Donnerstag, 30. März 2023

Betteln um neue Technologien

"Oben" wird gefeiert und gejubelt darüber, was man alles schon erreicht hat. "Unten" hingegen herrschen Ärger und Frust darüber, dass nichts weitergeht und man weiter auf die Zukunft warten muss. Was man schon von der Einführung der Glasfasertechnologie und dem schnellen Internet in diesem Land schmerzvoll kennt, wiederholt sich nun bei der Photovoltaik. Wunsch und Wirklichkeit passen nicht zusammen. Vor allem nicht das politische Eigenlob und die tatsächlichen Ergebnisse. Da wie dort galt und gilt: In diesem Land muss man um neue Technologien betteln. Und das ist -was man wohl nicht gerne hört -ein Armutszeichen. Zumal für ein Land, das den Anspruch stellt, zu den modernsten Nationen zu gehören und in dem man gerne von der Zukunft redet.

Die Umweltministerin ist stolz auf ihr aufgestocktes Förderprogramm für Photovoltaikanlagen. Die OeMAG, die staatliche Abwicklungsstelle für die PV-Förderungen, brach laut Zeitungsberichten nach der der ersten von insgesamt fünf Vergaberunden der Förderungen in Jubel aus. Und gejubelt werden wohl auch die haben, die in den wenigen Minuten, in denen das Geld verteilt wurde, bis es wieder vorbei war damit, eine Zusage für die Förderung ihrer PV-Anlage bekommen haben.

"Unten" hingegen herrschen weiterhin Ärger, Frust und Wut, weil man wieder einmal zu kurz gekommen ist. Bei den Zigtausenden, die auch gerne eine PV-Anlage bauen würden, die aber kein sogenanntes Ticket ergatterten, das ihnen eine Förderung zusichert. Die liebend gerne etwas zur politisch von allen Seiten propagierten Umstellung auf erneuerbare Energie beitragen würden, zur Verringerung der Importabhängigkeit, zur Rettung der Umwelt, aber nicht können, weil ihnen die Unterstützung fehlt. Was nützen ihnen die schönsten 600 Millionen Euro, von denen die Politik unentwegt schwärmt, wenn sie nicht drankommen? Es dauerte wieder nur ein paar Minuten -und dann waren die für die erste Runde Ende März vorgesehenen 250 Millionen Euro weg. "Windhundprinzip" nennt man diese Art der Fördervergabe, bei dem nur der ans Geld kommt, der am schnellsten ist, am besten organisiert und über die schlagkräftigste Technik verfügt.

Unwürdig ist es allemal. Und unzureichend trotzdem, auch wenn man von der Nachfrage überrannt wird. Akzeptabel ist es nicht, gerecht schon gar nicht und sein dürfte es auch nicht. Der Ärger verwundert daher nicht und auch nicht die schlechten Schlagzeilen. "Förderchaos bei Solar-Offensive" schrieb die größte Tageszeitung des Landes. "Die 'Lotterie' bei der Finanzhilfe für Photovoltaik wirft weiterhin Schatten auf die Offensive beim Sonnenstrom in Österreich".

Auch im dritten Jahr des PV-Booms im Land ist man allerorten überfordert vom Interesse und von der Nachfrage. Sein dürfte das freilich nicht. Wie so vieles andere auch. Nach wie vor etwa zeigen die Energieversorger wenig Begeisterung für den Solarstrom. Sie haben immer noch kaum Interesse, die Infrastruktur auszubauen, um den Anlagenboom wirklich umzusetzen. Wer dort anruft, landet in den unendlichen Warteschleifen der Hotlines. Und neuerdings kommt man dort, wenn man schon das Glück hat durchzukommen, gar nicht mehr an einen leibhaftigen Mitarbeiter, sondern wird mitunter mit vorgefertigten Ansagen zu den einzelnen Themen abgespeist. Und wer es schriftlich probiert, merkt bald, dass am anderen Ende kein Mensch aus Fleisch und Blut sitzt, sondern die Auskünfte von einem Chatbot kommen. Kundenfreundlich ist anders.

Das gilt auch für die OeMAG, die zentrale Abwicklungsstelle nicht nur für die Förderungen, sondern auch für den Handel mit überschüssigem Solarstrom. Sie ist praktisch nicht zu erreichen und auch jetzt noch nicht mit den nötigen Ressourcen ausgestattet, um den Ansturm zu bewältigen. Selbst E-Mails werden dort nicht mehr beantwortet. "Aufgrund der Vielzahl der Anträge kann die Beantwortung Ihrer E-Mail einige Zeit in Anspruch nehmen" kommt dann von dort, auch wenn das Anliegen ein ernstes ist, zahlt einem doch die OeMAG seit drei Monaten nicht mehr für den Strom, den man ihr liefert.

Man hätte gerne gewusst, warum. Bloß - man kann gar niemanden fragen. Und muss hoffen, dass wenigstens das Versprechen "zeitnah eine Rückmeldung zu geben" ernst gemeint ist. So wie viele in diesem Land hoffen, dass sie beim nächsten Förder-Call drankommen. Der steht übrigens am 14. Juni an.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. März 2023

Donnerstag, 23. März 2023

Wünsche und Pläne sind keine Wirklichkeit

Wenn es nach der öffentlichen Diskussion, nach der veröffentlichten Meinung und auch nach der Werbung gehen würde, müsste der Marktanteil von Bioprodukten bei Lebensmitteln längst gegen 100 Prozent gehen und Lebensmittel-Imitate rasant auf dem Weg dahin sein. Und wenn es nach dem gehen würde, was tagein, tagaus von E-Autos geschrieben wird und von ihren Vorzügen für die Umwelt, müssten eigentlich fast nur mehr Strom-betriebene Autos in den Garagen von Herrn und Frau Österreicher stehen.

Nun, man weiß -nichts davon ist der Fall. Nicht einmal im Entferntesten. Die Wirklichkeit ist anders. Ganz anders. Der Anteil von Bioprodukten im Lebensmittelhandel ist von den gefühlten 100 Prozent immer noch weit weg. Viel größer als zehn Prozent ist er trotz der Steigerungen im vergangenen Jahrzehnt nicht geworden. Fast 90 Prozent der Lebensmittel sind nach wie vor konventionellen Ursprungs, erzeugt von der konventionellen Landwirtschaft, die man so gerne allerorten für des Teufels hält. Ähnlich ist das Muster bei den Milch-und Fleischimitaten, die so viele Schlagzeilen haben. Bei Fleischprodukten liegt ihr Anteil bei gerade einmal einem Prozent und bei Molkereiprodukten bei drei Prozent.

Die Entwicklung und Kluft zwischen veröffentlichter Meinung und der Realität ist bei E-Autos nicht unähnlich. "E-Autos kommen bei Privaten kaum an", fassten die Zeitungen ihre Analysen der Zulassungsstatistik des Jahres 2022 zusammen. Die Zulassungszahlen sind mau, mehr als 80 Prozent der E-Autos werden von Firmen gekauft.

Dass es diese Kluft zwischen Meinungen, Stimmungen, Wünschen und Forderungen auf der einen Seite und der Wirklichkeit auf der anderen gibt, heißt nicht, dass sie nicht ihre Berechtigung haben. Das zeigt aber wohl, dass etwas nicht so läuft, wie es laufen könnte und vielleicht auch müsste. Die Gründe dafür sind wohl vielfältig. Der Preis kann es sein, die Verfügbarkeit auch, manchmal auch die Technologie. Sehr oft freilich ist die Ursache auch, dass man die Menschen nicht erreicht, weil man sie einfach überfordert. Viel zu oft werden ihre realen Lebenswelten, ihre Sorgen und ihre Nöte ausgeblendet.

Darüber, dass Essen noch teurer wird, wenn alles nur mehr Bio sein sollte oder man Pläne wie den Green Deal umsetzt, mag man nicht reden, und schon gar nicht will man sich fragen lassen, was das alles eigentlich für die Versorgungssicherheit bedeuten würde. Konkrete Lösungsvorschläge sind selten.

Nicht anders ist es bei den E-Autos. Ab 2035 soll es keine Verbrenner mehr geben. Wie das aber mit der dazugehörigen Versorgungsinfrastruktur, den Ladestellen, aber auch dem Stromangebot gehen soll, ist kaum ein Thema. Und schon gar nicht, welche Kostenlawine da auf die Autofahrer zukommt. Dann halt aufs Auto verzichten? Ja, wenn das so leicht wäre, zumal dann, wenn man draußen am Land wohnt und drauf angewiesen ist.

Zu oft geht man zu optimistisch und zu ambitioniert in Entscheidungsprozesse und provoziert Widerstände, ohne sich mit ihnen auseinandersetzen zu wollen. Bei Schwierigkeiten schaut man am liebsten weg. Antworten aber hat man kaum. Nicht beim Verbrenner-Aus, nicht beim unseligen EU-Plan, Holz nicht mehr als nachhaltig anzuerkennen, und auch nicht dabei, zwangsweise eine Wärmeisolierung aller Häuser zu verlangen, und bei vielem anderem mehr. Als ob es nichts dazwischen gäbe.

Wer aber wagt, Fragen zu stellen, hat ein schweres Leben. Österreichs Bundeskanzler kann in diesen Tagen ein Lied davon singen. Seine Vorschläge und Ansagen zum Thema Umwelt in seiner Rede an die Nation wurden und werden viel gescholten. Sie waren wohl auch zu grob und zu populistisch und haben vielleicht auch zu wenig Engagement für die Sache erkennen lassen, aber wirklich falsch sind sie nicht.

Es geht darum, alle mitzunehmen auf dem Weg, die Umwelt wirksam zu schützen. Es geht um intelligente Lösungen. Es geht aber auch darum, anzuerkennen, dass es mehrere Wege gibt. Das alles ist Aufgabe der Politik. Es gibt nicht nur schwarz oder weiß. Auch nicht in der Klima-und Umweltpolitik. Rechthaberei, Kompromisslosigkeit, Ideologie gar, die nicht differenzieren, aber polarisieren, sind keine guten Ratgeber. Es geht um Effizienz und Umsetzung. Denn was nützen die schönsten Ziel und Termine, die durchgesetzt wurden, wenn sie nicht erreicht und eingehalten werden?

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. März 2023

Montag, 20. März 2023

„Man will sich das Leben nicht nehmen lassen“

Wie ein österreichischer Agrarunternehmer um sein Unternehmen in der Ukraine kämpft. Und was er tut, damit das Leben in dem vom Krieg geschüttelten Land weitergeht.

Hans Gmeiner 

Linz. Es ist Monat 13 im Krieg in der Ukraine. Thomas Brunner plant in Dnipro ein Konzert. Haydns „Die sieben letzten Worte“ mit dem Kammerorchester der Philharmonie von Kiew, dirigiert von Natalia Ponomarchuk. „In einem Monat wollen wir es probieren.“ Die Vorbereitungen laufen bereits. „Man will sich das Leben nicht nehmen lassen“, sagt Brunner, der schon vor dem Krieg in Kiew, Dnipro und Charkiw mit dem Verein Freunde der Philharmonie Dnipro das internationale Musikfestival Österreichischer Herbst mit internationalen Stars wie dem Violinisten Benjamin Schmid organisierte.

Thomas Brunner stammt aus Österreich. Kultur ist seine Leidenschaft. Seit 20 Jahren lebt der 48-jährige in der Ukraine. Zuerst lange Jahre als Marketingdirektor eines deutschen Konsumgüterkonzerns. Seit 2011 betreibt der gebürtige Bauernsohn aus St. Florian bei Linz 250 Kilometer südöstlich von Kiew einen Agrarbetrieb. 1200 Hektar Land, 500 Zuchtsauen, 2800 Mastplätze, um die Ferkel großzuziehen. Brunner lebt derzeit mit seiner aus der Ukraine stammenden Frau und den zwei Kindern in Linz. Die Fäden in seiner Landwirtschaft hat er trotzdem fest in der Hand. Über Internet und Kameras hat er die Tiere im Blick, mit seinen Mitarbeitern ist er in ständigem Kontakt. Und jeden Monat fährt er die 1700 Kilometer lange Strecke von Linz für zwei bis drei Wochen in die Ukraine.

Dieser Tage setzt er sich wieder ins Auto, um eineinhalb Monate zu bleiben. Die Frühjahrsaussaat steht an. Mais, Soja und Sonnenblumen. Weizen und Gerste stehen bereits seit dem Herbst auf seinen Feldern. „Ja, ich werde anbauen, alle bauen an“, sagt er. „Die meisten werden aber eine vorsichtigere Variante wählen und weniger düngen, weil sich die Produktion kaum rechnet.“ Die Erträge werden geringer sein. Aber die Kosten für die Logistik, aber auch für die Betriebsmittel machen der Landwirtschaft in der Ukraine noch viel mehr zu schaffen als den Landwirten in Westeuropa. Und auch, dass es im Export große Probleme gibt. „Ich will heuer mehr Soja anbauen“, sagt Brunner. Dafür braucht er keinen Dünger, weil sich die Eiweißpflanze über Knöllchenbakterien an den Wurzeln selbst den Stickstoff aus dem Boden holt. „Man denkt nicht in Gewinn oder Verlust, sondern nur, ob der Cashflow stimmt“, sagt Brunner, „man muss sich einfach durchlavieren.“

Perspektive gibt ihm derzeit die Schweineproduktion. „Ich kann zumindest einen Teil meines Getreides verfüttern und das sichert mir mein Überleben.“ Die Schweinepreise sind gut, die Nachfrage auch. Sein Betrieb, den er mit Tieren aus Österreich aufbaute, ist ein Musterbetrieb. Von Beginn an ging es ihm darum, unterstützt von einem deutschen Berater, den Antibiotikaeinsatz in den Stallungen möglichst gering zu halten. Anfangs brauchte man für zwei Prozent der Tiere in Krankheitsfällen Antibiotika. Heute liegt man bei nur mehr einem Prozent und der Marketingmann, der seinerzeit „keine Ahnung von Schweinen“ hatte, ist heute als Vortragender in Deutschland und in der Schweiz gefragt. „Für klein strukturierte Schweineproduktionen wäre eine antibiotikafreie Aufzucht eine Chance, das schaffen die Großen nicht.“

Brunners Agrarbetrieb liegt nicht im Kriegsgebiet. Dennoch ist der Krieg überall zu spüren. „Am Anfang lebte man immer in Angst, wenn es Alarm gab und die Raketen über den Hof flogen, aber daran gewöhnt man sich.“ Er hat mit dem Krieg umzugehen gelernt. „Etwa dass Mitarbeiter einberufen werden, dass viele Dinge komplizierter sind, dass die Logistik teuer ist und Betriebsmittel schwieriger zu bekommen sind.“ Brunner ist gerne in der Ukraine. Immer noch. „Die Ukraine ist extrem reich, vor allem auch kulturell“, sagt er. „Wie ein wunderschönes Haus, ein europäisches Haus.“ Man dürfe sich nicht täuschen lassen. „Alles, was in den vergangenen Jahrzehnten in Bezug auf Russland und Ukraine an Geschichtsforschung und Wissenschaft betrieben worden ist, ist aus dem Blickwinkel Moskaus passiert.“ Die Ukraine aber sei Europa, sei ein westliches Land. Spannend und dynamisch – und doch ein ganz anderes als noch vor acht Jahren.

„Europa kann es sich nicht leisten, dass die Ukraine nicht gewinnt“, sagt Brunner. Für „Friedensdemos“ wie in Deutschland, für Politiker, die behaupten, man hätte nicht gewusst, wer Putin sei, oder gar Putin-Versteher hat Brunner kein Verständnis. „Man weiß, woher Putin kommt, man hat Grosny gesehen und man hat gesehen, was er in Aleppo angerichtet hat.“

Brunner versucht, das Seine zu tun, damit die Ukraine tatsächlich gewinnt. Nicht nur mit seinem Agrarbetrieb. In Österreich gründete er gleich nach dem Überfall Russlands die Hilfsorganisation Sunua (Support Ukraine Now Upper Austria), mit der er Hilfsgüter und Spenden organisiert. Mittlerweile werden mit den Spendengeldern auch Fleischkonserven zum Aufwärmen für die Verteilung in den Kriegsgebieten erzeugt und Fruchtmusbeutel für Spitäler und Kinderheime finanziert.

Jetzt plant der Landwirt und Unternehmer aus Österreich sein Konzert mitten im Krieg. Als Signal für das Leben. Kultur habe sehr viel mit Identität zu tun. Die zu stärken, dazu wolle er beitragen. „Von Anfang an wollte jeder weitermachen, um zu zeigen – wir lassen uns unser Leben nicht nehmen“, sagt Brunner. „Denn das Schlimmste ist nie gewesen, das Geld zu verlieren, sondern das ganze Leben.“ Darum geht es den Menschen in der Ukraine. Viel mehr, als man sich hierzulande vorzustellen vermag.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 20. März 2023

Donnerstag, 16. März 2023

Wir gierigen Subventions-Junkies

Der Staat könne nicht gleich einem Kindermädchen für alle Bürger und alles aufkommen, war vom Finanzminister dieser Tage zu lesen. Wir müssten wegkommen vom Nanny-Staat. Zuweilen scheint auch ihm alles zu viel zu werden, was er da verteilt und verteilen muss, auf dass in diesem Land alle ruhig schlafen können, die glauben, Ansprüche zu haben auf einen Ausgleich all der Belastungen, die im täglichen Leben und Wirtschaften vor allem seit Beginn der Krise auftreten. Die hohen Strom-und Gaspreise, allfällige Wettbewerbsnachteile oder die Aufwendungen für dem Klimaschutz. Es kann gar nicht genug geben, scheint es. Und es ist, wo immer man hinhört, offenbar immer noch zu wenig.

Das ganze Land scheint inzwischen am Subventionstropf zu hängen -Junkies gleich. Nicht nur die, die Hilfe wirklich brauchen. Für eine Förderung ist man, der Eindruck drängt sich zuweilen auf, bereit, die Seele zu verkaufen. Da nimmt man oft alles in Kauf, worüber man sonst schimpft und wofür man nur Spott und Verachtung hat. Diese Kultur ist in Österreich ausgeprägt wie kaum anderswo. Quer durch alle Gesellschaftsschichten und quer durch die gesamte Wirtschaft. Bevor in Österreich jemand an etwas Neues denkt, denkt man oft darüber nach, ob es dafür Förderungen gibt. Hauptsache, so der Eindruck zuweilen, man kriegt eine Förderung. Gleich wofür und gleich, ob man sie braucht. Das nimmt auch nicht Wunder -schon vor dem ersten Krisenjahr wurden 14.000 indirekte Förderungen und mehr als 13.000 direkte Förderungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden gezählt.

Geradezu lustvoll macht man sich abhängig von den Fördergeldern, die angeboten werden. Sorglos nimmt man Auflagen, Beschränkungen und Bürokratie in Kauf, um nur ja keinen Euro liegen zu lassen. Und arglos lässt man sich oft selbst für ein paar Euro gefallen, dass der Staat in immer mehr Bereichen des eigenen Lebens und des eigenen Unternehmens mitredet. Schier bedenkenlos ist man oft dabei, sukzessive seine Freiheit aufzugeben, das eigene Denken auch und die Eigenverantwortung, die in diesem Land ohnehin nicht großartig ausgeprägt ist.

34 Milliarden Euro verteilte der Staat schon im Jahr 2020, dem ersten Corona-Jahr. Im Jahr zuvor war es noch ein Drittel weniger. Insgesamt geht man davon aus, dass der Staat für die Corona-Hilfen mehr als 75 Milliarden Euro ausgegeben hat. Kein anderes Land gab mehr dafür aus.

Nun scheinen die Sünden das Land schneller einzuholen als befürchtet wurde. Die Inflation ist hoch wie nie und wird zumindest zu einem Teil mit der großzügigen Geldverteilung in den vergangenen Jahren in Zusammenhang gebracht. Wir zahlen Steuern wie noch nie und wir haben ein Budget, von dem zu befürchten ist, dass uns das noch lange schwere Last sein wird. Es sei in Frage gestellt, ob das gut ist für die Zukunft des Landes und die Freiheit seiner Bürgerinnen und Bürger.

Man hat das Land bisher halbwegs durch die Krise gebracht. Die Frage wird aber immer drängender, ob der Preis dafür nicht zu hoch war und wie man von dieser Dosis wieder herunterkommt. "Überförderung" ist zu einem neuen Schlagwort geworden, die Treffsicherheit all der Förderungen wurde zum Thema.

"Österreich fördert dies und jenes -und oft auch gleichzeitig das Gegenteil", stand kürzlich in einer Zeitung. Das sei ineffizient und äußerst teuer. "Die öffentliche Hand weiß nicht, was die andere gerade tut." Längst ist der Politik die Kontrolle entglitten. So sie die denn überhaupt jemals haben wollte. Die Zusage von Förderungen und deren Verteilung ist zentrales Instrument im Kampf um die Wähler. Und sie ist oft das einzige. Für den Beobachter ist nicht mehr zu unterscheiden, wer Sozialdemokrat ist und wer nicht, wer links steht und wer rechts. Was immer es an Grundsätzen und Richtlinien in den Parteiprogrammen gibt -wenn es im täglichen Politik-Geschäft um Förderungen und Ausgleichszahlungen geht, sind alle gleich. Da kann es nie genug sein. Vor allem nicht für die eigene Klientel.

Die Herausforderung ist nun, vor allem nach den vergangenen drei Jahren mehr denn je, wieder von der Nadel wegzukommen, ehe man sich endgültig an sie gewöhnt hat. Die Voraussetzungen sind so schlecht nicht, auch wenn das zuweilen verdrängt wird. Die Wirtschaft wuchs im Vorjahr um fünf Prozent, die Kaufkraft ist den Wirtschaftsforschern zufolge intakt und auch die Inflation werde sinken. Spielraum gäbe es also.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. März 2023

Mittwoch, 15. März 2023

Mühsamer Weg zu mehr Fairness

Bauern und Lieferanten und der Faktor Angst in der Lebensmittelkette.

Hans Gmeiner 

Wien. Gut 200 Anfragen, 21 Beschwerden, an denen tatsächlich etwas dran war, aber kein einziger Fall, der es bis vor die Bundeswettbewerbsbehörde schaffte – auf den ersten Blick fällt die Bilanz des vom Landwirtschaftsministerium vor Jahresfrist eingerichteten Fairness-Büros eher mager aus. Dennoch ist Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig mit der Ombudsstelle, die Bauern und anderen Lebensmittellieferanten im Kampf gegen unlautere Handelspraktiken im Lebensmittelhandel helfen soll, fürs Erste zufrieden. Das Büro sei ein großer Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit und Transparenz in der Lebensmittelkette, in der ein Kampf mit „ungleichen Waffen“ herrsche.

Noch scheint die Lage verzwickt. „Der beherrschende Faktor entlang der Lebensmittelkette ist die Angst“, sagt Johannes Abentung, Chef des Fairness-Büros. Da komme es schon vor, dass man sich mit den Hilfesuchenden sogar außerhalb des Büros treffen müsse. Viele Lieferanten, die Probleme haben, fürchten sich vor Konsequenzen der Handelsketten und wagen es nicht, in einem Verfahren ihren Namen offenzulegen. Damit freilich sind auch dem Fairness-Büro die Hände gebunden.

An Gewicht will das Fairness-Büro in Zukunft vor allem durch die Menge an gemeldeten Beschwerden gewinnen. „Je mehr Beschwerden gesammelt und dokumentiert werden, desto eher können Maßnahmen entwickelt werden, die Lieferanten stärken“, sagt Abentung. Auch für die Wettbewerbsbehörde werde man erst durch die Summe an Fällen interessant.

Beim Fairness-Büro suchen weniger die Bauern, sondern vor allem kleine mittelständische Unternehmen Hilfe. Dabei geht es meist darum, dass die Kosten für Aktionen auf die Lieferanten und Erzeuger abgewälzt werden, dass sich der Handel oft nicht an vertraglich vereinbarte Preisanpassungen hält und dass sehr schnell mit der Auslistung der Produkte gedroht wird, wenn man Forderungen stellt.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 15. März 2023

Donnerstag, 9. März 2023

Licht in die Abgründe

Über Gütesiegel lässt sich hervorragend lästern in diesen Tagen. Die grausigen Bilder aus einem steirischen Schlachthof und auch die Berichte aus den Wäldern dieser Welt waren nicht dazu angetan, das Vertrauen in die Gütesiegel zu festigen. Ganz im Gegenteil. Wohl kaum je zuvor ist das Vertrauen so erschüttert worden.

Dabei wären diese Siegel entwickelt worden, um Klarheit zu schaffen in der unüberschaubar gewordenen Produktvielfalt und um Sicherheit zu geben, dass bestimmte Standards eingehalten werden, auf die sich die Konsumenten verlassen können. Jetzt aber wird allerorten gefragt, was die Öko-Siegel für Holz-und Holzprodukte wert sind und was das AMA-Gütesiegel.

Zu entschuldigen ist nichts und der Handlungsbedarf scheint groß. Letzteres ist wohl keine Frage, auch wenn es nicht einfach sein wird. Nicht für die heimische Holzwirtschaft, die sich auf ihr staatlich akkreditiertes PEFC-Siegel und das österreichische Forstgesetz, "eines der strengsten Forstgesetze der Welt", beruft. Vor allem aber wird es nicht einfach sein für die AMA Marketing, das Gütesiegel wieder aus der Schusslinie zu kriegen. An Empfehlungen fehlte es nicht: "Man muss dringend nachsehen, wo die systemischen Mängel solcher Qualitätsauszeichnungen stecken und die dann auch beseitigen."

Dabei ist durchaus die Frage zu stellen, ob nicht die Verfehlungen bei den Siegeln, die da jüngst durch die Medien gezerrt wurden, allein dort zu finden sind. Und ob sie wirklich die Richtigen sind, um damit Exempel zu statuieren, zumal offizielle Stellen dahinterstehen und nicht private Unternehmen, Handelsketten, Erzeuger oder auch NGOs, für die Gütesiegel oft nicht mehr als ein Geschäftsmodell sind, um mit dem guten Willen und oft auch der Gutgläubigkeit der Konsumenten und Spender Geld zu machen.

Wie die Schwammerl wuchsen die Gütesiegel in den vergangenen Jahren in den Regalen des Handels. Mehr als hundert wurden schon einmal gezählt. Wofür sie stehen und wie sie kontrolliert werden, liegt dabei oft im Dunklen. So wie die Rolle von NGOs, die dem Vernehmen nach ihre Kontrollen und Dienste für Marketingstrategien von Konzernen gerne versilbern lassen. Das Prüfund Zertifzierungsgeschäft ist nicht nur für sie längst ein Millionen-Business.

Hinter den Themen wie Tierschutz und Umwelt verstecken sich oft ganz andere Interessen. Solche, die gar nicht zu dem passen, was in Presseaussendungen und Interviews erzählt wird, und auch nicht zur Empörung, die man vorgibt. Denn für viele von denen, die sich da jetzt so lautstark empören, geht es meist auch um viel Geld. Dass da mit Haken und Ösen gekämpft wird, nimmt nicht wunder. Mit ausgefeilten Strategien und oft unlauteren Methoden jenseits aller rechtlichen Grenzen werden Skandal-Kampagnen konstruiert und im Monatstakt und ohne jeden zeitlichen Zusammenhang zu den tatsächlichen Ereignissen durch die Medien gejagt. Aus tausenden Stunden Filmmaterial werden die Bilder herausgesucht, die dann ins Fernsehen kommen. Dass jedes Bild und jede Szene darauf eine zu viel ist, sei unbestritten. Die Motive und Interessen, die im Hintergrund stehen, sollen dennoch nicht ganz außer Acht gelassen werden.

Viele von denen, die jetzt ganz besonders aufgeregt tun, spielen ein doppelbödiges Spiel. Da empört sich etwa ausgerechnet ein Handelsboss doch allen Ernstes darüber, dass es sich beim jüngsten Schlachthofskandal "nicht um Einzelfälle handelt, sondern um ein systemisches Problem, das sich vorrangig hinter verschlossenen Türen abspielt". Wie bitte? - mag man da erstaunt fragen. Das sagt einer der zentralen Player in diesem Spiel mit immer billigeren Sonderangeboten, Zwei-für-Eins-Packungen und Dauertiefpreisen?

Wenn man das liest, mag man glauben, was in diesen Tagen hinter vorgehaltener Hand zu hören ist. Dass es etwa darum geht, das AMA-Gütesiegel auszuhebeln, um die Landwirtschaft vollends in die Hand zu bekommen und den Bauern endgültig vorschreiben zu können, wie und was sie zu machen haben, ohne allzu viel Rücksicht nehmen zu müssen. Da geht es aber auch um Politik, wenn man hört, dass der für Tierschutz zuständige Gesundheitsminister in der aktuellen Diskussion genauso abgetaucht ist wie die bei solchen Themen eigentlich zuständigen Tierärzte.

Worum es wirklich gehen sollte, geht dabei unter -dass die Konsumenten auf das vertrauen können, was ihnen versprochen wird. Und dass, bei allen Gütesiegeln, alle Beteiligten die Verantwortung dafür übernehmen, statt ihre Spiele zu spielen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. März 2023

Montag, 6. März 2023

Die Agrarmärkte bleiben angespannt


Auf den internationalen Getreidemärkten hat sich die Lage nach dem Angriff auf die Ukraine wieder beruhigt. Die Nervosität und die hohen Preise bleiben aber bestehen.


Hans Gmeiner 

Wien. Vor einem Jahr, vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine, notierte Weizen an der europäischen Warenterminbörse Matif in Paris mit 269 Euro je Tonne. Ab dann explodierten die Preise, die schon in den Monaten zuvor kräftig angezogen hatten, regelrecht und erreichten Mitte Mai mit 429 Euro je Tonne einen historischen Höhepunkt. Bei Mais war es nicht anders. Die Welt stand kopf. Ängste machten sich breit. Man fürchtete um die Versorgung der internationalen Märkte und befürchtete vor allem in Ländern Afrikas und im Nahen Osten Hungeraufstände und Hungersnöte, wenn die Ukraine als Getreide- und Maislieferant ausfällt.

Erst als es gelang, Russland die Einrichtung eines internationalen Solidaritätskorridors abzutrotzen und die Schwarzmeerhäfen der Ukraine nicht mehr zu blockieren, gab es eine Entspannung. „Ab diesem Zeitpunkt hat sich die Lage halbwegs normalisiert, die Lieferketten funktionieren“, sagt Christian Gessl, Marktexperte der Agrarmarkt Austria (AMA). Inzwischen exportiert die Ukraine auch Millionen Tonnen über den Landweg nach Europa, den sogenannten „Grünen Solidaritätskorridor“, wo man in den vergangenen Monaten sukzessive Kapazitäten aufbaute.

„In wichtigen Bereichen ist die Marktentwicklung wieder einigermaßen normal“, sagt Gessl. Aber auch wenn zwischenzeitlich die Notierungen von Weizen ebenso wie von anderen Produkten auf Vorkriegsniveau gefallen sind, bleibe das Preisniveau hoch. „Von den Spitzenwerten ist man zwar wieder weit weg, aber im Schnitt liegen die Preise nicht nur bei Getreide, sondern auch bei anderen Agrarprodukten um 30 bis 50 Prozent höher als vor einem Jahr.“

Die Nervosität auf den Produktmärkten ist nach wie vor enorm. „Das Abkommen mit Russland muss regelmäßig erneuert werden und vor jedem Termin machen sich alle sofort in die Hosen“, sagt Ernst Gauhs, der als Getreidemarktexperte Österreich bei der Coceral, dem europäischen Dachverband der Getreide- und Futtermittelhändler, vertritt. Die nächste Verlängerung des Abkommens steht Mitte März an. „An den Produktbörsen ist die Unsicherheit ablesbar. Wenn die Russen auch nur andeuten, dass sie eigentlich nicht verlängern wollen, haben alle anderen sofort Panik, dass die Ukraine wieder von den Märkten abgeschnitten wird.“ Die Weltversorgungslage sei angespannt und ein Ausfall der Ukraine würde bedeuten, dass bestimmte Regionen nicht mehr gut versorgt werden. „Und das macht sehr schnell Panik“, sagt Gauhs.

Schon ist zu beobachten, dass sich die internationalen Warenströme neu formieren. „Die Russen liefern sehr viel nach Nahost und Afrika“, sagt AMA-Experte Gessl. Aber auch Europäer, die sich von Russland immer wieder den Vorwurf gefallen lassen müssen, die Solidaritätskorridore für eigene Importe zu nutzen, liefern große Mengen in diese Regionen. Derzeit freilich ist zu beobachten, dass Europa „auf Teufel komm raus“, wie Marktexperte Ernst Gauhs das formuliert, Rohstoffe aus der Ukraine importiert. „Aus Angst davor, dass das plötzlich ab Mitte März nicht mehr geht.“

Vor allem Mais kann Europa aus der Ukraine nicht genug bekommen. Im Zeitraum Anfang Juli bis Anfang Februar lagen die Maisimporte der EU aus der Ukraine heuer bei 16,7 Mill. Tonnen. Im vergleichbaren Vorjahreszeitraum waren es lediglich 970.000 Tonnen. Auch die Weizenexporte in die EU sind stark angestiegen.

Innerhalb der EU mache das längst Probleme, warnt Helmut Feitzlmayr von der LK Oberösterreich. „Bisher hatte die Ukraine in Europa relativ wenig Bedeutung, aber jetzt ist sie dabei, zu einem Einfallstor zu werden.“ Die Bauern in den an die Ukraine angrenzenden Ländern klagen schon jetzt über enormen Preisdruck. Zudem sorgt das Freihandelsabkommen der EU mit der Ukraine, das 2016 abgeschlossen und erst im vergangenen Sommer auf alle Produkte ausgeweitet wurde und zwischen EU und Ukraine de facto einen Binnenmarkt einrichtete, zunehmend für Unmut. Schon sei zu hören, gegen dieses Freihandelsabkommen mit der Ukraine sei Mercosur für Europa ein Kindergeburtstag, sagt Feitzlmayr. Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Bulgarien und Rumänien verhandeln längst über eine Entschädigung von der EU und stehen einer Verlängerung des Abkommens, die im Juni ansteht, skeptisch gegenüber.

Dabei ist die Zukunft der Landwirtschaft in der Ukraine voller Fragezeichen. „Über dem Markt schwebt die Frage wie ein Damoklesschwert, wie viel in der Ukraine überhaupt noch angebaut wird“, sagt Ernst Gauhs. Schon im Vorjahr sei etwa der Maisanbau nicht kostendeckend gewesen. Ungewiss ist auch, wie viele Flächen überhaupt zur Verfügung stehen. Rund 40 Prozent der Ackerfläche könnten durch Verminung, Zerstörung oder Besetzung durch Russland fehlen. Zudem herrscht akuter Düngermangel.

Jüngste Schätzungen gehen davon aus, dass die Anbaufläche bei Weizen, die vor dem Krieg bei 7,4 Mill. Hektar lag, heuer auf 4,4 Mill. Hektar zurückgehen wird. Statt 21 Mill. Tonnen könnte die Getreideernte heuer nur 12 bis 15 Mill. Tonnen erreichen und sich der Export von Weizen und Mais aus der Ukraine halbieren. 

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 6. März 2023


Donnerstag, 2. März 2023

Ein Holzhammer ist wenig intelligent

„Europa macht laufend Rückschritte und niemand gewinnt dabei“. Der Obmann eines österreichischen Rübenbauernverbandes klang deprimiert, als klar war, dass es heuer nichts wird mit der Notfallzulassung von Neonics zur Beizung des Zuckerüben-Saatguts. Sein Frust ist nachvollziehbar. Nicht nur seiner Meinung nach wäre der Einsatz von Neonics bei der Beizung der Samenkörner die weitaus intelligentere und auch die Umwelt schonendere Lösung, wenn es darum geht, die Rübensaat vor Schädlingen zu schützen. Denn nun bleiben den Bauern nur aufwendige Spritzfolgen im Kampf gegen Flöhe, Läuse und Käfer. Ganz abgesehen vom zusätzlichen Risiko das sie zu tragen haben.

Aber das interessiert nicht in der öffentlichen Diskussion. Die ist ohnehin längst keine mehr. Nicht bei den Neonics, nicht bei Glyphosat und seiner Bedeutung für den Erosionsschutz, nicht bei der Waldbewirtschaftung und auch nicht bei vielen anderen Themen. Der Green Deal gehört dazu und Farm to Fork mit ihren Zielen die Düngung und den Pflanzenschutz massiv zu beschränken. Was die Bauern sagen, wird nicht gehört. Was auf den Feldern geschehen soll, entscheiden nicht mehr Fachleute aus der Landwirtschaft – wenn es denn überhaupt Fachleute entscheiden. Fachlich-landwirtschaftliche Expertise spielt dabei kaum eine Rolle, auch nicht die Sicherung der Versorgung, die Stärkung der bäuerlichen Betriebe im internationalen Wettbewerb, die Absicherung der Landwirtschaft und der ländlichen Strukturen. Die Entscheidungen fallen wo anders. 

Intelligenten Lösungen für die Themen, die rund um die Landwirtschaft und die Umwelt anstehen, verweigert man sich regelrecht. Es fehlt auch jedes Bemühen darum. Die Argumente der Bauern verfangen nicht. Gezielter Einsatz von Mitteln? Neue Strategien auf den Feldern zur Ertragssicherung? Vielleicht sogar eine Öffnung der Gentechnik gegenüber? Alles kein Thema. Stattdessen regiert, so scheint es, nur mehr der Holzhammer.

Auch wenn es viel Kritik und böse Kommentare gab, war es höchst an der Zeit, dass sich eine Reihe von EU-Agrarministern unter Federführung von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig zusammenschloss und eine Einbindung in EU-Entscheidungen bei Themen verlangt, die unmittelbare Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben. Umwelthemen sollen dazugehören, Versorgungsthemen und andere auch. 

Das scheint dringend geboten, scheint doch Europa seine Landwirtschaft und Versorgung geradezu lustvoll selbst kastrieren zu wollen, während man sich im großen Rest der Welt, wo all das was man in Europa den Bauern vorschrieben will, fremd ist, ins Fäustchen lacht.

Landwirtschaft und Agrarpolitik sind freilich nicht aus der Verantwortung zu entlassen. Zu lange haben sie dem zugeschaut, was jetzt auf sie zuzukommen scheint und von vielen als Tsunami empfunden wird. Zu oft hat man lieber den Kopf in den Sand gesteckt und gehofft, dass es sich schon irgendwie ausgehen werde. Zu selten und zu wenig hat man sich selbst um intelligente Lösungen bemüht. Und vor allem - viel zu wenig hat man die Bauern auf all das, was da nun möglicherweise kommt vorbereitet.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 3. März 2023

Bittere Hilflosigkeit der Diplomatie

In die Geschichte der Diplomatie könnte der Überfall Russlands auf die Ukraine und der nunmehr mehr als einjährige Krieg als ein dunkles Kapitel eingehen. Nichts scheint zu verfangen, kaum etwas ist von Bemühungen zu erkennen. Es bleibt nur die Hoffnung, dass hinter der Bühne doch Gespräche laufen, von denen man nichts weiß, die irgendwann einmal aber dennoch zu einem Frieden führen. Wenn der US-Präsident in aller Öffentlichkeit nach Kiew reist, werden solche Vermutungen genährt, oder wenn die Ukraine die Russen einfach abziehen lässt, nachdem sie eine Großstadt wie Cherson zurückerobert hat.

Es sind nicht mehr als Vermutungen, dass doch etwas in Bewegung ist, an die man sich klammern kann. Aber nichts von großen Friedensbemühungen, von konkreten Vorschlägen gar, nur Chinas Initiative, deren Bedeutung nur schwer einzuschätzen ist. Es scheint wohl eher zu gelten, was kürzlich der österreichische Außenminister in einem Interview so formulierte: "Momentan sehe ich keinen Raum für Diplomatie." Das ist bitter. Und es ist auch so etwas wie eine Bankrotterklärung der Diplomatie, wenn es denn wirklich so sein sollte.

Putin und sein Russland führen das Handwerk der Diplomatie, ihr Suchen nach Kompromissen, nach gangbaren Wegen, nach zumindest kleinen Fortschritten, regelrecht vor. Im aktuellen Konflikt scheint nichts erreichbar, schon gar nicht Frieden.

Jetzt wird zumindest immer öfter davon gesprochen. Erst langsam wurde die Forderung nach Bemühungen, Frieden zu finden, in den Medien ein Thema. Sehr zurückhaltend freilich nur, sehr vorsichtig, und eingeleitet mit Sätzen wie "Vorweg eine kleine Vorbemerkung" und einer Klarstellung, dass man "keinen Zweifel" habe, dass Russland der Aggressor ist, um dann doch hinzuschreiben: "Dennoch darf man sich auch schon einmal Gedanken" über Selenskyj machen. Auffallend zurückhaltend die Friedensbewegung, die sich in den vergangenen Jahrzehnten an den USA abarbeitete. Von dort kam nie ein Wort, schon gar ein Wort gegen den Herrn im Kreml - wie man es seit Jahrzehnten gewohnt ist. Zuletzt mobilisierten in Deutschland Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht tausende Menschen mit ihrer Forderung, die Waffenlieferungen für die Ukraine zu stoppen. Dass sie damit eins sind mit der rechten AfD in Deutschland oder Österreichs Oppositionsführer Kickl, der damit gerne alte Vorbehalte bedient, oder Corona-Schwurblern und Putin-Verstehern störte die beiden Damen wenig.

Dass bei all dem kaum verhüllt immer Selenskyj als der hingestellt wird, der einen Frieden verhindert, weil er weder auf die Krim, noch auf den Donbass verzichten will, ist da kaum ein Thema. Und auch nicht, dass kaum jemand von denen, die sich da in den vergangenen Wochen für einen "Frieden" stark machten, je klar und ohne Wenn und Aber an Putin wandte und von ihm den Rückzug aus der Ukraine forderte.

Das wirkt wie ein schleichendes Gift und spielt Putin weit mehr in die Hände, als es der Ukraine und dem Ziel hilft, einen Frieden zu erreichen. Wenn die Zeichen nicht trügen, verliert die Bevölkerung im Westen Europas langsam die Geduld. Und wenn die Zeichen nicht trügen, verlieren sie die Geduld eher mit der Ukraine und ihrem Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als mit Russland und seinem Herrscher Wladimir Putin.

In Österreich und Deutschland sind mittlerweile zwei Drittel der Bevölkerung der Meinung, die Ukraine sollte Friedensverhandlungen beginnen, auch wenn sie Gebiete abtreten muss.

All das -dass politische Parteien Positionen und Bemühungen für sich vereinnahmen, dass man nicht klar Position bezieht und verweigert, die Realität anzuerkennen -treibt die Forderung nach Frieden in eine falsche Richtung. "Die Kriegsmüdigkeit gehört zu Putins Plan", war dieser Tage zu lesen. Und zu Putins Plan gehört wohl auch, den Westen und seine Bevölkerung zu spalten in der Einschätzung der Ursachen und der wahren Verhältnisse rund den Krieg und seines Zustandekommens.

Das alles ändert freilich nichts dran, dass alles daran zu setzen ist, dass es zu einem Frieden kommt. Zu einem tragfähigen Frieden, zu einem Frieden, der von Dauer ist. Die Wege, die jetzt diskutiert werden und die gefordert werden, sind es nicht. Die Diplomatie ist gefordert. Sie darf nicht versagen. Der Maßstab, der dabei anzulegen ist, ist klar: Wenn Russland aufhört zu kämpfen, ist der Krieg vorbei -wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, gibt es keine Ukraine mehr.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. März 2023
 
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