Freitag, 28. Februar 2020

Berglandmilch bringt Mehrwegflasche



Österreichs größter Milcherzeuger startet als erste Molkerei bei Trinkmilch mit Mehrwegflaschen und spart mehr als 1000 Tonnen Müll. Greenpeace drängt jetzt auch andere Anbieter und den Handel zu einer „Mehrwegrevolution“.


Hans Gmeiner


Aschbach. „Bergglasmilch“ rutschte Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace Österreich, heraus, als er Donnerstag gemeinsam mit Josef Braunshofer, Chef der Berglandmilch, den Start des Verkaufs von Milch in Pfandflaschen vorstellte. Es war wohl die Verzückung über die Rückkehr der gläsernen Milch-Mehrwegflasche in die Regale des Lebensmittelhandels nach einer Pause von 20 Jahren, die den Greenpeace-Chef zu diesem Versprecher verführte. „Als wir vor zwei Jahren mit der Einweg-Glasflasche auf den Markt kamen, war uns aufgrund der starken Nachfrage schnell klar, dass wir im nächsten Schritt die Mehrwegflasche zurück auf den Markt bringen“, sagt Braunshofer. „Damit liegen wir am Puls der Zeit.“

Insgesamt acht Mill. Euro investierte das Unternehmen in die neue Wasch- und Abfüllanlage in Aschbach (NÖ). Dabei wurde ganz besonders auf den ökologischen Fußabdruck geachtet. „Wir haben intensiv an der Optimierung der Abläufe gearbeitet, um den Wasserverbrauch und auch den Verbrauch von Reinigungslaugen zu optimieren“, sagt Braunshofer. Anspruchsvoll war auch die Erstellung des Logistikkonzepts, um die Transporte so gering wie möglich zu halten.

Der Konsument kann nun zeigen, was ihm Umweltschutz wert ist. Die Milch wird im Handel zwischen 30 und 50 Cent pro Liter mehr kosten als vergleichbare Milch im Einweggebinde. Das Pfand pro Milchflasche macht 22 Cent aus. In den neuen Pfandflaschen auf den Markt kommen die Biomilch von Spar und Ja! Natürlich/Rewe sowie die konventionell erzeugten Berglandmilch-Marken Berghof und Tirol Milch. Zurückgegeben werden können die Flaschen in den Rückgabeautomaten der Handelspartner.

Der Verkaufsstart in diesen Tagen soll nur ein erster Schritt sein. „In einigen Monaten“, sagt Braunshofer, sollen auch die Halbliterflasche und Leichtmilch in der Mehrwegflasche kommen. Die Umstellung weiterer Produkte sei in Planung. Im kommenden Jahr soll auch der Standort Wörgl adaptiert und die Abfüllanlage mit einer Reinigungsanlage komplettiert werden. Derzeit werden in Tirol nur Flaschen befüllt, gereinigt aber werden sie in Aschbach.

Die Mehrwegflasche und das nunmehrige Pfandsystem kommen, anders als die Einweg-Glasflasche, die von Umweltschützern kritisiert wurde, den Anforderungen nach Ressourceneinsparung und Abfallvermeidung entgegen. Die Flaschen können immerhin zwischen zwölf und 15 Mal verwendet werden. Das Potenzial ist enorm, rechnet Christian Pladerer vom Österreichischen Ökologie-Institut vor. „Würden die 660 Millionen Liter Trinkmilch, die in Österreich jährlich konsumiert werden, von den Einwegpackerln auf Mehrwegverpackungen umgestellt, könnten wir 25.000 Tonnen Müll einsparen.“

Das freilich ist Zukunftsmusik. Bei Berglandmilch will man bei Frischmilch in einer ersten Stufe einen Mehrweganteil von 17 Prozent erreichen. Das entspräche bei einer Menge von rund 35 Millionen Litern einer Einsparung von rund 1300 Tonnen Müll. Noch ist man zudem unter den großen Molkereien allein auf weiter Flur. Geht es nach Greenpeace-Chef Egit soll sich das möglichst rasch ändern, nicht nur bei den Molkereien. Derzeit liegt der Mehrweganteil im Handel bei Getränken bei nur rund zehn Prozent, im Diskont „sogar bei null“ , wie er spitz anmerkt. Der Großteil der Mehrweggebinde im Handel entfällt auf Bier. Dort liegt der Anteil bei 60 Prozent. „Unsere Vision ist eine Mehrwegrevolution in den Getränkeregalen“, sagt Egit und freut sich über jedes Unternehmen, das den Sprung wagt. „Nächste Woche stellt Radlberger bei Limonaden auf ein Mehrwegsystem um, andere werden folgen.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 28. Februar 2020

Donnerstag, 27. Februar 2020

Bauern in den Fängen der Dreistigkeit



Zuerst war es Edeka mit dem Slogan „Essen hat einen Preis verdient – den niedrigsten“, der die deutschen Bauern auf die Barrikaden trieb. Dann war es Billa in Österreich. „Wenigstens die Preise sind immer unten“ ist derzeit in ganz Österreich plakatiert. Die Bauern reagierten wütend und bitter. „Kürzlich hat sich Billa noch dafür feiern lassen, dass man zu 100 Prozent auf Frischfleisch aus Österreich setzt“.

Die Dreistigkeit des Handels scheint keine Ende zu nehmen. Dazu fügten sich dann die Klagen über die Überheblichkeit, das Unverständnis und die Sturheit vor allem des größten heimischen Handelskonzerns mit Sitz in Salzburg rund um die von Bauern und Molkereien geforderte Anhebung der Preise für Molkereiprodukte. Da verwundert nicht, dass Sätze des Chefs ebendieses Unternehmens in einem Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ und anderen Zeitungen wie Hohn empfunden werden. „Ich kenne kein anderes Land auf der Welt, in dem sich der Lebensmittelhandel mit der Landwirtschaft derart stark verbindet wie in Österreich“ heißt es da. Dünnhäutig beklagt er sich dort über „populistisches Handels-Bashing“ von „hohen Agrarpolitikern“ und will Lob dafür, dass man Eier und Milch „bis zu einem Drittel“ aus dem Ausland beziehen könnte, das aber nicht tue.

Freilich, die Bauern müssen dem Handel auch dankbar sein. Und freilich, sie produzieren zu viel und schwächen damit ihre Position auf dem Markt. Aber dennoch ist es, als wolle man die Landwirtschaft vorsätzlich provozieren. Ernst nimmt man sie offenbar nicht. Spar, Billa, Hofer und Co können sich freilich dennoch des Beifalls weiter Kreise vor allem der städtischen, intellektuellen Gesellschaft sicher sein. Dort glaubt man unerschütterlich an das vom Handel mit zig Millionen erzeugte Bild, dass man sich für Umwelt und Klima engagiere und an die vom sprechenden Schweinderl erklärte Landwirtschaft, während sich die Bauern im richtigen Leben ducken müssen und scheel angesehen werden.

Es ist in der Tat unerträglich, was sich der Handel herausnimmt. Dass bei den Bauern der Unmut wieder wächst ist nachvollziehbar. Man setzte lange auf Gespräche und darauf, dass die Argumente gehört werden. Dann fuhren aber auch die Bauernbündler demonstrieren.

Was noch kommt und was es bewirken wird, ist noch nicht abzuschätzen. Klar ist längst, dass die Bauern ein massives Problem mit dem Handel haben und dass es ihre Vertretung nicht in den Griff kriegt. Das Verhältnis bleibt verkorkst. All die Gespräche, Versprechungen und Abmachungen der vergangenen Jahre waren das Papier kaum wert, auf dem sie geschrieben wurden. Sie nutzten beiden Seiten allenfalls dazu, ihr Image aufzupolieren, weil sie – wie die Bauernvertreter – Engagement und Bemühung zeigten, oder – wie der Handel – guten Willen vorgeben konnten wenn man da und dort gönnerhaft ein paar Cent ausließ, für die man gelobt werden wollte.

Nachhaltig und von Dauer war nichts davon. Und genau das ist das Problem der Bauern. Sie wollen Wertschätzung. Und sie wollen keine Show, sondern zählbare Veränderungen auf die sie bauen und auf die sie sich verlassen können.

Es steht freilich zu befürchten, dass es auch diesmal dazu nicht kommen wird. Auch nicht, wenn man mit Traktoren auffährt.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 27. Februar 2020

Erstaunliche Grauslichkeiten



"Schimmel, Maden und Gestank" stand in der vergangenen Woche in allen Zeitungen. "Dotter, die eigelb sein müssten, aus denen aber pechschwarze Flecken hervorstechen" und "Auch Reste von Hühnerkot, Federn und anderer Schmutz, alles wird weiterverarbeitet". Die Zustände bei einem industriellen Eierverarbeiter im niederösterreichischen Mostviertel, der seit Jahren zu einer niederländischen Gruppe gehört, sorgten für dicke Schlagzeilen und große Aufregung allerorten. Dass dort auch Eier aus Käfighaltung unerlaubt als Freilandeier verarbeitet wurden, wie ebenfalls berichtet wurde, nimmt man bei solchen Umständen dann schon als gegeben zur Kenntnis.

Was werden sich da die zahllosen kleinen Fleischhauer, Bäcker und Bauern und die anderen gewerblichen Lebensmittelverarbeiter denken, die tagtäglich unter dem Kontrollwahn der Behörden, wie viele das nennen, und unter Auflagen und Vorschriften zu leiden haben, die für sie oft nicht nachvollziehbar sind? Die sich oft bis aufs Blut sekkiert und zuweilen nachgerade verfolgt fühlen? Die sich von pedanten Lebensmittel-und Arbeitsinspektoren Vorwürfe anhören müssen, weil sie keine Schutzhaube aufhaben, dass der Boden nicht passt und das Fenster auch nicht. Denen oft sündteure Investitionen vorgeschrieben werden, weil sich der Inspektor auf irgendeine kaum nachvollziehbare Hygienevorschrift versteift? Die von ihren Hühnern produzierten Eier, jedes einzelne, abstempeln müssen, auf dass ihre Herkunft nachvollziehbar ist bis ins Regal. Was geht in ihnen vor, wenn sie lesen müssen, dass die niederösterreichische Lebensmittelaufsicht, für die der Chef der niederösterreichischen SP und Landeshauptfraustellvertreter zuständig ist, als Erklärung nicht mehr zu bieten hat, als dass es im Vorjahr ohnehin eine Kontrolle gab, bei der keine Mängel festgestellt wurden? Sätze in den Zeitungen wie "Ein Insider berichtet von Mangel an behördlichen Kontrollen" oder "Die Betriebe erfahren oftmals im Vorfeld von Kontrollen" ließen da wohl allerorten den Blutdruck kräftig ansteigen.

Was da jetzt in Niederösterreich aufgedeckt wurde, lässt fragen, was das Kontrollsystem wert ist, das in den vergangenen Jahr mit Akribie so verfeinert wurde, dass es für kleine Gewerbebetriebe oft längst zur existenziellen Gefahr geworden ist, während es Großen offenbar immer noch genug Möglichkeiten lässt, durchzuschlüpfen und sich die Dinge zu richten. Wenn man von den Zuständen in diesem Eierwerk liest, ist zu fragen, ob die richtigen Kontrollschwerpunkte gesetzt werden, oder ob vielleicht doch nicht. Zu oft wohl legt man bei aller Engmaschigkeit, auf die man zuweilen stolz ist, den Fokus auf die falschen Dinge und übersieht dabei, was nebenan schief läuft, verrennt sich in Details, während man große Problembereiche übersieht.

Da besteht Handlungsbedarf. Zumal wenn dort Lebensmittel erzeugt werden. Es darf nicht möglich sein, dass in Unternehmen wie diesen unter Zuständen produziert wird, wie sie nun geschildert werden. Dass aus solchen Eiern, wie sie in den Medien beschrieben wurden, Backwaren, Biskotten, Nudeln und Mayonnaise hergestellt werden oder in Hotels die Eierspeis' fürs Frühstücksbuffet.

Es geht aber auch darum, die Branche, in der Unternehmungen des Zuschnitts dieses Eierwerks ihr Unwesen treiben, zu schützen. Man versteht, wenn jetzt die heimischen Eiererzeuger von einer "massiven Rufschädigung" sprechen. Schon seit zehn Jahren verzichten sie mehr oder weniger unbedankt auf die Käfighaltung von Hühnern und müssen zuschauen, wie immer noch täglich rund eine Million Eier aus Käfighaltung nach Österreich importiert werden.

Und es geht natürlich auch um die Konsumenten. Was denken wohl die, wenn sie von den Zuständen im Eierwerk lesen? Und wie kommen sie dazu, so etwas auf den Tisch zu bekommen?

Wieder zeigt sich an diesem Fall, dass die Flucht in Kontrollen und noch mehr Vorschriften und noch mehr Auflagen nicht die Lösung ist. So wie auch bei den Kälbertransporten, die in der Vorwoche ebenfalls für Schlagzeilen sorgten und bei denen nun auch die Bauern antreten müssen, um den Ruf, den verantwortungslose Geschäftemacher zertrampelt haben, wieder herzustellen.

Es braucht andere Antworten. Antworten, die solche Auswüchse gar nicht erst entstehen lassen. Auch wenn man wohl immer in Kauf nehmen muss, dass kriminelle Energie ihren Weg findet. Aber deswegen dürfen nicht die drunter noch mehr leiden, denen solches Handeln fremd ist.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. Februar 2020

Donnerstag, 20. Februar 2020

"Leistungen müssen bezahlt werden"


Sollte es im EU-Budget Kürzungen der Agrarmittel geben, müsse es einen nationalen Ausgleich geben, fordert der oberste Bauernvertreter. Den Biolandbau gegen die konventionelle Landwirtschaft auszuspielen sei nicht zielführend.


Hans Gmeiner 


Der Präsident der Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, wünscht sich mehr Wertschätzung für die Arbeit der Bauern, die sich letztlich auch im Preis ausdrückt.

SN: Was erwarten Sie vom Sondergipfel zum EU-Budget?
Die Mittel für die Landwirtschaft dürften wohl gekürzt werden. Es heißt, für Österreichs Bauern werden 120 Mill. Euro fehlen. 

Josef Moosbrugger: Wir setzen darauf, dass Österreich für die Bauern möglichst viel herausholt und das, was fehlen sollte, aus nationalen Mitteln ausgleichen wird, damit die Bauern keine Verluste hinnehmen müssen. Denn so, wie es Brüssel plant – mehr Leistungen und mehr Auflagen für weniger Geld –, ist es für uns Bauern inakzeptabel. Wir haben in Österreich eine sehr gute Grundlage. In Sachen Nachhaltigkeit belegt die österreichische Landschaft in einem weltweiten Ranking den ersten Platz, wurde erst kürzlich bestätigt. Es sollen nicht die bestraft werden, die bisher mehr getan haben als die anderen.

Ihnen wäre eine Fortschreibung der bisherigen Agrarpolitik am liebsten? 

Ich bin für Kontinuität. Natürlich werden da und dort Anpassungen nötig sein. Etwa bei den Landschaftselementen oder manchen Auflagen. Ich bin für ein modulares System, das sowohl den Biobauern als auch ihren konventionellen Kollegen ermöglicht, sich an nachhaltigen Systemen zu beteiligen.

Aber es gibt auch Themen wie die Verteilung der Mittel, Obergrenzen für Förderungen und abgestufte Zahlungen. 80 Prozent der Mittel gehen an nur 20 Prozent der Bauern. 

Ich bin ein Anhänger des Leistungsprinzips. Grundlage soll daher die Kombination aus Fläche und Zahl der Tiere bleiben. Agrarpolitik ist nicht Sozialpolitik. Auch in Zukunft gilt, eine Förderobergrenze kann es nur für die gesamte EU geben. Ich bin aber dafür, dass man die Abstufung der Förderungen, die wir ja jetzt schon haben, weiterentwickelt. Größere Betriebe können rationeller arbeiten. Das soll sich auch in den Zahlungen auswirken.

Der Green Deal, mit dem die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Union grüner machen möchte, sorgt bei den Bauern für zusätzliche Verunsicherung. Was bedeuten diese Pläne für die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und für die Agrarreform? 


Ich halte es für falsch, den Green Deal mit der GAP zu verknüpfen. Der Green Deal ist nicht nur eine Sache der Landwirtschaft, sondern aller Wirtschaftsbereiche. Man kann nicht den Bauern neue Aufgaben im Zug der Agrarreform ohne Gegenleistung aufs Auge drücken. Das geht nicht. Wer Leistungen will, hat sie zu bezahlen. Das gilt auch beim Green Deal. 

Die EU ist mit dem Zeitplan beim neuen Budget und damit der Agrarreform weit im Hintertreffen. Womit müssen die Bauern jetzt rechnen? 

Geht man davon aus, dass man sich noch im ersten Halbjahr auf das neue EU-Budget einigt, wird wohl die Agrarreform bis zum Herbst beschlossen werden. Erst dann können wir die Strategiepläne für Österreich fertigstellen, die dann Brüssel noch genehmigen muss. Das wird wohl erst 2021 sein. Das wird das erste Übergangsjahr sein. Dann gilt es die Beschlüsse in Gesetze zu gießen, weshalb ein zweites Übergangsjahr kommen dürfte.

In Deutschland, in Spanien, in Frankreich, in Holland gibt es mitunter sehr heftige Bauernproteste und große Diskussionen um Landwirtschaft und ihre Zukunft. Von Österreichs Bauern und ihrer Vertretung ist wenig zu hören. Was ist in Österreich anders? 


Die Situation ist auch bei uns sehr herausfordernd. Aber wir haben uns in Österreich mit dem Modell der nachhaltigen Landwirtschaft deutlich anders entwickelt und schon viel von dem längst umgesetzt, was nun überall und auch von der EU gefordert wird und was die Bauern dort auf die Barrikaden gehen lässt. Wo allerdings schon auch bei uns Unzufriedenheit zu spüren ist, ist die Preisentwicklung auf dem Markt und was der Bauer fürs Produkt bekommt. Und daher gibt es von uns auch die klare Forderung an den Handel, mit den Bauern gerechter umzugehen, fairer zu werden, als das bisher der Fall ist.

Aber die Bauernpreise in Österreich liegen ja durchwegs auf internationalem Niveau, wenn nicht sogar drüber. 


Aber für die Nachhaltigkeit in der Produktion, für die höheren Standards, auch für die höheren Kosten wegen der doch sehr kleinbäuerlichen Struktur wird nicht gezahlt, was die Bauern brauchen würden. Wir vermissen die Wertschätzung. Bei den Haushaltsausgaben beträgt der Anteil für Lebensmittel bei uns mittlerweile weniger als zehn Prozent. In Europa liegt der Durchschnitt bei zwölf Prozent. Würde in Österreich vom Haushaltseinkommen so viel ausgegeben werden wie im europäischen Schnitt, hätten die Bauern bei uns um fünf bis sechs Milliarden Euro mehr Wertschöpfung. Erst das würde dann auch dem wahren Wert der österreichischen Produkte entsprechen.

Zu den Problemen in der Biolandwirtschaft, wo ja seit Monaten eine EU-Rüge für Unruhe sorgt: In der Vorwoche gab es wieder Gespräche in Brüssel. Was ist das Ergebnis? 


Klar ist, dass die Biobauern nichts falsch gemacht haben. Brüssel hat jetzt endgültig grünes Licht für die Übergangslösung gegeben, die wir ausgearbeitet haben. Für 2020 ist damit geklärt, was die Bauern zu tun haben. Was ab 2021 und danach kommt, ist noch zu verhandeln. Offen ist freilich noch, welche Rückforderungen Brüssel an Österreich stellt.

Bei den Problemen rund um die Weidepflicht wurden Schwächen in der Organisationsstruktur sichtbar. Die Kompetenzen in der Kontrolle und in der Auslegung sind zwischen Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium aufgeteilt. Gibt es da nicht Anpassungsbedarf? 


Das ist eine Baustelle. Da ist viel zu klären und es geht aus meiner Sicht auch darum, das neu aufzustellen. Wer hat welche Verantwortungen? Wer hat welche Aufgaben? Wer macht die Kontrolle? Was gar nicht geht, ist, dass die Biokontrollstellen bei ihren Kontrollen kaum Fehler finden, dass dann aber, wenn die AMA-Kontrolle kommt, auf einmal doch deutlich mehr Verstöße gefunden werden. Das ist für mich völlig unverständlich. Da darf es keine unterschiedlichen Ergebnisse geben, die Vorschriften sind ja dieselben.

Josef Moosbrugger (*1966) ist Landwirt in Vorarlberg. Seit 1999 ist er Präsident der Landwirtschaftskammer im Ländle. Im Mai 2018 wurde er zum Nachfolger von Hermann Schultes als Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich gewählt.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 20. Februar 2020

Aus der "Bananenrepublik"



"Ich werde meine Stelle als Referentin für den Aufbau von Sozialmärkten in allen burgenländischen Bezirken und der diversen Events wie zum Beispiel 'Burgenländer des Jahres' im Büro des burgenländischen Landeshauptmannes nicht antreten." Schlussendlich kam der Rückzug der Verlobten des burgenländischen Landeshauptmanns Hans-Peter Doskozil doch noch. "Ich verstehe aber auch zum Teil, dass es viele Menschen gibt, die nun glauben, ich hätte diesen Job nur erhalten, weil ich die Verlobte des Landeshauptmanns bin", fügte sie noch an.

Immerhin. Denn allerorten fragte man sich, wie man sich nur so wenig spüren kann, wie der Landeshauptmann aus dem Burgenland und seine Verlobte, und ob ihm sein Wahltriumph gar zu Kopfe gestiegen sei. Geklärt ist die Frage freilich dennoch noch nicht, denn Worte des Einsehens von Doskozil sind nicht überliefert, wie der dürre Satz, mit der er die Entscheidung seiner künftigen Gattin auf Facebook bekanntmachte, belegt. Dort ließ er wissen, dass er ihre Entscheidung "gut nachvollziehen kann". Da war selbst seine bessere Hälfte deutlich klarer.

Aber nicht allein das lässt an Geschick und Gespür des neuen sozialdemokratischen Helden zweifeln. Just an dem Tag, als die Absichten seiner Verlobten bekannt wurden, nahm ausgerechnet er im Zusammenhang mit den Eurofighter-Ermittlungen das Wort "Bananenrepublik" in den Mund -was ihm in einer spotttriefenden Glosse in den "Salzburger Nachrichten" prompt dem Titel "Experte für Bananenrepublik" einbrachte.

Aber es war noch nicht alles, mit dem Doskozil in der vergangenen Woche an der Demolierung seines Rufes arbeitete. Just während sich allen voran seine Partei über vorgebliche "Attacken des Bundeskanzlers auf die Justiz" echauffierte, ließ er wissen, dass er seinerzeit die Anzeige gegen Airbus über das Verteidigungsministerium und nicht über das Justizministerium abgewickelt habe, weil er den Leuten dort nicht zugetraut habe, die Anzeige ordnungsgemäß weiterzuleiten.

"Dosko", wie ihn seine Fans nennen, ist kein Einzelfall. Leute wie ihn gibt es überall. Man denke nur an Strache und wie er seine Frau zu versorgen versuchte, man denke an die zahllosen Politiker rund um die Welt bis hin zu Donald Trump, die ihre Posten ausnutzen, um Familienmitglieder gut unterzubringen. Und es sind bei Gott nicht nur Politiker, die, nach oben gespült von Erfolgen und von Claqueren welcher Art auch immer, jedes Gespür verlieren und jede Verantwortung. Legendär ist der Ausraster des heimischen Fußballhelden Marko Arnautovic bei einer Polizeikontrolle in Wien. "Du hast mir gar nichts zu sagen", soll er damals den Polizisten aus seinem sündteuren Auto heraus angeblafft haben. "Ich verdiene so viel, ich kann dein Leben kaufen. Ich bin etwas Höheres als Du."

Freilich muss man nicht gleich so weit neben die Spur geraten wie der damals noch sehr junge Fußballer. Aber der Grat ist in der Tat oft sehr schmal. Und es ist nachvollziehbar, wenn man sich mit dem Hinweis darauf aus der Affäre zu ziehen versucht, dass es ja kein Nachteil sein darf, die Frau eines Amtsträgers zu sein, wie das etwa bei der Frau von Innenminister Nehammer, die zur Pressesprecherin im Verteidigungsministerium gemacht wurde, der Fall war. Zumal dann, wenn man über die entsprechende Qualifikation verfügt.

Aber einen etwas strengen Geruch hat es allemal. Und es bleibt Verwunderung zurück, dass man nicht erkennen mag, dass klarere Linien die bessere Lösung wären. Oft scheint die Erdung verloren zu gehen, wenn man alle Tage im Licht von Kamerascheinwerfern verbringt und von allen Seiten hofiert und umschmeichelt wird. Manche scheinen regelrecht den Boden unter den Füßen zu verlieren und abzuheben. Gerade oft sind es solche, die sich gerne als die wahren Volksvertreter sehen und ständig im Mund führen, dass sie "einer aus dem Volk" sind und ihre ganze Arbeit nur dem Wohl der Leute dient.

Irgendwann schleicht sich dann die Lüge ein und der Selbstbetrug. Dann findet man, dass man auch auf sich selbst und die seinen und das eigene Wohl schauen kann.

Es muss schwierig sein, diese Grenze zu erkennen. Sonst gäbe es wohl nicht immer wieder solche Ausrutscher, wie jene des "Experten für Bananenrepublik" und vieler anderer auch. Entschuldigung darf das aber freilich keine sein. Alleine schon deswegen, weil man sich dagegen verwahrt, wirklich in einer "Bananenrepublik" leben zu müssen.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. Februar 2020

Dienstag, 18. Februar 2020

Österreichisches ist auch im Gasthaus gefragt



Transgourmet, der wichtigste Lieferant der Gastronomie für Lebensmittel, ortet steigendes Interesse an Herkunft und Haltung von Tieren.

Hans Gmeiner 


Linz. Österreichs Bauernvertreter schossen erst jüngst wieder aus allen Rohren gegen den Lebensmittelhandel. „Preisschlachten schädigen Klima, Bauern und Verarbeiter“, hieß es schlagzeilenträchtig. Beim Handel stößt man damit auf Unverständnis. „Die Vorwürfe sind zu kurz gegriffen“, sagt Thomas Panholzer, Geschäftsführer von Transgourmet Österreich, der als wichtigster Großhändler im Land vor allem eine Branche beliefert, die die Bauern ebenfalls im Visier haben – die Gastronomie. Man habe einen Versorgungsauftrag zu erfüllen, lebe nicht in einem abgeschotteten Land, sondern habe auch Direktimporte als Konkurrenz, sagt Panholzer. Und weil die Bauern ja auch selbst Exporteure sind, müsse man auch Importe hereinlassen.

Den Gastwirten werfen die Bauern vor, viel zu selten deklarieren zu wollen, woher die Produkte kommen, die sie ihren Gästen auftischen. „Fragt man nach, zeigt sich immer noch oft, dass die Eier für den Kaiserschmarren auf der Almhütte aus der Ukraine kommen. Und dass die Wirte damit spekulieren, dass die Gäste angesichts der urigen Einrichtung des Wirtshauses automatisch davon ausgehen, dass das Schnitzel oder der Kalbsbraten aus Österreich kommen“, sagt Hannes Royer vom Verein Land schafft Leben, der sich mit dem österreichischen Handel und Verarbeitern im Hintergrund seit zwei Jahren um mehr Wertschätzung für heimische Lebensmittel bemüht. Der Außer-Haus-Verzehr ist dabei einer der Brennpunkte, geht es doch um sehr viel. Täglich essen laut Royer rund vier Millionen Österreicher außer Haus. 1,8 Millionen davon würden in Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung wie Kantinen oder Krankenhausküchen versorgt.

Auch wenn man sich dort und in der Gastronomie weiter gegen eine Verpflichtung zur Herkunftskennzeichnung wehrt und die Nachfrage nach Billigfleisch vor allem in der Systemgastronomie ungebrochen hoch ist, ortet man bei Transgourmet auch in diesen Sparten einen starken Trend zu heimischen Produkten. „Immer mehr Gastronomen hinterfragen die Herkunft und die Haltungsbedingungen von Nutztieren“, sagt Transgourmet-Chefeinkäufer Manuel Hofer.

Diese Entwicklung schlägt sich auch in den Verkaufszahlen von Transgourmet nieder. Bei Fleisch- und Wurstwaren liegt der Anteil an österreichischen Produkten mittlerweile bei rund 50 Prozent. Rindfleisch kommt zu 70 Prozent aus Österreich. Bei der Eigenmarke, auf die ein Drittel der Verkaufsmenge entfällt, sind es gar 100 Prozent. Bei Geflügel kommt man wegen der zu geringen Produktion in Österreich freilich über einen Anteil von 41 Prozent nicht hinaus. Noch geringer ist der Anteil bei Schweinefleisch, weil es dort vor allem um den Preis geht. „Und die günstigsten Produkte stammen halt meist nicht aus Österreich“, heißt es bei Transgourmet. Insgesamt hat das Unternehmen 2400 Fleisch- und Wurstprodukte im Sortiment und verkauft pro Woche rund 215 Tonnen Fleisch und 107 Tonnen Wurst.

Bei den Anteilen der Produkte aus Österreich gebe es aber noch Luft nach oben. Mehr Unterstützung von der Politik wünscht man sich bei Transgourmet etwa bei der Gemeinschaftsverpflegung im öffentlichen Bereich, sogar Preisuntergrenzen kann man sich vorstellen. Und Hannes Royer versucht die Gastronomen mit einer einfachen Rechnung zu motivieren, mehr Fleisch aus Österreich zu kaufen. „Ein Schnitzel von einem österreichischen Schwein mit AMA-Gütesiegel kostet im Einkauf vielleicht zehn oder zwanzig Cent mehr pro Stück, man kann dafür aber ohne Probleme um 1,50 Euro mehr verlangen und damit die Wertschöpfung wirklich erhöhen.“

Einen Strich durch diese Rechnungen könnten freilich die Personalprobleme in der Gastronomie machen. „Weil die Leute zum Schnitzelpanieren fehlen, greift man immer öfter auf fixfertig panierte Convenience-Schnitzel zurück“, sagt eine Kennerin der Usancen. „Und diese Schnitzel kommen praktisch immer aus dem Ausland.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 18. Februar 2020

Donnerstag, 13. Februar 2020

Neues Feindbild "Boomer"



Die einen heißen neudeutsch "Boomer", weil sie in den Kinderboom-Jahren zwischen Mitte 1950 und 1970 geboren wurden. Die anderen "Millennials", weil sie in den 80er-und 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts erwachsen wurden. Und die haben es gerade nicht leicht miteinander. Die "Millennials" sind unzufrieden und fühlen sich von den "Boomern" um ihre Zukunft gebracht. Die aber können mit der Wut, die ihnen zuweilen entgegenschlägt, wenig anfangen und ringen nicht nur um Fassung, wenn es ihnen zu heftig wird, sondern auch um Argumente, wie sie sich rechtfertigen könnten.

Seit Wochen sorgt eine in Buchform vorgelegte Analyse des Agenda Austria-Ökonomen Lukas Sustala, selbst ein "Millennial", für Aufsehen. "Die Alten hatten es besser, die Jungen schlechter" ist seine These, die aufhorchen lässt. "Zu spät zur Party", lautet der Titel seines Buches. "Ich sehe, dass meine Generation deutlich schwierigere Startbedingungen hat ins Erwachsenenleben als die vorherige", sagt er in Interviews. Als Kronzeuge dafür führt er die OECD an, die bereits vor zwei Jahren gewarnt hat, dass es für die "Millennials" deutlich schwieriger wird als für ihre Eltern, in die Mittelschicht vorzustoßen. In vielen Industrieländern seien in den vergangenen Jahre die realen Einkommen gerade der jungen Menschen gesunken, und selbst in "sehr gut ausgebauten Sozialstaaten wie Österreich" habe ein junger Mensch ein größeres Armutsrisiko als ein Pensionist. Kurzum, die "Boomer" lebten grosso modo auf Kosten des Nachwuchses.

Die wirtschaftlichen Themen sind da freilich nicht die einzigen Frontlinien, an denen sich die Jungen in einem Generationskonflikt nicht nur bei uns an dem "Boomern" reiben. Da sind ja auch Greta Thunberg und ihre Friday-for-Future-Gefolgsleute, die ihnen vorwerfen, sie im Stich zu lassen und ihre Zukunft zu zerstören. "Wie könnt Ihr es wagen zu glauben, dass man das lösen kann, indem man so weiter macht wie bislang - und mit ein paar technischen Lösungsansätzen? Ihr seid immer noch nicht reif genug zu sagen, wie es wirklich ist. Ihr lasst uns im Stich" - hält die Schwedin allen von der UNO bis zum Weltwirtschaftsforum in Davos vor.

Den "Boomern" fällt es schwer damit umzugehen, was ihnen da vorgehalten wird. Mit dem einen. Und mit dem anderen. Was sie ihrer Elterngeneration vorhielten, klang ihrer Meinung nach um keinen Deut anders, als was sie heute selbst zu hören bekommen. Oft fühlen sie sich daher zu Unrecht angegriffen, viele haben gar ein Deja-vu-Erlebnis. Vorhaltungen, dass die Alten die Pensionskassen ausgeräumt hätten, haben sie seinerzeit selbst erhoben. Gegen heute unvorstellbare Privilegien, die sich ihre Vorgängergeneration mit der Berufung auf Krieg und die Wiederaufbauarbeit geleistet hat, sind sie angerannt, rechtfertigen sie sich. Sie seien es doch gewesen, die seinerzeit maßgeblich dazu beigetragen haben, die alten Strukturen aufzubrechen. Und nun sollen auf einmal sie selbst am Pranger stehen und müssen sich Vorwürfe anhören, die denen ganz ähnlich klingen, wie sie selbst sie seinerzeit erhoben haben?

Da ist nachvollziehbar, dass ihnen das schwer fällt. Zumal auch für sie nicht alles so war, wie es jetzt oft dargestellt wird. Dass sie in einer Boom-Zeit gelebt haben, haben sie meist nicht so empfunden. Wenn sie sich in Studentenjobs verdingten, wenn sie um ihre Rechte am Arbeitsplatz und auf der Uni gerungen haben, und wenn sie mit Hilfe von Freunden ein Haus bauten, für das sie jahrzehntelang gespart hatten.

Darum fragen sie: Haben es die "Millennials" wirklich so viel schwerer als ihre Eltern? Oder ist es doch nur einer der üblichen Generationskonflikte, wie sie die Menschheit seit jeher kennt? Nur eben in einer anderen Form, in einer neuen Form? So wie sich kein Generationenkonflikt je geglichen hat, sondern immer neue Herausforderungen stellte?

Die Qualität freilich ist wohl eine andere in diesem Konflikt zwischen den "Millennials" und den "Boomern", der nun für Schlagzeilen sorgt. Und auch die Herausforderungen sind andere. Aber das war wohl immer so. Herausforderungen hat es immer gegeben. Wichtiger ist wohl, sie ernst zu nehmen.

Und da gibt es freilich Nachholbedarf. Der "Megatrend Demografie", wie es Sustala nennt, und seine Folgen für das Verhältnis der Generationen zueinander, für das Pensions- aber auch für das Gesundheits- und Sozialsystem werden von der Politik ausgeblendet und auf die lange Bank geschoben. Man will nicht hinschauen. Auch nicht die türkis-grüne Koalition. Und auch kaum eine andere Regierung auf der Welt. Das ist das eigentliche Problem.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Februar 2020
 
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