgendeiner Sozialleistung zu kommen - schließlich will doch niemand als Draufzahler da stehen, und als ungeschickt, weil er oder sie sich nicht darauf verstand, einen möglichen Vorteil zu nutzen.

So betrachtet ist die Regulierungswut nicht nur Bosheit, sondern auch Reaktion auf die Kultur gewordene Gier der Gesellschaft und darauf, dass ihr längst das Maß abhanden gekommen ist. Viel eher, als aufs immer Neue den wiehernden Amtsschimmel zu beklagen, ist vieleicht daran zu arbeiten, genau das wieder zu finden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. November 2014

Donnerstag, 6. November 2014

Nur wenn es den Bauern schlecht geht, geht es ihnen gut





Die Obstbauern klagen, die Schweinebauern, die Milchbauern. Die Lage sei schlimm, ja existenzbedrohend. Allerorten wird fest draufgedrückt. Von den Bauern selbst, und noch viel mehr von ihren Vertretern. Nur wenn in der Zeitung steht "Den Bauern geht's schlecht", scheint es ihnen gut zu gehen. Auch den Bauern gefällt das.

Man hält es offenbar für das höchste Ziel, eine Stimmung zu verbreiten, in der die Bauern als bedürftige Opfer da stehen. Nachgerade schleimend heischt man mitunter um Verständnis und Mitleid. Oft abseits der Realität, oft ziemlich frech und vorlaut und oft, um eigenes Versagen zu kaschieren.

Die Unterschrift Putins unter Russlands Importstopp war noch gar nicht trocken, da riefen die Apfelbauern, die auch ohne Russland vor enormen Vermarktungsproblemen gestanden wären, bereits nach Unterstützung. Auch die Vertreter der Schweinebauern meinten den günstigen Wind nutzen zu müssen. Dabei waren Schweinexporte nach Russland wegen der afrikanischen Schweinepest schon seit dem Frühjahr nicht mehr möglich. Und bei der Milch lenkt man lieber das Licht auf Putin, als darauf, dass man den Milchsee, in dem man nun wieder schwimmt und der auf die Preise zu drücken droht, selbst durch kaum je da gewesene Überlieferungen verursacht hat. Genauso wie man lieber den Teufel drohender Bauernmilchpreissenkungen an die Wand malt und dabei vergisst zu sagen, dass in den vergangenen Monaten die Erzeugermilchpreise so hoch, wie kaum je zuvor und sogar auf dem Vor-EU-Niveau waren.

Keine andere Branche redet sich permanent selbst derart schlecht und hilflos, wie die Landwirtschaft.  Als ob es nur Unfähige und Betrogene wären, die in der früh in die Gummistiefel steigen, um in den Stall zu gehen, die Getreide, Milch und Fleisch erzeugen und die Landschaft in Schuss halten. Die nichts können und dem bösen Handel, den bösen Arbeiterkämmerern, der bösen EU oder Wladimir Putin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind.

Keine andere Branche hat derart viele Vertreter, die just genau das für ihre vorderste Aufgabe halten. Permanent erklären sie, was fehlt, was falsch läuft und wer dafür schuld ist. Dass sie damit, bei Licht betrachtet, nichts anderes tun, als ihre eigenes Versagen in die Auslage zu stellen und ihre Unfähigkeit zu beklagen, sehen sie nicht.

Für die heimische Landwirtschaft, die Bauern und auch die Politik, ist diese zur Kultur gewordene Miesmacherei längt zum Mühlstein geworden. Immer mehr Bauern haben die Nase voll von der ewigen Raunzerei und davon, permanent den Stempel eine hilflosen Verlierers, der immer und überall Beistand, Verständnis und Sonderbehandlung braucht, aufgedrückt zu bekommen.

Die Stimmung, die in der Öffentlichkeit transportiert wird, stimmt zum Glück immer seltener mit der Realität auf den Höfen überein. Und - das sei angefügt - auch nicht mit dem Erscheinungsbild der Bauernhäuser, der Stallungen, der Maschinen-Ausstattung und der Autos.

Denn die, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, die sich nicht mehr auf öffentliche und politische Alimentation und Bevormundung verlassen wollen, werden mehr. Sie entscheiden sich selbstbewusst für die Landwirtschaft. Sie wissen, was sie erwartet und sie wissen, was möglich ist. Daraus wollen sie etwas machen, das wollen sie zu ihrem Leben machen.

Und sie wissen auch, dass derzeit die Situation in vielen Bereichen alles andere als einfach ist. Aber sie wissen auch, dass es wieder anders wird.

Genau so, wie das in vielen anderen Branchen gilt.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land 11/14, 6. November 2014

Enge Gürtel



Die öffentlichen Haushalte in Österreich sind aus allen Fugen, die Verschuldung explodiert. Die Last, die sich für künftige Generationen aufbaut, lässt vielen die Grausbirnen aufsteigen, ist sie doch längst unüberschaubar geworden. "Wir müssen den Gürtel enger schnallen", heißt es allerorten. Das klingt fraglos gut und vernünftig. Und es ist, auch das ist keine Frage, notwendig. Im Detail freilich präsentiert sich, was an Stammtischen oder an Rednerpulten in Bierzelten so logisch, einfach und einleuchtend klingt, oft sehr diffizil und vielschichtig. Vor allem dann, wenn man mit einem Mal selbst betroffen ist von Einsparungsmaßnahmen. Da hält man's sehr schnell lieber mit der Divise "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass".

Da erweisen sich einfache Lösungen sehr schnell als nicht viel mehr denn als Anfangspunkte für neue Kalamitäten, für Ungerechtigkeiten und Unmut. Das ist bei den Sparvorhaben beim Bundesheer so oder bei der Polizei, in der Landwirtschaft oder im Sozialbereich.

Einsparungen gibt es nicht ohne Schmerzen, auch wenn das die Politik gerne so verkauft. Während viele der Einsparungen, die geplant sind oder dabei sind, umgesetzt zu werden, Institutionen betreffen, sind die Einsparungen vor allem im Sozialbereich sehr schnell dabei, Menschen direkt zu treffen. Dort ist schon jetzt in manchen Bereichen, wie kaum in anderen Sparten, zu sehen, wohin der Weg geht, der notwendig ist, weil man in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten über den Verhältnissen lebte und sich Dinge leistete, die man sich nie und nimmer hätte leisten dürfen.

Doch während zumeist diejenigen, wegen denen nun das System überfordert ist, ihre Schäfchen im Trockenen haben und weiterhin ihre Ansprüche wohl bis ans Lebensende konsumieren können, müssen immer mehr zur Kenntnis nehmen, dass sie zu spät kommen und für sie nicht mehr so viel da ist, wie man es bisher gewohnt war. Sie müssen damit leben, dass es im Sozialstaat Österreich in den vergangenen Jahren bereits spürbar enger wurde.

Sie müssen, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, ausbaden, dass Sozialminister Hundstorfer den Zugang zum Pflegegeld erschweren will, weil das Geld zu wenig geworden ist. In der politischen Diskussion sorgte dieser Vorschlag für hohe Wellen und geriet im Handumdrehen zum innenpolitischen Aufreger. Es wird nicht der letzte dieser Art sein.

Er fügt sich schon jetzt in eine Reihe von immer lauter werdenden Klagen über Kürzungen von Sozialleistungen, Umschichtungen von Geldern oder Neugestaltung von ganzen System-Strukturen.

Jüngst beklagte erst die Arbeiterkammer Oberösterreich wortreich das Schicksal einer an Multipler Sklerose erkrankten 42-jährigen Verkäuferin, die wegen der seit dem Vorjahr geltenden Neuregelung des Pensionsvorschusses droht, durch das in Österreich vermeintlich so dichte Sozialnetz zu fallen. "Weil sie wegen der Neuregelung des Pensionsvorschusses nach Ablehnung ihre Pensionsantrages gar nichts mehr gehabt hätte, musste die Frau ihren Job kündigen, um zum Überleben wenigstens das Arbeitslosengeld zu bekommen", schreibt die Arbeiterkammer. Jetzt freilich lebe die Frau ständig unter dem Damoklesschwert eines Krankenhausaufenthaltes. "Denn sollte sie ins Spital müssen, dann stünde sie dem AMS nicht mehr für die Arbeitsvermittlung zur Verfügung, daher würde ihr das Arbeitslosengeld gestrichen. Wovon sie dann leben soll, weiß sie nicht."

Die bedauernswerte Frau ist sicherlich nicht die einzige, der es so geht. So geht es wohl auch vielen der laut Statistik Austria 1,2 Millionen Armutsgefährdeten in diesem Land. Sie haben schlechte Karten. Vor allem jene, die wirklich Hilfe und Unterstützung bräuchten.

Da bekommt die herablassende Rede von der sozialen Hängematte sehr schnell einen sehr zynischen Beigeschmack. Denn gerade jene, die es am nötigsten hätten, fallen bei Änderungen des Systems oder bei finanziellen Kürzungen besonders oft durch. Für die Politik ist es eine große Herausforderung, den richtigen Weg zu finden. Dabei geht es um Effizienz. Weniger wäre oft mehr. Es geht vor allem darum, die Treffsicherheit der Maßnahmen zu erhöhen. Es soll denen geholfen werden, die es wirklich brauchen, und nicht Trittbrettfahrern, die sich besonders gut darauf verstehen, Lücken in den Vorschriften zu ihrem Vorteil zu nutzen. Denn Erstere fallen immer noch viel zu oft durch, während sich das bei Zweiteren genau umgekehrt verhält.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. November 2014

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Posen voller Enttäuschung



Politiker üben sich immer wieder und ganz offensichtlich immer wieder gerne in peinlichen Posen. Jüngst konnte es sich der Geschäftsführer einer Landespartei-Organisation in einem Bundesland, in dem im kommenden Jahr Wahlen anstehen, nicht verkneifen, sein Neugeborenes in die Kameras zu halten. Ohne Krawatte, im Kapuzensweater. Ganz locker. Mit auf dem Bild auch gleich sein Parteichef und Landeshauptmann, der sich selbiges offenbar auch nicht verkneifen konnte.

Besonders aufgefallen ist im Zusammenhang mit aufdringlichen Posen dieser Tage auch der Oberste der pinken Partei, die sich ansonsten so gerne als der Neu-Erfinder der Politik geriert. Neos-Chef Strolz posierte im Sonntagsmagazin der auflagenstärksten Zeitung mit ausgebreiteten Armen in einer Wiese liegend und ließ das p.t. Lese-Publikum wissen, wie es ihm bei so einer Fastenwoche im Kloster geht, die er sich einmal im Jahr auferlegt. "Am dritten Tag schießt die Energie ein. Da könnte ich die Welt umarmen und Bäume ausrupfen."

Warum machen die das, fragt sich der unbedarfte Beobachter. Ein frischgeborenes Kind für eine Zeitung in die Kamera halten? Sich in eine Wiese legen, um Glück darzustellen? Als Politiker, als Person, der man Verantwortung zugestehen will, der man das Geschick des Landes in die Hände legt.

Bei rot, schwarz, blau und grün ist man das gewohnt. Man hat gelernt, man muss leben damit. Man ärgerte sich. Von Jahr zu Jahr mehr. So viel mehr, dass man froh war, auf einen wie Strolz setzen zu können, der eine neue Politik und einen neuen Zugang zur Politik versprach.

Aber auch er tut es. Genau betrachtet sogar noch unverfrorener als die anderen. Bäume umarmen, in der Wiese liegen, selbst verfasste Gedichte beiläufig in die Öffentlichkeit spielen. Und einen Fotografen ins Kloster holen, in das er sich angeblich zum Innehalten zurückzog. Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen. Und so dreist muss man erst einmal sein, das zu tun.

Das enttäuscht viele und macht viele stutzig. Die Hoffnung für so viele Politik-Frustrierte kommt als stinknormaler Politiker daher. Ausgerechnet Strolz, der einen neuen Weg in Aussicht stellte. Ganz offensichtlich ist er auch nicht anders als alle anderen, von denen so viele in diesem Land genug haben.

Der Verdacht, dass dem so ist, keimt ohnehin schon seit geraumer Zeit. Strolz und seine Neos bringen nicht wirklich etwas zusammen. Der schnelle Einzug in den Nationalrat und das Ergebnis bei den Salzburger Landtagswahlen sorgten für hochfliegende Erwartungen. Die EU-Wahlen brachten eine harte Landung. Selbst bei den Landtagswahlen in Vorarlberg, dem Heimatland von Strolz, blieb man hinter den Erwartungen. Dabei hätte gerade dort der Durchbruch gelingen sollen.

Die Neos feierten dieser Tage ihren zweiten Geburtstag. Davon kam nicht viel mehr an die Öffentlichkeit, als dass man sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzen wolle. Das bestätigt die wachsende Skepsis der an der Partei-Neugründung Interessierten und passt zum Image -man ist dabei ein bisschen schrullig zu werden, ansonsten aber bleibt man harmlos.

Nach wie vor leiden die Neos unter kaum ausgeprägten organisatorischen Strukturen, es fehlt an Leuten und es fehlt an Gesichtern. Man bemüht sich in Zweckoptimismus. "Die Reise hat erst begonnen" redet man sich selbst Mut zu. Man hält für Stärke, dass man "knapp über 2.300 Mitglieder" hat und "1.500 Menschen", die in "130 Themengruppen" arbeiten. Und man klopft sich für 267 Redebeiträge im Nationalrat, 221 Anträge und 127 parlamentarische Anfragen selbst auf die Schulter.

Es bleibt ihnen auch nichts anders übrig. Sonst tut es kaum jemand. Dabei hätten vor allem viele VP- und Grün-Wähler so gerne etwas von ihnen. Aber sie kriegen nichts. Ab und an Ideen zu einigen politischen Themen. Aber zu viel mehr Themen bekommen sie genau nichts. Die Neos halten sich für die erfolgreichste Parteigründung der Zweiten Republik. Ob sie auch eine erfolgreiche Partei werden, ist indes noch offen. Denn am wirklich Neuen fehlt es. Dabei hätte genau das das Land so dringend nötig, nicht nur frustrierte VP- und Grün-Wähler.

Aber vielleicht kommt für die Partei im dritten Jahr, was für ihren Chef am dritten Tag der Fastenkur kam - dass die Energie einschießt. Auf dass man Bäume ausrupfen könnte. Denn sonst droht die politische Pose, die man mimt, endgültig peinlich zu werden. So peinlich wie die altbackenen Politiker-Posen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. Oktober 2014

Donnerstag, 23. Oktober 2014

Europäische Feistigkeit



Das Zitat, dass Österreich eine Insel der Seligen sei, wird Papst Paul VI zugeschrieben. Es datiert aus den 1960er Jahren und viele Österreicherinnen und Österreicher glauben, dass das auch heute noch so ist. Alles in allem, allen Raunzereien, Wehklagen und Besserwissereien zum Trotz, ist ihnen durchaus recht zu geben. Wir leben gut. Der Lebensstandard ist hoch. Die allermeisten Österreicherinnen und Österreicher dürfen sich über sichere Arbeit, geregeltes Einkommen, eine warme Wohnung, eine dichtes Sozialnetz und Zugang zu Bildung freuen. Und auch an wohlgedeckten Tischen fehlt es nicht. Morgens ein Butterbrot zum Kaffee, Mittags ein Schnitzel und abends ein Flasche Bier oder ein Achterl Wein vorm Fernseher. Kurzum - ein sattes Land mit satten Bewohnern, die sich mit großer Innigkeit sich selbst und ihrem Fortkommen widmen und einer sicheren Pension entgegenleben können.

Das Eis freilich ist dünn, auf dem Herr und Frau Österreicher ihren Wohlstand genießen. Und das nicht nur wegen schlechter Konjunkturaussichten und der Schräglage der öffentlichen Haushalte, die in den vergangenen Jahren zu einer ernsthaften Bedrohung des Wohlstandes geworden ist. Das Eis ist auch dünn, weil sich die großen weltpolitischen Konflikte mit einem Mal nicht mehr irgendwo weit hinten in der arabischen Welt, in Afrika oder in Asien abspielen. Diese Zeiten sind offenbar vorbei. Mit großem Säbelrasseln steht mancher weltpolitische Konflikt mit einem Mal vor der Haustür und führt drastisch vor Augen, wie fragil unser aller Wohlstand ist.

Russlands Präsident Putin spielt mit der Ukraine, deren Grenze wenige hundert Kilometer von Österreich liegt und das wirtschaftlich eng mit Österreich verbunden ist, ein undurchsichtiges Spiel. Die Todesschwadronen des Islamischen Staates stehen an der Grenze zur Türkei und haben Österreich erklärtermaßen gar als Angriffsziel im Visier. Und auf dem Balkan lodert das nationalistische Feuer immer wieder mächtig auf, wie in der vergangenen Woche der Flug der Drohne beim EM-Qualifikations-Spiel in Belgrad zeigte.

"Wir sind nicht mehr in sicherer Distanz zu Konflikten", hieß es dieser Tage in einem Leitartikel einer großen Tageszeitung. "Wir werden von den Weltkrisen eingeholt."

Vor allem der Konflikt mit Russland führt vor Augen, wie fragil die Lage ist. An den Stammtischen - und nicht nur dort - wird diskutiert, was passiert, wenn Putin ernst macht. Gedanken daran, wie schnell eigentlich alles kaputt sein kann, woran man sich so gewöhnt hat, keimen auf. Manche nehmen inzwischen das Wort Krieg in den Mund. Wie will sich Europa wirklich wehren, fragt man sich, wenn wirtschaftliche und politische Sanktionen nicht greifen? Was kann man dann tun, wenn jahrzehntelang gelernte und vermeintlich zur politischen Kultur gewordene Muster nicht mehr funktionieren?

Sich solchen Fragen stellen zu müssen, passt nicht in das Denken der Europäer, die sich so gerne aufgeklärt und auch überlegen geben und die dabei vielleicht doch nur schwach, ideenlos, ohne Herz und selbstbezogen sind.

Seit fast siebzig Jahren kannte man eine solche Situation nicht mehr. Zwei, drei Generationen wuchsen im Frieden auf. Erinnerungen daran, dass das auch ganz anders sein kann, lebten allenfalls in Fernseh-und Buchdokumentationen weiter. Wie hart Leben wirklich sein kann, wie schlimm kriegerische Zustände, fiel langsam und stetig dem Vergessen anheim. Man machte die Augen zu, verweigerte sich zunehmend politischen Realitäten und Konflikten, zumal in Ländern, die fern schienen, und koppelte sich stetig von der internationalen Entwicklung ab und floh zuweilen nachgerade die Verantwortung dafür.

Das politische Klima, das in den vergangenen Jahrzehnten in Europa und in Österreich entstand, hat alle Anzeichen einer wirtschaftlichen und sozialen Feistigkeit. Selbstzufrieden und herablassend. Vielerorts verlor man die Relationen und begann gar die Strukturen, die genau diesen langen Frieden und den Wohlstand in Europa sicherten, anzugreifen. Die Anfeindungen gegen die EU oder gegen internationale Organisationen sind Beleg dafür. Damit lassen sich heute jede Menge Stimmen machen.

Was kommt, wird sich in den nächsten Monaten weisen. Was in den vergangenen Monaten geschah, mahnt jedenfalls zu Wachsamkeit. Gegenüber Europa und gegenüber allen Konfliktherden, die den hiesigen Wohlstand und die damit einhergehende Bequemlichkeit zu bedrohen scheinen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. Oktober 2014

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Futtermittel aus dem "gläsernen Kochtopf"



Garant-Tiernahrung reagiert mit neuen Konzepten auf die Veränderung in der Landwirtschaft.

HANS GMEINER

Pöchlarn. Das neue Bürogebäude des Futtermittelherstellers Garant Tiernahrung ist geprägt von Holz, Sichtbeton und Glas. Die elektronische Anzeigetafel im Foyer zeigt die aktuellen Kurse von Weizen, Mais und Soja auf den internationalen Warenterminbörsen, dazu den aktuellen Ausstoß des Mischfutterwerks und vieles andere. Garant-Chef Christoph Henöckl will damit ein Zeichen setzen. „Man kann in den Futter-Kochtopf schauen bei uns“, sagt er. „Wir wollen über Transparenz in der Produktion und auf den Märkten nicht nur reden, sondern sie auch leben.“

Größte Herausforderung sei die Polarisierung in der Landwirtschaft, sagt Henöckl. „Zu unseren Kunden gehören Bauern, die extensiv wirtschaften, genauso wie Intensivbetriebe mit Hochleistungskühen, die mehr als 12.000 Kilogramm Milch pro Jahr liefern.“ Um diesen Spagat zu bewältigen, will der Garant-Chef neben Information und Beratung verstärkt auf fachliche Qualifikation der Kunden setzen.

Angestrebt werden langfristige Partnerschaften. Einen „Vertreter, der zu jedem Bauernhof fährt, um einen Fünf-Tonnen-Auftrag abzuholen“, wollten auch die Bauern immer weniger, weil das alle Beteiligten nur Zeit koste, sagt Henöckl.

Rund zwölf Mill. Euro investiert Garant in die drei Standorte in Pöchlarn, Aschach und Graz. „Wir bemühen uns, von den Rohstoffen bis zu den fertigen Futtermitteln alles anzubieten“, sagt Henöckl. Über die Landwirtschaft hinaus versucht Garant, wie auch andere Anbieter, Nischen zu nutzen. Die Wildfütterung gehört dazu, ebenso wie Futter für Pferde und Fische.

Der Markt belohnt das. Mit einem Jahresumsatz von rund 130 Mill. Euro und einer Produktion von 320.000 Tonnen ist die zur Raiffeisen Ware Austria gehörende Garant-Tiernahrung der mit Abstand größte österreichische Futtermittelerzeuger. Rechnet man dazu die 120.000 Tonnen, die von Lizenzpartnern wie dem Salzburger Raiffeisenverband erzeugt werden, hält man rund 40 Prozent des heimischen Mischfuttermarktes.

Der Konkurrenzdruck in der Branche ist groß. Und das obwohl der österreichische Markt seit dem EU-Beitritt 1995 um mehr als 50 Prozent auf rund 1,4 Mill. Tonnen gewachsen ist, weil viele Bauern im Zuge der Spezialisierung der Tierproduktion auf Fertigmischungen setzen. Der Pferdefuß dabei: die hohe Importabhängigkeit. Vor allem Sojaschrot für die Eiweißversorgung muss aus Nord- und Südamerika importiert werden. Initiativen, in Europa eine Sojaproduktion in großem Stil aufzuziehen, wie das österreichische „Donausoja“-Projekt, stecken noch in den Kinderschuhen. Alternativen wie Raps- oder Sonnenblumenschrot werden von den Bauern nur schlecht angenommen. „Da sind durchaus taugliche Alternativen dabei“, sagt Henöckl, der auch Sprecher der heimischen Futtermittelindustrie ist.

Rund hundert Hersteller teilen sich den österreichischen Markt, überregionale Bedeutung haben nur wenige. Das liegt auch daran, dass der Radius wegen der schmalen Verdienstspannen im Durchschnitt gerade einmal 250 Kilometer beträgt. Der Vorteil: „Futtermittelskandale in Deutschland oder anderswo können so kaum auf Österreich übergreifen“, sagt Henöckl.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 16. Oktober 2014

"To go" oder "Zum hier"?



Die Präsentation sollte wohl ordentlich was hermachen. Von "Employer-Branding" ist oft die Rede darin und vom "Social Web 2.0". Menschen erzählen nicht ihre Geschichte, sondern ihre "Story". Das alles wird dann, ehe es den "Usern" zum "Discovering" gezeigt wird, selbstredend einem "Interessen-Matching" unterzogen.

Reichlich dick aufgetragen ist da, was Menschen auf Jobsuche die Berufswelt näherbringen soll. Diese Diktion, die so Anglizismenschwanger daherkommt, dass sie kaum mehr zu verstehen ist, ist wohl dabei, üblich zu werden. Immer öfter werden Präsentationen und Texte damit überfrachtet. Immer öfter bis zur absoluten Unverständlichkeit. Englisch überall und allerorten. Und wer nicht dort und da eine flottes "adden" oder etwas Ähnliches in Wort und Schrift einfließen lässt, scheint sich in der Welt von heute, in der Schein so gerne mehr gilt als Sein, nicht wohl zu fühlen. Man will ja doch Eindruck machen, man will Bildung und Kompetenz signalisieren und sprachliche wie fachliche Gewandtheit und Weltläufigkeit obendrein, zumal in einer Welt, die immer internationaler wird.

Selbst das österreichische Fernsehprogramm scheint auf dieser Welle zu schwimmen um Internationalität zu zeigen. Das Programm von ORF 1 am Montag dieser Woche sei Beleg dafür. "The Mentalist" eröffnete den Hauptabend, dann folgte "Grey's Anatomy". Nach dem kurzen "ZIB-Flash" um 21.45 Uhr ging es weiter mit "Revenge" und "Trophy Wife" ehe um 23.00 "Cougar Town" startete, eine US-Comedy-Serie. Mit Ausnahme des österreichisch gehaltenen Dienstags ist es an den anderen Wochentagen kaum anders.

Ein bisschen viel und ein bisschen dick. Das kann schon nerven, zumal dann, wenn kaum mehr zu verstehen ist, was gemeint ist. Internationalität hin, Weltgewandtheit her. "Wir sind doch in Österreich" hört man überforderte Landsleute schnauben. Man ist geneigt sie zu verstehen. An die 7.500 Anglizismen sind es inzwischen, die den deutschsprachigen Alltag durchdringen. Der Kampf dagegen, den wackere Germanisten immer wieder einmal aufnehmen, erweist sich freilich weitgehend als wirkungslos.

Dabei sind die Dimensionen, die die englischen Einsprengsel in der deutschen Sprache erreicht haben, nach Meinung mancher Experten bereits dabei, ein soziales Problem zu werden. In Deutschland etwa schätzt man, dass rund ein Drittel der Bevölkerung mit den englischen Wörtern nichts anfangen kann. Bei Gebrauchsanleitungen und in der Werbung gehe es inzwischen für Millionen Menschen ohne Englischkenntnisse um soziale Ausgrenzung, warnen dort Politiker. Sprachwissenschafter mahnen dennoch zur Vorsicht. Die Deutschtümelei, die in diesem Umfeld selbstredend ein fruchtbares Biotop sieht, verfolgen sie mit großer Skepsis. Einrichtungen wie der "Verein deutsche Sprache" oder der österreichische "Verein Muttersprache", die sich mit Anglizismen-Indices hervortun und sich für Eindeutschung englischer Worte stark machen, werden von ihnen in der Tradition völkisch-deutschnationaler Sprachreiniger gesehen.

Das ist nicht eben eine Empfehlung, sondern Signal dafür, mit diesem Thema sorgsam umzugehen. Dort, wo mit der Reinheit der deutschen Sprache argumentiert werde, schramme man gefährlich am Nationalismus vorbei, warnt etwa der Kommunikations-Wissenschafter Fritz Hausjell von der Universität Wien in einem Interview mit der Zeitschrift Datum. "Wir leben heute in mehreren Sprachwelten, daraus resultieren die stärkeren Einflusse, vor allem aus dem Englischen", rät er, den Ball in der Diskussion flach zu halten.

Auch wenn die vielen Anglizismen immer öfter für Verärgerung und Verwunderung sorgen, muss man dem Professor wohl recht geben. Es empfiehlt sich sowohl in der Verwendung als auch in der Verurteilung von Anglizismen oder der englischen Sprache generell Zurückhaltung.

Denn mitunter findet man sich schon jetzt rätselnd und staunend in einer verkehrten Welt wieder, wenn jemand die Eindeutschung allzu ernst nimmt. Wie jüngst ein Kollege. Er wurde nach der Bestellung von Kaffee und Kleingebäck von der Bäckersfrau gefragt: "Zum hier?" Es dauerte, bis er begriff, was gemeint war. Die gute Frau nahm die inzwischen weitgehend gelernte englische Beifügung "to go" für "zum Mitnehmen" als Blaupause dafür, einen neuen deutschen Begriff zu konstruieren. Mit der Frage "Zum hier?" meinte sie nichts anderes als die Frage, ob der Kollege Kaffee und Gebäck gleich im Lokal konsumieren wolle.

Ein klarer Fall fürs "Interessen-Matching".

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Oktober 2014

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Störfaktor Kunde



Der deutsche Onlinehändler Zalando sorgte in der vergangenen Woche mit seinem Börsengang für dicke Schlagzeilen. Amazon eilt trotz wachsender Kritik an den Methoden vor allem in Deutschland seit Jahren von einem Erfolg zum anderen.

Wunder nimmt das nicht. Man versteht es gut. Vor allem dann, wenn man als kleines Kunden-Würstchen im Handy-Shop steht, wie beim Arbeitsamt eine Nummer ziehen muss und dann wartet und wartet. Oder wenn man an der Supermarktkasse noch Wechselgeld kriegen sollte, aber die Kassierin mit dem Telefonieren nicht fertig wird. Oder wenn einem im Reisebüro die Beraterin auf die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, googelt und dann den Bildschirm zum Kunden dreht, um ihm zu zeigen, was sie gefunden hat. Ohne auch nur eine einzige zusätzliche Information. Gar nicht zu reden von den allerorten als Negativ-Beispiele bekannten Mitarbeitern in Baumärkten, die ihre Tätigkeit oft als Versteckspiel mit den ratsuchend umherirrenden Kunden zu verstehen scheinen.

Beispiele wie diese kennt jeder zur Genüge. Tag für Tag erlebt man sie. Und sie scheinen immer mehr zu werden. Man versteht den Siegeszug des Onlinehandels. Zumal dann, wenn man oft - und gefühlt immer öfter - Opfer des Handels oder anderer Unternehmen, die etwas verkaufen wollen, wird, und der Misshandlungen überdrüssig ist, die man einem dort dafür, dass man Geld ausgibt, zuweilen angedeihen lässt.

Da nimmt die Lust rasch ab, sich den ganzen Wahnsinn anzutun. Mitunter scheint es, als wolle man mit Gewalt die Kundenscharen ins Internet und zu den Onlinehändlern drängen. Selbst hartgesottene Gegner des Internetkaufes werden auf diese Weise weich gemacht und Amazon und Konsorten in die Arme getrieben.

Denn dort findet man, was man sucht. Schneller, leichter und oft auch günstiger. Die Auswahl ist riesig, es ist alles von allen Seiten fotografiert und beschrieben. Dazu gibt es Kundenbewertungen. Und es gibt kein Anstellen bei den Kassen, keinen Ärger über unwissende Berater oder hochnäsige Kassiererinnen. Und es gibt auch keine nervigen Frauen und Männer vor einem, die in aller Ruhe das Kleingeld zusammenkratzen oder die mit hochrotem Kopf erkennen müssen, dass die Bankomatkarte überzogen ist. Gar nicht zu reden davon, dass die Onlineshops 24 Stunden pro Tag und sieben Tage pro Woche offen haben.

Für den Handel ist das freilich eine enorme Herausforderung. Man weiß es. Die Umstellung ist eine große und sie ist zu einem guten Teil selbst verursacht. Man hat zu lange nicht reagiert, man hat zu lange nicht an Strategien gearbeitet und man hat zu lange geglaubt, man kann mit dem Verkaufen heißer Luft, die als Kundenfreundlichkeit daherkommen sollte, über die Runden kommen. Man steht einem Angebot gegenüber, das man nie und nimmer bieten kann. Und das wird noch dazu zu Bedingungen direkt ins Haus geliefert, von denen man nicht einmal zu träumen wagt.

Hilflos steht man oft der immer vielfältigeren Kundenschicht und ihren Erwartungen gegenüber. Zuweilen scheint man komplett überfordert. Man scheint aber auch nicht bereit zu sein, zu investieren. Vor allem nicht in die Mitarbeiter. Sie sind zumeist schlecht bezahlt. Und auf ihre Ausbildung scheint man in vielen Sparten gar keinen Wert mehr zu legen.

Das Mitleid hält sich daher in engen Grenzen. Auch das für die Mitarbeiter, die, so der Eindruck, zuweilen mit Hochdruck an der Wegrationalisierung ihres Arbeitsplatzes arbeiten. Wenn etwa die Kassendamen beim Zahlen nicht einmal aufschauen, geschweige denn grüßen, sondern weiter mit ihrer Kolleginnen schwätzen, wünschen sich auch die geduldigsten und verständigsten Menschen nichts anders, als einen raschen Durchbruch der Selbstbedienungskassen oder nehmen sich vor, beim nächsten Mal im Internet zu bestellen. Da schwindet die Lust rasch, sie zu verteidigen. "Das hat man nicht nötig," denkt man.

Der König Kunde, das war einmal. Das ist lange her. Man darf gespannt sein, wie sich die Dinge entwickeln. Dabei wäre zu wünschen, dass die vielen Geschäfte endlich reagieren und sich bei der Nase nehmen und Kundenfreundlichkeit ernst nehmen. Nicht nur als Worthülse, sondern als gelebtes Modell und als Garantie fürs eigene Überleben. Die Zeit drängt. Für die Handelsbetriebe, für ihre Mitarbeiter, aber auch, die Greißler von seinerzeit sind das schlechte Vorbild, für ganze Städte, Gemeinden und Regionen, deren Gedeih und Verderb mit ihnen aufs Engste verbunden ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Oktober 20114

Samstag, 4. Oktober 2014

Gewagtes Spiel mit der Glaubwürdigkeit





Derzeit sitzen zwölf Bauernbündler im Nationalrat. Mithin ist fast jeder vierte ÖVP-Mandatar dem Bauernbund zuzuzählen. Bei keiner anderen Partei gibt es so viele Bauernvertreter. Prominente Namen, mit viel Erfahrung und Gewicht in der Politik, zumal jener der ÖVP, sind darunter und werden gerne zuvorderst als Argument dafür genannt, bei Bedarf der Volkspartei und dem Bauernbund die Stimme zu geben. Von A wie Auer, über B wie Berlakovich, E wie Eßl bis hin zu S wie Schultes.

Doch was so gerne als Garantie für eine Politik im Sinne der Bauern dargestellt wird, ist das freilich nicht immer. Und mitunter lässt das selbst bei eingefleischten Bauernbund-Anhängern Zweifel aufkommen.

In schlechter Erinnerung ist noch die unselige Sache mit den Führerscheinen und Fahrzeugpapieren, weil man beim Beschluss einer Gesetzesnovelle übersah, die Ausnahme für die Bauern bei Fahrten im Umkreis von zehn Kilometern um den Hof abzusichern. In diesen Wochen ist man wortreich damit beschäftigt, die Verantwortung dafür, dass ein Großteil der Nebenerwerbsbauern den Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren hat, weit von sich zu schieben. "Genau das hat der Nationalrat seinerzeit beim Beschluss der Novelle des Arbeitslosenversicherungesetzes 2007 nicht gewollt", heißt es allerorten.

Mag sein, von der Verantwortung enthebt es dennoch nicht, zumal man ganz offensichtlich schon damals um die Problematik gewusst hat. Es ist zu fragen, warum man nicht schon damals auf eine eindeutigere Formulierung des Gesetzestextes drängte. Und es ist zu fragen, warum man erst jetzt nach Lösungen sucht, wo doch der Entscheid des Verwaltungsgerichtshofes, auf den sich der Arbeitsmarktservice nun beruft, bereits seit fast einem Jahr bekannt ist. Gar nicht zu reden von dem, nach dem man noch fragen könnte - wo nämlich das Gewicht, die Kompetenz und die Erfahrung waren, die man sonst so gerne ins Treffen führt.

Diese Fragen richten sich an die Bauernbündler im Parlament. Sie richten sich aber auch an die Vertreter der anderen Parteien, die so gerne vorgeben, sich um die Sache der Bauern zu bemühen um nach Stimmen zu fischen. Sie alle sind in die Verantwortung zu nehmen.

"Die Reparatur gelingt rasch oder wird ein Ärgernis", zeigte sich dieser Tage sich ein hochrangiger Bauernfunktionär skeptisch. Letzteres steht in der Tat zu befürchten. Während die Bauernbund-Medien bereits meldeten, dass der Sozialminister das Arbeitsmarktservice angewiesen habe, das Arbeitslosengeld wieder zu überweisen, sagte eine Sprecherin des Sozialministers gegenüber einer Tageszeitung nur knapp: "Das ist nicht richtig."

Sachen wie diese häufen sich und kratzen an der Glaubwürdigkeit der bäuerlichen Vertreter. Indes ziehen schon die nächsten Fronten auf, die diese Glaubwürdigkeit neuerlich prüfen. Immer lauter beklagt man die Probleme, die Maisbauern nach dem Verbot der Neonicotinoide mit Drahtwurm und Zünsler haben. Die bäuerlichen Vertreter in der Steiermark und in Niederösterreich, allesamt Bauernbündler, tun sich dabei besonders hervor. Dass genau in diesen beiden Ländern die Landtage, voran mit ihren Agrarlandesräten, nach dem Bienenwirbel im Vorjahr per Verordnung den Einsatz dieser Wirkstoffgruppe verboten haben, lange bevor es das Parlament tat, verschweigen sie gerne. Und erst recht, dass genau das Lösungen auf österreichischer Ebene noch schwieriger macht, als es ohnehin schon ist.      
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 4. Oktober 2014                                                      

Donnerstag, 2. Oktober 2014

Warum nur gemach?



Der Kanzler im sportlich-farbigen Hemd, sein Vize ohne Krawatte und der Finanzminister in einer legeren Freizeitjacke. Freude und Frohsinn allerorten. Man zeigte sich erleichtert, dass sich die Regierungsmitglieder bei ihrer Klausur Ende vergangener Woche nicht stritten. Geradezu erregt rapportierte man, dass sie auch abseits der Sitzungen ungeachtet der Parteizugehörigkeit zusammensaßen und miteinander redeten.

Das reicht in Österreich offenbar schon, um für gute Politik gehalten zu werden, einer Politik, der man vertrauen kann. Das zumindest legen die Reaktionen auf diese Veranstaltung am Fuße des Dachsteins nahe. Sie fielen durchwegs positiv aus. Kritische Stimmen waren praktisch nicht zu hören. Keine Aufreger, keine Aufregung.

Dass der Hut brennt, scheint allen einerlei. Dass die Konjunktur-Prognosen im Wochenrhythmus zurückgenommen werden, dass die Arbeitslosenzahlen zu explodieren drohen und auch dass ein paar hundert Kilometer von Österreichs Ostgrenze die politische Lage einem Pulverfass gleicht und die österreichische Wirtschaft bedroht ist. Es rührt die Innenpolitik nicht an. Nicht die in der Regierung und nicht die rundherum.

Eile, rasches Handeln gar, das die vielen Brandherde eigentlich nahelegen, hält man offenbar für nicht notwendig. Bis zum Frühjahr will man sich auf eine Steuerreform einigen, frühestens 2016 soll sie wirksam werden. Kein Wort davon, dass angesichts der konjunkturellen Entwicklung dringend politisches Handeln angesagt wäre. Keine Ideen, die diskutiert werden, was man gegen die wachsende Arbeitslosigkeit tun könnte. Ja nicht einmal die Forderung nach solchen Maßnahmen.

Über das Ringen um die Sicherung der aus der Steuerreform winkenden Gelder für die eigenen Wählerschichten hat man offenbar den Blick auf die Realität und die eigentlich gebotene Dringlichkeit zu handeln verloren. Wann, wenn nicht in einer Situation wie jetzt, ist politisches Handeln gefragt? Wann, wenn nicht jetzt, sind Ideen und Konzepte und eine möglichst rasche Umsetzung einzufordern? Nichts davon steht in Diskussion. Als einziges wirtschaftlich relevantes Ergebnis kann die Regierungsklausur auf nichts anderes, als auf eine ins Auge gefasste Neuordnung der ÖIAG verweisen.

Das ist nicht viel. Aber es ist nachvollziehbar. Für aktive Politik hat man ohnehin kein Geld. Der Spielraum dafür ist längst verspielt. Selbst der Gewerkschaftschef erkennt inzwischen, dass es schwierig ist Impulse zu setzen, "wenn der finanzielle Spielraum nicht da ist".

Längst herrscht das Diktat der leeren Kassen, herbeigeführt und selbst verursacht von einer zuweilen maßlosen Klientelpolitik, beständig verschärft von einer wuchernden Verwaltung und Bürokratie und verfestigt bis zur Erstarrung von Parteien und Interessenvertretungen.

Geld fehlt nicht nur für eine aktive Wirtschaftspolitik. Auch in vielen anderen Bereichen fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Und da muss man nicht gleich das herabgewirtschaftete und kaputtgesparte Bundesheer nennen. Das Gleiche gilt auch für die Bildung, für den Sozialbereich und für die Sicherheit. Überall nichts als Stillstand.

Längst hat die Politik aufgegeben sich als gestaltende Kraft zu verstehen. Bewahrung des Bestehenden und Verwaltung der Probleme scheinen die vordersten Ziel zu sein. Das ist, so glaubt man, allemal zielführender, wenn es um Wählerstimmen geht. Dass das freilich immer öfter und immer deutlicher zum Schaden des Landes ist, spielt da keine Rolle.

Schlimmer noch ist, dass über das fehlende Geld längst vielfach auch der Wille zu Veränderungen verloren gegangen ist. Etwa gegen das wirtschaftsfeindliche Klima anzugehen, das von so vielen Gruppierungen mit Wonne gepflegt wird und das längst nicht nur die Warnrufe der Industriekapitäne immer lauter werden lässt.

Darum nimmt es nicht wunder, dass das Land dabei ist, Passagier der politischen Entwicklungen zu werden, weil es wegen der Versäumnisse der vergangenen Jahre fast jede Gestaltungskraft verloren hat.

Die Steuerreform, die man nun ins Auge fasst, wird wohl zu nicht mehr taugen als zu einer Behübschung dieser Situation. Und genau die ist offensichtlich von allen Beteiligten erwünscht, stehen doch im kommenden Jahr wichtige Wahlgänge in den Bundesländern auf dem Terminkalender. Es steht zu fürchten, dass es für die Regierungsparteien reicht, dort wieder erfolgreich zu sein. Aber es steht auch zu fürchten, dass Österreich damit wieder nur ein Stück weiter ins Schlamassel rutscht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Oktober 2014

Donnerstag, 25. September 2014

Das Monster in uns



Mit dem Versprechen der Politik, die Verwaltung zu entrümpeln und die Bürokratie zu vereinfachen, sind schon Generationen von Österreicherinnen und Österreichern groß geworden. Die Fortschritte sind überschaubar. Nicht zuletzt deshalb, weil immer neue hübsche Blüten sprießen. Zwei besonders schöne Exemplare aus dem Oberösterreichischen seien Beleg dafür. Da gibt es etwa für die Landwirte ein schönes Programm namens Grundwasser 2020. Es soll in besonders belasteten Gebieten die Bauern dazu animieren, weniger Dünger zu verwenden und auf bestimmte Pflanzenschutzmittel zu verzichten. Ein löbliches Ansinnen. Fraglos. 100 Euro bietet man dafür pro Hektar. Als Gegenleistung verlangt man die Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen im Ausmaß von zwölf Stunden. Recht so, denkt man. Schaut man genau hin, zeigt freilich das Bürokratiemonster, das dieses Land fest im Griff hat, seine hässliche Fratze. Die zwölfstündige Fortbildungsverpflichtung gilt nämlich für den großen Bauern mit 50 Hektar genauso wie für den kleinen mit drei, vier oder fünf Hektar, der in der Regel den Hof im Nebenerwerb bewirtschaftet. Und da bekommen die zwölf Stunden eine eigentümliche Optik. Zwölf Stunden Kurs für drei-, vier-oder fünfhundert Euro lassen jede Relation vermissen. Zumal dann, wenn dafür auch noch Urlaub zu nehmen ist. Da lassen es viele Nebenerwerbsbauern wohl lieber bleiben -Wasserschonung hin, Wasserschonung her -und lehren Politik und Verwaltung, dass gut gemeint noch lange nicht gut gemacht ist.

Um 100 Euro geht es auch im anderen Beispiel aus dem Land ob der Enns, in dem das Bürokratiemonster seine Zähne fletscht. Und auch diesen 100 Euro steht ein ungebührlich hoher Aufwand gegenüber. Um die sogenannte Schulbeginn-Hilfe in dieser Höhe zu bekommen, muss der Antragsteller ein Formular ausfüllen, das nicht weniger als fünf Seiten umfasst. Und das, das sei angefügt, wohl einen enormen Überprüfungsaufwand nach sich zieht. Angefangen in der Schule bis hin zu den zuständigen Abteilungen des Landes.

Die beiden Beispiele sind auch nach Jahrzehnten des proklamierten Bürokratieabbaus immer noch typisch in diesem Land. Da werden Dinge angeboten, mit denen Politiker zu glänzen versuchen und gar nicht mehr merken, dass sie darüber oft das Ziel aus den Augen verlieren und mit dem Wust an Vorschriften ihre Anliegen nach allen Regeln der Kunst konterkarieren. Was hat die Umwelt davon, wenn es zwar ein wunderschönes Programm gibt, das aber von einer wichtigen Gruppe nicht angenommen wird? Was ist der Sinn einer Schulbeginnhilfe, die einen zeitaufwändigen und sündteuren Verwaltungsprozess auslöst?

Effizient, mit Verlaub, ist anders.

Man schüttelt den Kopf. Und man mag sich gar nicht ausmalen, wieviel Geld Jahr für Jahr alleine mit der Verwaltung der Förderungen in einem Land versenkt wird, in dem es in Bund, Ländern und Gemeinden nicht weniger als gezählte 53.000 einzelne Förderprogramme gibt. Der Bogen ist weit gespannt. Von den Fördergeldern für Bahn und Landwirtschaft bis hin zu den 500 Euro für ein "Eierspeisfest" oder den 350 Euro für das "Hiasl-Almfest" am Hochrindl.

Und jedes der 53.000 Förderprogramme hat seine eigenen Regularien, jedes wandert zumindest über ein paar Schreibtische, jedes muss konzipiert, formuliert und wasserdicht ausgestaltet werden, jedes beworben, beschrieben und erklärt werden. Die Anträge müssen geprüft, die Angaben überprüft werden. Und kontrolliert wird wohl auch noch einmal alles.

Das kann gar nicht anders als teuer sein. Ganz abgesehen von den personellen Kapazitäten, die da gebunden werden. Zigtausende Menschen hält dieses aberwitzige System in Brot, praktisch jeder Österreicher ist in irgendeiner Form Nutznießer.

Genau darin liegt wohl auch das Problem. Denn die Lust, diese System aufzubrechen, in dem es sich so viele gut eingerichtet haben, ist eine geringe. Damit sind nicht nur die gemeint, die sich die Förderungen und die Vorschriften ausdenken, sie verwalten und mithin deswegen ihren Arbeitsplatz sicher haben. Gemeint sind auch die, die diese Förderungen nehmen und die zuweilen meinen, einen immerwährenden Anspruch darauf zu haben.

Längst lastet dieses System wie ein Mühlstein auf den Staatsfinanzen und damit auf allen Beteiligten, die in irgendeiner Form dafür immer mehr zahlen müssen. Der neue Finanzminister will sich mit diesem System anlegen. Man kann ihm nur Erfolg wünschen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. September 2014

Donnerstag, 18. September 2014

Häuptlinge und Indianer



Lehrling? Die Begeisterung ist offenbar enden wollend. Bei den Jugendlichen, bei den Betrieben, bei den Eltern. Eine Lehre zu machen gilt nicht mehr viel in diesem Land. Während die Universitäten übergehen, mögen offenbar immer weniger einen Beruf lernen, schon gar nicht einen, bei dem man sich die Hände schmutzig macht.

Das könnte sich für alle Beteiligten bald bitter rächen. Die jüngsten Zahlen, Berichte und Analysen sind alarmierend. Alles scheint darauf hin zu deuten, dass Österreich auf einen Lehrlings- und in der Folge auf einen Facharbeiter-Notstand zusteuert, während die Arbeitslosenzahlen in die Höhe schnellen. Ein Land voller Häuptlinge und ohne Indianer, ein Land in dem alle nur anschaffen, aber niemand mehr arbeiten will. In den 1980er Jahren gab es in Österreich noch 190.000 Lehrlinge, heuer werden es aktuellen Schätzungen zufolge nur mehr 120.000 sein. Kein Wunder. Möglichst lange in Schulen zu gehen und dann möglicherweise zu studieren gilt vielen allemal als attraktiver und zukunftsträchtiger, als mit 15 von sieben bis 16 Uhr in einem Frisiersalon zu stehen, in einer Metzgerei Würste zu füllen oder in einer Werkstatt unter einem Auto zu liegen. Schon 60 Prozent eines Jahrgangs wählen nach Vollendung der Pflichtschulzeit weiterführende Schulen.

Aber auch die, die eine Lehre machen möchten, haben es nicht leicht. Rund 15.000 Jugendliche fanden im Vorjahr keine Lehrstelle. Denn auch bei den Unternehmen geht die Lust Lehrlinge auszubilden dramatisch zurück. Laut einer im Auftrag des AMS von der Synthesa Forschung durchgeführten Analyse wird die Zahl der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, bis 2018 auf 13 Prozent schrumpfen. Dabei ist die Zahl der Lehrbetriebe schon in den vergangenen sechs Jahren um fast 6000 zurückgegangen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Man hadert mit dem Arbeitsplatz-Schutz für Lehrlinge, der zuweilen als allzu heftige Beschränkung empfunden wird, man klagt über den wachsenden Aufwand, der den Unternehmen aufgebürdet wird, und man hat immer weniger Lust, für Dinge Zeit und Geld einzusetzen, die den jungen Leuten eigentlich vom Elternhaus und in der Schule hätten vermittelt werden sollen.

Gerade bei letzterem tun sich immer größere Lücken auf. Viele junge Leute haben heutzutage mit den einfachsten sozialen Grundfertigkeiten größte Probleme. Freundlich zu grüßen, eine Betriebsanleitung zu lesen oder zumindest kleine Beträge im Kopf zu rechnen, sind heute eher selten anzutreffende Fertigkeiten. Dazu kommen fehlende Sozialkompetenzen und Sprachprobleme. Laut einer Umfrage des Wirtschaftsministeriums klagen 85 Prozent der Firmen, die Lehrlinge aufnehmen wollen, dass viele dieser Interessenten Bildungslücken haben, die sie für die angebotene Lehrstelle unbrauchbar machten.

Wo da Österreich hinein gerät, könnte bald dramatische Folgen haben. Weil auf der einen Seite die Berufseinsteiger fehlen und auf der anderen Seite des Arbeitsmarktes mit einem Anstieg der Berufs-Aussteiger durch Pensionierungen zu rechnen ist, kann es schon ab 2016 zu einem deutlich spürbaren Fachkräftemangel kommen, wird in Studien wie jener des Institutes für Bildungs-und Wirtschaftsforschung vorgerechnet.

Noch hat die Politik keine rechten Antworten drauf, was da auf das Land zukommt. Viel mehr, als man müsse das "Erfolgsmodell Lehre gemeinsam weiterentwickeln, um es zukunftsfit zu halten", fiel den Verantwortlichen, wie etwa dem Wirtschaftsminister, bisher noch nicht ein. Auch dass die Gewerkschaft für eine Ausbildungspflicht für Betriebe eintritt, ist nicht wirklich eine Idee, die geeignet erscheint, das Problem zu lösen.

Gefordert ist die gesamte Gesellschaft - inklusive der Eltern der Jungen. Das gilt für die Vermittlung sozialer Kompetenzen, das gilt aber auch für den Umgang mit dem Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt, wo man die Jungen man allzu oft als billige Arbeitskraft missversteht. Denn Probleme gibt es nicht nur mit den Lehrlingen, sondern auch mit den Studenten, die als "Generation Praktikum" verheizt werden.

Ein Schlüssel ist vielleicht das, was die Personalchefin von McDonalds Österreich in einem Interview so formulierte. "Diese jungen Menschen sind eine der spannendsten Gruppen in unserer Gesellschaft. Sie brauchen maximale Flexibilität in ihrer Arbeit und direktes Feedback ihrer Vorgesetzten." Dann seien sie ein "extrem wichtiger Bestandteil jedes Teams".

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. September 2014
 
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